Читать книгу RETROGRAD - Paul Datura - Страница 7
A walk in the park
ОглавлениеSie hatten noch eine gefühlte Ewigkeit regungslos in dem Spalt verharrt und nach Geräuschen gelauscht. Schließlich hatte sich P. leise nach vorne gearbeitet und dabei jede Menge Insekten aus ihrer Nachtruhe gescheucht. Er fühlte mehrere Krabbeltiere in seinem Hemd herumkrabbeln. Allerdings hatte er im Moment mehr Angst davor, in ein hämisch grinsendes Gesicht eines der Schläger schauen zu müssen, wenn er sich aus dem Spalt herauswagte. Doch nach mehrmaligem und vorsichtigen Nachschauen konnte er niemand sehen. Da es dunkel war, konnte er die Lichtung nicht überblicken. Zur Sicherheit warteten sie noch einmal ein paar Minuten. Doch Bea gab plötzlich verzweifelt schnaufende, leise und panische Töne von sich und drängte ihn aus dem Spalt hinaus. Ihr waren ebenfalls mehrere Insekten in die Kleidung gekrabbelt. Sie warf ihre Jacke hektisch weg und zog sich ihr Netzshirt über den Kopf. Dann rieb sie sich Nacken und Oberkörper ab, wobei sie immer noch unterdrückte Geräusche machte. P. gefiel, was er sah. Eigentlich war er für die gnädige Dunkelheit sehr dankbar. Im Moment konnte er Ablenkungen nicht gebrauchen.
Er hielt Bea am Oberarm fest und flüsterte: »Entschuldige« und rieb dann mit beiden Händen ihren Rücken ab, um vagabundierende Spinnen und Käfer abzustreifen. Dann zog er ebenfalls seine Jacke und sein Shirt aus und schüttelte sie aus. Falls irgendein Killer es auf sie abgesehen hatte, boten sie ihm einen idiotischen Anblick, schoss es ihm durch den Kopf. Deshalb ließ er sich schnell in die Hocke fallen. Bea kniete neben ihm und schaute ihn mit großen Augen an. Ihr war eben auch eingefallen, dass es größere Probleme gab als Krabbeltiere. Aber ihre Jäger waren verschwunden.
Dann schlichen sie sich langsam durch den Park. Bei jedem Knacksen oder Rascheln zuckten sie zusammen und verharrten gebannt. P. hatte sich fast schon körperlich schmerzhaft darauf konzentriert, jede Annäherung aus dem Wald rechtzeitig zu hören. Zu sehen war wegen der Dunkelheit wenig. Wolken hatten den Himmel bedeckt und zwischen den Bäumen ließen sich bis auf wenige Meter nur schemenhafte Umrisse der Umgebung erkennen. Es war fast völlig finster. Sie scheuchten mehrmals Wild auf, dass sich mit krachendem und raschelnden Geräuschen erschreckt ins Unterholz aufmachte. Der Schock ließ ihnen jedes Mal das Blut in den Adern gefrieren. Nach einer halben Stunde langsamen und möglichst geräuschlosen Vorantastens im Wald erreichten sie den Rand des Parks.
»Da vorne ist der Ausgang aus dem Park«, flüsterte P. und lehnte sich an die Parkmauer. Er wies in Richtung einer schummrig beleuchteten Ausgangsanlage mit Drehtor. Dort konnte man über einen wegen des Wildes speziell gesicherten Ausgang den Park verlassen und kam auf eine Zugangsstraße.
Bea sah ihm im Halbdunkel furchtsam ins Gesicht und kam ihm sehr nahe, um ihm leise ins Ohr zu flüstern: »Und wenn die Killer dort auf uns warten?«.
Am Liebsten hätte P. Bea jetzt in den Arm genommen. Er genoss die körperliche Nähe zu ihr und sog ihren Duft nach einem blumigen Parfüm, Angst und langem Laufen im Wald angenehm erregt ein.
›Leider haben wir jetzt andere Prioritäten‹, bedauerte er sich und verschob die aus seinem Unterbewusstsein aufdrängenden Gedanken auf später.
»Da vorne ist in Richtung Schulzentrum sicher irgendwo eine Telefonzelle. Von da können wir die Polizei anrufen.«
Bea sah ihn ernst und bittend an: »Bitte keine Polizei. Versprich mir nicht die Polizei zu holen! Sonst bekomme ich echt große Schwierigkeiten!« Sie schaute ihn im Halbdunkel mit großen Augen an. »Außerdem, fürchte ich, diese Typen sind keine Anfänger. Die dürften an den Ausgänge auf uns lauern, falls sie uns noch hier drin vermuten.«.
