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Buch 1 Heroes vs. Wizards

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Welcher Autor könnte schon sein erstes Buch vergessen? Ich meine sein allererstes Buch, das er veröffentlicht und im Regal einer Buchhandlung betrachtet hat? Ich kenne einige wenige, die sich tatsächlich nicht mehr daran erinnern können. Oftmals alte Männer mit einem Bart, der ungepflegt bis zu deren Bauchnabel reicht. Nun ich glaube, ich werde bis zum Ende meiner Tage mein allererstes Buch, welches ich selbst und ohne Hilfe eines Agenten oder eines Verlegers veröffentlicht habe, immer in meinem Herzen tragen. Entweder als besonderen Schatz oder als größten Fluch. Ich spreche von meinem Triumph, dem Bestseller Heroes vs. Wizards.

Es war ein simples Buch, einfach, aber doch genial. Ein Erfolg. Die Geschichte war einfach gestrickt und wer den Titel gelesen hatte, wusste bereits, worum es in dem Roman ging. Es handelte von einer Schlacht zwischen Helden und Zauberern. Dieses verdammte Buch habe ich viermal begonnen und dreimal beendet, ehe es meinen Anforderungen gereicht hat. Um ehrlich zu sein, war ich an jenem Tag sternhagelvoll, als ich es auf einem Online-Buchforum veröffentlicht hatte. Ich wollte es keinem schmierigen Agenten oder hinterhältigen Verlag übergeben, vor allem nicht, nachdem es bereits von sieben Verlagen und fünf Agenten abgelehnt worden war.

Zunächst passierte nichts oder nicht viel. Die Verkaufszahlen waren relativ gering. In den ersten Tagen verkaufte ich gelegentlich zwei, vielleicht auch drei Bücher. Aber dann kam die wunderbare Zeit von Halloween bis Weihnachten. Unzählige junge Nerds und Fantasiebegeisterte wollten ein neues, fantastisches Buch haben, in welchem es Action und keine unnötigen Romanzen gab. Und somit gingen die Verkaufszahlen gegen Ende Oktober durch die Decke.

Endlich kannte die Welt meinen Namen und den meines Buches. Die Menschen wollten mehr und nach und nach veröffentlichten einige wenige Leute mein Buch sogar auf ihren Social-Media-Accounts oder erwähnten es in einem ihrer zahl- und sinnlosen Vlog-Videos. Doch es funktionierte. Der nächste große Knall war zu Weihnachten, als eine Schar von Eltern, Verliebten mit einem lesebegeisterten Partner und einsame Singles mein Buch kauften. Bereits Ende Dezember war es auf Platz eins der Verkaufscharts und wurde offiziell zum Bestseller erklärt.

Doch kaum war dieser Begriff wie ein rohes, blutiges Stück Fleisch in der Wildnis ausgeworfen, so kamen schon die Geier herbeigeflogen.

Ich hätte nie in meinem ganzen Leben gedacht, dass ich jemals wieder etwas von Doorman Literature oder Todd Andrews Agency hören würde, aber ich tat es. Bettelnd und lechzend nach dem Erfolg und das Geld, das ich eingebracht und verdient hatte, flehten sie mich um eine zweite Chance an. Nicht mehr und nicht weniger. Sie waren sogar bereit, mich großzügig zu bezahlen, und schlugen mir sogar zahlreiche Prozente und Beteiligungen vor. Manche Angebote klangen sogar wie Musik in meinen Ohren. Ich meine, wer könnte schon zu einer Anzahlung von zwanzigtausend Dollar Nein sagen?

Wie sich herausstellen sollte: ich.

Ich hielt sie lange genug hin, heuchelte ihnen mein Interesse vor, ließ mich zum Dinner in edle Restaurants ausführen und mich mit Geschenken bestechen. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich als einer von diesen edlen Prostituierten. Und ich muss ehrlich gestehen, dass es sich gut angefühlt hatte.

Doch nach Tagen der Entspannung und des Gefühls, wie ein König behandelt zu werden, beschloss ich, ihren armseligen Leben ein Ende zu bereiten.

Ich sagte den Geschäftsführern von Doorman, Mr. Ryan Prawley und Mr. Todd Andrews, dass sie von mir hören würden und dass sie ein genaues Auge auf ihre Post haben sollten.

