Читать книгу Zwischen meinen Inseln - Ole R. Börgdahl - Страница 116
Brisbane, 15. Dezember 1913
ОглавлениеIch frage mich, wann ich Vater den Rougon-Macquart-Zyklus geschenkt habe. War es im letzten oder im vorletzten Jahr. Egal, wir haben am dritten Advent wenigstens auch mit dem dritten Band begonnen, »Der Bauch von Paris«. Über Weihnachten wollen wir es ganz durchlesen. Es bleiben dann noch siebzehn Bände. Ich habe es überschlagen, fast sechstausend Seiten, sechstausend. Vielleicht inseriere ich auch und biete den Zola zum Verkauf an, dann sind wir nicht mehr in der Not. Dies ist natürlich nicht mein Ernst, denn Vater hat mir versprochen, dass wir es noch schaffen werden, alles zu lesen. Der zweite Roman, den wir eben zu Ende gelesen haben, spielt nicht mehr in der Provinz, sondern in Paris, was mich natürlich anfangs sehr interessiert hat. Es wurde allerdings nicht viel über Paris berichtet, nur über das Abreißen ganzer Straßenzüge, über die Zerstörung des alten Paris. Vater wusste, dass Paris unter Napoleon III. ein neues Gesicht bekommen hat, dass es eine neue Ordnung der Arrondissements gab, eine Ordnung, die noch heute Bestand hat. Es nützt mir nichts, ich kenne Paris nicht, ich kann nicht vergleichen. Vater allerdings auch nicht, aber er weiß wenigstens, wie dieses neue Paris aussieht. Was gibt es sonst noch über das Buch zu sagen. Ach ja, Vater und ich haben uns gefragt, was dieses Tahiti-Kostüm sein sollte, ein Baströckchen? Das ist doch nur Zolas Fantasie. Die Missionare haben die Frauen auf Tahiti doch längst in höchstsittliche Kleider verpackt. Der zweite Zola ist auch wieder eine Liebesgeschichte, nicht so rein und unschuldig wie zwischen Miette und Silvère, aber es ist eine Liebesgeschichte, bei der diesmal nur die weibliche Heldin stirbt. Ihr Tod ist zwar nicht so dramatisch wie der Miettes, aber in den letzten Zeilen des Romans wird dem Leser ihr Tod mitgeteilt. Überhaupt sterben bei Zola immer die Frauen, die Ehefrauen und die Geliebten. Durch den Tod aber, bleiben oder werden diese Frauen erst unschuldig, so sehe ich es. Ich fand den zweiten Zola nicht so gut wie den Ersten. Diese ganzen Intrigen, das Jonglieren mit Geld, die Dekadenz der Neureichen, der Emporkömmlinge und der Günstlinge des Zweiten Kaiserreichs, haben mich vielleicht interessiert, aber nicht begeistert. Ich trauere eben immer noch um Miette und Silvère, über die ich gerne weitergelesen hätte.