Читать книгу Der bekiffte Boxer beim Erstrundengong - Oliver Schulz - Страница 6
4
ОглавлениеAnna war der Grund, warum sich Marc mächtige Feinde schuf und dies alles geschah kurz vor Ende seiner Schulzeit bei Marcs Freund Sönke Schneemann, der neben Pete der zweite wichtige Freund und Begleiter von Marcs Schicksal war.
Sönke war ein blasser Junge mit dünnem blonden Haar und trug den Vornamen seines Vaters, was wahrlich kein feiner Zug seines Erzeugers gewesen war.
Sönke Schneemann Jr. - deutlich prangte das übergroße Vorbild des Vaters aus Sönkes Namen hervor und Marcs Freund war in gewisser Weise anders als alle anderen geraten. Äußerlich war Sönke eher unscheinbar, immer etwas kleiner und schmächtiger im Wuchs, modisch uninteressiert und seinem Wesen nach schüchtern.
Auffällig hingegen waren seine Aktionen, die ihn in der Schule populär werden ließen und die mit seinem Hobby zu tun hatten. Sönke liebte die Chemie und baute Bomben.
Die eine Bombe war Sönke einmal zu groß geraten. Sie hatte den halben Fußballplatz eines ansässigen Sportvereines in die Luft gesprengt, Sönke einen Trommelfellriss und das halbe linke Ohr gekostet sowie ein Feuer im angrenzenden Vereinsheim entfacht.
„Kawuuummm hat es gemacht und alles flog in die Luft! Es war gewaltig! Ich hätte nie gedacht, dass es so rumst!“
Sönkes Augen blitzten noch Jahre nach der Explosion voller Lust und Stolz über die enorme Sprengkraft seiner Bombe.
Seinen chemikalischen Höhepunkt lieferte er nach Meinung von Marc und Pete eines Tages im Chemieunterricht. Während alle anderen in Gruppenversuchen mehr oder weniger lustlos den Rätseln verschiedener Stoffverbindungen auf die Spur zu kommen gedachten, versuchte sich Sönke im Hintergrund an komplizierteren Giftexperimenten in der Nähe der Abzugshaube, um diese, wie er später sagte, im Notfall benutzen zu können.
„Ich habe zu Hause keine Abzugshaube. Das Gerät an der Schule war viel besser. Außerdem habe ich nie im Leben an eine Verpuffung geglaubt,“ kommentierte er später schlicht seine Rolle am Feuerwehreinsatz.
Marc erinnerte sich noch an einen dumpfen Knall, dann sah er seinen Freund Schneemann mit einem dampfenden Reagenzglas in der Hand geduckt zur Abzugshaube rennen. Dabei hielt er sich einen Pullover schützend vor Mund und Nase. Der Lehrer, dessen Augen bis dahin schläfrig zwischen Schülern und Fensterfront hin- und hergewandert waren, und der Sönkes umtriebige Versuche nicht wahrgenommen hatte, sprang überrascht auf.
„Sönke - wohin?! Der Abzug funktioniert zur Zeit nicht,“ formulierte er erstaunt und in Unkenntnis der Gefahren, die von Schneemanns Versuch ausgingen.
„Scheiße!“ Sönke raste zur Fensterfront, riss das Größte auf und platzierte das rauchende Glasröhrchen davor. Dann brüllte er die Klasse an:
„Seenfgaas! Senfgas! Alles raus hier!“
Irgend jemand drückte beim Sturm auf den Schulhof den Notalarmknopf, so dass in kürzester Zeit die gesamte Schule den Pausenhof überfüllte und mit lustigen Kommentaren den Giftgaseinsatz der Feuerwehr garnierte. Pete und Marc klopften
dem unglücklich dreinblickenden Schneemann anerkennend auf die Schulter - Rest des Tages schulfrei - doch diesem gelang nur ein getrübtes Lächeln.
Sönke kam mit einer Abmahnung der Schulleitung davon. Sein Vater, Unternehmer, einflussreicher Bauherr und konservatives Mitglied des Stadtrates, bezahlte der Schule ein modernes Entlüftungssystem und zeigte sich als Gönner des Schulvereines spendabel.