Ich kann mir die Szene heute noch vorstellen und lache jedes Mal aus ganzem Herzen. Sie erhalten einen dicken Umschlag mit der Aufschrift DRINGEND. Es fühlt sich schwer an. Ein großer Briefumschlag gefüllt mit Papier. Sie halten den Erfolg in ihren Händen und rufen vielleicht sogar ihre treuesten Handlanger zusammen, um sich bejubeln zu lassen. Der nächste große Fisch, der freiwillig zur Sushibar schwimmt, ist geangelt. Sie öffnen den Brief, nehmen den Stapel Papier heraus. Die erste Seite trägt den Titel Manuskript – Heroes vs. Wizards. Sie entfernen diese erste Seite und wollen ihre Nase in den wohltuenden Duft von frischem Papier (oder auch Geldscheinen) drücken. Doch dann erkennen sie, dass alle weiteren Seiten Bilder von meinem nackten Hintern sind mit der Aufschrift:

Danke für den guten Sex. Hier ist dein Wechselgeld.

Die zahllosen Seiten bedruckten Papiers fallen zu Boden und vor Wut kochend stürmen sie zum Telefon, um mir wutentbrannt ihre Drohungen und Empörungen aufs Auge zu drücken.

Als ich gelassen das Telefon abgehoben hatte, rauchte ich gemütlich eine Zigarette, die in meiner geliebten schwarzen Zigarettenspitze mit Ornamentmuster steckte, und an meiner Seite befand sich stets ein kleines Gläschen Rum. Als sie mich übers Telefon anbrüllten, hielt ich lächelnd meinen Vertrag mit einem kleinen, winzig kleinen Verlag in den Händen: Roses and Ink. Sie hatten mir kein Geld angeboten, keinen einzigen Penny. Sie haben mir nur versprochen, mich an dem Gewinn zu beteiligen. Obwohl ich ihnen mein Manuskript nur aus Trotz angeboten hatte, wusste ich nicht, dass ich dabei auf eine geheime Goldader gestoßen war. Dieser kleine, unscheinbare Verlag hatte Kontakte zu allen möglichen Veranstaltern und Bekanntschaften in einigen wenigen, kleinen Independent-Filmproduktionsunternehmen. Sie sollten mein Buch an die Leute bringen, die wirklich lesen und es nicht nur als Staubfänger und Trophäe in die Vitrine stellen, um bei fremden Gästen den Anschein zu erwecken, dass sie überhaupt etwas anderes lesen würden außer Kommentare und Bewertungen aus dem Internet.

Doch sicher fragen Sie sich, wieso ich mich gegen Prawley und Andrews gestellt habe.

Es lag nicht etwa daran, dass sie mein Manuskript abgelehnt hatten, daran war ich gewöhnt. Sondern es war die Art wie.

Sie werden mit so einem Mist nie ein erfolgreicher Autor. – Wollen Sie Ihre Karriere vielleicht nicht doch überdenken? – Fangen Sie lieber etwas Sinnvolles mit Ihrem Leben an, anstatt die Welt der Literatur mit Ihrem Werk zu besudeln. – So etwas Grässliches habe ich noch nie zuvor gelesen.

Ein einfaches Nein hätte seinen Zweck völlig erfüllt und auch wenn es nie den Eindruck gemacht hat, ich kann Kritik bis zu einem gewissen Punkt einstecken. Aber als ich die Zeilen ihrer Beleidigungen las, sah ich nur zwei reiche Protze mit Penissen kleiner als Erdnüsse vor mir sitzen, die auf ambitionierte junge Träumer wie mich herabblickten. Sie suchten nicht etwa nach potenziellen, erfolgreichen und talentierten Autoren, sondern nach dicken Fischen und goldenen Gänsen, die sie ausnehmen und verspeisen konnten, sobald sie kein Geld mehr einbrachten.

Die Geschäftsleiterin von Roses and Ink., Miss Wendy Almond, war eine reizende Frau mit dicken Brillengläsern und einem freundlichen und zarten Wesen. Sie behandelte ihre Mitarbeiter mit Respekt und erhielt sich all ihre guten Eigenschaften, selbst nachdem sie mein Buch veröffentlicht hatte und somit mehrere tausend Dollar jeden Monat einnahm.

Heroes vs. Wizards wurde zum neuen Hit in der Literaturbranche. Bald schon waren alle Regale in jeder Buchhandlung und in jedem Supermarkt mit meiner Geschichte über den Krieg zwischen zwei verfeindeten Seiten voll. Der Held der Geschichte, Marcus French, und seine Verbündeten wurden zu den neuen Protagonisten, zu denen jedes Kind aufblickte. Bald schon verkleideten sich Kinder zu Halloween als Helden und Zauberer aus meinem Roman. Selbst der Antagonist der Story, Razor, wurde zu einer Legende und die Schlacht in seiner Heimatstadt Cherryhome zu einem gefeierten Höhepunkt.

