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BIENE

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Es war die schwere Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Mein Vater konnte mit Unterstützung des sowjetischen Stadtkommandanten und des Bürgermeisters bereits am 1. Oktober 1945 die Zentralforschungsanstalt für Pflanzenzüchtung in Müncheberg wiedereröffnen. Die Gebäude des Institutes hatten zwar ohne größere Beschädigungen die schweren Kampfhandlungen in der Region überstanden, aber der größte Teil der Forschungseinrichtungen und des Zuchtmaterials waren mit einem Institutstreck schon im Januar 1945 in Richtung Westen abgegangen. Aus den wenigen verbliebenen Beständen mussten nun neue Zuchtstämme der wichtigsten landwirtschaftlichen Kulturen wieder aufgebaut werden. Es blühte ein reger Tauschhandel in der Region, aber auch mit anderen, bereits schon wieder arbeitenden Instituten. Dabei wurde oft Ware gegen Ware getauscht und es blieb sicher nicht aus, dass mancher Handel nicht mit Geld abgegolten wurde, sondern mit Dingen, die der eine hatte und der andere haben wollte. Der Leiter eines Institutes, in dem auch Kartoffeln gezüchtet wurden, konnte vielleicht auch mal einen Sack dieser Tauschwährung für derartige Geschäfte abzweigen. Wie dem auch sei, eines Tages brachte mein Vater eine braune Kurzhaar-Dackelhündin mit nach Hause, die wir auf den Namen „Biene“ tauften. Sie war unser „Kartoffelhund“, weil mein Vater sie gegen einen Sack Kartoffeln eintauschte. Natürlich hatte sie keine adligen Vorfahren und auch keine Ahnentafel; wer hätte eine solche in dieser Zeit auch ausstellen sollen.

Sehr schnell wurde Biene der Liebling der Familie, vor allem von uns vier Kindern. Sie führte ein noch freieres und ungebundeneres Leben als wir, die ja die lästige Schule zumindest zeitweise an völliger Freiheit hinderte. Den Tag verbrachte sie meist bei meinem Vater im Forstinstitut, das inzwischen von Müncheberg nach Waldsieversdorf umgezogen war. Dort schlief sie in einer Schublade des Schreibtisches der Sekretärin meines Vaters.

An Jagd war in dieser Zeit nicht zu denken. Es dachte auch kaum jemand daran, denn man hatte ganz andere Sorgen. Meine Mutter stammte aus einer Försterfamilie und mein Vater machte sicher auf Anregung seines Schwiegervaters hin in den späten 1930-er Jahren den Jagdschein. Ein jagdlicher Einsatz von Biene kam, bedingt durch die alliierten Bestimmungen in dieser Zeit, ohnehin nicht infrage.

Biene dachte darüber jedoch anders. Sie hatte von ihren Vorfahren eine gehörige Portion jagdlicher Passion geerbt. Wann immer es ihr gelang, sich aus Herrchens Nähe zu entfernen, inspizierte sie einen nahegelegenen Fuchsbau. Durch das Gelände des Institutes schlängelt sich ein kleiner Bach, der Stöbber, der nur wenige Kilometer entfernt in einem Niedermoorgebiet entspringt. Dieser Bach, der im Quellgebiet nur wenige Dezimeter tief ist, schnitt sich während seines Laufes immer tiefer in die Landschaft ein. Im Gelände des Institutes lag er bereits rund 10 Meter tiefer als die Umgebung. Am Hang hatten sich seit langer Zeit wohl Füchse einen Bau, eigentlich nur eine Röhre, gegraben. Biene fand diesen Bau irgendwann und suchte ihn regelmäßig auf. Hier lag sie dann stundenlang vor, verbellte anhaltend und kam selten aus eigenem Antrieb nach Hause. Ob sich ein Fuchs oder irgendein anderes Getier darin befand, konnte ich nie ergründen. Einmal gelang es mir, sie zu verfolgen. Sie näherte sich sehr zielstrebig diesem Bau, tat aber so, als ob der sie gar nicht interessieren würde. Dort angekommen, schliefte1 sie sofort ein und war verschwunden. Nun wusste ich zwar, wo sie war, aber damit hatte ich sie noch lange nicht. Alles Rufen und Schimpfen half nicht, sie kam einfach nicht heraus. Also wartete ich ab und hoffte darauf, dass sie sich beim Herauskommen aufnehmen lassen würde. Wenn draußen alles ruhig war, kam sie nach einiger Zeit rückwärts aus dem Bau heraus, um Luft zu schnappen. Sobald sie mich aber bemerkte, verschwand sie blitzschnell wieder und ich hatte das Nachsehen. Es gab nur eine Lösung: ich setzte mich über der Einfahrt auf den Boden, hielt völlige Ruhe und wartete, bis ihre Rute in der Röhre erschien. Die packte ich dann und wollte die Hündin anleinen. Aber ich hatte die Rechnung ohne sie gemacht. Sie biss so wütend um sich, dass ich sofort wieder loslassen musste. Jetzt hieß es wieder warten. Als sie das nächste Mal Luft schnappen wollte, ergriff ich die Rute, so fest ich nur konnte und warf die Hündin weit von der Einfahrt weg und setzte mich blitzschnell mit meinem rückwärtigen Körperteil in die Röhre. Jetzt ließ sie sich problemlos anleinen und nach Hause bringen. Ich weiß heute nicht mehr, wie oft wir beide dieses Spiel gespielt haben. Ich glaube aber, wir ließen sie später gewähren.

Biene wurde zwölf Jahre alt. Damals war man noch der Auffassung, dass Hündinnen mindestens einmal werfen sollten, um keinen Mammatumor zu bekommen. Deshalb wurde sie auch einmal mit einem dorfbekannten dackelähnlichen „Deckrüden“ verehelicht und warf zwei Welpen, die auch wie Kurzhaar-Teckel aussahen. Sicher waren ihre Ahnen ja irgendwann einmal reinrassig.


Die Kleinen sind die Feinen

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