Читать книгу Hör nie auf zu träumen - Olivia Newton-John - Страница 9

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If a ship of dreams bid me come,

would I board it?

Ich bin ein junges Mädchen und laufe über den Rasen meiner Schule, des Ormond College im australischen Melbourne, nach Hause. Meinen Lauf begleitet die Musik der Natur. Die Vögel bringen mir ein Ständchen – Kookaburras, Papageien, Krähen und die Elstern mit ihren großen Flügeln und unheimlichen Schnäbeln, die sich in den Bäumen verbergen. Ach, diese Elstern! Manchmal musste ich meinen kleinen blonden Kopf mit meinen Schulbüchern bedecken, wenn diese großen schwarz-weißen Vögel auf mich herabstießen. Ich habe immer noch den Klang des kräftigen Windes zwischen ihren Federn in den Ohren, den ich hörte, wenn ich so nahe an ihnen unter den Gummibäumen hindurchging, in denen sich ihre Nester befanden. Im Frühling verhalten sich Elstern besonders fürsorglich und bewachen sorgsam ihre Nester und ihre Familien.

Musik spielte auch bei meiner Familie zu Hause eine wichtige Rolle. Laut meiner Mutter konnte ich bereits mit zwei Jahren einen Ton halten. Bald schon kannte ich Liedtexte und sang Harmonien zu jedem Song im Radio. Ich glaube, ich habe diese Gabe von meinem Vater Brinley „Brin“ Newton-John geerbt. Er stammte aus Wales und verfügte über eine wunderschöne Bass-Bariton-Gesangsstimme. Er hätte Opernsänger werden können, zog es jedoch vor, eine akademische Laufbahn einzuschlagen, weil er so selbstkritisch war. Er hielt sich einfach nicht für gut genug. Vater besaß eine Aufnahme von sich auf einer alten schwarzen Acetat-Platte, die er aber vernichtete, weil sich darauf eine einzige schief gesungene Note befand. (Ich frage mich nur, von wem ich wohl meinen Perfektionismus habe?)

Meine Mum, Irene Helene Born, war die Tochter des deutschen Physikers und Nobelpreisträgers Max Born, der zu den Begründern der Quantenmechanik zählte. Albert Einstein gehörte zu seinen engen Freunden, und als meine Mum ein kleines Mädchen war, verbrachte Einstein viele Abende im Hause Born und spielte Geige, während mein Großvater ihn auf dem Klavier begleitete. Meine Mutter sollte später einmal die gesammelte Korrespondenz der beiden unter dem Titel The Born-Einstein Letters übersetzen. Mein deutscher Großvater war der erste Mensch, der einen Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen unterzeichnete, weil er ein solcher Kriegsgegner war. Außerdem war er gut mit J. Robert Oppenheimer befreundet, jenem Physiker, der weithin als Vater der Atombombe gilt, doch weigerte er sich, mit ihm an einem Projekt zusammenzuarbeiten, das zerstörerisch und gefährlich für Menschen gewesen wäre. 1933 flüchtete mein Großvater mit seiner Frau Hedwig vor Hitlers Regime, denn er war Jude. Er war nicht nur ein brillanter Geist, sondern auch ein Humanist, der Juden bei der Flucht aus Deutschland unterstützte. Ich bin jedenfalls ganz besonders stolz auf meinen friedliebenden Großvater.

Mein Onkel Gustav, der leider kürzlich im Alter von 96 Jahren verstorben ist, hielt sich an seinen Vater, der ihm geraten hatte, Arzt zu werden. Schließlich müsse er da „keine Leute umbringen“ und es sei „nicht sehr wahrscheinlich“, selbst getötet zu werden.

Als ob meine Familiengeschichte damit nicht schon schillernd genug wäre, fand ich mit großer Freude heraus, dass sich auf der mütterlichen Seite meiner Familie, ganz weit oben im Stammbaum, auch Martin Luther, der große Reformator, befindet. (Kein Wunder, dass mich seit jeher Religionen und unterschiedliche Glaubenssysteme faszinieren.) Und dann gibt es da irgendwo auch noch einen spanischen König.

Ganz schön viel, dem man da gerecht werden sollte!

Zu den wenigen Dingen in meinem Leben, die ich aufrichtig bereue, zählt, dass ich meinen Großvater nie getroffen habe. Selbst als ich als Teenager von Australien nach Großbritannien zog, um meine Gesangskarriere zu beginnen, hatte ich keine Zeit. Zumindest dachte ich das. Meine Mutter mahnte mich stets, ihn zu besuchen, aber ich war immer zu beschäftigt. Das lehrte mich eine wichtige Lektion.

Die Zeit nimmt man sich einfach.