»Wieso keine Polizei? Immerhin haben wir gerade ein Verbrechen beobachtet. Diese Typen gehören in den Knast!«, sagte er.
Und dachte bei sich ›Da hilft auch ein schöner Augenaufschlag mit deinen großen braunen Augen nicht viel - oder doch?‹ Zu ihr gewandt sagte er: »Aber du hast recht! Wir werden irgendwo über die Mauer klettern müssen«.
Sie liefen entlang der Parkmauer zurück in die Dunkelheit. Nach einiger Zeit fanden sie einen an der Mauer angelehnten Holzstapel.
»Hier kommen wir über die Mauer«, flüsterte P, »ich werde dir hoch helfen« und schob Bea in Richtung des Stapels. Er verschränkte seine Hände zu einer Räuberleiter und half ihr auf den Stapel. Der wackelte und rutschte bedenklich. Aber mit einem beherzten Schwung stemmte sich Bea hoch auf die Mauer und saß auf ihr wie auf einem Pferd.
›Hut ab! Das war ja wie im Sportunterricht!‹, dachte sich P. als er Bea von unten ansah. Sie hockte rittlings auf der Mauerkrone und sagte nichts.
»Was ist los«, flüsterte er vorsichtig. Sie machte mit ihrer kleinen Hand abwehrende Bewegungen in seine Richtung. Und dann sah er, wie sie in einen Lichtkegel geriet. Da draußen musste jemand mit einer Taschenlampe nach ihnen suchen. Die spannende Frage war jetzt nur, ob die Gangster Bea auf der Mauer gesehen hatten oder ob sie nur zufällig in den Lichtstrahl gekommen war. Anstatt wieder in den Park zurückzuspringen, winkte Bea ihn zu sich her. Er ergriff ihre Hand und zog sich langsam und vorsichtig hoch. Dabei suchten seine Füße Halt auf dem aufgestapelten Holzstoß. Einige der Holzscheite gerieten ins Rutschen und polterten zu Boden. Doch nach einem weiteren zittrigen Griff um die Mauerkrone konnte er sich hoch stemmen und kniete jetzt ebenfalls auf der bemoosten Mauerkrone. Um sie herum war es stockfinster. Sie blickten in ein Wäldchen aus dünnen hohen Bäumen mit sehr viel Unterholz und Gestrüpp. Auf einem Weg, der sich wahrscheinlich von der Bundesstraße kommend durch das Wäldchen schlängelte, sahen sie den Lichtstrahl von zwei Taschenlampen. Mindestens zwei oder mehrere Männer entfernten sich von ihnen und suchten das umliegende Gestrüpp mit der Taschenlampe ab. Als sich seine Augen an die neue Lichtsituation gewöhnt hatten, erkannte er zwei Männer. Zufällig leuchtete einer der beiden den anderen ins Gesicht. An Oberkörper und Gesicht konnte er erkennen, dass es sich um den Verfolger mit dem Messer handeln musste. Genau sah man das nicht. Die Statur und Größe und auch die Lederjacke passten.
Die beiden Männer unterhielten sich plötzlich laut und schienen in Streit zu geraten. Ihr Verfolger schnappte sich plötzlich den anderen am Kragen und schrie ihn an.
»Georgy, du bist der größte Idiot, den es gibt. Kapierst du den gar nichts? Hier dreht es sich um mehr als nur mal einen Spaghetti kaltmachen, du kleiner Wichser. Womöglich hast du alles versaut!« Dabei schüttelte der eine den anderen brutal hin und her und drückte ihn schließlich leicht nach hinten. Eine der Taschenlampen fiel zu Boden und rollte auf dem Weg davon. Als sie zum Halten kam, beleuchtete sie die Szene von unten, so dass Bea und P. genau mitbekamen was da unten ablief. Sie wagten kaum zu atmen.
»Ich habe doch nichts gemacht! Ich wollte nur verhindern, dass der Mistkerl abhaut«. Man konnte richtig hören, wie dem anderen die Nerven durchgingen.