Aber abgesehen von diesen gewaltigen Demonstrationen seiner Experimentierkünste war Sönke ein so stiller wie unauffälliger Zeitgenosse. Er war bei allen wichtigen Aktionen dabei, ohne dass es auffiel. Er schwieg, wenn die anderen redeten, gab sein nettes Kinderkichern von sich, wenn sie lachten und schien ansonsten in seiner verschrobenen Versuchswelt aus Chemiestoffen und Science Fiction- Romanen abgetaucht. Marc mochte Schneemann trotz seines wunderlichen Wesens, gleichzeitig tat er ihm wegen seines Außenseiterdaseins leid.
Kurz nach den schriftlichen Abiturarbeiten bat Sönke an einem Freitagnachmittag Marc und Pete zu sich nach Hause. Seine Eltern waren verreist, würden aller Voraussicht nach erst am Sonnabendabend von einer kürzeren Geschäftsreise des Vaters zurückkehren und so begann das, was man später problemlos als den Sturm des Schneemanschen Anwesens bezeichnen konnte, gegen drei Uhr nachmittags.
Aus Petes Rucksack klimperten diverse Biere, Marc hatte das umfassende Weinsortiment seiner Oma geleert. Er hatte dabei die exklusivsten Flaschen mitgehen lassen. Das Beste schien ihm gut genug im Hinblick auf die verdrießliche Oma. Er nutzte jeden Wirkungstreffer, den er seiner Großmutter verpassen konnte.
Und so war es das erste Mal, dass die Freunde das innere Heiligtum des luxuriösen Zweifamilien-Klinkerbaus frequentierten und es sollte das letzte Mal bleiben. Nachdem Marc und Pete den pompösen Hauseingang mit den griechischen Gipslöwen erfolgreich passiert und den Kitsch entsprechend kommentiert hatten, geleitete sie Sönke an großzügig und teuer eingerichteten Räumen vorbei in sein Gemach. Die Zimmer der Eltern verhießen exklusive Funktionalität, zeugten aber von einem Leben ohne Gemütlichkeit. Die nüchternen, schwarzen Ledergarnituren kontrastiert von den hellen Mamorfliesen, die Sönkes Eltern bevorzugten, versprühten den eisigen Hauch von Reichtum, ohne größere Reminiszenzen an Geborgenheit und Wärme zu berücksichtigen.
Sönkes kleines Reich, ein schmales Zimmer von maximal drei mal fünf Quadratmetern Ausmaß, unterstrich seine Vorliebe für Weltraumabenteuer. Ein schmales Fenster in der Ecke über seinem Bett warf Licht durch die Jalousien auf „Krieg der Sterne“-, „Star Treck“- und „Wüstenplanetposter“. Eine ganze Wand neben dem Schreibtisch war Spock, dem vulkanischen Spitzohr der Raumschiff Enterprise-Crew gewidmet.
Schneemann beobachtete verlegen, wie Marc die zahlreichen Spock-Postkarten musterte und lüftete sein Haar über dem linken, explosionsgeschädigten Ohr.
„Ich bin halber Vulkanier - wir sind praktisch miteinander verwandt,“ murmelte er und zeigte auf Spock. Pete pfiff im Hintergrund anerkennend, als er die immense Ansammlung von Science-Fiction-Romanen in Schlemmers Bücherregal entdeckte.
„Hast du die etwa alle gelesen, Schneemann?“
Sönke nickte eifrig.
„Manche zweimal.“
Pete betrachtete nachdenklich das Zimmer.
„Warum haben dich deine Eltern in so einen kleinen Raum gepfercht? Ihr habt doch ein ganzes Haus!“
Sönke betrachtete Pete verwundert.
„ Es ist nur, weil...ich fühl mich hier wohl. Ich brauche nicht mehr Platz....es reicht mir und ich will nichts anderes.“
Nach einer Pause fragte er: „Wollt ihr noch den Keller sehen? Wir haben da unten noch ´ne Sauna und ´nen Pool.“
Ab diesem Moment lief Pete warm. „Und das sagst du erst jetzt, Schneemann?!“
Eine künstliche Palme und diverse Grünpflanzen verschönerten den geräumigen Ruheraum, in dem gedämpftes Dämmerlicht auf angenehmste Art die blau-weiß gestreiften Liegestühle beleuchtete. Von diesem Raum aus geleitete Schneemann die beiden Freunde zwischen einen Durchbruch auf der rechten Seite zu einer generösen Halle, in deren Mittelpunkt der Swimmingpool Badefreuden versprach. Eine sich schräg zum Garten neigende Fensterfront tauchte das Becken in helles Tageslicht, ohne dass ein Außenstehender einen Blick auf den Anbau hätte werfen können. Zurück im Ruheraum wandten sich die drei Freunde zur zweiten Tür auf der linken Seite. Sie führte in den Vorraum einer Saunakammer, in der neben diversen Handtuch- und Kosmetikregalen eine komplette Stereoanlage thronte, die die Lautsprecher im Ruheraum mit Musik versorgte.