Mein Vater Brin stammte aus viel einfacheren Verhältnissen. Er wurde in Wales in eine Familie aus der Mittelschicht geboren; sein Vater Oliver John arbeitete als Zimmermann. Seine Mutter Daisy war eine sehr strenge Quäkerin, die seinen Mund jedes Mal mit Seife auswusch, wenn er geflucht oder etwas gesagt hatte, das als blasphemisch ausgelegt werden konnte. Dads angeborene Intelligenz brachte ihm ein Stipendium für die Universität Cambridge ein. Er war ein brillanter Mann, der sowohl Deutsch als auch Französisch fließend sprach. Tatsächlich beherrschte er Deutsch so perfekt, dass er, als er in der Royal Air Force zunächst als Wing Commander und später als Geheimdienstoffizier diente, deutsche Kriegsgefangene auf Deutsch befragen konnte. (Kein Wunder, dass ich nie etwas vor ihm geheim halten konnte!) Er arbeitete sogar am Enigma-Projekt in Bletchley Park mit, wo im Zweiten Weltkrieg geheime Codes geknackt wurden. Später war er daran beteiligt, den Stellvertreter des „Führers“, Rudolf Heß, dingfest zu machen.

Dad umgarnte berüchtigte Gefangene, in der Regel hohe Würdenträger des Dritten Reiches, um so Informationen aus ihnen herauszubekommen. Eines Tages nahm er Rudolf Heß mit in ein gehobenes Londoner Hotel, um dort mit ihm eine nachmittägliche Tasse Tee zu trinken. Schon bald unterhielten sie sich über Waffen. Dad entschuldigte sich bei Heß dafür, dass er nur eine einfache Pistole trug.

„Nehmen Sie doch meine“, antwortete Heß stolz und reichte ihm seine Luger, die er in seiner Kleidung versteckt hielt! Natürlich hatten damals keine Metalldetektoren Alarm geschlagen.

Das waren noch andere Zeiten.

Meine Eltern hätten sich vermutlich gar nicht an der Universität Cambridge kennengelernt, wenn meine Mutter nicht so ein gutes Gehör für wunderschöne Musik gehabt hätte – nämlich für solche, die ein Herz zum Schmelzen bringen konnte. Eines Tages hörte sie einen Mann mit einer herrlichen Baritonstimme singen und blieb wie angewurzelt stehen. Schließlich folgte sie der Stimme. Mum betonte stets, dass sie sich zuerst in Dads Stimme verliebt habe, noch bevor sie ihn überhaupt zu Gesicht bekam. Die beiden waren gleich alt, siebzehn, und voller Träume. Mum war eine brünette klassische Schönheit und von großer Anmut. Dad maß einen Meter neunzig und hatte blonde Haare. Er sah so gut aus wie ein Filmstar und besaß diese aristokratisch schöne Stimme. Muss ich noch mehr sagen? Was für ein strahlendes Paar.

Man könnte von Liebe auf den ersten Ton und dann den ersten Blick sprechen. Schon kurze Zeit später heirateten sie. Gleichsam im Handumdrehen kam mein Bruder Hugh, der später Arzt werden sollte, zur Welt, gefolgt von meiner Schwester Rona, die Mannequin, Schauspielerin und Sängerin wurde. Von uns dreien war ich das Nesthäkchen. Ich wurde acht Jahre nach Rona geboren und war offenbar das Baby, mit dem die Ehe gekittet werden sollte. Aber dazu in Kürze mehr.

Vor meiner Geburt machte meine Mutter eine sehr schwere Zeit durch. Mein Vater diente im Zweiten Weltkrieg in Bletchley Park, wo er, wie gesagt, am Enigma-Projekt arbeitete, während sie sich um zwei kleine Kinder kümmern musste. Sie war eine schöne deutsche Frau, und die Dorfbewohner misstrauten ihr. Zwei liebe Quäkerinnen brachten ihr und ihren Kindern aber Eier und Gemüse an die Haustür. Sie waren ihre einzigen Freundinnen. Meine Mutter wiederum unterhielt sich freundlich mit den deutschen Kriegsgefangenen. Zu den vielen Dingen, die mir meine Mutter beigebracht hat, zählt auch, dass man mit Freundlichkeit – egal, was auch geschehen mochte – immer weiterkommt.

Doch nicht jeder verhielt sich freundlich, nett und korrekt. Später erzählte mir Rona, dass unser Vater während seiner Zeit bei der Air Force eine Affäre hatte. Eines Tages klopfte eine Frau an die Tür meiner Mutter, um sie einzuweihen. Meine Mutter war daraufhin verunsichert und misstrauisch. Außerdem brach es ihr das Herz. Immerhin hatte sie meinen Vater geliebt, seitdem sie siebzehn Jahre alt gewesen war.

Man muss ihr zugutehalten, dass sie die Ehe nicht aufgab und zum Wohle der ganzen Familie versuchte, sie wieder kitten. Sie lehrte mich – ihr Baby, das die Ehe retten sollte –, ebenfalls zu vergeben. Ich sollte jedoch ihr letztes Kind bleiben.

Mein Vater war charmant, charismatisch und teuflisch attraktiv. Er erwartete von sich und seiner Familie stets das Beste. Ein „Gut gemacht!“ war da schon das höchste Lob von ihm, für das man sich ganz schön ins Zeug legen musste. Dad glaubte an harte Arbeit, Disziplin und daran, Dinge aus eigener Kraft zu schaffen. So hätte er ohne Weiteres meinem Bruder einen Freifahrtschein an die Universität verschaffen können. Stattdessen bestand er darauf, dass Hugh ausgezeichnete Prüfungsergebnisse lieferte und sich seinen Studienplatz gefälligst selbst verdiente. Tatsächlich schloss mein Bruder sein Studium mit Auszeichnung ab. Er spezialisierte sich später auf ansteckende Krankheiten und erfand die erste transportable Eiserne Lunge.

