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Die Aufgaben der Weltinnenpolitik

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Nicht der 11. September, sondern die Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Paktes haben die Welt ganz entscheidend verändert. Zwar sprach der amerikanische Präsident George Bush sen. schon 1990 von einer neuen Weltordnung, aber die Menschheit brauchte Zeit, um den grundlegenden Wandel zu verstehen. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 auf das World Trade Center und das Pentagon haben deutlich gemacht, dass tatsächlich eine neue Weltordnung entstanden ist. Der Duopol zweier Weltmächte und zweier Militärblöcke, die sich feindlich gegenüberstanden, ist aufgelöst. Die Vereinigten Staaten und die Nato sind übrig geblieben. Und was aus der Nato wird, muss sich noch zeigen. An den Strukturen des Atlantischen Bündnisses vorbei führt die USA den Krieg in Afghanistan. Zwar stellte die Verteidigungsgemeinschaft der westlichen Demokratien zum ersten Mal in ihrer Geschichte nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags den Bündnisfall fest, aber anschließend spielte die Nato keine Rolle mehr. »Die Missionen suchen sich ihre Bündnisse, nicht die Bündnisse ihre Missionen«, gab der amerikanische Militärminister Donald Rumsfeld zu verstehen. Als die Antiterrorkoalition gebildet wurde, trat die Hegemonie der Vereinigten Staaten voll zutage. Einstimmig unterstützten Sicherheitsrat und Vollversammlung der UNO eine Entschließung, die die USA ermächtigte, gegen Terroristen und gegen Staaten vorzugehen, die diese unterstützen oder beherbergen. Der Afghanistankrieg begann.

Die Amerikaner diskutierten über die neue Rolle Amerikas. Die New York Times berichtete, es sei ein Kampf darüber entbrannt, welche Form das amerikanische Empire annehmen soll. Hardliner wie Rumsfeld und sein Stellvertreter Wolfowitz seien der Meinung, Amerika müsse führen und zwar »ohne Rücksicht auf bestehende Verträge oder Einwände von Alliierten«. Die USA sollten »im muskulösen Ton des Interventionismus zur Welt sprechen«. Gemäßigtere wie Außenminister Colin Powell argumentierten, Amerika müsse das Beispiel einer großmütigen Macht abgeben und eine Außenpolitik betreiben, die ohne Ultimaten auskomme und sich pragmatischer Mittel bediene. Offensichtlich setzten Rumsfeld und Wolfowitz sich durch.

Will man die Reaktionen der Welt auf die USA verstehen, dann darf man eines nicht vergessen: Das Land von Coca-Cola, McDonalds, Levis-Jeans, Hollywood und NBC hat die kulturelle Hegemonie auf dem Erdball. Der Dollar ist die Leitwährung der Welt. Amerika ist der Hauptakteur auf den internationalen Finanzmärkten. Die Ölrechnungen werden in Dollar ausgestellt. Wie kein anderer Industriestaat kann Amerika den Ölpreis beeinflussen. Die Achillesferse der Supermacht: Amerika ist vom Kapitalexporteur zum größten Kapitalimporteur in der Welt geworden. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten lebt auf Kosten der übrigen Menschheit. Im Jahr 2000 sind 64 Prozent der globalen Kapitalexporte in die Vereinigten Staaten geflossen und 400 Milliarden Dollar lieh sich Amerika im Jahr darauf auf den Kapitalmärkten der Welt. Die Nettoschuld gegenüber dem Ausland beträgt 2200 Milliarden Dollar, das sind 22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Chef der amerikanischen Notenbank, Alan Greenspan, sieht darin eine große Gefahr. Je größer dieser Berg von Forderungen wird, umso höher steigen die Zinszahlungen, die Amerika an die ausländischen Geldgeber leisten muss. Wenn George W. Bush weiter so viel Schulden macht wie sein Vorbild Ronald Reagan, dann könnte der Dollar, wie bereits in den achtziger Jahren, plötzlich abstürzen.

Anfang 2003 begann der Dollar seine Talfahrt und wertete gegenüber dem Euro um 30 Prozent ab. Neue Verwerfungen in der Weltwirtschaft sind die Folge. Interessant ist, dass die Höhe des jährlichen Leistungsbilanzdefizits mit 400 Milliarden Dollar in etwa der Höhe des Militäretats entspricht. Wenn man so will, lässt sich Amerika seine gewaltige Militärmacht vom Ausland finanzieren, vor allem von Japanern und Europäern.