Jetzt tickte der richtig aus und schrie mit wilder Wut: »Du hast nichts gemacht! Du hast echt nichts gemacht, sagst du? Zweimal über einen Typ drüberfahren ist nichts gemacht?«
Dabei schüttelte er den Kopf des Gegenüber noch mehr von vorne und hinten. Dann sprach er auf einmal ganz ruhig: »Willst du mal sehen, wie ich nichts mache? Gar nichts mache?«
»Oh, nein!« Mehr brachte der eine der Beiden nicht heraus, als die Schläge schon sehr schnell und hart in sein Gesicht und auf seinen Körper prasselten. Man konnte die dumpfen und klatschenden Treffer sehr gut hören. Der Schläger arbeitete sich offensichtlich sehr routiniert an seinem Opfer ab. Der Geschlagene hielt sich jammernd den Mund.
»Du haft mir die Fähne ausgeschlagen, du Arfchloch«, jammerte er schrill. Daraufhin bekam er noch einen heftigen Tritt zwischen die Beine. Das Geräusch des Aufpralls konnte P. laut und deutlich hören. Der brutale Tritt ließ den Mörder sofort zusammensacken und am Boden krümmen. Man konnte hören, dass er versuchte einzuatmen. Aber sein Körper war durch den Schmerz zu sehr verkrampft. Auch P. krümmte sich solidarisch auf der Mauerkrone. Bis er sah, dass Bea ihn verblüfft ansah. Der eine der Verfolger griff sich sein Opfer und riss es brutal hoch.
»Steh auf! Wir müssen die beiden finden. Die haben alles gesehen. Und außerdem haben sie etwas, dass wir eigentlich von Sergio haben wollten. Wenn wir sie nicht finden, verspreche ich dir, dass dir da unten niemals mehr was weh tun kann. Jetzt komm!«
Er hob die Taschenlampe auf und drückte sie dem immer noch vor Schmerzen gekrümmtem Gegenüber in die Hand.
»Weiter geht's. Wir finden die schon noch«.
Langsam entfernten sich die beiden Verbrecher und bald hörten sie nur noch das jammernde Klagen des langsam hinkenden Opfers der brutalen Attacke.
»Wir müssen hier schnellstens abhauen«, presste P. durch die Zähne. Er nahm sich die Hände von Bea und ließ sie vorsichtig an der Mauer herab gleiten. Dann versuchte er sich ebenfalls herunter gleiten zu lassen. Er kam aber zu schnell und zu schräg auf dem Boden auf und kippte nach hinten ins Gebüsch. Mit einem lauten Knacken zerteilte er mit seinem Hinterteil einen größeren morschen Ast, als er auf dem Boden auftraf. »Oh, Scheiße!«, dachte er.
Bea schaute in Richtung der verschwundenen Verfolger. Von dort waren Rufe zu hören. Waren sie entdeckt? Sie bot ihm ihre Hand an und half ihm aufzustehen.
»Wir müssen sehr schnell und sehr leise Land gewinnen«, flüsterte P. und rieb sich den schmerzenden Hintern. Zum Glück hatte er sich nicht verletzt. Entlang der Mauer waren relativ wenige Pflanzen und so kamen sie schnell voran.
›Nur weg!‹, dachte er und drehte den Kopf, um Verfolger besser hören zu können. Sie sahen und hörten die Straße am Waldrand. Dort gegenüber war die Stadt. Relative Sicherheit. Sie schlichen sich auf den Waldrand zu. Dort stand ein abgestellter Wagen. Saß da jemand drin und entdeckte sie im falschen Moment? Sie mussten es riskieren. Die Straße beobachtend bereiteten sie sich vor, aus dem Wald hervor zu preschen, die Straße zu überqueren und dann in die nächst beste Seitenstraße der Stadt zu verschwinden. Sie rannten beide ohne Kommando los und überquerten den Grünstreifen zwischen Straße und Waldrand. P. warf noch einen Blick zum Auto. Die Tür des Wagens öffnete sich gerade und ein Mann stieg aus. Bisher hatte er sie noch nicht gesehen. Bea stolperte über den Entwässerungsgraben und stürzte. Er blieb stehen und griff ihr unter den Arm, um sie hochzuziehen. Sie fluchte und stöhnte. Als sie beide die Straße überquerten, hatten sie gerade noch Glück. Ein schnell herankommendes Auto bremste scharf ab, wechselte hupend den Fahrstreifen und fuhr beschleunigend weiter. Der Fahrer gestikulierte wild in dem Wagen. Der Mann neben dem parkenden Fahrzeug schaute jetzt zu ihnen. Schnell stieg er wieder in den Wagen. Sie kamen an der anderen Straßenseite der Bundesstraße an.