Während ich diese Zeilen hier schreibe, denke ich mir, welch Glück ich habe, singen zu können. Danke, lieber Dad, für deine musikalischen Gene.

Als ich noch ein kleines Mädchen war, sang Dad in der Kirche immer lauthals mit. Das war mir aber peinlich, da ich nicht auffallen wollte. Er verfügte über einen wundervollen Sinn für Humor und nahm mich auf den Arm, indem er vorgab, ein richtig alter Mann zu sein. Er krümmte seine Finger und sprach mit brüchiger Stimme. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen.

Ich verehrte meinen Vater und denke heute mehr an ihn als je zuvor – vor allem, wenn ich klassische Musik höre, weil sie bei uns zu Hause immer sehr laut lief. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich meinen Vater, wie er jede Note dirigiert, lächelt und seinen abendlichen Sherry trinkt.

Nach der Scheidung meiner Eltern konnte ich viele Jahre lang keine klassische Musik hören. So wie meine Mutter auch. Sie brachte uns schlichtweg zum Weinen. Jahre später traf ich meine Mutter an, wie sie in einem Sessel saß. Im Radio lief schöne klassische Musik, und sie hatte Tränen in den Augen. Mir war klar, dass sie an meinen Vater dachte. Da befand sie sich bereits in ihren Achtzigern.

Nie werde ich ihren siebzigsten Geburtstag vergessen. Dad, der seither noch zweimal geheiratet hatte, schickte ihr sieben Veilchensträuße. Eines für jedes Lebensjahrzehnt.

Das waren ihre Lieblingsblumen.

Als ich ein kleines Kind war, lebten wir in England, wo Dad Direktor des King’s College in Cambridge war. Aus dieser Zeit habe ich nur sehr wenige Erinnerung, abgesehen davon, dass ich auf dem dicken blauen Teppich zwischen den Betten meiner Eltern in deren Schlafzimmer herumkrabbelte. Dieses Arrangement entsprach damals völlig der Norm. Sie waren wie eine englische Version von Lucy und Ricky [die Hauptfiguren aus der US-Sitcom I Love Lucy]!

Da ich als kleines Kind voller Energie steckte, gab es natürlich auch weniger schöne Augenblicke, etwa als ich versehentlich ein paar Schlaftabletten verschluckte. Mir musste daraufhin der Magen ausgepumpt werden. Diese Erfahrung war so traumatisch und unvergesslich, dass mich Drogen nie mehr interessieren sollten, was wenig verwunderlich ist.

Ich war jedoch gewillt, mich stattdessen auf andere Abenteuer einzulassen. Als ich noch ziemlich jung war, stieg ich vor dem Badezimmerspiegel auf einen Schemel. Ich hatte ein Fieberthermometer im Mund und wollte aus unbekanntem Motiv meine Temperatur messen. Da ich nicht wusste, wie ich das bewerkstelligen sollte, biss ich das Glas durch. Schlagartig schmeckte ich das Quecksilber auf der Zunge. An diesem Punkt angelangt, entschied ich, mich an einen verantwortungsbewussten Erwachsenen zu wenden. Ich jagte meinen Eltern einen schönen Schreck ein, obwohl ich mich weiterhin bester Gesundheit erfreute.

Zumeist war ich allerdings – abgesehen von gelegentlichen Fehltritten – ein artiges kleines Mädchen. Später, als wir bereits in Australien lebten, gab es bei uns an der Schule einen wöchentlich stattfindenden „Bank-Tag“, an dem wir Geld mitbrachten, das dann für uns auf die Bank gebracht wurde. Das war ein lobenswertes Unterfangen, und ich nahm tatsächlich Geld zur Schule mit. Allerdings verwendete ich es für ein viel dringlicheres Bedürfnis. Ich kaufte damit nämlich stattdessen Lutscher für alle. Ich hielt das für eine nette Geste! Leider sah das mein Schuldirektor ein wenig anders. Mit gestrenger Stimme ließ er mich vor die Klasse treten, wo er mich vor allen zur Schnecke machte.

„Olivia Newton-John!“, brummte er. „Wo ist dein Geld? Was ist denn mit deiner Zukunft?“

Was denn für eine Zukunft? Ich war doch gerade mal fünf!

Ich steckte meine Hand in eine Tasche meines kleinen rosa Kleidchens und erklärte die Situation mit den Lutschern. Damit war es in puncto Bestrafung jedoch noch nicht getan. Auf meinem Heimweg von der Schule an jenem Tag wurde ich von jener Urgewalt abgefangen, die mein Vater, der ehemalige Agent des MI5, verkörperte. Er zog mein Dreirad hinter sich her, und ich wusste, dass ich ganz tief in der Tinte saß!