Eine weitere Wand trennte die Saunakammer vom Duschraum. Der Architekt der Familie hatte im Keller erlesene Großzügigkeit walten lassen. Alle Räume waren hell gefliest, der Aufenthaltsraum mit einem flauschigen Teppich barfußfreundlich bedeckt.
„Wahnsinn, Sönke,“ erregte sich Pete. „So was Geiles - gehst du hier häufig schwimmen?“
Der schüttelte flüchtig den Kopf.
„Ich schwimme nicht gern und Sauna vertrage ich nicht.“
Pete fasste Sönke energisch an der Schulter. Seine Augen funkelten.
„Wann, Schneemann, kommen deine Eltern zurück?!“
Nadja und Anna waren ohnehin gerade zusammen, als Pete anrief. Alexander, Dirk und Daniel versprachen später vorbeizukommen. Bodo und Lars sagten ohne Zögern zu. Und alle wurden dazu angehalten, Schluck und weitere Freunde mitzubringen.
Sönke nahm Petes Aktivitäten mit stoischer Ruhe hin. Mit der selben Gelassenheit öffnete er sich ein Bier.
„Los - lasst uns auf die Party anstoßen! Hopp und Ex,“ rief Marc.
„Deine Eltern werden gar nichts merken,“ meinte Pete.
„Es ist O.K.“, bestätigte Sönke sehr ruhig.
Diese Ruhe änderte sich jedoch nach dem zweiten Halben, den die Freunde innerhalb kürzester Zeit in Kopf und Körper gossen. Sönke gab seine Zurückhaltung auf und eine gesunde, rote Gesichtsfarbe färbte seine blasse, albinoweiße Haut. Mittlerweile hatten sich die drei im Ruheraum des Kellers behaglich eingerichtet. Pete, Sönke und Marc fläzten sich in den Liegestühlen, während sie lauthals die Flaschen klirren ließen.
„Meine Mutter sagt, ich soll mich um Freunde bemühen, soll weg vom Chemiescheiß! Auf die Chemiescheiße,“ prostete Sönke mit seinem dritten Bier zu. „Wisst ihr - ich habe noch nie eine Party gemacht. Also nie ne Richtige. Zum Kindergeburtstag waren nur Freunde da, die ich einladen durfte...manche durften mich nicht besuchen...also waren immer nur solche da, die meine Eltern eingeladen hatten!“
„Das Leben ist kein Kindergeburtstag,“ rief Marc aus.
„Das Leben ist kein Kindergeburtstag,“ wiederholten nun alle drei und stießen ein weiteres Mal auf die Freundschaft an.
Sönke war nicht wiederzuerkennen.
Als die Klingel die traute Dreisamkeit durchbrach, erhob er sich leicht schwankend und wankte in Richtung der Treppe davon.
„Voll in Ordnung, der Schneemann. Habe ich schon immer gesagt!“
Pete blinzelte Marc aus glasigen Augen zu. Der nickte.
„Er ist ein feiner Kerl. Etwas verschroben, aber O.K.!“
Bodo, Lars Susi und Marlene aus der Kursstufe betraten mit lautem Hallo den Ruheraum. Aus ihren Plastiktüten blinzelten Tütenwein und Billigmartini. Innerhalb der nächsten halben Stunde waren auch Jones, Dirk und Daniel eingetroffen, und es entwickelte sich ein reger Plausch um Freundschaft, Liebe, Zukunft, Berufspläne und Elternmacken, der durch die Zufuhr geistiger Getränke bald vehement und mit Lästerzungen geführt wurde. Marc nahm an den Gesprächen nur unkonzentriert Anteil; er erwartete voller Spannung die Ankunft Annas.
Klaus, Marc und Volker hatten noch eine Freundin sowie das Manndeckerpaar aus ihrer Fußballmannschaft mitgebracht. Die Party nahm Formen an.
