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Wie neugeboren

Eine altmodische Zukunftsgeschichte – Teil I

Die Verschlüsse sind hier unten so angebracht, daß ihr kleiner Liebling sie auf keinen Fall von innen erreichen kann.«

»Aaah ja!« Die Stimme der antwortenden Frau klang aufmerksam und interessiert. Es war Carolas Stimme; die Stimme des einzigen weiblichen Wesens, mit dem ihm bis jetzt eine längere Liebschaft geglückt war – weil sie seine Neigungen akzeptierte und verständnisvoll auf sie einzugehen wußte. Sicher hatte es mit seinem heutigen 30. Geburtstag zu tun, daß sie mit ihrer besten Freundin so geheimnisvoll tat und ihn schon seit gestern nicht mehr in sein eigenes Schlafzimmer ließ. Gewiß würden die zwei ihn gleich in sein eigenes Zimmer rufen und mit einer Geburtstagsüberraschung beglücken. Im Augenblick aber klang es eher danach, als würden die Damen irgendwelche technischen Einzelheiten diskutieren. Technische Einzelheiten – wovon nur? Eine Frage begann sich in seinem Kopf zu formen.

»Siehst du, hier draußen und noch dazu an der Unterseite sind die Verschlüsse angebracht – unerreichbar selbst für die geschicktesten Fingerchen da innen drin.« Er hörte Carola lachen.

»Weißt du, manche von diesen kleinen Rackern sind ja schon so was von frühreif und intelligent, die würden es sonst glatt schaffen, das ganze Ding zu zerlegen und zu türmen.«

Jetzt lachten beide.

Was für ein Glück ich mit Carola habe, dachte er, als er seine samstägliche Zeitungslektüre wiederaufnahm. Carola hatte nicht nur Verständnis für seine Neigungen, sie förderte sie sogar und trieb sie voran, und das hing ganz bestimmt damit zusammen, daß Petra schon seit Jahren ihre beste Freundin war. Petra arbeitete in der medizinischen Forschung und hatte maßgeblichen Anteil daran, daß SMer seit einigen Jahren ihre kühnsten Phantasien ungehemmter in die Realität umsetzten konnten denn je zuvor. Was zuvor dazu verdammt war, pure Phantasie und Träumerei zu bleiben, rückte nun in den Bereich des Möglichen. Ein devoter Mann und Hobby-TV (wie er selbst) wünschte sich, ein traditionelles braves Hausfrauchen zu sein, dem von seinem autoritären Ehemann ein Kind nach dem anderen gemacht wurde? Bitte sehr. Gewiß, Geschlechtsumwandlungen hatte es auch schon früher gegeben – aber erst seit diesen neuesten medizinischen Errungenschaften wurden richtige Frauen aus den solcherart umgewandelten Männern: Frauen mit der Fähigkeit, ihren Männern auch Kinder schenken zu können. Und erst damit erfüllte sich für manchen männlichen Masochisten der Traum von der »Unterwerfung im Röckchen« völlig.

Er spürte eine beginnende Erregung und wandte sich zur Ablenkung wieder den Zeitungsartikeln zu, doch seine Gedanken irrten bald wieder ab zu seinem Lieblingsthema. Auch die Umwandlungen von der Frau zum Mann funktionierten endlich vernünftig, mit richtig erektions- und zeugungsfähigen Schwänzen, und so stand einem dauerhaften und wirklich hundertprozentig echten Rollentausch nichts mehr im Wege. Es sei denn das Geld. Wie die meisten bahnbrechenden medizinischen Innovationen seit Viagra waren auch diese neuen Operationsmethoden schweineteuer, und natürlich hatten die Krankenkassen es stets zu vermeiden gewußt, die Kosten für derlei Dinge übernehmen zu müssen. Die Zeiten, wo man Geschlechtsumwandlungen als psychisch und somit auch medizinisch notwendig für den Betroffenen ansah, waren lange vorbei.