Der Direktor hatte meinen Vater angerufen, der nun stinksauer war. Aber nicht allzu lange. Zum Glück war meine Schwester Rona ein ungezähmter Freigeist, der sich gegen jede Form von Autorität sträubte, womit sie sich perfekt eignete, die Aufmerksamkeit von mir abzulenken.

An diesem Abend etwa relativierte sie mein närrisches „Verbrechen“ durch ihre eigenen Possen. Sie war vom Unterricht ausgeschlossen worden, weil sie die Röcke ihrer Schuluniform zu kurz trug und ihre Haare bleichte. Außerdem schwänzte sie, um sich mit Jungs zu treffen.

Damit war ich vom Haken!

Anfang der Fünfzigerjahre nahm unser Leben eine dramatische Wendung, die meine Psyche stark prägen sollte.

Wir zogen um nach Melbourne, weil mein Vater die prestigeträchtige Position als Master of Ormond College an der University of Melbourne angenommen hatte. Mit gerade einmal vierzig war er der jüngste Mann, der jemals eine solche Stellung erreicht hatte. Ich war fünf, als meine Eltern, Hugh, Rona und ich ein Schiff namens Straitharde bestiegen, um den Ozean zu überqueren und nach Australien zu ziehen.

Sogar in so jungen Jahren war ich sehr stolz auf meinen Vater, weil er sich gegen ältere und erfahrenere Mitbewerber um diesen wichtigen Posten durchgesetzt hatte. Dad hatte dem Dekan einen Brief geschrieben, in dem er erklärte, dass er seiner Familie das unglaubliche Land Australien näherbringen wolle. Daraufhin erhielt er die Stelle.

Diese Macher-Mentalität ist tief in der Familie Newton-John verankert.

Beruflich stellte dies eine einmalige Chance für meinen Vater dar –

und auf privater Ebene bot sich meinen Eltern die Möglichkeit, einen neuen gemeinsamen Lebensabschnitt einzuläuten. Vor unserem Umzug hatten sie sich oft gestritten. Sie nahmen an, dass ein Tapetenwechsel einen Neuanfang ermöglichen würde.

Meine einzige Erinnerung an unsere Seereise, die uns von Cambridge zu unserem neuen Leben an diesem Ort namens Melbourne führte, bestand darin, dass ich meinen liebsten Teddybären Fluffy verlor. Ich war am Boden zerstört, denn ich liebte Fluffy. Meine Eltern ersetzten ihn durch einen Plüsch-Pinguin namens Pengy (wie kreativ!), den sie im schiffseigenen Laden fanden. Ganz dasselbe war es aber nicht. Manche Dinge sind einfach unersetzlich, wie ich schon bald in viel größerem Maßstab erfahren sollte.

Wenig später fanden wir uns in einem anderen Land wieder und packten Umzugskartons in unserem fantastischen neuen Zuhause auf dem Uni-Campus aus. Dabei handelte es sich um eine schöne Steinvilla mit ausufernden Schlafzimmern und eigener Haushälterin. Ich konnte meinen Augen kaum trauen, als ich die langen Flure hinunterging, auf denen man perfekt Verstecken spielen konnte. Es gab so viele Räume zu erkunden. All dies befeuerte meine Fantasie. An einem Tag war ich eine Prinzessin in einem Schloss, am nächsten schon eine Entdeckerin. Es gab keine Grenzen.

Wir mussten auf dem Grundstück des Ormond College wohnen, damit Vater Tag und Nacht zur Verfügung stünde. Das machte keinem von uns etwas aus, weil das Ambiente so sicher und lebendig schien. In vielerlei Hinsicht empfand ich die Umgebung als eine Art riesigen Spielplatz. Ormond war erfüllt von alten, mit wildem Wein bewachsenen Gebäuden und weitläufigen grünen Rasenflächen, auf denen ich mich austoben konnte. Ich verirrte mich auch niemals, denn im Zentrum des Campus stand ein hoch aufragender Uhrturm, der mir als Orientierungshilfe diente.

Als kleines Mädchen genoss ich es, die Studenten dabei zu beobachten, wie sie sich vergnügten. So erinnere ich mich an „Wasserschlachten“, bei denen die Studenten mit Wasser gefüllte Tüten aus den Fenstern ihrer Zimmer auf arglose Passanten fallen ließen. Wenn man im falschen Moment hochblickte, bekam man eine Ladung kaltes Nass genau zwischen die Augen!

„Du bist ja klatschnass!“, sagte Mum, wenn ich nach einem Tag am Teachers’ College zurückkehrte, wo buchstäblich jeden Monat neue Lehrer anfingen, die ihr Handwerk an uns übten.

„Ja, Mum, das stimmt“, antwortete ich freudig.

Abends konnte ich die jungen Männer hören, die einen Ruderwettkampf gewonnen hatten und im riesigen Speisesaal unter wunderschön bemalten Fenstern ihre Löffel gegen die Tischplatten aus Massivholz schlugen. Der Speisesaal schloss direkt an unser Haus an. Als ich Jahre später Ormond besuchte, um ein Ölporträt meines Vaters zu begutachten, sah ich die Dellen, die die Löffel beim Feiern hinterlassen hatten. Das weckte ein paar großartige Erinnerungen.