„Super - kommt alle rein,“ brüllte Schneemann schon ein paar Oktaven zu laut.
Die Manndecker forderten Sönke und Pete zum Wettsaufen heraus und beim Blick in die Augen seiner Freunde wurde Marc rasch klar, dass es bei diesem Spiel keine Gewinner geben würde. Er machte beim Extrinken nicht mit. Irgend jemand war inzwischen auf die Idee gekommen, Musikkassetten zu holen und die Stereoanlage in Gang zu setzen.
„AC DC“ und „Motörhead“ eröffneten mit krachenden Gitarren den Musikreigen - Pete hatte aufgelegt. Endlich erschienen auch Anna und Nadja, die sich sofort in die Ecke setzten und begannen, Joints zu drehen. Marc ließ sich neben Anna nieder und versuchte ein Gespräch in Gang zu bringen, das sie nicht interessierte und so trollte er sich nach ein paar Zügen bald wieder zu Pete und Sönke, die mittlerweile sichtlich angeschlagen an einer Wand lehnten. Marc war unzufrieden und beobachtete Anna hilflos.
Sie wirkte anders als sonst. Diesmal schien sie Marc wie aufgedreht. Sie lachte viel und albern mit Nadja herum, scherzte mit Vorbeigehenden und war entgegen ihrer sonstigen dämmrigen Trägheit putzmunter und aufmerksam.
Marc dachte darüber nach, warum die Güter der Welt so ungleich verteilt sind. Annas braune Augen blitzten unter ihrer brünetten Haarpracht, als sie lachend den Raum durchquerte, ihre weißen Zähne lachten unternehmungslustig in die Menge und ihr gesamtes Wesen schrie an jenem Abend nach Aufmerksamkeit, die ihr nicht nur die zwei Manndecker in übergroßem Maße zuteil werden ließen. Anna hier, Anna da. Hier ein Küsschen, da ein Küsschen. Anna warf ihre Huldigungen in die einzelnen Grüppchen, umarmte mal jene, mal jenen und stand im Mittelpunkt des Geschehens.
Marc sank in seiner Schüchternheit zusammen, als er Anna erstmals so in dieser nicht gekannten Pracht erlebte. Er vermied jeden offenen Blick zu Anna und schützte sich, indem er den Anschein coolster Gleichgültigkeit wahrte. Alles in ihm sehnte sich nach ihrer Aufmerksamkeit und Zuneigung, aber alles was er zeigte war, dass er keinen Menschen bräuchte.
Inzwischen tobten die Partygäste im Rausch durch die dämmrigen Kellerräume. Die Enge, der Rauch und der Alkohol hatten Pete und Jonas soweit zur Strecke gebracht, dass sie zur Musik der „Rocky Horror Picture Show“ einen grandiosen Strip hinlegten und kreischend in den Pool sprangen. Sönke hüpfte mit wilden Pogosprüngen in voller Bekleidung hinterher und viele folgten seinem Beispiel. Ein Jauchzen und Juchzen entsprang dem überschwappenden Pool und die noch trockenen Umstehenden wurden mit lautem Hallo nassgespritzt.
Marc beobachtete das Geschehen und dachte an einen geordneten Rückzug in Richtung des Ruheraumes, als ihn zwei Arme einen heftigen Schubser in Richtung Beckenrand verpassten. Im Fallen packte er sich instinktiv den Arm, zog seinen Besitzer mit in den Pool und tauchte mit Anna im Arm aus den Wassermassen auf. Sie lachte voller Übermut, tauchte Marc unter. Der ließ verdutzt alles mit sich geschehen, fühlte sich verzaubert und gelähmt zugleich und begann dann ihren Lockungen zu folgen. Er umschwamm Anna und drückte sich in einer Ecke des Pools ganz dicht an sie heran. Lachend nahm sie ihn in ihre Arme und Marc schmiegte sich dichter an sie heran. Er genoss den Kontakt mit ihrem Körper und empfand sie nie schöner und begehrenswerter als an diesem Abend.