Auf lange Sicht müsste den Vereinigten Staaten daran gelegen sein, nicht die einzige Hegemonialmacht der Welt zu bleiben. Jedes Übergewicht zieht gleichsam automatisch universellen Widerstand auf sich und verlangt nach einem entsprechenden Gegengewicht. Die Europäer haben dabei eine große Verantwortung. Schließlich wurde der Euro nicht nur als Gemeinschaftswährung für den einheitlichen europäischen Markt, sondern auch als Gegenpart zum Dollar geprägt. Auch andere Länder wollten sich mit der Hegemonie der Vereinigten Staaten nicht abfinden. Als Boris Jelzin 1996 mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng zusammentraf, forderten die beiden Politiker die Rückkehr zu einer multipolaren Welt. Die atomare Aufrüstung Indiens und Pakistans ist ein Zeichen dafür, dass diese Länder sich einen eigenen Handlungsspielraum schaffen wollen. Eine Welt mit mehreren Polen, die über eine starke Volkswirtschaft und eine entsprechende militärische Macht verfügen, ist stabiler als eine monopolare.

Für die Weltpolitik sind nach wie vor drei politische Ziele maßgebend: Die Schaffung von Frieden, die Herstellung sozialer Gerechtigkeit und die Bewahrung der Umwelt. Die Ereignisse der Jahre nach dem Fall der Mauer zeigten, wie unverzichtbar es weiterhin ist, die Außen- und Innenpolitik der Staaten auf diese Ziele auszurichten.Krieg beginnt mit der Produktion von Waffen. Die alte römische Weisheit, si vis pacem para bellum, wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor, ist im Atomzeitalter schon lange nicht mehr gültig. Die Menschheit hat technische Fähigkeiten entwickelt, die ihrem moralischen Vermögen weit vorauseilen. Will sie ihren Untergang vermeiden, dann muss sie die alte Machtpolitik miteinander rivalisierender Staaten durch eine internationale Ordnung ersetzen, die Frieden und soziale Gerechtigkeit ermöglicht.

Zu Beginn des 3. Jahrtausends sind die großen Industriestaaten die Waffenproduzenten und die Waffenlieferanten der Welt. Sie sind die eigentlichen »Schurkenstaaten«, allen voran die USA. Die Verringerung der Waffenproduktion und die Abrüstung bleiben aber die Voraussetzungen eines stabilen Friedens. Dabei muss man mit den Atomwaffen beginnen. Sie sind Waffen mit einem unvorstellbaren Vernichtungspotenzial und wurden bisher von den Vereinigten Staaten in Hiroshima und Nagasaki eingesetzt. Danach, in der Zeit des Kalten Krieges, kam es zum atomaren Overkill. Jede der beiden Supermächte hatte die Fähigkeit, die jeweils andere mehrfach zu vernichten. In den siebziger Jahren begannen zwischen den USA und der UdSSR die Verhandlungen zum Abbau der Atomwaffen. Es kam zu Vereinbarungen, die Zahl der Atomsprengköpfe zu begrenzen und zu reduzieren. Mit der Umsetzung der Verträge taten sich beide Supermächte schwer. Erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion eröffnete sich die Chance auf eine weitere atomare Abrüstung. Im Jahre 2001 kündeten der amerikanische Präsident George W. Bush und der russische Präsident Wladimir Putin an, die Zahl der Atomwaffen weiter zu verringern. Als Bush den Vertrag, der beinhaltete, keine Raketenabwehr aufzubauen, ohne Absprache mit den Verbündeten kündigte, gab es neue Vorgaben. Er stellte in Aussicht, das amerikanische Atomarsenal einseitig von 6000 auf 1700 bis 2200 stationierte Sprengköpfe abzubauen. Im Gegenzug erklärte Putin, Russland werde die Zahl der strategischen Nuklearsprengköpfe auf 1500 bis 2200 verringern.

Kurz danach setzte das amerikanische Militär aber durch, dass die Atomsprengköpfe nicht verschrottet, sondern »eingelagert« werden. Und als sei das noch nicht genug, wurde im März 2002 ein Pentagon-Papier bekannt, in dem Einsatzoptionen kleiner Atomwaffen erörtert wurden. Auf der Liste der Zielländer standen Iran, Irak, Nordkorea, Libyen, Syrien, China und Russland. Die Russen fühlten sich düpiert und lernten wieder einmal, dass sich das Militär in den USA gegen den Präsidenten durchsetzt. Ein weiteres Beispiel: Auch der ehemalige amerikanische Präsident Bill Clinton trat für das Verbot von Landminen ein, aber das Pentagon verhinderte den Beitritt der USA zu einem entsprechenden internationalen Abkommen. Eisenhower hatte Gründe, vor dem militärisch-industriellen Komplex Amerikas zu warnen.