Meine liebste Aktivität war es, auf der Treppe vor einem schönen alten Steingebäude darauf zu warten, dass mein Dad Feierabend hatte. Da saß ich dann, ein sechsjähriges Mädchen in seiner Schuluniform, die aus einem blau und weiß karierten Kleidchen mit braunen Schuhen und kurzen weißen Söckchen bestand. Ich beobachtete die Vögel auf den Bäumen, roch die frischen Blüten und schrieb Gedichte, bis ich endlich meine kleine Hand in seine große legen konnte.

In unserem Haus gab es ein riesiges Zeichenzimmer, wo meine Eltern wichtige Vertreter des akademischen Lebens empfingen, etwa Gastprofessoren oder Rektoren anderer Universitäten, und sogar Regierungsvertreter, die Gelder für die Universität sammelten. Ich versteckte mich in einer kleinen Nische, auf halbem Weg die Treppe hoch, von wo aus ich die schmucken Gäste beobachtete, die zu den Cocktailpartys mit dem hervorragenden Catering eintrafen.

Von meinem Schlupfwinkel aus konnte ich meine Mutter in einem hinreißenden roten Samtkleid mit hunderten von winzigen roten Knöpfen am Rücken bewundern. Es sah so glamourös und aufregend aus. Sie begrüßte jeden Gast auf ihre vornehme Art. Dann nahmen sie und Vater sich jedes Mal noch die Zeit, zu mir hochzukommen und mir einen Gute-Nacht-Kuss zu geben.

Wenn ich nach unten eingeladen wurde, war ich mit der Aufgabe betraut, den Leuten Feuer zu geben. Aus irgendeinem Grund behagten mir der Schwefelgeruch und das Aroma des brennenden Tabaks und des Papiers. Mein Vater rauchte, wenn er mir Gute-Nacht-Geschichten vorlas, weshalb ich wohl Geborgenheit mit dem Geruch von Rauch assoziierte, auch wenn ich heute weiß, dass Zigaretten und auch Passiv-Rauchen giftig sind und der Gesundheit schaden. Damals scherte das niemanden wirklich, oder man wusste einfach nicht Bescheid. Vielmehr hielten die Ärzte es für entspannend und sogar der Gesundheit zuträglich. Kann man sich das heute überhaupt noch vorstellen?

Meine Mutter schien diesbezüglich jedoch über einen sechsten Sinn verfügt zu haben. Denn eines Abends, als ich bei einer dieser Feierlichkeiten wieder Feuer gab, nahm sie mich beiseite.

„Nun, mein Liebling, warum probierst du nicht mal eine?“, schlug sie vor und reichte mir eine ganze Packung Zigaretten.

Ich war neun Jahre alt und hielt das für eine brillante Idee. Wie toll, dass mir meine Mutter in meinem Alter eine solche Belohnung zukommen lassen wollte! So zündete ich mir eine Zigarette an.

„Warum nimmst du nicht einen tiefen Zug?“, meinte Mum.

Mit Begeisterung kam ich ihrer Anregung nach, worauf ich einen heftigen, schier endlosen Hustenanfall hatte.

„Ich will nie wieder rauchen“, heulte ich.

Tja, sie war schon eine sehr clevere Mutter, meine Mum.

Jahre später lebten meine Freundin Pat und ich in London, wo wir gemeinsam sangen. Dort versuchte ich es noch einmal mit dem Rauchen. Wir hatten die verrückte Idee, dass wir auf diese Weise so verruchte Gesangsstimmen wie unsere Lieblingssängerin Julie London bekämen. Leider aber war verrucht noch kein Thema für mich, letztlich war ich immer noch wie diese Neunjährige in ihrem Pyjama. Und auch als ich noch später im Film Grease im Nachthemdchen auf der Leinwand rauchen sollte, verwandelte ich mich postwendend wieder in dieses kleine Mädchen.

Die Kunst ahmt das Leben nach!

Ich kann mich immer noch daran erinnern, wie der Rauch meines Vaters über die Ärmel meines rosa Baumwoll-Pyjamas zog. Ich schlief ein und konnte ihn mit der Nase gegen meinen Arm gepresst riechen. Ein Gefühl, das mir leider nicht mehr allzu lange vergönnt sein würde.

Von außen betrachtet wirkte unser Zuhause perfekt. Doch drinnen war es ganz anders. Als nach unserem Umzug in ein anderes Land der alte Trott wieder einkehrte, verschlechterte sich auch die Ehe meiner Eltern wieder. Das wusste ich, weil meine Eltern getrennt in Urlaub fuhren, obwohl sie sich Mühe gaben, keine große Sache daraus zu machen.