Anna und Marc sprachen kein Wort miteinander. Durch ihre Blicke ermutigt, streichelte Marc ihr vorsichtig den Rücken unter dem nassen T-Shirt und wurde mit zunehmender Leidenschaft frecher: Nun betastete er intensiv ihre Brüste, ihren Hintern und erwiderte voller Lust ihre neckischen Zungenküsse. Anna biss leicht in Marcs Ohr, entwand sich seinem Griff und zog sich aus dem Wasser. Verführerisch deutlich hoben sich ihre Körperkonturen unter ihrer nassen Bekleidung hervor. Anna gab Marc einen Wink, ihr zu folgen und die beiden zogen sich aus dem Trubel der Schwimmschlacht über den Ruheraum in den Saunabereich zurück, wo sie sich in die Duschkabine verdrückten. Nie zuvor hatte Marc den Busen einer Frau geküsst, geschweige denn mit einer geschlafen. Anna hingegen bestimmte Tempo, Technik und Geschehen. Nachdem sie sich bis auf ihren Slip entkleidet hatte, und Marc etwas hilflos seinen schweren, durchtränkten Pullover und das T-Shirt über seinem Körper abgestreift hatte, öffnete sie den Reißverschluss seiner Hose. Mühevoll entledigte sich Marc seiner Jeans, blieb aber in Lauerstellung seiner Unterhose erhalten.
„Solange sie den Slip nicht abstreift, entledige ich mich nicht meiner Unterhose,“ dachte er. „Wer weiß, wie weit sie wirklich gehen will?“
Anna stellte die Dusche an, warmes Wasser floss an ihren Körpern herunter und Marc drückte Anna an die Duschkabinenwand. Er küsste ihre Brust und registrierte etwas verblüfft und hilflos, wie sie ihre Hand in seine Unterhose schob und seinen steifen Penis unrhythmisch hin- und her stieß. Nach kurzem Erstaunen revanchierte er sich durch ein vorsichtiges Streicheln ihrer Schamhaare. Von dort aus rutschte sein Finger tiefer zu ihren Schamlippen. Wie automatisch tauchte er einige Male in sie ein, das heiße Wasser floss, Marc hörte Anna stöhnen, saugte sich an ihrem wirklich sehr schönen Busen fest und ergoss sich dann in allergrößter Erregung in ihrer Hand, die sie noch immer in seiner Unterhose hielt.
Viel zu früh, das wusste er gleich!
Marc ärgerte sich, denn vielleicht hatte sie noch mit ihm schlafen wollen und er sich durch seine schnelle Leidenschaft um sein erstes Erlebnis gebracht. Ratlos und ernüchtert erwartete er Annas Reaktion.
Sie verließ mit geröteten Wangen die dampfende Duschkabine.
„Zieh dich an. Wir gehen zurück zur Party.“
Sie griff nach einem Handtuch und während Marc in der Duschkabine die Spuren seines Ergusses reinigte, streifte sie ihr T-Shirt über und verließ den Saunaraum, ohne Marc eines weiteren Blickes zu würdigen.
So schnell wie sie im Rausch ihm gehört hatte, so schnell schien sie Marc mit einem Male enteilt. Ein Gefühl von Peinlichkeit und Scham verdarb ihm seinen vermeintlichen Triumph.
Verwirrt versteckte er seine nasse Unterhose hinter den Schneemannschen Duschutensilien, streifte sich die nasse Jeans über und folgte Anna in den Partyraum. Auch die anderen hatten die Badefreuden beendet, den Pool verlassen, tanzten mittlerweile oder gaben sich vehement dem Alkohol hin.
Es war unterdessen noch voller geworden. Längst schon kannte Marc nicht mehr alle Gäste. Marc tauschte seine nassen Klamotten gegen eine Jogginghose und ein Sweatshirt von Schneemann und suchte im verqualmten Raum unsicher Annas Blick. Doch diese beachtete Marc nicht mehr. Ein ums andere Mal versuchte er, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, stellte sich neben sie, versuchte einmal einen Scherz, doch sie ignorierte ihn mit bestürzender Vollkommenheit.
Marc setzte sich schlecht gelaunt zu Pete, als Egbert mit seinem Freund Falk den Raum betrat. Egbert war Schulsprecher gewesen, war zwei Jahre älter als Marc und schien Anna zu kennen. Die beiden umarmten sich zur Begrüßung, setzten ein strahlendes Lächeln auf.