Der wahre Schock ereilte mich allerdings erst dann, als eine Filmproduktionsfirma die Rechte an meinem Buch kaufen wollte. Ich war skeptisch, immerhin hatte ich kein Vertrauen in gierige Geschäftsleute, aber diese krochen mir von Anfang an in den Hintern und hatten nicht ein einziges schlechtes Wort über mein Buch geäußert. Kein einziges. Ich wusste, dass sie geldgeile Hunde waren, aber da sie sich alle Mühe gaben, mir zu imponieren, stieg ich auf ihren Paarungstanz ein und unterzeichnete den Vertrag. Der Deal: sofortiger Verkauf der Filmrechte für eine Million Dollar und anschließend eine Beteiligung an den Einnahmen (zwei Prozent).

Unwissentlich hatte ich so die Tür zu einer völlig neuen Welt aufgestoßen: Hollywood.

Aber im ersten Moment war mein Gedanke, dass ich meine Geschichte, meine eigene erfundene Geschichte, die ich verehrte und pflegte wie ein Kind, auf der großen Leinwand sehen würde. Ich wusste, dass ich mich am großen Abend der Premiere wie ein Vater fühlen würde, der sein Kind stolz bei seiner ersten Schulaufführung beobachtete.

Ein Jahr später.

Der Abend der Premiere

Der erste Schritt, den ich Richtung Wahnsinn tat, war jener Abend, als ich mein eigenes Werk auf der großen Leinwand sah. Prominente mit großen und bedeutenden Namen spielten meine erfundenen Charaktere, Mosaikstücke meiner Fantasie. Zweieinhalb Stunden dauerte der Film und nach einer Stunde und fünfzig Minuten setzte ich mich an die Bar des Kinos und bestellte mir zwei Gläser Rum und eine Packung Zigaretten.

Alles, was ich mir erhofft hatte, alles, was ich in meinem Kopf erarbeitet hatte, jedes bisschen Leben, das ich in meine Charaktere gelegt hatte, war zerstört. Sie hatten aus Marcus French einen feigen Helden gemacht, der sich im Schatten seines Vaters versteckt. Außerdem hatten sie eine romantische Beziehung zwischen Marcus und seiner besten Freundin, Truma Seymour, eingebaut und Marcus‘ Mutter, Sheila French, fehlte beinahe völlig in dem Film. Selbst Razors Boshaftigkeit hatten sie nicht geschafft einzufangen.

Als sich die Schauspieler, Produzenten und Regisseure im Licht der Kameras badeten, beschloss ich, mich davonzuschleichen. Mein Gesicht sollte nicht mit diesem Schund in Verbindung gebracht werden, es war hart genug, dass mein Name daruntergeschrieben stand.

Es hatte aber auch in einer gewissen Art und Weise einen Vorteil. Auch wenn ich diesen zunächst nicht erkannte. Immerhin kannte jetzt ein Großteil der Welt meinen Namen. Menschen würden nun jedes meiner Werke lesen und die Filmindustrie würde aus ihnen sofort billige oder obszöne Filme machen. Immerhin lag das Einspielergebnis meiner Helden- und Zauberergeschichte bei mehr als siebenhundert Millionen Dollar. Eine Kuh, die Hollywood einfach melken musste.

Aber nicht nur Ruhm und Reichtum zählte ich zu den vielen Vorteilen, auch das Element der Rache und der Gerechtigkeit fiel unter meine Fittiche. Ich spürte, wie ich vor der Tür stand, die mich vor dem dunklen und verborgenen Pfad des Wahnsinns trennte. Würde ich bereit sein, diesen Weg zu gehen und Orte in meinem tiefsten Gedanken entdecken, die ich bis jetzt verborgen hielt? War es mir das wert, nur um meine Gerechtigkeit durchzusetzen?

Ja, das war es.

Ich hatte Ideen, viele, viele Ideen und ich hatte viele Feinde oder zumindest Menschen, die es einfach nicht lassen konnten und mir bei jeder sich ergebenden Gelegenheit auf meinen Nerven herumtrampelten. Wissentlich oder unwissentlich.

Ich wusste schon, wie ich etwas verkaufen musste, und ich wusste auch, mit welchen Themen ich die Menschen da draußen erreichen würde.

Dachten Sie ehrlich, Heroes vs. Wizards wäre der Originaltitel meines Romans gewesen? Nein. Der ursprüngliche Titel war The eldest of all Wars – der älteste aller Kriege, aber der würde sich nicht verkaufen. Das klinge zu sehr nach Geschichte.

Ich weiß nicht, was mich damals geritten oder welcher tiefe Drang oder welche Verzweiflung mich gepackt hatte, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass mein erstes Buch, meine allererste Schöpfung, nur ein Mittel zum Zweck war. Der Rammbock, der das Tor zur großen, weiten Welt aufstoßen sollte.

Oliver

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