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Kapitel 1 Entfessle deine Kraft
ОглавлениеWer war nicht bereits an diesem Punkt in seinem Leben: „Ich hab kein Bock mehr auf den ganzen Scheiß. Mich nervt alles, es ist so unnatürlich, hier zu sein, für was renn ich eigentlich in die Arbeit. Immer wieder werde ich verlassen, keiner liebt mich wirklich, ist doch immer dasselbe. Immer nur Deppen, die mir weh tun, dabei bin ich doch so ein liebevoller Mensch. Ein Fremder auf diesem Planeten. Ich kann nicht mehr!“
Es geht schon wieder los, ich sitze in meinem Zimmer auf dem Stuhl, alles wiegt schwer, dann wird es bedeutungslos. Wut und Hass erfüllen mich, aber auch Trauer, weil niemand da ist, der mich festhält. Meine Gedanken kreisen, ich versetze mich bewusst in den Zustand des absoluten Schmerzes, leide mit mir selbst, kann und will nicht reden. Ich vergrabe mich in meiner kalten Hölle, die im Verborgenen liegt, sodass mich niemand findet. Selbst wenn sie jemand entdeckte, fielen meine Tränen bei all dem feuchten Gestein, dessen Tropfen meine Haut benetzen, nicht auf.
Ich flüchte mich in eine andere Realität, bin benebelt von Rausch- und Suchtmitteln, die mich dem Druck entfliehen lassen, bis sich alles wiederholt und mich nichts mehr von der Leere in mir ablenkt. Ich fühle Trauer, ein tiefes Gefühl der Sinnlosigkeit breitet sich in meinem Bauch aus.
Zum nächsten Schritt, dem hin zum Abgrund, kam es nie. Ich bin nie gesprungen, aber bin dennoch gestorben. Mein Schmerz war das Transportmittel in die Freiheit. Das erkenne ich heute klar, und ich bin ihm dankbar. Mein damaliges Ich musste sterben, damit ich mich aus dem Sumpf des Alten befreien und wie neugeboren sein konnte.
Damals wog alles so schwer. Mein Geist hatte nichts, an dem er sich festhalten konnte, keine Orientierung. Aber ein Mensch braucht im Inneren klare Antworten auf seine Fragen – oder die Waage des Lebens neigt sich in die falsche Richtung. Heute blicke ich zurück und das Vergangene erscheint mir wie ein Traum, wie eine Schauergeschichte, die ich erzähle und die mit mir nichts mehr zu tun hat. Ich habe keinen Zugang mehr zu den Emotionen, die mich damals vereinnahmten und lähmten. Dies verdeutlicht mir, wie vergänglich alles ist und wie unbedeutend Gedanken und das Klammern an einen Schmerz sein können.
Ich hätte mir damals nie erträumt, dass ich heute dort stehe, wo ich jetzt bin. Nie hätte ich geglaubt, die Stärke zu haben, alles zu meistern.
Ich möchte dich gern an deine Stärke erinnern. Du brauchst niemanden, der dich hält, keinen Zuspruch, keine Liebe von außen. Das, was wahrhaft befreiend wirkt, ist, dass du dich wieder selbst spürst.
„Sich selbst spüren, was bedeutet das genau?“
Sich selbst zu spüren bedeutet, seine innere Stimme nicht mehr zu ignorieren und alles daran zu setzen, auszuleben, was in einem ist, koste es, was es wolle – auch wenn man sich von Freunden, Verwandten, Arbeit oder Wohnort lösen muss. Auch wenn man das gehen lassen muss, was sich falsch anfühlt, um in einem neuen Umfeld gedeihen zu können. Keine halben Sachen, keine Kompromisse, nie mehr das eigene Herz verraten.
Jedes Gefühl, jeder Gedanke, das komplette Zusammenspiel, das dich in deinen aktuellen Zustand versetzt, zeigt dir, wie wunderschön du bist und dass du dies endlich erkennen sollst. Denn die gekappte Verbindung zu unserem wahren Selbst ist das Resultat unserer Erfahrungen. Jene Erfahrungen, die wir im Außen gemacht haben: Ablehnung, Verletzungen, traumatische Erlebnisse. Sie alle haben uns beeinflusst, aber nun gilt es, sich wieder zu spüren. Sobald wir die Verbindung zu uns wieder aufnehmen, wird sie alle unsere Fragen beantworten. Dieser Prozess ist steinig und voller Hürden – dennoch ist er nötig.
Mir ist noch kein starker Mensch begegnet, der ohne harte Vergangenheit ist. Doch jeder Schritt, der dich auf deine eigenen Pfade führt, ist bedeutend. Künftig wird er dir den Weg ebnen.
Ich möchte dich nicht belügen und dir sagen, das alles gut wird, gar, dass alles immer schön und schmerzfrei bleibt. Das Leben ist ein Auf und Ab, es hält Überraschungen für uns bereit, auf die wir nicht gefasst sein können. Doch wir können lernen, keinen Widerstand gegenüber dem, was ist, zu leisten, stets unser Bestes zu geben und das Leben in Demut anzunehmen.
Liebe, Kraft, Vertrauen, Dankbarkeit – all das sind schöpferische Kräfte, die in uns wohnen. Sie warten nur darauf, dass wir sie aktivieren. Wir sollen gesehen werden und aus der Abhängigkeit herauskommen, die uns eingebläut wurde. Wir wollen ein selbstbestimmtes Leben führen, das wir ohne Kompromisse und voller Überzeugung bereit sind, zu verwirklichen.