Читать книгу "Alles nur,...weil ich dich liebe..." - Patricia Dohle - Страница 5
Kapitel 2.
ОглавлениеNena reißt mich aus meinen Gedanken. Ich höre wie die quietschenden Räder des Essenstransporters vor meinem Zimmer halten. Ich schaue nicht auf, höre nur wie sich das Schloss dreht und die Tür sich öffnet. Ich wusste, dass es Nena ist. Sie schlurft immer mit ihren Pantoffeln über den Linoleum Boden. „Ich bringe dir was zu essen, Molly“, sagt sie mit ihrer kleinen, zierlichen Mäusestimme. Nena ist nicht sonderlich groß, eins-fünfzig vielleicht, und sie ist Afroamerikanerin. Sie hat ihre schwarzen, lockigen Haare zu einem Dutt nach oben gesteckt. Jeden Tag trägt sie die gleiche dunkelblaue Hose und das dazu passende dunkelblaue Oberteil. An ihrem Gürtel sind lauter Schlüssel gebunden und zu ihrem Rücken hin hat sie ein Abwehrspray stecken. Sie ist höflich aber auch ängstlich, hab ich das Gefühl. Ich drehe mich um. Ohne eine Antwort zu verlangen, stellt sie das Tablett auf den kleinen Tisch an der Wand. Mhh Küchentisch…, läutet es durch meinen Kopf. Nena hebt den Wärmedeckel von meinem Teller und packt ihn auf ihr Wägelchen. „Hackbraten“ sagt sie wieder und wartete auf eine Reaktion von mir. „Danke, Nena“ sage ich. Mir fiel nichts Besseres ein und schließlich ist sie ja nett zu mir. Nena mustert mich, das tut sie immer. Ich weiß nicht so genau warum. Sie lässt ihre Blicke über mich schweifen und seufzt, dann dreht sie sich um und geht. Ich blicke zum Tisch. Ich habe keinen Hunger. Doch wenn ich nichts esse, stecken mir die Ärzte wieder diese elendigen Schläuche an. Das will ich nicht. Ich stehe auf und schiebe den Stuhl vom Fenster weg und an den Tisch wieder ran. Ich setze mich und schaue auf das Stück Fleisch mit Kartoffeln und Soße herunter. „Hackbraten“, hatte sie gesagt. Ich schaue über den Teller, dann sehe ich es. Sie haben mein Besteck gegen Plastik ausgetauscht, damit ich mir nicht mehr wehtun kann. Lächerlich. Sie machen es mir nicht gerade einfach. Ich wollte aus dem Fenster springen, doch dort sind Gitter vor angebracht. Jetzt die Plastikmesser-Aktion. Ich gebe es auf. Ich lege die Hand auf meinen Bauch und fange an mit mir selbst zu reden: „Hast du Hunger? Ja?“ Ein letzter Seufzer und ich überwinde mich selbst das Essen herunterzuwürgen. Gabel für Gabel. Als ich fertig bin, sehe ich umher. Ich habe ein kleines Zimmer, mit einem Bett, einem winzigen Schrank, einem Tisch und einem Stuhl. Das einzige was etwas Licht spendet, ist das Fenster. Eine Lampe gibt es hier nicht. Ich soll rechtzeitig schlafen, sagt der Arzt. So ein Blödsinn, als ob hier irgendjemand schlafen kann, wenn nachts die Verrückten anfangen zu schreien. Ich bin jetzt schon ein paar Wochen hier, denke ich und ich weigere mich strikt an die Regeln zu halten. Ich schlafe kaum, ich gehe nicht zu den Therapiestunden, die sie mir verschreiben, ich mache keinen Sport, ich rede nicht und ich lasse mich nicht waschen. Mittlerweile esse ich was, das ist aber auch das Einzige und das auch nur, weil mich die Schläuche so nerven, die sie mir sonst überall hin stecken wollen. Ich fühle mich wie ein Versuchskaninchen für schmutzige Experimente. Nur mein Problem ist: Langsam rieche ich auch so. Ich muss duschen. Nur ich will mich von keinem der Pfleger hier waschen lassen. Niemand soll mich anfassen. Ich bin kein Kleinkind mehr. Warum machen sich nur alle solche Sorgen um mich? Wenn ich weg wäre, hätten sie ein Maul weniger zu stopfen. Doch ich muss einsehen: Widerstand ist zwecklos. Also gehe ich hinüber zu meinem Bett an dem eine Fernbedienung angeschlossen ist. Es befinden sich nicht viele Knöpfe darauf und meines Erachtens ist auch nur einer wirklich wichtig. Der Alarmknopf. Der große Knopf in der Mitte, der die Pfleger und Ärzte manchmal anscheinend in den Wahnsinn treibt. Ich drücke ihn und setze mich geduldig aufs Bett und warte, bis es „Klick“ macht und das Schloss meiner Tür betätigt wird. Es dauert nicht lange. Ich hatte gehofft, dass Nena sich hinter dem Klick-Geräusch verbirgt doch leider Fehlanzeige. Es ist eine junge Frau. Ich kenne ihren Namen nicht. Sie scheint um die 20 zu sein, jünger als ich. Sie strahlt mich förmlich an und wie in einem Kaufhaus fragt sie mich: „Was kann ich für sie tun Ma´m?“ Ich funkle sie böse an. Man braucht eine Frau im mittleren Alter noch nicht „Ma´m“ nennen. Noch dazu, dass sie mir nichts verkaufen soll. „Ich will ein Bad“, sage ich mürrisch. Sofort verschwinden ihr Grinsen und ihre Freundlichkeit. Ohne eine Antwort zu erwarten stehe ich auf und gehe zu meinem Schrank. Ich suche alles, was ich benötige heraus. Shampoo, Handtuch, neue Kleidung und eine Zahnbürste. „Würden sie mir bitte folgen Ma´m?“ sagt die junge Blondine angespannt. Ich verdrehe die Augen und schnauze sie an: „Ich bin keine Oma, Weibstück! Ich kann das alleine! Sag mir nur wo das Bad ist!“ Ich hatte die Hoffnung, dass sie die Fassung verliert, doch sie bleibt kalt wie Eis. Sie scheint kurz zu überlegen, während ich versuche, an ihr vorbei zu kommen hinaus auf den Flur. Doch sie hält mich auf und drückt mich zurück ins Zimmer. „Das kann ich nicht tun, das verstößt gegen die Vorschriften.“, sagt sie zuckersüß. Wieder ein böser Blick von mir. Ich hole Luft, um die Kleine zusammen zu falten, doch dann steht Nena in der Tür. Sie blickt uns Beide an, dann greift sie ein: „Caroline, lass mich das machen. Geh du zu Zimmer 304.“ Caroline weicht die Farbe aus dem Gesicht und sie scheint wie angewurzelt dazustehen. Sie blickt mich noch einmal skeptisch an, dann geht sie wortlos. Nena sieht mich liebevoll an. Ich weiß nicht, warum aber irgendetwas mag ich an dieser Frau. Ich seufze. „Darf ich denn jetzt ins Bad?“ Nena nickt. Sie sagt nichts. Ich glaube sie versteht, dass ich eigentlich nichts Böses will, ich will meine Ruhe, das war eigentlich schon alles. Ich will kein Versuchskaninchen sein und keine Oma, weder ein Kleinkind noch eine Gefangene. Doch da war der Punkt. Genau das bin ich. Ich befinde mich in Kalifornien im San Quentin. Ein Gefängnis der Vereinigten Staaten.