Auch die Verwandlung eines erwachsenen Menschen in ein hilfloses kleines Windelbaby war seit neuestem möglich. Spezielle Antihormone – so hießen diese neuesten Mixturen aus den Biotechnik-Labors – kehrten den natürlichen Wachstums- und Alterungsprozeß einfach um und ließen den Körper langsam schrumpfen, bis er das gewünschte biologische Alter erreicht hatte. Der Verstand des Patienten blieb dabei wunderbarerweise so, wie er im Erwachsenenalter gewesen war, und die modernen chemischen Zauberer in ihren alchemistischen Hexenküchen hatten es doch wirklich und wahrhaftig fertiggebracht, Sack und Penis zwar schrumpfen zu lassen, die Erektions- und Orgasmusfähigkeit des Schwänzchens aber zu bewahren. Das Ganze war allerdings ein schmerzhafter Prozeß, der sich über Monate hinzog und Dutzende von Injektionen notwendig machte – vom Geld ganz zu schweigen. Selbst eine dieser neumodisch-perfekten Geschlechtsumwandlungen war noch bedeutend billiger als die Verwandlung in ein Kleinkind.

Die enormen Kosten waren auch immer sein Lieblingsargument, sein Standardvorwand, wenn seine Lebensgefährtin, wesentlich zielstrebiger und konsequenter als er selbst, ihn wieder einmal zu überreden versuchte, nun doch endlich einmal Ernst zu machen mit der dauerhaften Verwirklichung seiner erotischen Träume. In Wahrheit wurde es ihm mulmig zumute, wenn die Verwirklichung seiner erotischen Phantasien und Tagträume in allzu greifbare Nähe rückte. Halte ich das auf die Dauer überhaupt aus? Wird es mir nicht zu viel? Werde ich nicht kreuzunglücklich? Er hielt diese Fragen für sinnvoll und berechtigt, für ein Zeichen von Verantwortung.

Ein Zeichen mangelnder Entschlußkraft sei diese zögernde Haltung, nichts weiter, pflegte ihn dann bei solchen Debatten seine Freundin Carola abzufertigen, manchmal belustigt, mitunter aber auch richtig verärgert. »Mein lieber Möchtegernsklave« oder »süßes Pseudomädchen« nannte sie ihn oft ironisch, und er wußte nie so recht, ob sie nun sauer war oder bloß liebevoll spöttisch.

Nun ja, das alles hatte ja überhaupt keine Eile. Wohlig räkelte er sich in seinem Bademantel. Dieses neuartige Schaumbad, das Petra entwickelt und ihm gestern abend zum Testen überlassen hatte, war wirklich Gold wert. Danach fühlte man sich wirklich wie neugeboren, sogar jetzt noch, am Morgen danach.

Langsam rutschte er in seinem Sessel etwas tiefer und legte seine rechte Hand auf seinen rechten Oberschenkel. Sollte er jetzt gemütlich seine Palme schütteln, wie ein poetisch veranlagter Freund von ihm einmal blumig formuliert hatte? Vielleicht waren Phantasien auf die Dauer doch besser und schöner als Realitäten – vor allem jederzeit beendbar, wenn er keine Lust mehr hatte. Nur nichts überstürzen! Hinterher kommt Reue zu spät! Drum prüfe, wer sich ewig bindet …

»Mal wieder in Gedanken und Phantasien versunken, wie so oft!« riß ihn eine Stimme aus seinen Träumereien. Carola und Petra standen nebeneinander vor ihm und wirkten belustigt. Aha, jetzt kommt die Gratulationscour, dachte er und unterdrückte ein Grollen in seinem Bauch. Hoffentlich dauert’s nicht allzu lange. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!« sagte Carola leise und mit strahlenden Augen und schüttelte ihm die Hand, und Petra folgte ihr.

»Hier – dein ganz spezieller leckerer Geburtstagstrunk!« Mit diesen Worten drückte ihm Carola eine Kaffeetasse mit einer kakaoähnlichen Flüssigkeit in die Hände, die sie von ihm unbemerkt gekocht und eingeschenkt haben mußte. Wieder rumorte es in seinem Bauch. Er zögerte. »Hat das nicht bis später Zeit?« fragte er vorsichtig, um die beiden Frauen nicht zu kränken. Begütigend legte ihm Carola ihre Hand auf den Unterarm. »Ich weiß, ich weiß, nach deinem allmorgendlichen Aufs-Klo-Gehen könnte man fast die Uhr stellen, aber das schöne Getränk wird dann leider kalt, und aufgewärmt schmeckt’s nicht mehr, das kannst du mir schon glauben!«

»Na gut«, lenkte er folgsam ein und griff artig zu der Tasse. Sie hatten sich wirklich Mühe gemacht, das mußte er anerkennen. Carola und Petra machten sich immer viel Mühe mit dem Kochen, wenn sie Zeit dafür hatten, und waren dann sehr einfallsreich beim Schaffen neuer kulinarischer Kreationen – genauso erfolgreich wie Petra bei ihren medizinischen Erfindungen …

»Das war wirklich ausgezeichnet!« lobte er, als er die leere Tasse absetzte. »Hat geschmeckt wie ein besonders raffiniert verfeinerter Kakao.« Carola und Petra lachten.