Marc hatte den Rechtsanwaltssohn noch nie gemocht. Er verabscheute die Aura von cooler und arroganter Souveränität, mit der sich Egbert zu Schulzeiten umgeben hatte. Egbert wollte gesehen werden. Egbert wollte gehört werden. Er kannte notorisch alles und jeden - und das meistens besser als jeder andere Mensch auf der Welt. Er kannte die wichtigen Cocktails sowie die Türsteher der Bar und wusste, wohin man gerade zu reisen hatte, wenn man mitreden wollte.
Und nun umarmte Anna ausgerechnet Egbert Wiesener mit seinem elegant geschwungenen Seitenscheitel, den schwarz-glänzend geputzten Bommelschuhen und dem gelben Lacosteshirt mit dem hässlichen Kragen.
Egbert und Falk verströmten Überlegenheit, fanden alles langweilig und proletenhaft, was unter hundert Mark kostete und taten, als wären sie die wichtigsten Partygäste der Stadt. Marc nahm ihnen ihr Schickeriagetue nicht ab, empfand sie als kleine allerdings selbstsichere Würstchen, die sich viel zu gut mit Anna verstanden.
Er beschleunigte seinen Alkoholkonsum und lästerte mit Pete über Falk und Egbert.
„Was für Arschlöcher. Schau dir diese beiden verpissten Kanarienvögel an,“ meckerte er zusehends aggressiver. Falk, Egbert und Anna lachten zu laut und zu überschwänglich in seiner Nähe.
„Weissu was ich hier habe?“ Sönke hielt Marc in seinem Rücken stehend mit einer Hand die Augen zu und plumpste dann mit einer Flasche edlem Whisky krachend zwischen Marc und Pete zu Boden.
„Aussa Bar von meinem Vadder - nur für meine bessden Freunde!“
Mit diesen Worten umarmte er Pete und Marc und drückte ihnen einen Kuss auf die Wange.
Den hochprozentigen, teuren pure malt Scotchwhisky genossen die Freunde pur, ungekühlt und aus der Flasche und die Strafe folgte auf dem Fuß.
Sönke kippte nach mehreren kräftigen Zügen besinnungslos zur Seite, Pete erwischte ein seelisches Tief und Marcs Stimmung wechselte von Melancholie hin zu tiefer Frustration.
„Wir hätten den Schneemann da nich´ mit reinziehn dürfn´,“ klagte Pete.
Jonas hatte direkt neben den Freunden seine Zigarette im Fransenteppich zur Sauna ausgedrückt.
„Das hat der Schneemann alles nich´ verdient. Wir sind echt Schweine!“
Pete streichelte dem Schlafenden über die Haare.
Da zuckte Sönkes Magen mit einem Mal, er neigte sein Haupt und kotzte aus dem Schlaf heraus im hohen Bogen auf die Kacheln. Das dauerte ein paar Minuten.
Pete und Marc schleppten ihren speienden Klassenkameraden die Treppe hinauf an die frische Luft und legten ihn über den Gartenzaun. Dort erbrach er sich lang und satt in des Nachbars Rosenbeete.
Unten im Keller verkrümelten sich die ersten Gäste nach Sönkes Auftritt. Marc blickte auf seine Uhr, es war nach zwei. Der Keller sah aus und roch, als hätte Schneemann eine Buttersäurenbombe gezündet. Einige Grünpflanzen lagen entwurzelt neben leeren Flaschen, Saftresten und Glasscherben. Brandflecken und Dreck hatten die Teppiche verschmutzt, ein Spiegel war zerschlagen. Sönkes Erbrochenenspur wand sich unübersehbar durch das Haus. Pete stellte sich ernüchtert neben Marc.
„Sieht ja schlimm aus,“ bemerkte er.
Da gingen Anna und Egbert mit einem Mal eng schmusend an Marc vorbei in Richtung Treppe. Falks Hand lag auf ihrem Hintern.
„Das gibt Fettflecke an der Hand,“ sagte Marc laut genug zu Pete, als Egbert auf gleicher Höhe sich an Marc vorbeidrängen wollte.
Anna streifte Marc nur kurz mit einem Blick und schaute dann betont verächtlich zur Seite.
„Komm,“ sagte sie zu Egbert, doch der reagierte. Er blieb vor Marc stehen und wandte sich an seinen Popperkumpel Falk im Hintergrund.