»Puh, das war knapp«, stöhnte Bea. Sie hinkte leicht. »Jetzt nichts wie weg!«.
Sie sprintete in eine Seitenstraße. Er versuchte ihr nach zu laufen und musste erstaunt feststellen, dass sie wesentlich schneller laufen konnte als er. Er versuchte alles und holte sie dann doch noch ein.
Schnell atmend rief sie ihm zu:»Wir werden uns trennen müssen. Dann haben wir bessere Chancen!«
»Woher weist du das?«, fragte er dämlich.
Sie schaute kurz zu ihm rüber, während beide schnell außer Atem kamen. So lange war er schon lange nicht mehr gesprintet.
»Aus Horrorfilmen, du Dummkopf!«
Hinter ihnen war ein Hupkonzert und Bremsgeräusche zu hören. Sie hatten die Verfolgung aufgenommen. Mit dem Auto würden sie schnell aufholen. Bea bog in einen kleinen Fußweg ein, der mit Treppen in Richtung eines Kinderspielplatzes führte.
»Wir trennen uns bei nächster Gelegenheit. Sie haben nur ein Auto. Dann wissen sie vielleicht nicht, was sie als Nächstes tun sollen.«
Auf dem Spielplatz angekommen hielten sie kurz an. In beide Richtungen führten Fußwege zu einer langen Reihe von Reihenhäusern.
»Rechts oder links«, schnappte P. nach Luft ringend.
»Falls du mich wiedersehen willst. Ich bin morgen im Vogue. Ab zehn. Ciao Süßer!«
Bea hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Dabei blies sie ihm ihren süßlichen Atem stoßweise ins Gesicht. Dann spurtete sie nach rechts, weg in Richtung der Reihenhäuser. Perplex starrte er ihr nach.
Sie blieb kurz stehen und rief: »Hau ab, du Idiot!«.
Dann sprang sie wie ein Profi seitwärts über einen Waschbetonkasten für die Mülleimer und war raschelnd in einer Vorgartenhecke verschwunden. P. spürte noch die Lippen auf seiner Wange und schnupperte noch nach ihrem Atem, als er die Bremsgeräusche weiter unten auf der Straße hörte. Jetzt wurde ihm wieder bewusst, dass das hier kein Spiel war. Sofort drehte er sich nach links und legte einen Start hin wie früher bei den Bundesjugendspielen. Er gab alles und suchte einen Ausweg. Er musste von diesem Weg abbiegen und irgendwo untertauchen. Sich verstecken? Oder lieber rennen? Er konnte die Kondition seiner Verfolger nicht einschätzen. Vorher hatte der Mann mit dem Messer allerdings keinen erschöpften Eindruck hinterlassen. Also verstecken? Bloß wo? Wo kann man sich in einer Wohnsiedlung vor Verfolgern, die einem vermutlich das Messer rein rammen wollten, am Besten verstecken? So langsam geriet er in Panik. Er wagte es, sich um zu drehen und sah drei Männer den schlecht beleuchteten Spielplatz überqueren. An der Wegkreuzung unterhalb der Reihenhäuser blieben sie stehen. P. versteckte sich schnell hinter einem Mülleimerschrank aus Waschbeton. Schwer atmend sah er, wie sich die Männer kurz berieten und sich dann aufteilten. Bea hatte Recht gehabt. Wenn sich die verfolgten zukünftigen Opfer aufteilten, erhöhten sich die individuellen Chancen des Einzelnen. Allerdings lief jetzt ein Mann schnell und suchend um sich blickend den Weg in seine Richtung. Er versuchte sich tiefer hinter den steinernen Schrank zurückzuziehen. Dabei stieß er mehrere Gegenstände um. Mit einem schnellen Griff fing er den größten Gegenstand gerade noch rechtzeitig auf, bevor er lärmend auf sein Versteck aufmerksam machen konnte.