So erinnere ich mich etwa daran, wie unsere naturverbundene Mutter uns zum Campen nach Malacoota mitnahm, auf ein Feld nahe dem Meer. Eines Nachmittags wollten wir unser Abendessen fischen, als ein paar Kühe, die sich losgerissen hatten, unser Zelt mit allem Drum und Dran niedertrampelten. Alles, außer einer Büchse Kondensmilch, auf der das Antlitz einer Kuh zu sehen war! Mum konnte darüber nur lachen, und wir Kinder hatten Tränen in den Augen, so lustig fanden wir das. Mum hatte viel Sinn für Humor und konnte allem etwas Amüsantes abgewinnen. Ich liebte ihre Einstellung! Sie schaffte es sogar zu lachen, als ich versehentlich bei einem meiner ersten Angelversuche mit dem Haken im Mund meines Bruders hängenblieb!

Als ich etwa neun Jahre alt war, verkündeten meine Eltern, dass sie ein neues Haus auf dem Grundstück des Ormond College planten. Leider sollten wir nicht auch nur eine Nacht dort verbringen. Eines Abends nach der Schule teilte mir mein Vater ruhig mit: „Deine Mutter und ich werden nun getrennt leben, und du wirst bei ihr bleiben.“

„Aber was ist denn mit dem neuen Haus“, fragte ich durch einen Schleier aus Tränen hindurch. „Lasst ihr euch etwa …“

Ich konnte es gar nicht aussprechen.

Ich wollte es einfach nicht wahrhaben.

„Ja“, antwortete er, „wir lassen uns scheiden.“

„Aber ich will bei dir wohnen“, bettelte ich, während heiße Tränen meine Wangen hinabkullerten. Es war der schmerzlichste Augenblick in meinem noch jungen Leben, der noch schlimmer wurde, als mein Vater mit einer Endgültigkeit den Kopf schüttelte, die vermuten ließ, dass das letzte Wort in dieser Angelegenheit bereits gesprochen war.

„Du kannst nicht bei mir wohnen“, sagte er. „Es ist besser, wenn du bei deiner Mutter bleibst. Aber wir können uns immer noch jeden Tag sehen.“

Praktisch von einem Moment auf den nächsten wurde mein Leben somit auf den Kopf gestellt. Mum und ich zogen in eine nahe gelegene Wohnung in Parkville. Von nun an würde es schwieriger sein, meinen Vater zu sehen.

Es kam noch schlimmer. Mein Vater wurde aufgefordert, seinen Posten zu räumen, denn in dieser Position wünschte die Universitätsverwaltung nur einen verheirateten Mann – und von nun an entsprach er nicht mehr dem Bild des klassischen Familienvaters.

Das war sehr traurig, denn Dad liebte das Ormond College. Unter seiner Leitung hielt die Idee gemeinsamen Unterrichts von Jungen und Mädchen Einzug, und erstmals wurde Alkohol auf dem Campus erlaubt. Alles in allem war er ein beliebter Schulleiter. Doch Regeln waren nun mal Regeln – und als dann geschiedener Mann musste er seinen Hut nehmen. Da ihm keine andere Wahl blieb, zog Dad nach Newcastle, ganze zwei Flugstunden entfernt. Dort nahm er eine Stellung als stellvertretender Rektor an und unterrichtete Deutsch. Damit starb die Hoffnung auf wöchentliche oder wenigstens monatliche Besuche, da sein Gehalt sie nicht möglich machte.

Mein Herz blutete.

Auch Mum war tagsüber nicht viel zu Hause, da sie uns nun zum ersten Mal in ihrem Leben allein über die Runden bringen musste. Damals kamen Frauen bei einer Scheidung nicht sonderlich gut weg. Meiner Mutter dabei zusehen zu müssen, wie sie sich finanziell abmühte, zeigte mir, wie sich starke Frauen ins Zeug legen, um für sich und ihre Kinder zu sorgen. Mum hatte noch nie außerhalb des Haushalts gearbeitet, war aber humorvoll, gewitzt und intelligent. Auch verfügte sie noch über andere wertvolle Fähigkeiten. Sie schrieb schöne Gedichte und verfasste regelmäßig Leserbriefe zu lokalen Angelegenheiten, die sie an unsere Zeitung schickte.

Heute macht mich das alles traurig, weil meine Mutter stets wissenschaftlich sehr interessiert war, ihr jedoch abgeraten wurde, diese Richtung einzuschlagen. Damals wurden Frauen nicht dazu ermutigt, eine akademische Laufbahn anzustreben, was angesichts der Vergangenheit ihres Vaters in diesem Fall besonders schade war.

Zum Glück fand Mum bald schon eine Anstellung im damals höchsten Gebäude von Melbourne, dem ICI House. Es war Australiens erster Wolkenkratzer. Das war ganz schön aufregend, wenn Mum am Morgen zu ihrem Job als Empfangsdame aufbrach. Wir waren alle stolz auf sie, wie sie uns durchbrachte. Dad hatte nicht viel, was er entbehren konnte, schickte uns aber, was er zusammenkratzen konnte, um uns zu unterstützen. Meine Geschwister waren zu diesem Zeitpunkt bereits ausgezogen, und meine Schwester hatte zwischenzeitlich sogar geheiratet.

Deshalb waren wir also nurmehr zu zweit.