Unabhängig von den Verhandlungen der Supermächte entwickelten immer mehr Staaten Atomwaffen. Das war unvermeidlich, weil die Politik der jetzigen Nuklearmächte zur Rüstungskontrolle auf einem unüberwindbaren Widerspruch beruht. Sie wollen selbst Atomwaffen behalten, aber anderen Staaten verbieten, derartige Waffen herzustellen. Dass diese Rechnung nicht aufgeht, versteht sich von selbst. Viele Staaten hatten den Atomwaffensperrvertrag nur deshalb unterzeichnet, weil die Nuklearmächte ihnen versprochen hatten, abzurüsten. Im Atomwaffensperrvertrag haben diese sich 1968 verpflichtet, »einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle« abzuschließen. Leider sind die Atommächte vertragsbrüchig geworden und haben damit die weitere atomare Aufrüstung in Gang gesetzt. Es kann keine auserwählten Völker geben, die über Atomwaffen verfügen, während der Rest der Welt auf dieses militärische Drohpotenzial zu verzichten hat. Aus ähnlichen Gründen wurde der Atomteststoppvertrag von einigen Staaten abgelehnt. Aus ihrer Sicht war das Spiel des Atomclubs durchschaubar. Nachdem seine Mitglieder selbst viele Atomversuche durchgeführt hatten, wollten sie es anderen Ländern unmöglich machen, das notwendige Knowhow zur Herstellung der Bomben zu entwickeln. Mit welchem Argument will man aber Staaten wie Indien und Pakistan die atomare Bewaffnung verbieten, wenn die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China weiterhin Atomstreitkräfte besitzen? Ja, selbst die von den Amerikanern so oft an den Pranger gestellten Länder wie der Irak, Nordkorea oder Libyen – die so genannten Schurkenstaaten –, können auf Israel verweisen und mit guten Gründen bei der atomaren Bewaffnung gleiches Recht für alle verlangen. 1981 vernichteten die Israelis mit einem Überraschungsangriff einen irakischen Kernreaktor, der spaltbares Material liefern sollte. Wie selbstverständlich nimmt Israel das Recht für sich in Anspruch, als einziger Staat im Nahen Osten Atomwaffen zu besitzen. Da im Konfliktfall die Atommächte, allen voran die USA, nicht nur ihre überlegenen konventionellen militärischen Fähigkeiten anwenden können, sondern ihre Nuklearmacht immer noch in der Hinterhand haben, setzen sie ihre politischen Ziele durch. Aufstrebende Staaten, die noch keine Atomwaffen haben, werden daher notwendigerweise versuchen, in den Besitz solcher Waffen zu gelangen. Will man diese Kette von atomarer Vor- und Nachrüstung durchbrechen, dann gibt es nur die Möglichkeit der völligen atomaren Abrüstung. In der Zwischenzeit sollten die Nuklearwaffen der Kontrolle der UNO unterstellt werden. Eingefleischte Realpolitiker sehen darin sicher eine weltfremde Träumerei. Aber es gibt nur zwei Wege: Entweder verzichten alle Staaten auf Atomwaffen oder immer mehr Länder werden aus Gründen des Gleichgewichts nuklear aufrüsten. Und wenn viele Staaten über Bomben verfügen, dann werden sie eines Tages auch wieder eingesetzt.

Wie mit den Atomwaffen, so verhält es sich auch mit den biologischen und chemischen Waffen. Auch hier wird es keine Weltordnung geben, in der einzelne Staaten diese Waffen besitzen, während andere auf sie verzichten. Ein Chemiewaffenabkommen wurde im Januar 1993 in Paris von 130 Staaten unterzeichnet. Spätestens zehn Jahre, in Ausnahmefällen 15 Jahre nach Inkrafttreten des Vertrages am 29.4.1997, müssen sämtliche Arsenale chemischer Waffen und die entsprechenden Produktionsanlagen vernichtet sein. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen mit Sitz in Den Haag soll die Einhaltung des Vertrages überwachen sowie Kontrollen im militärischen Bereich und bei der chemischen Industrie durchführen. Es ist also möglich, internationale Vereinbarungen abzuschließen, die den Besitz bestimmter Waffen verbieten. Aber die größeren Mächte konnten dieses Abkommen auch deshalb leicht unterzeichnen, weil sie ja immer noch auf die Atombomben zurückgreifen können. Die atomare Abrüstung bleibt die vorrangige Aufgabe der internationalen Politik.

Für die biologischen Waffen wurde 1972 ein Vertrag unterzeichnet. Er verbietet die Herstellung dieser Waffen und schreibt vor, alle Bestände innerhalb von neun Monaten nach der Vereinbarung zu vernichten. Das Abkommen wurde von 143 Staaten ratifiziert. Nicht unterschrieben haben unter anderem Israel, der Sudan und der Irak. Der Vertrag sieht aber keine ausreichenden Kontrollmöglichkeiten vor. Die Vereinigten Staaten waren trotz ihrer Erfahrungen mit den Anthrax-Anschlägen auch im Jahr 2001 nicht bereit, ein Zusatzprotokoll zu unterschreiben, das es ermöglichte, die Herstellung biologischer Waffen einer stärkeren Kontrolle zu unterziehen.