Er blickte zur Seite und sah in ein grinsendes Gesicht. Ein Gesicht mit aufgemalten Bart und mit Zipfelmütze. Er hatte einen großen Gartenzwerg aus Ton in der Hand. Da er sich gerade in der Hocke kauernd hinter dem Schrank versteckte, war der Zwerg Auge in Auge mit ihm und grinste ihn an. Wenn er mehr Zeit gehabt hätte, wäre das ganz schön gruselig gewesen. Oder lustig. So etwas könnte man an einem dunklen Lagerfeuer den Kindern als Gruselgeschichte erzählen. Viel gruseliger fand er, dass der Verfolger inzwischen näher gekommen war. Er hinkte leicht und bewegte sich auch nicht besonders schnell. Entweder hatte dieser Mann Probleme beim Gehen oder er wusste das P. die Flucht aufgegeben hatte und sich versteckte. Ersteres könnte er ausnutzen. Ein langsamer Verfolger wäre seine Chance. Durch die lichte niedrige Hecke geschützt, konnte P. seinen Verfolger beobachten. Das war einer der Gangster, der vorher mehrmals in Gesicht geschlagen worden war. Und den Tritt in die Hoden hatte er noch nicht ganz verdaut. Man konnte ihm ansehen, dass er Schmerzen hatte. Jetzt griff sich der Mann in die Jacke und holte etwas Glänzendes aus der Innentasche. Eine Schusswaffe. Das warf die Fluchtplanung von P. über den Haufen. Gerade hatte er sich gut vorstellen können, dem Gangster einfach davon zu laufen. Jetzt waren die Vorteile wieder bei dem Verfolger. Er würde ihn mit einer Schusswaffe auf jeden Fall erledigen. P. hatte zu lange gewartet. Der Mann kam immer näher. Seine Chance der schnellen Flucht war vorbei.
Der Verfolger sprach leise fluchend mit sich selber: »Wenn ich diese Mistbande kriege, werde ich erst dem einen die Eier wegtreten und dann die Tussie schön langsam...«
Der Mann kam immer näher. P. war verzweifelt. Er würde ihn hier hinter diesem eher schlechten Versteck auf jeden Fall entdecken. Als hätte der Mann gerochen, daß P. in der Nähe sein musste, ging er ein wenig in die Knie und zielte mit seiner Waffe mit beiden Händen in alle Richtungen.
›Das ist ja wie in einem schlechten Film‹, stöhnte P. für sich. Als er dann in das grinsende Gesicht des schweren Gartenzwerges schaute, keimte in ihm ein verzweifelter Rettungsplan. ›Das könnte klappen‹, machte er sich selbst Mut.
Der Mann war auf der Höhe seines Verstecks. Er war inzwischen noch weiter in die Knie gegangen. Und ging sehr langsam vorwärts.
P. stand auf und sagte: »Hey!«.
Der Gangster sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Er hatte blutige Lippen. Er war trotz seiner militärähnlichen Vorgehensweise überrascht worden. P. holte leicht seitwärts mit dem schweren Tongartenzwerg aus. Mit voller Geschwindigkeit traf er mit der ungefähr einen Meter großen Tonfigur die Seite des Kopfes seines Verfolgers. Ein lautes tönernes Geräusch klang auf.
›Wie eine buddhistische Glocke‹, schoss es P. durch den Kopf. Er mochte den Buddhismus. Doch was er gerade machte, würde sein Karma nicht verbessern.
Der überraschte Schrei des Mannes brach plötzlich ab. Wie von einem Blitz getroffen fiel der Mann rückwärts zu Boden und blieb still auf dem Rücken liegen. Er rührte sich nicht, streckte alle Gliedmaßen weit von sich und gab auch keinen Ton von sich. Die Waffe rutschte in die Garageneinfahrt des Reihenhauses.
›Hoffentlich ist der nicht tot‹, dachte sich P., bevor er sah, wie sich sein Opfer langsam und stöhnend bewegte.
›Der kommt ja schon wieder hoch! Wie war das immer in den Horrorfilmen? Auch wenn der Sieg sicher scheint. Lieber noch einmal draufhauen auf das Monster!‹
Er nahm Anlauf und trat dem am Boden liegenden Mann mit einem langen Schwung zwischen die beiden Bundfaltenoberschenkel. Der Mann ließ sofort seinen Kopf, den er gerade ein wenig gehoben hatte, fallen und blieb bewegungslos liegen. P. schnappte sich die Waffe, die in der Einfahrt lag und warf sie in einem hohen Bogen auf das Dach des Hauses. Sie rutschte auf den Dachziegeln herunter und blieb mit einem metallischen Klappern in der Dachrinne liegen. Er zuckte mit den Achseln, wandte sich um und rannte schnell den Weg entlang. Ohne zurückzuschauen, bog er nach rechts in einen zweiten Weg ein und verschwand zwischen den Häusern.