Wir konnten uns nur leisten, dass ich meinen Vater zu Weihnachten besuchte. Während dieser zwei Monate Ferien verbrachte ich so viel Zeit wie möglich mit ihm und den drei Töchtern seines besten Freundes, des walisischen Professors Harry Jones. Eine von ihnen, Shahan, brachte sehr willkommene Abwechslung und Freude in mein Leben, weil sie ein kastanienbraunes Pferd mit weißen Fesseln besaß. Es hieß Cymro, was auf Walisisch „Freund“ bedeutet. Es war das reine Vergnügen, jeden Tag mit ihr reiten zu gehen. Mein Vater mietete sogar ein eigenes Pferd für mich, damit wir zusammen ausreiten konnten.

Ach, wie lieb ich Flash, mein zotteliges Pony, doch hatte. Er war viel mehr als nur eine Leihgabe. Ich betete ihn an.

Morgens, wenn mein Vater beschäftigt war, ritten Shahan und ich nach Herzenslust. Daraufhin veranstalteten wir Picknicks mit ihren Schwestern. Später begaben wir uns mit den Pferden zum Strand oder zur Lagune, um dort zu schwimmen. Müde, aber glücklich kam ich nach Hause und erklärte meinem Vater, dass ich lieber nicht duschen wolle.

„Ich will wie mein Pferd riechen!“, gab ich zur Begründung an.

Meine innigsten Wünsche zu jener Zeit waren, dass mein Vater nach Hause zurückkehrte und dass ich den Moschusgeruch meines Pferdes – gewürzt mit der ledernen Note meines abgetragenen Sattels –

in eine Flasche füllen und mit mir nehmen könnte.

Ich liebte diese Sommer und wusste jeden Augenblick zu schätzen – auch als mein Vater sich in eine wunderbare Frau namens Val verliebte. Sie war die Bibliothekarin der Universität und eine sehr versierte Pianistin. Wenn mein Vater sang, begleitete sie ihn am Klavier. Irgendwann heirateten die beiden, und aus ihrer Ehe gingen meine jüngeren Geschwister Toby und Sarah hervor. Von Anfang an vergötterte ich sie beide.

Mir missfiel seit je die Vorsilbe „Stief-“ in Bezug auf Familienmitglieder. Damit verbindet man nichts Gutes und denkt an „Aschenputtel“ oder Ähnliches.

Eine der rührendsten Lektionen, die ich damals lernen durfte, war die, als meine Mum Vergebung mit Liebenswürdigkeit kombinierte und Dad und seiner neuen Frau Geschenke für ihre Babys zukommen ließ.

Ich vermisste meinen Vater, wenn ich ihn nicht zu sehen bekam, aber liebte und achtete meine Mutter, die so hart für uns arbeitete. Bald schon war sie in der Lage, für ein Haus in Jolimont – weit entfernt von der University High School, die ich nun besuchte – eine Anzahlung zu leisten. Bis dahin wohnten wir nahe dem Melbourner Zoo, und infolge unseres Umzugs musste ich von nun an auf meine „zoologische Uhr“ verzichten. Am Morgen weckten mich nämlich exotische Vögel, während am Abend die Löwen zu brüllen pflegten.

Eine Art natürliche Background-Musik.

Meine clevere Mum leitete unseren Umzug in die Wege und hielt uns finanziell über Wasser. Es gelang ihr sogar, das untere Stockwerk unseres Hauses in eine eigenständige Wohnung zu verwandeln, die wir untervermieten konnten. Das half uns, die Hypothek abzustottern, und brachte zusätzlich Geld ein. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Mum so gut mit Zahlen umgehen konnte. Danke, Großvater!

Ich dagegen hatte es mit dem Lernen nicht so. Vielleicht lag es daran, dass ich meinen Vater vermisste, oder auch daran, dass ich einfach nicht so lernbegabt war; jedenfalls machte mir die Schule keinen Spaß. Ich hatte das Gefühl, als würden alle anderen begreifen und ich nicht. Obwohl ich sehr gut bei Intelligenztests abschnitt, hatte ich Mühe, mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Rückblickend denke ich, die Scheidung meiner Eltern hat mich wohl viel stärker mitgenommen, als mir bewusst war. Ich konnte einfach nicht behalten, was mir beigebracht wurde. Das setzte mich unter Stress, denn meine Familie sollte stolz auf mich sein. Und es half auch nicht, dass die Direktorin meiner Schule sehr streng war.

„Keine Lacklederschuhe“, verlangte sie zum Beispiel. „Die Jungs werden mittels der Spiegelung in der Lage sein, euch unter die Röcke zu schauen!“

Es ist schon witzig, sich die damaligen Moralvorstellungen noch einmal vor Augen zu führen. So durften wir auch nie die Farbe Rot tragen, weil das für die Jungs in unserer Nähe angeblich „zu aufregend“ gewesen wäre. Hätten die nur gewusst, dass ich eines Tages diesen Song mit dem Titel „Physical“ aufnehmen würde!

