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Der Spiegel der Erleuchtung

Wenn die Inder von der Göttin Durgha sprechen, dann nur mit der höchsten Verehrung. Sie verkörpert die Vollkommenheit, das absolute Wissen, die höchste Weisheit. Es heißt, sie habe unendlich Shakti, also unendliche Macht. Allein ihr Blick würde jeden Suchenden vernichten, würde sie in Menschengestalt unter uns wandeln.

Um in ihr Antlitz zu schauen, kennt man seit Urzeiten in Indien den Brauch eines ganz besonderen Spiegels, der nur von wenigen auf sehr komplizierte Weise hergestellt werden darf und den man im Allerheiligsten im Tempel aufbewahrt. In einem traditionellen Verfahren und in einem genau festgelegten Ritual, für das man zuvor die Sterne befragt hat, wird eine Legierung aus Kupfer, Silber, Gold, Zinn und Zink erzeugt. Ordnet man die Metalle den Planeten zu, dann ist es eine Mischung aus Venus, Mond, Sonne, Jupiter und Merkur2, das sind die »glückverheißenden« Planeten. Nur Mars und Saturn fehlen scheinbar; den Mars finden wir jedoch im Feuer und im Schmelzprozess, und den Saturn im Ritus selbst, der als die höchste Form der Verehrung gilt. Alle Götter sind also anwesend, wenn der Alchemist die Form herstellt und die Legierung hineingießt.

Die Spiegelmonstranz, die an einen menschlichen Körper erinnert, ist ein augenloses magisches Objekt. Durch ein Weiheritual erhält es Augen und Seherkraft. Schaut der Gläubige nun bei der Anbetung in den Spiegel, kann er in seiner Selbstbetrachtung die Göttin schauen und dabei in sich hineinsehen und seine eigene göttliche Identität als formlose Natur jenseits des Materiellen wahrnehmen.3


Die höchste Göttin als Spiegelidol. Der Spiegel besteht aus Kupfer, Silber, Gold, Zinn und Zink. Wer in Verehrung hineinschaut, sieht seine göttliche Natur. (Spiegelidol, Indien, Kerala)


1 Gold auf einem amethystischen und smaragdischen Quarz, 2 dendritisches Silber, 3 Baumsilber, 4 Kupfererz, mit Berggrün überzogen, 5 blaues Kupfer: Lasurkupfer, 6 Malachit – Schreckstein!, 7, 8, 9 Zinn: 7 Zwitterstufe, 8 Zinngraupe, 9 Zinnsand, kommt nur vererzt vor, nicht gediegen.


1 Blei, immer vererzt, Bleiglanz, 2, 3, 4 Eisen: 2 Brauneisenerz, 3 körniges Eisenerz, 4 Blutstein, Hämatit, 5 und 6 Quecksilber: 5 Jungfern-Quecksilber, 6 Zinnober, 7 Wismut, dem Zinn ähnlich, 8 Antimon, Spießglanz. »Das Eisen ist das nützlichste und unentbehrlichste von allen Metallen, und die Natur hat dem Menschen damit ein sehr wichtiges Geschenk gemacht. Eisen ist nützlicher und unentbehrlicher als Gold und Silber, denn ohne Eisen hätten unsere Künstler und Handwerker keine Instrumente und Maschinen, und wir müssten noch als Wilde leben. Als Metall, als Farbe, als Arzney ist uns das Eisen nützlich (…). Eisentheilchen findet man mit den Bestandteilen fast aller Körper vermischt, ja sogar unser Blut enthält Eisen.«

(Aus: Friedrich Justin Bertuch, Bilderbuch für Kinder, um 1800)

2 Paracelsus ordnet Zink der Venus zu; heute wird es auch Merkur und Uranus zugeordnet.

3 Vgl. Museum Rietberg, S. 125: Harsha Vinay; Spiegel in der indischen Kultur und Kunst

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