Die USA sind am Beginn des 3. Jahrtausends für die Hälfte der Waffenexporte verantwortlich und liefern an 140 Staaten, von denen 90 Prozent entweder Diktaturen sind oder die Menschenrechte nicht achten. Nicht nur imperiale oder militärische Überlegungen liegen diesen Waffenlieferungen zugrunde. Es geht oft nur ums Geld. Die Waffenproduzenten haben in den Industriestaaten eine starke politische Lobby. Sie schmieren Politiker und Parteien. So wie der Waffenhändler Karlheinz Schreiber in Bonn die politische »Landschaft« pflegte, so gibt es viele Schreibers auf der Welt. Oft sind Politiker selbst in den Waffenhandel involviert. Solche Vorwürfe wurden beispielsweise gegen den ehemaligen argentinischen Präsidenten Carlos Menem erhoben, der deshalb eine Zeit lang inhaftiert war, bis ein mit seinen Günstlingen besetztes Verfassungsgericht die Haft aufhob. Wenn die Politiker selbst nicht beteiligt waren, dann waren manchmal Mitglieder ihrer Familien in dubiose Waffengeschäfte verwickelt, wie die Söhne von Margaret Thatcher und François Mitterand. Würden Waffenexporte verboten, dann bliebe der Menschheit millionenfacher Tod und viel Leid und Elend erspart. Bei der UNO sollte eine Behörde angesiedelt werden, die das Verbot der Waffenexporte überwacht.

Nach der Auflösung der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges ist tatsächlich die Chance zu einer gerechteren Weltordnung gegeben. Sie kann aber nur genutzt werden, wenn die UNO und ihre Vollversammlung als Vorläufer einer Weltregierung und eines Weltparlaments begriffen werden. Eine neue Weltordnung setzt voraus, dass alle Staaten das von den Vereinten Nationen gesetzte internationale Recht respektieren. UNO-Generalsekretär Kofi Annan reklamiert die Zuständigkeit der Weltorganisation für die Terrorismusbekämpfung. Seine Organisation sei das natürliche Forum, um eine weltweite Koalition zu bilden. Sie allein könne dem langfristigen Kampf gegen den Terrorismus Legitimität verleihen. Da aber nur derjenige etwas durchsetzen kann, der auch über militärische Macht verfügt, muss eine Streitmacht aufgestellt werden, die im Konfliktfall von der UNO eingesetzt werden kann. Sie muss auch über technisch gut ausgerüstete Katastrophenschutzeinheiten verfügen. Als Saddam Hussein den Persischen Golf mit Öl verseuchte, sah die Weltgemeinschaft hilflos zu. Während es Bomber, Raketen und Kriegsschiffe im Übermaß gibt, fehlt es an Geräten, um Leben zu retten und Umweltkatastrophen zu bekämpfen. Weltpolizei kann nur die UNO sein, nicht ein einzelner Staat. Auch die Vereinigten Staaten werden sich auf Dauer übernehmen, wenn sie aus falsch verstandenem Eigeninteresse die Rolle des alleinigen Weltpolizisten anstreben.Weil er das sah, wollte Präsident Franklin D. Roosevelt ein System kollektiver Sicherheit, in dem die USA neben Großbritannien, der UdSSR und China die Rolle eines von vier Weltpolizisten übernehmen sollten.

Internationale Streitfälle rufen nach internationalen Gerichten. Der Gerichtshof in Den Haag muss von allen Staaten anerkannt werden. Während das Den Haager Gericht Staaten zur Rechenschaft zieht, würde ein internationaler Strafgerichtshof über Einzelpersonen urteilen. Bisher werden dafür UNO-Tribunale eingerichtet. Vor einem solchen steht auch der ehemalige serbische Präsident Slobodan Milošević. Im Zeitalter des Terrorismus ist ein internationaler Strafgerichtshof unverzichtbar. Es ist bedauerlich, dass die Vereinigten Staaten sich der Gründung eines Gerichts, das über Individualfälle verhandelt, widersetzen. Die Republikaner haben im amerikanischen Verteidigungshaushalt Hürden errichtet. Durch Zusätze zum Militärbudget wird der Präsident verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Amerikaner zu befreien, die sich vor einem solchen Gericht zu verantworten hätten. In Zukunft wollen sich die USA nur dann an UNO-Friedensmissionen beteiligen, wenn die Weltorganisation den US-Soldaten Immunität garantiert. Zudem missachten Amerikaner das Kriegsvölkerrecht. Der Einsatz von Streubomben in Afghanistan widersprach den völkerrechtlich verbindlichen Genfer Konventionen.