»Aber bevor du dich aufs stille Örtchen zurückziehst, solltest du noch mal schnell einen Blick in dein Zimmer werfen!«

»Einverstanden.«

Auf dem Weg nach oben ging Carola ihm voran, Petra folgte ihm. Auf der Treppe hatte er zum ersten Mal das Gefühl, als zögen leichte Stiche von außen nach innen seinen Körper, fast so wie als Kind, wenn die Erwachsenen ihm sagten: »Dein Körper wächst.« Und doch war es irgendwie anders.

Carola stieß die Tür zu seinem Schlafzimmer auf. Als er die Türschwelle erreichte, war er sprachlos. Wo waren die gefüllten Bücherregale, der Computer, der kleine Zweisitzer aus Leder? An seiner Stelle stand nun ein Gitterbettchen, wie man es für kleine Kinder verwendet, und der Schreibtisch, auf dem der PC gestanden hatte, war durch einen Laufstall ersetzt. Babymotive von einer offenbar eilig über die alte Rauhfaser geklebten Tapete blickten ihn von allen Wänden an, und den Platz seiner Regale hatte ein Möbelstück eingenommen, das er nach kurzem Nachdenken als Wickelkommode erkannte.

Das Stechen in allen seinen Körperteilen nahm nun deutlich zu. Er hatte das Gefühl, daß sich alles in ihm nach innen zusammenzog.

»Na, freust du dich?« fragte ihn Carola strahlend und, wie ihm schien, nicht ohne eine gehörige Spur von Bosheit.

»Ich weiß nicht – « Widerstreitende Empfindungen tobten in ihm; Wut und das Gefühl des Überrumpeltseins überwogen. »Ich hatte mich doch noch gar nicht entschieden – « Irgendwie fühlte sich seine Zunge seltsam schwer an, wie alkoholisiert, so als wollte sie die in seinem Verstand klar formulierten Sätze nicht mehr deutlich hervorbringen. Seine Kleidung fühlte sich auf einmal weit und lose an. Nanu, beginnt meine Abmagerungskur jetzt endlich doch anzuschlagen?

»Ich wollte doch erst noch – «

»Du wolltest noch endlos lange zögern und zaudern, zwischen beiden Möglichkeiten unentschlossen hin- und herschwanken und dann schließlich doch einen Rückzieher machen!« stellte Carola klar und deutlich fest und sprach damit aus, was er lieber unausgesprochen gelassen hätte. Selbstbewußt baute sie sich vor ihm auf. »Aber das hat jetzt ein Ende, hast du mich verstanden?« Das schmerzhafte Ziehen in ihm wurde immer stärker. »Und deshalb haben wir das jetzt für dich entschieden – so, wie wohlwollend-strenge Mütter das eben für ihre kleinen Kinder zu tun pflegen.«

Verständnislos starrte er sie an. Hinter sich hörte er Petra leise auflachen. Er drehte sich zur Seite, um auch sie im Blickfeld zu haben. »Das kann er gar nicht verstehen.« Merkwürdig – sind diese modischen Plateausohlen von Carola und Petra wirklich so hoch, oder warum kommen mir die beiden so groß vor?

»Hör zu«, wandte sich Petra an ihn, »ich habe in monatelanger Forschungsarbeit ein Mittel entwickelt, das die Verwandlung von einem erwachsenen Mann in ein Kleinkind bis auf ein gutes Viertelstündchen beschleunigt. Keine Spritzen mehr, keine monatelange Quälerei, nur noch ein süßer Trunk, wie die Kleinen ihn mögen, nicht wahr, Carola?«

Nun lachte auch seine Freundin auf. »Das erinnert mich an den alten Slogan ›Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam‹ !«

