Читать книгу Die Helden von Tsingtau - Otto von Gottberg - Страница 6
Zweites Kapitel
Оглавлениеinen selten schönen Juli sahen die Tsingtauer schwinden und einer reichen Badezeit entgegen. Früher als in den Vorjahren waren ungewöhnlich viel Fremde gekommen. Gastwirte und Ladner schmunzelten. Die Jugend in Rock und Beinkleid, in Uniform und Zivil musterte prüfenden Auges ihr weißes Sommerzeug mit der Frage, ob es sich noch sehen lassen könne. Wohl war gelegentlich vom Drohen eines Kriegswetters die Rede. Doch dem Sturmzentrum fern war die Schwüle des brütenden Unheils nicht wie in Europa zu spüren. Wolken hatten schon oft über der Heimat gestanden. Warum sollte gerade heuer ein zündender Blitz sie entladen? Freilich im Gouvernement am Südhang des bewaldeten Hügels zwischen der Innenstadt und dem neuen Villenort im Osten öffneten ernst die Stirn runzelnde Offiziere einlaufende Depeschen mit mehr Ungeduld als sonst, und am 30. Juli schickten deutsche Kaufleute in Schanghai den Tsingtauer Geschäftsfreunden Telegramme, die Kopfschütteln weckend von Hand zu Hand gingen. — Sorge um das ferne Vaterland führte Erregte im Klub oder auf der Kaiser-Wilhelm-Straße vor der Tsingtau-Bucht zusammen. Hier, »o der Blick aus den Fenstern der Deutsch-Chinesischen Hochschule im Westen der Verkehrsader und aus denen der Deutsch-Asiatischen Bank im Osten über die Arcona-Insel und die Außenreede ins Gelbe Meer schaut, geht der Tsingtauer zur Nachrichtenbörse. Hier liefen am 1. August zwischen zwölf und ein Uhr mittags Menschen um die ersten roten Anschlagszettel zusammen: „Seine Majestät der Kaiser und König hat die Mobilmachung von Armee und Marine befohlen.“ Die Gestalten der Deutschen straffen sich: also doch! Die Chinesen lassen sich die Druckworte übersetzen und deuten. Sie zucken lächelnd die Achseln und gehen ihres Weges: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich; was geht uns der Deutschen Krieg mit Russland und wahrscheinlich Frankreich an? —
Im Kasino, auf dem Nagel des Landfingers, der die neue Villenstadt zwischen der Auguste-Viktoria, und Tsingtau-Bucht ins Gelbe Meer trägt, griffen Offiziere hastig zu Mütze und Dolch oder Säbel, statt nach Messer und Gabel. Mehr Wehmut als Freude hatte ihnen der Telefonspruch gebracht. An den Grenzen des Vaterlandes war wohl jetzt schon die Einleitung zu einem neuen Kapitel der Geschichte ohnegleichen geschrieben. Sie aber blieben abseits zu unrühmlichem Zuschauen verdammt, denn weder Russen noch Franzosen würden einen Angriff auf Tsingtau wagen. Zum Dienst bei der planmäßigen Armierung des Platzes und der Werke gehend, sahen sie neue rote Zettel an den Anschlagstafeln. Der Gouverneur des Pachtgebietes, Kapitän z. S. Meyer-Waldeck, Exzellenz, rief mit den Reserven die Land- und Seewehr ersten und zweiten Aufgebots ein. Gleichzeitig setzte sein Befehl das etwa vierhundertfünfzig Mann starke Ostasiatische Marinedetachement aus Tientsin und Peking über die Bahn in Marsch nach Tsingtau.
Bald rasselten im Dienst der Armierungsarbeit die ersten Wagen, Proviant, und Munitionskolonnen durch die Straßen. Die Fremden packten ihre Koffer, aber blieben, als weder Rat noch Weisung des Gouvernements zur Abreise mahnte. Auch Briten und Yankees glaubten, kein Feind werde Tsingtaus Frieden stören.
Schon in der Frühe des 2. August schanzten tausend Kulis im Gelände östlich der Stadt. Der Nachmittag nahm dem Gouverneur eine Sorge. Der für Verwendung als Hilfskreuzer bestimmte Dampfer „Prinz Eitel Friedrich“ war vor wenigen Tagen ausgelaufen. Die amtlichen Depeschen aus Deutschland sprachen von der Wahrscheinlichkeit eines Krieges auch mit Frankreich und England. So war zu fürchten, das Schiff könne des Feindes Beute werden, bis gegen Abend die Signalstation den Dampfer in Sicht meldete. Die Ausrüstung des „Eitel Friedrich“ begann und vier Tage später seine an Erfolg und Ehre reiche Fahrt.
Am 4. August erwachte Tsingtau zum Krieg. Mit der Nachricht, auch Frankreich habe uns den Handschuh hingeworfen, hörte die Bevölkerung, das Marinedetachement und die Schar der Reservisten aus Peking und Tientsin werde eintreffen. Alt und jung wanderte zum Bahnhof. „Fridericus Rex, unser König und Herr, der rief seine Soldaten allesamt ins Gewehr“, klang es den Ankommenden aus den Instrumenten der Kapelle des Seebataillons entgegen. Vom Hoch, und Hurrarufen heiser, nahmen die Tsingtauer die Truppe und die Reservisten in die Mitte und geleiteten sie mit dem Gesang von Kriegsliedern in die Kasernen. Kulis fuhren der Ankommenden Päckchen und Koffer auf Rikschas nach. Lauter und froher hallten unsere alten Lieder am nächsten Mittag durch die Straßen. An den Anschlagstafeln stand zu lesen, Britannien habe dem Reich den Krieg erklärt. — Kaum endenden Jubel löste die Nachricht in den Kasernen und bei den Truppen im Vorgelände aus.
Bei der Arbeit des Schanzens wurde der Matrose und Seesoldat zum Strategen: die Engländer werden uns vom Süden und der See her, die Russen mit der Bahn von Norden kommen und beide mit blutigen Köpfen wieder heimwärts ziehen. Die Offiziere blieben überzeugt, nur eine Macht, Japan, könne mit Aussicht auf Erfolg einen Angriff auf unseren asiatischen Stützpunkt unternehmen. — — — — —