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7.
ОглавлениеGegen die Ansicht, daß die Vernunft, und die Seele überhaupt, materiell sey, habe ich einzuwenden: Wie könnte sie die Begriffe und Bezeichnungen so großer, schwieriger und tiefgedachter Wahrheiten fassen? Woher hätte sie die Gedächtnißkraft? Woher die Betrachtung des Unsichtbaren? Wie nur käme ein Körper zu der Einsicht in übersinnliche Dinge? Man müßte etwa nur annehmen, wie die leibliche Gestaltung und Bildung der Augen und Ohren etwas zum Sehen und Hören beitrage, und wie überhaupt die Glieder, wie sie Gott erschaffen, vermöge ihrer natürlichen Einrichtung für ihre natürlichen Zwecke besonders geeignet sind, so sey auch die Vernunft eine bequeme und geschickte Einrichtung zu dem Zwecke, sich Dinge vorzustellen und darüber nachzudenken, und die ganze Lebensthätigkeit herbeizuführen. Wie man aber Gestalt und Farbe der Vernunft, sofern sie sich nur in Gedanken bewegt, beschreiben könnte, sehe ich nicht ein. Zur Bestätigung und Erläuterung dessen, was ich über Vernunft und Seele gesagt habe, in Bezug auf ihren Vorzug vor jeder körperlichen Natur, möge noch folgendes dienen: jedem leiblichen Sinne entspricht ein eigenthümlicher, für ihn empfindbarer Gegenstand, auf den er gerichtet ist; wie dem Auge die Farbe, Gestalt, Größe; dem Gehör Stimmen und Töne; dem Geruch Düfte, gute und üble Ausdünstungen; dem Geschmack die Speisen; dem Tastsinn Warmes und Kaltes, Hartes und Weiches, Rauhes und Glattes. Daß aber der innere Sinn weit vortrefflicher als alle die genannten Sinne sey, darüber ist Jedermann einig. Ist es aber nicht verkehrt, wenn den niedrigen Sinnen entsprechende Gegenstände gegeben sind, die höhere Kraft aber, der innere Sinn, keine Selbstständigkeit haben, sondern nur eine dem Körper anhängende Eigenschaft seyn soll? Wer dieses behaupten kann, beschimpft sein eigenes besseres selbst, und versündigt sich zugleich auch an Gott, indem er ihn ebenfalls als körperliches Wesen betrachtet, das von jeder körperlichen Natur auf körperliche Weise begriffen und empfunden werden könne. Ein solcher gibt auch nicht zu, daß eine Verwandtschaft des Geistes mit Gott Statt finde, daß jener gleichsam das ideale Abbild von diesem 23 sey, und dadurch eine Ahnung des göttlichen Wesens haben könne, und zwar um so mehr, je freier und reiner er von dem körperlichen Stoffe ist.