»Und das alles kriegst du ganz umsonst!« belehrte ihn Petra. »Das muß doch gefeiert werden, mit Sekt! Das heißt, mit Sekt für uns natürlich nur – für ihn gibt’s vielleicht ein süßes Fläschchen mit ein bißchen eingerührtem Abführmittel drin!« Wieder sahen sich beide Frauen einen Moment lang lachend an, bevor Petra sich wieder ihm zuwandte. »Andere werden ein kleines Vermögen dafür bezahlen müssen. Und überhaupt bist du der allererste, der in den Genuß dieses Wundertranks kommt. Und da schaust du so mißmutig drein, statt dich zu freuen und dankbar zu sein!« Ihre Stimme klang maliziös. »Aber ich gebe ja zu, du erlebst jetzt einige unangenehme Minuten!«

Durch einen Schleier von Tränen betrachtete er die beiden überaus wohlgelaunten Damen, Tränen der Wut und des Schmerzes. Ihm war, als hätte er einen Frosch im Hals. »Vielen Dank!!« Die von ihm beabsichtigte Ironie verpuffte in seiner teils heiseren, teils überraschend hellen und kindlichen Stimme. »Aber trotzdem hättet ihr mich doch wenigstens fragen müssen!« Sein Blick ging ruckartig zur Tür.

»Laß das!« Petra mußte seine Gedanken erraten haben. Schnell drehte sie den Schlüssel in seiner Zimmertür herum und steckte ihn in die Hosentasche. »Das hilft dir jetzt auch nicht mehr. Oder muß ich dir erst eine kleben?« Nein, bitte nicht, dachte er und blickte ängstlich – jetzt schon von einem fühlbar tiefen Blickwinkel aus – auf seine ihn jetzt schon deutlich überragende Bekannte. Schon waren seine Hände in den viel zu lang gewordenen Ärmeln seines Morgenmantels verschwunden, und mit dem Kinn konnte er bequem bis zur Nase in den Kragen seines Pyjamas eintauchen.

»Was ist mit seiner Stimme?« erkundigte sich Carola besorgt. »Sein Verstand bleibt doch intakt?«

»Keine Sorge, das hab’ ich dir doch gesagt. Er wird weiterhin denken wie ein Erwachsener – wir wollen doch, daß er alles mit vollem Bewußtsein erlebt, nicht wahr, mein Kleiner!?« Sie gab ihm einen scherzhaften Nasenstüber, den er voller Empörung abzuwehren versuchte, so wie achtjährige Knaben es mit den unerwünschten Liebkosungen ihrer Mütter tun. Wieder lachten beide Frauen. Seine ohnmächtige Wut wuchs.

»Aber wenn er versucht, seine Gedanken auszusprechen«, fuhr Petra fort, »wird dabei nicht mehr herauskommen als ein seinem momentanen kindlichen Alter entsprechendes Geplapper. Also wird in er in ein paar Minuten im Lallstadium, oder sagen wir besser: im Ein-Wort-Stadium sein. Er ist ja für seine zwölf Monate ein sehr reifes Kind, hat schon gerade laufen gelernt, nicht wahr!« Das hemmungslose Kichern seiner beiden Peinigerinnen trieb ihm noch mehr die Tränen der Verzweiflung in die Augen. 12 Monate!! In seinen Phantasien war er immer ein dreijähriger Junge gewesen. Aber er würde ja wachsen. Er würde alle Phasen der physischen kindlichen Entwicklung mit dem wachen Verstand eines Erwachsenen durchlaufen. Und er würde sich gelegentlich einen ‘runterholen können. Gott sei Dank. Das war ein Trost.

»Komm, ich befrei’ dich schon mal aus diesen unnützen Klamotten«, sagte Carola mütterlich und schälte ihn behutsam aus seiner schon viel zu groß gewordenen Erwachsenenkleidung. Dann hob sie ihn auf ihren Arm und zeigte ihm, sich drehend, sein neues Reich, in dem er wahrscheinlich mehr Stunden des Tages verbringen würde, als ihm lieb war. »Schau dir das ruhig mal an, mein Kleiner. Das alles haben wir für dich an einem einzigen Tag umgeräumt und renoviert. Alles nur für dich! Da könntest du ruhig ein wenig mehr Freude und Dankbarkeit zeigen!« Wieder lachten die beiden Freundinnen leise. Dann setzte Carola ihn wieder auf den Boden. »Pfff!« keuchte sie. »Noch bist du mir ‘n bißchen zu schwer, um dich immer auf dem Arm herumzuschleppen!«