Washington setzt auf eine militärisch gestützte Außenpolitik, die immer auch Energie- und Wirtschaftspolitik ist. Das ist nichts Neues. In seinem 1933 veröffentlichten Buch »Jahre der Entscheidung« schrieb der Kulturphilosoph Oswald Spengler: »Die Kolonial- und Überseepolitik wird zum Kampf um Absatzgebiete und Rohstoffquellen der Industrie, darunter in steigendem Maße um die Ölvorkommen. Denn das Erdöl begann die Kohle zu bekämpfen, zu verdrängen. Ohne die Ölmotoren wären Automobile, Flugzeuge und Unterseeboote unmöglich gewesen.« Der konservative Denker, dessen Hauptwerk, »Der Untergang des Abendlandes«, ein Welterfolg war, hatte gegen diesen Wirtschaftsimperialismus keine Einwände. Vielmehr warf er den deutschen Politikern das Versäumnis vor, in Mittelafrika kein großes Kolonialreich errichtet zu haben. Für ihn war der Mensch ein Raubtier. Und Sozialethiker nannte er »Raubtiere mit ausgebrochenen Zähnen«. Da wir heute allen Menschen die gleichen Grundrechte zubilligen und die Idee der sozialen Gerechtigkeit anders bewerten, müssen wir entscheiden, ob sich Deutschland an einer solchen Politik beteiligen will. Bisher waren wir stolz darauf, eine Friedensmacht zu sein. Wir hatten gelernt, auf Diplomatie, friedlichen Ausgleich und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu setzen. Auf einmal hieß es, wir dürften, wenn andere kämpfen, nicht auf den Zuschauerbänken sitzen bleiben. Aber ist uns der Platz auf den Zuschauerbänken, während die USA nach dem Zweiten Weltkrieg an vielen Orten der Erde Krieg führten, nicht gut bekommen? Damit es keine Missverständnisse gibt: Deutschland muss zum Aufbau einer internationalen Ordnung beitragen und sich an UNO-Missionen beteiligen. Aber die UNO braucht für ihre Polizeieinsätze klare Kriterien. Sie darf nicht zum Spielball einzelner Mitgliedstaaten werden. Das Vetorecht der Vereinigten Staaten, Russlands, Großbritanniens, Frankreichs und Chinas im Sicherheitsrat ist überholt. In der Demokratie geben Mehrheitsentscheidungen den Ausschlag. Das Mitmachen im Afghanistankrieg wurde von der rot-grünen Regierung aus der deutschen Bündnisverpflichtung abgeleitet. Das war weit hergeholt. Ehrlicher wäre es gewesen, zu sagen, wir laufen dem Stärksten hinterher. Mitläufertum ist in allen Zeiten und in allen Gesellschaften das Verhalten der Mehrheit. Aber es ist nicht immer richtig. Eine kleine Anekdote, die über General Charles de Gaulle erzählt wird, handelt davon, dass Menschen oft die Seiten wechseln und verschiedenen Fahnen hinterherlaufen. Als der ehemalige französische Staatspräsident am Ende des Zweiten Weltkriegs im Triumph auf den Champs-Élysées in Paris einzog, jubelten ihm viele tausend Menschen zu. Eilfertig und beflissen sagte sein Adjutant, das seien aber viel mehr als bei Pétain. Marschall Henri Philippe Pétain, der während der Besatzungszeit mit den Nazis kollaborierte, hatte als französischer Staatschef ebenfalls die Champs-Élysées genutzt, um den Jubel der Bevölkerung entgegenzunehmen. Nachdem sein Adjutant ihm mehrfach zugerufen hatte, es seien aber mehr als bei Pétain, drehte sich de Gaulle um und erwiderte barsch: »Nein, es sind genauso viele und es sind dieselben.«

Die deutsche Debatte speist sich auch aus der Erinnerung an die Nazi-Zeit. War mitmachen tatsächlich »Pflicht«, wie da und dort zu hören ist? Oder war mitmachen im totalitären Staat eher ein Zwang, dem die meisten sich fügten? Diejenigen, die sich verweigern, die Deserteure, werden immer noch verachtet. Adolf Hitler hatte in »Mein Kampf« geschrieben: »Der Soldat kann sterben, der Deserteur muss sterben.« Auf die Idee, Menschen könnten Gründe haben, sich dem Militärdienst und dem Krieg zu verweigern, kam der »Führer« nicht. Nach vielen Jahren wurde im ehemaligen KZ Buchenwald ein Gedenkstein für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure der Wehrmacht enthüllt. Auf ihm ist zu lesen: »In Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz, die den Krieg verweigert haben und einem verbrecherischen Regime nicht mehr dienen wollten.« Es gibt Zeiten, in denen die Verweigerung eine moralische Pflicht ist. So lehnten französische Piloten im Afghanistankrieg mehrere Einsätze ab, weil sie das Bombardement für die Bevölkerung als zu risikoreich einschätzten. Ebenso erklärten israelische Reserveoffiziere, sie seien nicht mehr bereit, sich an Aktionen der Armee in widerrechtlich von Israelis besetzten Gebieten zu beteiligen. Der Pazifismus hat in Deutschland Tradition. Menschenliebe, christlicher Glaube oder das Bekenntnis zu einer anderen Religion können zur Ablehnung des Krieges führen. Die Pazifisten verweigern den Militärdienst und lehnen den Krieg zwischen Staaten ab. Was aber ist ihre Antwort, wenn nicht mehr Staaten gegeneinander stehen, sondern organisierte Banden die Welt terrorisieren, und wenn eine Weltregierung die Polizei einsetzt? Pazifisten hatten nie die Abschaffung der Polizei verlangt. Gegen Verbrecher wird notfalls auch mit Waffengewalt vorgegangen. Die UNO-Polizei ist aber verpflichtet, wie die Polizei der klassischen Nationalstaaten, bei der Anwendung von Waffengewalt auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu achten.

