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Tabelle: Umzüge von Albert und Martha Lüderitz. Carl Lüderitz (CL), Albert Lüderitz (AL), Charlotte Lüderitz (ChL), Bernhard Lüderitz (BL), Georg Lüderitz (GL), Adele Lüderitz (AdL); *Carl verkauft 1906, AL verkauft 1918, **= Eigentum, sonst: Miete

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Es muss andere Gründe für die häufigen Umzüge gegeben haben. Einer könnte sein, dass die Familie mit dem Umzug nach Friedenau bereits früher (nach 1892) versucht hatte, dort dauerhaft Fuß zu fassen. Friedenau war als bürgerliche Villenkolonie großstadtmüder Beamter geplant worden (9), wurde aber bereits kurz nach seiner Gründung 1871 vom Ansturm der vielen Neubürger überrascht.

Der schnelle Ausbau, den auch andere Randbezirke von Groß-Berlin erlebten, mag die Preise für Wohnungen und Häuser nach oben getrieben haben. Möglicherweise war der 1905 erfolgte Häuserkauf viel früher (vor der Jahrhundertwende) geplant gewesen, musste aber wegen Kostenexplosion einerseits und Finanzierungsproblemen andererseits verschoben werden. Auch in Friedenau war der Wohnungsbau Spekulationsgeschäft (3).

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Kurz vor der Jahrhundertwende (1895) lebten in Berlin mehr als 40 % der Bevölkerung in gemieteten Wohnungen mit nur einem beheizbaren Zimmer, das in der Regel gleichzeitig als Küche, Wohn- und Schlafstube diente und mit Gemeinschaftstoilette im Treppenhaus oder im Hof. Um die Miete bezahlen zu können, wurden oft noch „Schlafburschen“ aufgenommen, von denen es in Berlin 1905 etwa 100.000 gab. Etwa 65.000 fast ausschließlich weibliche Dienstboten stellten ebenfalls mehr als 3 % der Bevölkerung, ebenso die häufig studentischen, überwiegend männlichen Zimmermieter, die oft bei Beamten- oder Offizierswitwen ein Zimmer gemietet hatten. Das Statistische Amt Berlins berechnete, dass 1905 in Berlin über 550.000 Einwohner mindestens zu viert in einem Zimmer wohnen mussten. (3,4)

Das Mietverhältnis war zwar rechtlich geregelt (5), erlaubte aber kurzfristige einseitige Kündigungen von Seiten der Vermieter. Mietverträge blieben auch nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) 1900 frei aushandelbar, wurden überwiegend nach den Vorgaben der Hausbesitzerverbände abgeschlossen und liefen meist über ein oder zwei Quartale mit wöchentlicher oder monatlicher Kündigungsfrist. „Vor allem zu den Quartalsterminen 1. April und 1. Oktober kam es jeweils zu Kündigungs- und daher auch zu Umzugswellen ... An diesen Umzügen ... waren in Berlin vor dem Ersten Weltkrieg jährlich über 30 % der Bevölkerung beteiligt und 45,7 % der Wohnungen hatten eine Bezugsdauer von maximal zwei Jahren (1905).“ (3)

„An den üblichen ,Ziehtagen´, zum 1. April und 1. Oktober, herrscht stets ein reger Umzugsverkehr. Beladen mit ihren wenigen Habseligkeiten, ziehen die Berliner von einer trostlosen Wohnung in eine noch trostlosere – womöglich in einen Keller oder einen soeben fertiggestellten, noch feuchten Neubau. ‚Trockenwohner‘ nennt man jene Mieter die eine frischverputzte Wohnung gerade so lange beziehen, bis sie ausgetrocknet genug ist und zahlungskräftigeren Mietern angeboten werden kann, während die Trockenbewohner oftmals krank werden von der Feuchtigkeit. Viele fallen ganz durch die weiten Maschen des sozialen Netzes. Obdachlosen, die von einem der überfüllten Asyle abgewiesen werden, bleibt nur, bei ‚Mutter Grün‘ zu nächtigen. An einem einzigen Tag, dem 30. Januar 1895, nimmt eine ‚Wärmehalle‘, Tagesasyl für Obdachlose, 4000 Personen auf“ (6).

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Zu den nach Friedenau ziehenden vielen Auswärtigen zählte auch die Familie Beymel, die um 1905 dort auftauchte (–> Kapitel 16). Die Beymel-Kinder und die Lüderitz-Kinder haben sich daher vermutlich in der Schule kennengelernt – ein Lüderitz wird viele Jahre später eine Beymel heiraten.

Albert und Martha fanden 1905 in der Cranachstraße eine längerfristige Bleibe, zumindest bis zu Alberts Pensionierung im Jahr 1915. Sie zogen 1918 nach Potsdam in die Augustastraße 39, nachdem sie das Wohnhaus in Friedenau verkauft hatten. Zu diesem Zeitpunkt mag es wiederum Sinn gemacht haben, das Geld aus dem Hausverkauf nicht in eine neue Immobilie zu investieren, sondern es für die Ausbildung der Kinder auf die Seite zu legen. Charlotte war jetzt 14 Jahre, Bernhard elf Jahre und Georg zehn Jahre alt. Wenn dies die Hoffnung der Eltern war, hat sie sich, wie sich herausstellen sollte, jedoch nicht erfüllt. Und auch Albert waren nur noch wenige Jahre beschert: Er starb laut Aufzeichnungen seines Sohnes Georg an Heiligabend des Jahres 1928 im Alter von 78 Jahren im St. Josef Krankenhaus in Potsdam an Darmkrebs. Er wurde am gleichen Tag auf dem französischen Friedhof in der Liesenstraße in Berlin beigesetzt.

Die Familie Lüderitz

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