»Das ändert sich gleich!«

»Ich weiß. Ich bin ja wirklich überrascht, wie schnell es vorangeht.«

»Das liegt an dem Schaumbad gestern abend. Bestimmte Substanzen darin dringen durch die Haut und machen den Körper noch empfänglicher für die die Schrumpfung auslösenden Stoffe. Ohne das Schaumbad hätte es wahrscheinlich zwanzig Minuten länger gedauert. Im Augenblick hat er etwa die Größe eines dreijährigen Kindes. Schau nur!«

Er kam sich machtlos und winzig vor, zerbrechlich, schwach und hilflos. Die Türklinke hatte er jetzt genau in Augenhöhe. So hatte er es sich in seinen Phantasien immer vorgestellt. Das nun tatsächlich erleben zu müssen, stürzte ihn eine tiefe, herzklopfende, panikartige Verzweiflung. Er schloß die Augen. Das heftige Ziehen durchzog immer noch seinen ganzen Körper. Als er die Augen wieder öffnete, sah er schon aus etwas niedrigerer Perspektive auf die Türklinke. Wenn er zu seinen Freundinnen aufschauen wollte, mußte er den Kopf schon gehörig in den Nacken legen. Seine Zunge fühlte sich in seinem Mund wie ein unförmiger Klumpen an, unfähig, irgend etwas klar zu artikulieren, so als hätte er zwei Promille intus.

»Hast du alles mit der Geburtsurkunde erledigt?« fragte Carola.

»Ja ja. Mein Freund auf dem Standesamt war sehr gefällig. Er hat alles geändert, auch ohne daß die Zustimmung unseres süßen Kleinen vorlag. Das Geburtsdatum haben wir einfach um 29 Jahre vorverlegt, den Tag gelassen. Statt seines dreißigsten Geburtstags feiert er heute einfach seinen ersten, unser kleiner Liebling. Der Job ist schon gekündigt, alle Spuren seiner bisherigen Identität sind getilgt, da kannst du ganz beruhigt sein.«

»Hast du inzwischen eigentlich schon mit Michael geredet?« fragte Petra beiläufig.

Ungläubig erstarrte er. Nein! Nein!! Bitte nicht diesen Macho! Tu’ mir das nicht an! Reicht es denn nicht, daß mir dieses Ekel schon früher zwei Freundinnen ausgespannt hat und mich immer als Weichei und Muttersöhnchen beschimpfte? Unwillkürlich kreischte er wütend auf, sprang auf und ab und trampelte auf den Boden wie eine fleischgewordene Illustration zum Thema Trotzphase.

Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie Carola mit ein, zwei raschen Schritten bei ihm war. Die Ohrfeige kam schnell und heftig; er hatte Mühe, sich auf seinen Beinchen zu halten. Schlagartig war er still.

»So macht man das«, kommentierte Petra anerkennend. »Eine entschlossene Handlung ersetzt zehn Minuten Streit und Diskussion.«

»So ist es«, stimmte Carola zu. »Was glaubst du, wie oft ich mich in den letzten zwei Jahren nach einem richtigen Mann gesehnt habe, der mich einfach nimmt und der sich nicht erst mit einem Kleidchen oder Windelchen in Stimmung bringen muß!« seufzte sie. »Mein kleiner Hosenscheißer ist ja lieb und süß, aber manchmal bin ich halt müde, da brauch’ ich dann eben einen harten Schwanz in mir ohne großes Theater vorher und bärenstarke Arme um meine Schultern! Und ein, zwei Kinder will ich mir von ihm auch noch machen lassen.«

Er konnte es nicht fassen, was er da hörte. Dieser saublöde Fitneßstudio-Lackaffe! Ähnliches hatte er sich in seinen Träumen wieder und wieder ausgemalt – es jetzt in Wirklichkeit zu erleben müßte eigentlich seinen Schwanz stehen lassen. Merkwürdig, daß das nicht geschah. Aber vielleicht würde das ja noch kommen, sobald der Schmerz und das erste Entsetzen nachließen.

Immer noch durchzuckte ihn der Schmerz kreuz und quer; schon befand sich sein Scheitel unter der Höhe der Türklinke.