Frieden und soziale Gerechtigkeit sind untrennbar miteinander verbunden. Gerecht muss es zugehen, wenn die Güter der Welt verteilt werden. Das beginnt bei den Rohstoffen. Einer der wichtigsten Rohstoffe der Welt ist das Öl. Und die Ölquellen sind heute für Militärstrategen von ähnlicher Bedeutung wie Atombomben, Raketen oder Satelliten. Die Vereinigten Staaten stellen 4,5 Prozent der Weltbevölkerung, verbrauchen aber 25 Prozent der Welterdölproduktion. Das soll eine gerechte Weltordnung sein? Wie kein anderes Land wären die Vereinigten Staaten verpflichtet, ihre technologische Überlegenheit zur Energieeinsparung zu nutzen. Selbst der wirtschaftsnahe britische Economist empfahl den USA, nach dem 11. September eine Ökosteuer einzuführen. Die billige Polemik von CDU, CSU und FDP gegen die ökologische Steuer- und Abgabenreform der rot-grünen Koalition ist auch ein Ausweis mangelnder außenpolitischer Konzeption. Wenn die führenden Industriestaaten der Welt – zu ihnen gehört die Bundesrepublik Deutschland – bei der Energieeinsparung und bei der Entwicklung neuer Technologien zur Energiebereitstellung nicht vorangehen, dann werden die kriegerischen Auseinandersetzungen um die Öl- und Gasvorräte weitergehen. Außenpolitik im Zeitalter der Globalisierung ist Energie- und Wirtschaftspolitik.

Auch im Afghanistankrieg geht es nicht nur um Osama Bin Laden und das Talibanregime, sondern um die Öl- und Gasvorräte des Kaspischen Meeres. Es dient nicht dem Frieden, wenn die Vereinigten Staaten, unterstützt von den Europäern und der Bundesrepublik, die militärische Sicherung der Rohstoffquellen zum Bestandteil ihrer Außenpolitik erklären. Was würde man wohl sagen, wenn sich die muslimischen Staaten die texanischen Ölquellen militärisch sichern wollten?

»Überseepolitik wird zum Kampf um Absatzgebiete«, schrieb Oswald Spengler in seinem Buch »Jahre der Entscheidung«. Der Nobelpreisträger und ehemalige Chefökonom der Weltbank, Joseph E. Stiglitz, verweist auf Beispiele, die zeigen, dass es auch heute noch so ist. Das amerikanische Finanzministerium und die Weltbank forderten in Indonesien und Pakistan Verträge mit privaten Energieversorgern, die den Staat verpflichteten, große Mengen zu überhöhten Preisen abzunehmen. Als die korrupten Politiker, die diese Verträge abgeschlossen hatten, stürzten – Hutomo Suharto 1998 in Indonesien und Nawaz Sharif 1999 in Pakistan –, setzte die US-Administration die neuen Regierungen unter Druck, die Verträge zu erfüllen. Fair wäre es gewesen, auf die Neuverhandlungen der schlechten Vertragsbedingungen zu drängen. Bei diesen Konflikten müssen die Schwachen geschützt werden, damit sie überhaupt eine Chance haben. Dafür ist die Marktwirtschaft keine Garantie. In der Marktwirtschaft herrscht Wettbewerb. Wenn Kartellgesetze unfairen Wettbewerb und Monopolbildung nicht verhindern, dann haben kleine Unternehmen oft keine Chancen.

Diese Überlegungen gelten auch für den Welthandel. Dem Kampf um die Absatzgebiete soll die Welthandelsorganisation, die WTO, Regeln geben. Den Grundsätzen des fairen Wettbewerbs trägt sie aber nicht Rechnung. Sie verkehrt sie in ihr Gegenteil. Die Starken werden begünstigt und die Schwachen benachteiligt. Während die Zölle für die Industriegüter im Interesse der westlichen Staaten abgebaut wurden, verwehren diese den Entwicklungsländern den Zutritt zu ihren Agrarmärkten. Gleichzeitig stützen sie mit Milliardensubventionen ihren Agrarexport und ruinieren die Bauern in den weniger entwickelten Ländern. Hier setzen die Globalisierungskritiker an. So wie die Industriestaaten lange Jahre die heimische Wirtschaft mit Zöllen geschützt haben, bis sie wettbewerbsfähig wurde, so fordern sie, den Entwicklungsländern heute die gleichen Rechte und Chancen einzuräumen.Auch die Kritik an der Struktur der Weltfinanzmärkte wendet sich vor allem gegen die Benachteiligung der armen Länder. Die Weltfinanzkrisen haben gezeigt, wie Währungen wirtschaftlich weniger entwickelter Länder plötzlich abstürzen und wie schwere volkswirtschaftliche Schäden entstehen. Während Spekulanten gutes Geld verdienen, bezahlen Asiaten und Südamerikaner starke Wechselkursveränderungen mit Massenarbeitslosigkeit und sozialem Elend. Zu einseitig vertreten Weltbank und Internationaler Währungsfonds die Interessen des Finanzkapitals und der multinationalen Konzerne. Die mit dem »Washington-Konsens« verbundene Deregulierung des Kapital- und Güterverkehrs nützt den einen und schadet den anderen. Es war ein Fehler, in den ostasiatischen Staaten ohne eine solide Bankenstruktur den Kapitalverkehr freizugeben. Ihre Volkswirtschaften waren für diesen Schritt noch nicht reif. Um ein stetiges Wachstum der Weltwirtschaft zu erreichen, brauchen wir wieder stabilere Wechselkurse und die Kontrolle des kurzfristigen Kapitalverkehrs.

