Читать книгу Kaiserslautern? Sagenhaft! - Paul Baldauf - Страница 5
2. Kapitel
ОглавлениеLieber Jobst Jürgen,
wie du mit deinem Spürsinn gleich richtig vermutet hast, verbirgt sich hinter meinem neu aufgenommenen Briefwechsel nicht nur der Wunsch nach Austausch mit einem geschätzten Verwandten, sondern auch der nach einem frohen Wiedersehen.
Wir haben schon einige Häuser ins Auge gefasst, die uns ein wenig an unser früheres Haus erinnern. Hilfst du mir bei der Auswahl möglicher Kaufobjekte?
Wie es so schön heißt: Vier Augen sehen mehr. In diesem Fall wären es zwar sechs Augen, aber meine Frau fühlt sich für bauliche Gutachten nicht berufen und wird sich später mehr auf die Inneneinrichtung verlegen.
Für heute grüßt dich Felix.
Jobst Jürgen,
diesmal dauerte es aber lange, bis ich wieder einen Brief aus deiner Feder vorfand. Ich war schon besorgt und befürchtete, du würdest gleich wieder mit einem deiner ’geschätzten’ Ausweichmanöver aufwarten.
Erfreulich fand ich dein Interesse an unserem genialen Fußballer Fritz Walter, dem größten deutschen Fußballer aller Zeiten, der leider 2002 verstorben ist.
Als Speyerer verstand ich mich zwar als Vorderpfälzer, aber Pfälzer ist Pfälzer:
Deshalb verweise ich bei dieser Gelegenheit in aller Bescheidenheit darauf, dass neben ihm auch noch eine ganze Reihe anderer Fußballer aus Kaiserslautern das WM-Finale bestritten: Sein Bruder Ottmar Walter, Eckel, Kohlmeyer, Liebrich. Ach, man könnte ins Schwärmen kommen...
Ich möchte dich gerne einladen, einmal einen Abend bei einem Fußballspiel unter Flutlicht im Fritz-Walter-Stadion zu verbringen. Für dich, als Gießener, bestimmt eine unvergessliche Erfahrung.
Viele Grüße von Felix.
Lieber Jobst Jürgen,
kann es sein, dass du zuweilen empfindlich bist? Mit dem Hinweis auf die glanzvollen Zeiten der großen Walter-Elf und das Fritz-Walter-Stadion wollte ich nun wirklich nichts gegen die fußballerischen Qualitäten des Gießener Fußballvereins ’VFB 1900 Gießen’ gesagt haben.
Wie sollte ich auch ahnen, dass dein Herz so sehr an deinem Heimatverein hängt, dass du an Tagen von Heim- oder Auswärtsspielen mit einem entsprechenden Schal herumläufst?
Wir Pfälzer sind auf die Erfolge des FCK, auf das Stadion auf dem Betzenberg, auf die unvergleichliche Atmosphäre schon vor und während der Spiele einfach stolz.
Aber keine Sorge. Du darfst den Schal deines Vereins gerne auch dann tragen, wenn wir uns zusammen ein Spiel auf dem Betzenberg ansehen. Nur wird sich möglicherweise manch einer fragen, ob du dich vielleicht im Stadion geirrt hast.
Schon wenn du am Hauptbahnhof ankommst (und ich hoffe, dies wird bald der Fall sein) und aus dem Zugfenster blickst, taucht weit oben der sagenumwitterte, längst legendäre Berg und das ihn krönende Stadion auf. Wie soll ich dir den Anblick beschreiben? Glaube mir: Worte müssen hier versagen.
Schon von weitem strahlt der Berg seinen Ruf als Festung aus. Noch liegt das Stadion still und verlassen da. Doch die Ruhe ist trügerisch und nur die Ruhe vor dem Sturm…Es scheint, als warte der Betzenberg nur darauf, dass wieder ein vermessener Gegner im Mannschaftsbus vorfährt – ein echter Fan pilgert zu Fuß hoch! – um sich die verdiente Strafe für seinen Übermut einzuhandeln.
Noch liegt er still und scheinbar friedlich da, noch hört man nichts, noch wehen keine Fahnen. Doch schon bald werden Scharen aufbrechen, in die Vereinsfarben gekleidet, mit rot-weißen Schals umhüllt, große Fahnen schwenkend.
Bald schon wird sich das Stadion immer schneller füllen, bis es so viele Zuschauer fasst, dass man damit die halbe Stadt füllen könnte, bis sich dann jene unbeschreibliche Stimmung Bahn bricht, über die immer wieder berichtet wurde.
Wer glaubte, diese ’heilige’ Bastion pfälzischen Sportes in Hoffart einnehmen zu können, sieht sich schnell getäuscht. Wer hier aufläuft, der spielt nicht gegen 11 Mann, der hat Zigtausende gegen sich, die wie EIN Mann hinter ihrer Mannschaft stehen.
Schon erheben sich erste Schlachtgesänge, breiten sich im Stadionrund aus, bis die heimische Mannschaft unter ohrenbetäubendem Tosen der Fans einläuft und sich rüstet, den Gegner nach allen Regeln der Fußballkunst hinwegzufegen.
Immer, wenn ein Tor fällt – und welche Tore fielen hier schon – denke nur an die vernichtenden Niederlagen des FC Bayern und von Real Madrid – bebt der Betzenberg, das Stadion scheint die Begeisterung kaum noch fassen zu können.
Nun ist wahrlich der Teufel los, bzw. die Teufel: Die roten Teufel. Wenn ich sage, dass der Betzenberg ’bebt’, so sind das nur stammelnde Ausdrücke für das, was sich dann hier oben abspielt. In der Tat ist das Beben bis weit in die Stadt und darüber hinaus zu hören und wieder einmal muss ein Gegner lernen, wer hier Heimrecht hat.
Ach, Jobst Jürgen...Nun hat mich die Begeisterung etwas fortgerissen.
Nächstes Mal mehr, Gruß Felix.