»Achtzig Zentimeter sind etwa die Körpergröße, die ein Kind braucht, um die Türklinke erreichen zu können«, hörte er Petra dozieren, als wäre sie weit entfernt. »Unterhalb davon bist auf dem sicheren Ufer, das heißt, du kannst ein Kind sicher verwahren, ohne daß du die Tür extra verriegeln mußt, verstehst du?«

»Klar verstehe ich. Das war doch das Wichtigste für mich. Und wie lange bleibt uns dieser erfreuliche Zustand erhalten?«

»Fast anderthalb Jahre. Ich habe seiner Droge einen zusätzlichen Wachstumshemmer beigegeben, der sein Körperwachstum an der entscheidenden ›Türklinkenschwelle‹ von knapp unter 80 Zentimetern so lange blockiert, wie es gerade noch geht, ohne unnatürlich zu wirken.«

Nicht nur seine Zunge, auch seine Beine fühlten sich jetzt seltsam bleischwer und unsicher an, ganz so als ob er wirklich ziemlich viel getrunken hätte. Unsicher schwankte und torkelte er, als er von der Tür zum Gitterbettchen ging, und wie ein unsicherer Schwimmer, der endlich das andere Ufer erreicht hat, atmete er erleichtert auf, als er sich an den Gitterstäben festhalten konnte. Wie aus weiter Ferne erreichte das Gelächter und Geplauder der beiden riesengroßen Frauen seine Ohren. Der Schnuller schien in seinem schrumpfenden Mund zu wachsen und fühlte sich an wie ein Knebel.

»Ist es nicht süß, wie er da so mühsam dahinwackelt?«

»Ja, ich habe die Droge exakt so dosiert, daß er gerade im Stadium des Laufenlernens ist, also in dem Stadium, wo er gerade anfängt, sich selbständig zu machen, herumzustromern, Bücher aus dem Regal zu reißen und alles kaputtzumachen, was ihm unter die Finger kommt.«

»Mit anderen Worten: Genau das Alter, wo man die lieben Kleinen in Laufställchen sperren sollte, wenn man nicht ein nervliches Wrack werden will. Die modernen liberalen Erziehungstheorien sind doch allesamt kläglich gescheitert.«

»Genau! Find’ ich auch!«

Wie die sich hier über meinen Kopf hinweg unterhalten, als wäre ich gar nicht da! Er konnte es nicht fassen. Allmählich ließ das Ziehen und Stechen in seinem Körper nach. Vorsichtig drehte er sich zur Seite, um auf seinen wackeligen Beinchen nicht einzuknicken. Plötzlich spürte er wieder den Druck auf den Darm, den vorher der Schmerz verdeckt hatte.

»Oh, wie süß er ist!« Carola eilte herbei und hob ihn hoch, diesmal fast mühelos. Im Handumdrehen hatte sie ihn auf der Wickelkommode abgesetzt und sich abgewendet, um in diversen Schubladen und Schränken zu kramen. Wenigstens sein zweitüriger Kleiderschrank war noch da, doch enthielt er jetzt Windeln, Gummihosen und Spielzeug, soweit er sehen konnte.

Carola mußte einen einschlägigen Kursus besucht haben, anders ließ sich die Gewandtheit nicht erklären, mit der sie ihm eine dicke Windelpackung verpaßte und ihm zum Schluß flink die gelbe Gummihose überstreifte. Richtig pißgelb, dachte er verdrossen, während Carola ihn schon wieder hochhob, dann auf den Boden setzte und an der Hand Richtung Laufgitter führte. Er wollte nicht in das Gitter und klammerte sich doch ängstlich an ihre führende Hand, die mit ihrem starken Zug das Einknicken seiner wackligen Beinchen verhinderte. Er wollte gestützt werden und hatte dabei keine andere Wahl, als sich dabei in den ungeliebten Laufstall führen zu lassen – in die Gefangenschaft.