Der Export der westlichen Technologie und Lebensweise in alle Welt stößt auf kulturelle Hürden. Nach den Bombenangriffen auf Bagdad und Basra im Golfkrieg 1991 schrieb die Times of India, der Westen strebe ein regionales Jalta an, bei dem die »mächtigen Nationen die arabischen Beutestücke unter sich aufteilen«. Und weiter: »Das Verhalten der Westmächte hat uns die Kehrseite der westlichen Zivilisation gezeigt: ihre ungezügelte Gier nach Herrschaft, ihre morbide Anbetung hochtechnologischer Rüstung, ihren Mangel an Verständnis für fremde Kulturen, ihren abstoßenden Chauvinismus …«

Bei dem rasanten Tempo wirtschaftlicher und technologischer Veränderungen können viele Menschen nicht mehr folgen. Sie setzen sich zur Wehr. Kommt noch das Gefühl hinzu, benachteiligt zu sein oder gar ausgebeutet zu werden, dann wird der Nährboden des Terrorismus bereitet. Die westliche Staatengemeinschaft wäre gut beraten, stärker als bisher auf die Kulturen anderer Länder Rücksicht zu nehmen. Das gilt vor allem für die muslimische Welt.Wir haben keinen Grund, überheblich zu sein. Das Christentum kannte Kreuzzüge, Folter und Hexenverbrennungen in großem Ausmaß.

Um im Nahen Osten die Säkularisierung zu unterstützen, sollte der Türkei – wenn sie zusagt, künftig die Menschenrechte zu beachten – eine enge Zusammenarbeit mit Europa angeboten werden. Sie wäre ein Brückenkopf Europas in der muslimischen Welt. Die Türkei verdient auch deshalb unsere Hilfe, weil sie ihr Modell der Trennung von Staat und Religion in die turksprachigen Staaten Mittelasiens exportieren will. Wäre die Säkularisierung ein Ziel der westlichen Außenpolitik, dann hätte es die Unterstützung der Taliban seitens der Vereinigten Staaten über mehrere Jahre hinweg nicht gegeben. Besonders die Frauenbewegung in Amerika hat darauf hingewiesen, dass es in Afghanistan nicht nur um Pipelines, sondern auch um die Rechte der Afghaninnen gehen sollte. Wichtig ist, dass diese nicht als Mittel zum Zweck missbraucht werden. Oft genug stehen hinter einer vordergründigen Verteidigung der Menschenrechte wirtschaftsund machtpolitische Interessen. Die Gleichstellung der Frauen in Beruf und Gesellschaft muss Bestandteil der neuen Weltordnung werden.

Der Fall der Mauer und der Zusammenbruch der kommunistischen Staaten fiel in die Ära des Neoliberalismus. Mit dem Amtsantritt von Margaret Thatcher in England und Ronald Reagan in Amerika hatte sich in der westlichen Welt der Marktfundamentalismus durchgesetzt. Die Individuen sollten auf der Basis von Privateigentum einen vom Staat möglichst wenig eingeschränkten Handlungsspielraum haben. Privatisierung, Deregulierung und Flexibilisierung waren die Heilsbotschaften dieses neuen Dogmatismus. Hatte man es im Wettbewerb mit dem östlichen Kommunismus noch für notwendig angesehen, der Marktwirtschaft den Sozialstaat zur Seite zu stellen, so gab es nach dem Zusammenbruch des Ostblocks kein Halten mehr. Nicht mehr von Menschen war die Rede, sondern nur noch von Marktpreisen und Kosten. Ein neuer Totalitarismus, ein menschenverachtender Ökonomismus, wurde zur globalen Leitkultur. Aber die Ökonomisierung der Gesellschaft ist ein Weg in die Barbarei. Der Sozialstaat wurde zur überflüssigen Einrichtung erklärt, die abgebaut werden müsse. Auch sozialdemokratische Parteien und Gewerkschaften verfielen mehr und mehr dem neoliberalen Paradigma. Die Entsolidarisierung der westlichen Gesellschaften setzte ein, die Idee der Solidarität schien ihren Glanz verloren zu haben. Ein verkürztes Verständnis von Modernisierung machte sich breit. Ging es früher darum, sich aus traditionellen Bindungen zu lösen, um freier und mündiger zu werden, so geht es heute um die Anpassung der Politik an die Zwänge des internationalen Wettbewerbs. Unter Modernisierung werden jetzt Maßnahmen verstanden, die die Möglichkeiten der Menschen zu einem freien selbstbestimmten Leben erheblich einschränken. Im Zentrum wirklicher Reformpolitik steht die Freiheit des Menschen. Modernisierung ist ein anderes Wort für Emanzipation, nicht für Profit, Shareholdervalue und neue Abhängigkeit.