Zu meinem Glück brauchte man keinen Uni-Abschluss, um zu singen. Stattdessen benötigte man hierfür ein klein wenig Glück und eine große Chance. Mit vierzehn schien mir genau diese Chance zuteilzuwerden, als ich drei Mädchen traf, mit denen ich heute noch gut befreundet bin: Carmel, Freya und Denise. Sie besuchten einen süßen Jungen, der in einem Loft wohnte, das sich gegenüber meinem Schlafzimmerfenster im ersten Stock befand. Die Mädels sahen mich ständig allein über meinen Hausaufgaben brüten. Doch schon bald fing ich an, mich mit ihnen von meinem Fenster aus zu unterhalten. Mum war auf der Arbeit, und als Schlüsselkind langweilte ich mich und freute mich über jegliche Art von zwischenmenschlichem Kontakt.

Es waren liebe Mädchen, die gern sangen (so wie ich). Deshalb gründeten wir eine Gesangsgruppe, die wir Sol 4 nannten. Unsere Outfits bestanden aus Denim-Jeans, Leinenwesten und schwarzen Rollkragenpullis. Damals galten wir als ziemlich stylish und modern mit unseren langen Beatnik-Haaren und imitierten unsere musikalischen Helden aus Jazz und Folk.

Bald „arbeiteten“ wir als Gruppe zusammen und buchten uns Auftritte in lokalen Jazzkneipen. Das war allerdings nicht gerade der sicherste Job. Nach einem unserer Konzerte wurden wir mit Kleingeld beworfen! Wir wussten nicht, ob das nun als Trinkgeld gedacht war oder als Aufforderung, die Bühne zu räumen! Einmal kam es sogar zu einer Keilerei zwischen Jazzern, wie wir es waren, und Rockern. Eine meiner Freundinnen wurde von einem der Rocker unsanft auf die Straße hinausbefördert. Dem war keinerlei Provokation vorausgegangen. Sie schrien einfach: „Ihr solltet euch besser für Rock’n’Roll interessieren!“

Und glaubt mir: Das tat ich ja auch!

Bald gelangte meine Mum zu dem Schluss, dass ich viel zu viel Zeit mit Singen und zu wenig mit Lernen verbrachte. Deshalb setzte sie der Sache ein Ende. Zumindest glaubte sie das. Meine Schwester Rona war inzwischen Mutter dreier Kinder und mit dem ortsansässigen Café-Betreiber Brian Goldsmith verheiratet. Brian ließ am Wochenende in seinem Lokal einen Folksänger namens Hans Georg auftreten. Ich durfte ihm zusehen, solange Rona gut auf mich aufpasste. Ich weiß noch, wie ich am Bühnenrand saß und Harmonien mitsang.

Eines Tages lud mich Hans zu sich auf die Bühne ein, um tatsächlich mit ihm zu seiner Gitarre zu singen. Himmlisch! Alles fügte sich zu einem Ganzen zusammen. Ich hatte meine Bestimmung gefunden.

Nun, vielleicht noch nicht ganz. Aber es sollte bald so weit sein. Rona kannte einen talentierten jungen Sänger und Entertainer namens Ian Turpie und wollte mich ihm vorstellen, obwohl ich gerade einmal fünfzehn Jahre alt war.

Ian sah mich mit Hans singen, was dazu führte, dass wir beide zusammen sangen – und uns auch privat verabredeten. Er wurde mein erster fester Freund und meine erste Liebe.

Kurze Zeit später machte mich Rona noch mit etwas anderem bekannt, das wunderbar sein und mein Leben verändern sollte. Am Samstagmorgen lief im australischen Fernsehen die Sendung Kevin Dennis Auditions, moderiert von einem bekannten örtlichen Autohändler. Darin sang jemand, tanzte oder führte irgendwelche anderen seltsamen Talente vor, oft von zweifelhafter Qualität. Ein paar Juroren zeigten entweder mit dem Daumen nach unten, oder ein Gong erklang, was „Daumen nach oben“ bedeutete. Man betete dafür, dass der Gong als akustisches Zeichen der Anerkennung geschlagen und man auf diese Weise für würdig befunden wurde.

Eines Tages stellte mir Rona die magische Frage, nämlich ob ich in der Show auftreten wolle.

Ich bat Ian, mich auf der Gitarre zu begleiten. Er war ein wunderbarer Gitarrist, und ich wollte einen meiner Lieblingssongs vortragen, nämlich „Summertime“. Wir kreuzten um acht Uhr morgens auf. Ich stand vor einer Jury, die wohl schwer zu beeindrucken sein würde. Ich betrat die Bühne, fasste mir ein Herz und sang.

Gong!

Gong!

Gong!

Ich erhielt die bestmögliche Wertung! Daraufhin rief Evie Hayes, eine Jurorin und damals eine amerikanische Fernsehberühmtheit, meine Mum an, um sie zu fragen, ob sie meine Karriere managen dürfe. Was denn für eine Karriere? Ich hatte doch nichts weiter vorzuweisen als einen Traum, drei Gongs und ein Publikum im Fernsehstudio, das mir eine Runde Applaus spendiert hatte.

Mum war nie zögerlich, wenn es darum ging, ihren Nachwuchs zu beschützen.

„Nun ja, im Moment manage ich ja Olivia, danke vielmals“, sagte sie.

Plötzlich hatte ich eine Karriere und eine Managerin.

Danke vielmals!

Hör nie auf zu träumen

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