Carola führte ihn behutsam, aber entschieden durch das kleine Türchen und verschloß es gleich hinter ihm mit ihrer anderen Hand. Mit beiden Händen hielt er sich an den Gitterstäben fest, als sie seine Hand losließ. Carola kauerte sich draußen hin und sah ihm durch die hölzernen Gitterstäbe in die Augen. »Und nun, mein Herzallerliebster«, sagte sie betont sanft mit jenem Augenaufschlag, den er an ihr schon immer geliebt hatte, »ist die offizielle Gratulationscour zu Ende, das heißt« – sie zögerte einen Moment und fuhr dann leise fort – »du kannst jetzt das tun, was du schon vorher so dringend tun wolltest.« Ihre Stimme wurde lebhafter. »Komm, schau mir in die Augen, während du’s machst!« forderte sie ihn beinahe leidenschaftlich auf. Er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg, während er an seinem Beruhigungssauger nuckelte, ihr in die kaum zwanzig Zentimeter entfernten Augen sah und seine Pomuskeln entspannte. Es fühlte sich wie eine endgültige Kapitulation an, als seine Windel vorne rasch naß, schwer und warm wurde und hinten mit einem quackernden und krachenden Geräusch eine breiige Masse seinen Pobacken entquoll, seine Hose dehnte und ausfüllte. »So ist’s brav!« lobte Carola seine Folgsamkeit, und er wiederum folgte altgewohnten Ritualen und ließ seine rechte Hand in seiner Windelhose verschwinden. »Das funktioniert nicht, mein Lieber«, sagte ihm Carola so ganz nebenbei und erklärte auf seinen erstaunten Blick hin: »Glaubst du, Michael und ich wollen ein pausenlos wichsendes Pseudobaby um uns haben? Nein, nein, deine Erektionsfähigkeit war nichts, auf dessen Bewahrung wir irgendwelchen Wert legten – im Gegensatz zu deinem erwachsenen Verstand. Du sollst ja voll erleben, was mit dir passiert. Außerdem kann man dich so gelegentlich mal für’n paar Stunden auch ohne Babysitter alleine lassen. So wie jetzt. Wir wollen nämlich noch einen kleinen Boutiquenbummel machen. Und sei nicht traurig: So spätestens mit elf, zwölf Jahren geht’s ja wieder los mit der Wichserei – vorausgesetzt, deine strenge Mami zieht dir dafür nicht ein paar mit dem Stock über!« Wieder war seine Erniedrigung Grund für ein nicht enden wollendes Gekicher der beiden Frauen.

Er war so entsetzt von dieser Eröffnung, daß er auch mit seiner linken Hand den Gitterstab losließ und prompt das Gleichgewicht verlor. Mit einem häßlich quatschenden Geräusch wurde die Scheiße in seiner Hose breit- und flachgedrückt., als er sich gegen seinen Willen heftig auf seine vier Buchstaben setzte.

»Plumps!« lachte Petra kurz und trocken auf. »Da sitzt er da in seiner Kacke!«

»Die angemessene Haltung für ihn!« kommentierte Carola nüchtern. »Komm, Petra, jetzt wird’s aber wirklich Zeit für uns; ich will anschließend noch gemütlich was essen und dann noch kurz bei Michael vorbeischauen. Unser Kleiner hier sollte inzwischen vielleicht ein bißchen schlafen nach all der Aufregung.«

Rasch zog sie die Vorhänge zu und schloß das Kippfenster, obwohl sie genau wußte, wie er es haßte, wenn an warmen Sommertagen die Fenster geschlossen blieben. Dämmerlicht breitete sich in seinem Raum aus. Er hatte nicht die geringste Lust zu schlafen. Carola und Petra verließen sein Zimmer und zogen die Tür hinter sich zu. Ein paar Minuten lang konnte er sie in der Wohnung noch miteinander plaudern und hin- und hergehen hören, dann fiel die Wohnungstür ins Schloß, und es herrschte Stille. Langsam breitete sich der Geruch seiner Windel in dem zunehmend warmen, stickigen Raum aus.

Durch die hölzernen Gitterstäbe fiel sein Blick auf die Wanduhr. 10 Uhr 23. Boutiquenbummel, gemütlich essen, bei Michael vorbeischauen – das würde Stunden dauern, das wußte er. Bis zur Nachmittagskaffeezeit würde er bestimmt hier ausharren müssen. Und ob er dann herausgelassen oder seine Windeln gewechselt werden würden, stand auch noch in den Sternen. Ausgeliefert. Zum ersten Mal wurde ihm die volle Tragweite dieses Begriffs bewußt. Dies war kein Spiel mehr. Er war seinen Pflegerinnen, ihrer Gnade und ihren Launen restlos ausgeliefert.

10 Uhr 24. Wie eine endlose Ödnis dehnte sich die riesige Menge der unausgefüllten Stunden und Minuten vor ihm. Vor seinen Augen standen dicke hölzerne Gitterstäbe, die selbst ein Erwachsener nur mühsam ohne Werkzeug zerstören könnte. Selbst wenn er sich mühsam aufrichtete, konnten seine Augen nicht ganz über den oberen Rand des Laufstalls hinübersehen. Außerhalb der Reichweite seiner Ärmchen lag der außen- und untenliegende, absolut kindersichere Verschluß, den er Petra hatte rühmen hören – in einem anderen Zeitalter, wie ihm schien, in Wahrheit vor noch nicht einmal einer ganzen Stunde. Und drei Meter dahinter lag im Dämmerlicht die Zimmertür mit ihrer unerreichbar hohen Klinke. Lauter Barrieren, die ihn gnadenlos von jeder Zerstreuung und geistigen Beschäftigung abschnitten.