Solidarität in unserer Zeit heißt immer auch Verantwortung für kommende Generationen. Ihnen wollen wir eine Welt hinterlassen, in der man das Wasser noch trinken und die Luft noch atmen kann und deren Böden noch fruchtbar genug sind, um die Menschheit zu ernähren. Die Welt braucht eine umweltverträgliche Energiepolitik und die reichen Länder müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Es ist daher ein Hoffnungszeichen, dass im Jahre 2001 mehr als 100 Staaten in Marrakesch ein UNO-Abkommen zur Einschränkung der Treibhausgasemissionen getroffen haben, um die Erderwärmung zu verlangsamen. Der Vertrag wurde von den Vereinigten Staaten nicht unterschrieben – obwohl in keinem Land der Welt der Ausstoß von Treibhausgasen so hoch ist. Dem Ereignis kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil die Völkergemeinschaft auch dann zu globalen Vereinbarungen fähig ist, wenn die einzig verbliebene Supermacht nicht mitwirkt. Auf Dauer werden die Vereinigten Staaten jedenfalls ihre isolierte Position in der Welt nicht durchhalten können.

Langfristig ist nur eine Politik erfolgreich, die sich auf klare Grundsätze stützt und diese auch dann beherzigt, wenn ihre Missachtung von außen betrachtet kurzfristige Scheinerfolge bringt. An der Utopie der Aufklärung, der Weltgesellschaft der Freien und Gleichen müssen wir uns weiter orientieren. In der Weltgeschichte gibt es den Kairos, den richtigen Zeitpunkt. Wird der amerikanische Präsident George W. Bush die Chance erkennen und einen Beitrag zum Entstehen einer gerechteren Weltordnung leisten? Denkt er überhaupt darüber nach, warum sein Land mit 4,5 Prozent der Weltbevölkerung 25 Prozent der gesamten Erdölförderung verbraucht, 40 Prozent der Militärausgaben der Welt in seinen Haushalt stellt, für 50 Prozent aller Waffenexporte verantwortlich ist und, obwohl es zu den reichsten Ländern gehört, 64 Prozent des auf den Weltmärkten angebotenen Kapitals zur Verbesserung seines Lebensstandards benötigt? Bisher spricht vieles dagegen. Bush hatte mit einem »compassionate conservatism«, einem mitfühlenden Konservatismus, Wahlkampf gemacht.

Als seinen Lieblingsphilosophen nannte er Jesus. Und er ließ die Welt wissen, seine Kraft und seinen Optimismus ziehe er aus seinen Gebeten. Bush ist von missionarischem Eifer erfüllt, das Böse auszurotten. Seit dem 11. September, so las man in der New York Times, sieht er sich als Werkzeug Gottes. Dafür halten sich auch die muslimischen Selbstmordattentäter. So wie Bush von der »Achse des Bösen« spricht, so nennen sie die USA den »großen Satan«.

Werden auf der anderen Seite die Europäer, deren Kontinent die Philosophie der Aufklärung hervorgebracht hat, ihre Rolle in der neuen Weltordnung finden? In keinem Fall dürfen sie der Versuchung erliegen, den USA beim Aufbau einer globalen Militärmacht nachzueifern. In der Welt gibt es viele Waffen, aber zu wenig Hilfe für die Hungernden und Unterdrückten. Auch in der Weltpolitik sollte Immanuel Kants kategorischer Imperativ Geltung haben: »Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie allgemeines Gesetz werde.« Würden alle Staaten das Völkerrecht missachten, Atomwaffen produzieren, Waffen exportieren und so viel Energie verbrauchen, wie die Industriestaaten, dann wäre die Welt bereits zerstört. In ethischer Hinsicht sind die entwickelten Länder, allen voran die Vereinigten Staaten, unterentwickelt. Eine gerechte Weltordnung setzt voraus, dass die reichen Länder lernen, mit den ärmeren Solidarität zu üben. Dabei müssen sie ihre Ansprüche zurücknehmen. Das gilt vor allem für Amerika, das seinen Willen zur Weltherrschaft aufgeben und zu partnerschaftlicher internationaler Zusammenarbeit bereit sein muss. Der Anschlag vom 11. September hat die großen Stärken und Schwächen der Vereinigten Staaten noch einmal jedem vor Augen geführt.

Die Wut wächst

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