„Hat das kleine Arschloch da eben mich gemeint?“
Marc zögerte nicht, nach Frieden stand ihm nicht sein Sinn und so drosch er Egbert ohne Vorwarnung eine satte Faust in den Magen. Der krümmte sich, war aber viel zu schnell wieder auf den Beinen, denn ein Fausthieb riss Marc zu Boden und dort erreichte ihn ein nachfolgender Tritt in die Gedärme, dass er meinte, Niere und Blinddarm donnerten ihm im Schweinsgalopp aus den Ohren heraus.
„Genug,“ brüllte Egbert zum am Boden liegenden Marc. Es war Frage und Kapitulationsangebot zugleich. Marc nickte, Egbert ließ ihn los und sofort rißss Marc explosionsartig seinen rechten Spann hoch in den Unterleib seines Gegners.
No Sports - der Tritt hatte ordentlich gesessen, jetzt krümmte sich Egbert richtig, und so konnte Marc beim Aufrichten seine Faust noch einmal ungeschützt und mit voller Kraft in Egberts Gesicht krachen lassen, bevor ihn Pete wegriss. Egberts Nase knackte entsetzlich, mit einem Mal floss überall Blut und Marc wurde schlecht. So richtig hatte er ihn nicht verletzen wollen.
Anna schrie nach einem Arzt, Egbert hielt sich stöhnend die mehrfach gebrochene Nase, Falk drohte und Pete schrie zurück. Jonas und Susi meinten, dass sie Schlägereien voll Scheiße fänden und kaum einer bemerkte, dass die Eltern von Sönke fast zeitgleich mit zwei Streifenwagen eingetroffen waren. Die Nachbarin der Schneemänner hatte sich über den Krach gewundert, dann den auf ihre Rosenbeete kotzenden Junior entdeckt und völlig verängstigt die Polizei gerufen. Und so baute sich der Stadtrat Schneemann flankiert von vier Streifenpolizisten bedrohlich vor den Schülern auf und brüllte:
„Kann mir irgend jemand erklären, was hier los ist ?“
Pete und Marc hätten gekonnt, wollten aber nicht. Es fuhren alle zur Wache.
Egbert zeigte Marc an wegen Körperverletzung, Schneemann Senior kollektiv die übriggebliebene Meute wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung.
Marc war achtzehn Jahre alt, hatte seine dritte und vierte Anzeige gleichzeitig eingesammelt und durfte diesmal alleine nach Hause, ohne dass ihn seine Mutter oder Oma von der Wache abholen mussten.
Pete und Marc radelten gemeinsam nach Hause. Die Stunden auf der Polizeiwache hatten sie ernüchtert.
„Ich haue sonst nie zu. Das war das erste Mal und eigentlich war es nur wegen dieser superblöden Zicke Anna. Weißt du, sie ist echt ne miese Schlampe.“
„Ich weiß. Hattest du vorhin etwa was mit ihr?!“
„Wir haben es in der Dusche miteinander gemacht...“.
„Willkommen im Tripperclub!“
„Naja - richtig gebumst haben wir nicht. Nur so mit den Fingern halt...sie ist voll mies!“
„Nimm es nicht persönlich. Ich weiß es von Nadja - es liegt am Kokain. Manchmal braucht Anna dann die Jagd und die Beute langweilt sie später.“
„Kokain,“ fragte Marc erstaunt und schüttelte dann enttäuscht mit dem Kopf. „Ich verstehe die Frauen trotzdem nicht!“
Sein Freund grinste.
„Kein Mann versteht sie. Aber das ist der Reiz!“
Marc dachte nach, schüttelte noch einmal mit dem Kopf und beschloss mit der Liebe zynischer umzugehen.
Mit einem schlechten Gewissen Sönke gegenüber fuhren Pete und Marc am Montagmorgen in die Schule, aber der empfing sie trotz rot geschwollener Wangen freudestrahlend.
„Es war trotz allem gut, oder?! Wisst ihr: Meinem Vater werde ich es ohnehin nie recht machen können. Schade nur, dass ich die Schlägerei verpasst habe!“
Marc umarmte Sönke spontan.
„Hat dein Vater dich vermöbelt,“ fragte Pete mitfühlend.
Schneemann fuhr sich mit seiner Hand über die geschwollenen Wangen und grinste:
„Sieht man es?! Es war das letzte Mal! Ein paar Maulschellen. Das Leben ist halt kein Kindergeburtstag!“