10 Jahre lang keine Selbstbefriedigung. Der Satz schien in seinen Ohren zu dröhnen. Dann aber beschloß er, sich nicht unterkriegen zu lassen. Schließlich gab es da ja beste Vorbilder: Der Held von Stefan Zweigs »Schachnovelle« überwand die ihm aufgezwungene geistige Untätigkeit, indem er mit aus Brotkrümeln gedrehten Figürchen Schach spielte. Nun, das konnte er auch. Brotkrümel hatte er zwar keine, und das Schachspiel liebte er auch nicht sonderlich, aber es gab ja auch noch andere Möglichkeiten geistiger Beschäftigung. Im Kopfrechnen war er immer gut gewesen. Wollen doch mal sehen, wie viel Stunden in diesen gottverdammten 10 Jahren stecken. Irgendwann gehen die ja schließlich auch mal vorbei. 10 Jahre, das sind erst einmal 3650 Tage – die Schalttage nicht mitgerechnet –, und das mal 24 … Moment mal … 10 mal 3650 sind 36.500, und das mal 2 sind 73.000. Und dann noch 3650 mal 4 obendrauf. 3650 mal 2 sind 7300, und das mal 2 sind 14.600. 73.000 und 14600 sind … 87.600.

Ihm wurde ganz schwindlig bei dieser Zahl. Aber immerhin, sein Verstand funktionierte noch tadellos.

Und in Minuten? Konzentriert machte er sich an die Arbeit. 87.600 mal 60, da rechnet man am besten zuerst 87.600 mal 10, das sind 876.000. Davon die Hälfte, also das Fünffache von 87.600, sind 438.000. 438.000 plus 87.600, das waren … 525.600 - oder? So, das wäre also das Resultat der Aufgabe 87.600 mal 6. Und jetzt das Ganze nur noch verzehnfachen: 5.256.000.

Entsetzt von dieser unglaublichen Zahl, aber auch stolz auf seine Rechenleistung, sah er wieder durch die dicken Gitterstäbe nach der im Dämmerlicht nur mühsam ablesbaren Uhr. Nicht zu fassen, dachte er. Erst 10 Uhr 31. Ganze sieben Minuten hatte seine gigantische Rechenaufgabe ihn in Anspruch genommen. 7 von fünf Millionen zweihundertsechsundfünfzigtausend.

Gedämpft drangen Geräusche zu ihm herein von Menschen, die draußen ganz offensichtlich das schöne Wetter unternehmungslustig ausnutzten und in vollen Zügen genossen, während er hier in diesem stickigen, langweiligen Zimmer eingesperrt war und die Sekunden zählte, bis der Minutenzeiger der großen, unbarmherzigen Wanduhr einen Strich weiterwippte.



Die Genüsse der Entleerung

Sein Darm war eine Schweizer Uhr: diszipliniert und pünktlich leerte er sich stets zu dieser Stunde (…) Seitdem er sich mit dem heimlichsten Beschluß seines Lebens entschieden hatte, für einen kurzen Bruchteil jedes Tages vollkommen zu sein, und diese Zeremonie ersonnen hatte, war er niemals wieder von erstickenden Verstopfungen oder demoralisierenden Durchfällen heimgesucht worden.

Don Rigoberto schloß die Augen und drückte sanft. Mehr war nicht nötig: er spürte sogleich das wohltuende Kitzeln im Mastdarm und das Gefühl, daß dort drinnen, in den Höhlungen des Unterleibs, etwas Folgsames sich auf den Weg machte und bereits die Richtung zu jener Ausgangspforte einschlug, die sich weitete, um ihm den Durchgang zu erleichtern.

Don Rigoberto lächelte zufrieden. »Scheißen, koten, entleeren – Synonyme für genießen?« dachte er. Ja, warum nicht. Wenn man es nur langsam und konzentriert tat, die Verrichtung auskostete, ohne die geringste Hast, mit Weile und den Darm in sanfte, fortwährende Schwingungen versetzte.

(Mario Vargas Llosa, Lob der Stiefmutter)

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