Читать книгу Die Familie Lüderitz - Paul Enck - Страница 7

Оглавление

Prolog: Eine Biografie sucht sich ihre Autoren

Die folgende Geschichte haben wir uns nicht ausgesucht. Sie hat sich uns ausgesucht und das kam so: Einer von uns (Michael Schemann) suchte für einen Vortrag ein Foto von Dr. Carl Lüderitz und dem englischen Wissenschaftler James Ritchie. Er rief am 4. August 2018 einen der anderen Autoren (Paul Enck) an, der allzu salopp meinte, das könne nicht so schwierig sein. Nach Stunden der Recherche nach Ritchie im Internet kam eine frustrierte Mail zurück: kein Ergebnis! Und der andere, Carl Lüderitz aus Jena? Kein Eintrag in Wikipedia und bis auf einige wenige Publikationen keinerlei Informationen zu seiner Herkunft, seinem Werdegang, seiner Arbeit und seinem Leben.

Nur in einem Punkt gab es die Gewissheit, dass Dr. Carl Ferdinand Lüderitz der Erstbeschreiber der Peristaltik, einem lebenswichtigen Vorgang, der den Transport der Nahrung durch den Darm ermöglicht (1): Nerven in der Darmwand steuern, dass der Darminhalt vorwärtsbewegt wird und nicht steckenbleibt – solange der Darm gesund ist.

Was als Suche nach einem Foto begann, steigerte sich schnell – nachdem wir den Wohnort Berlin gefunden hatten – zu einer Recherche über die Herkunftsfamilie und deren Nachkommen. Im Zusammenhang mit dem Aufspüren eines Bruders von Carl – Hermann Lüderitz, um die Jahrhundertwende Konsul des Deutschen Reiches in Marokko –, fanden wir den dringend benötigten Historiker (Gunther Mai), der uns vor dilettantischen historischen Einordnungen und allzu vielen Spekulationen bewahren sollte.

Seitdem rekonstruieren wir drei mit wechselnder Intensität, aber auf hohem Niveau die Familiengeschichte der „Lüdis“ von 1700 bis in die Gegenwart. Dabei haben wir mehr als hundert Personen identifiziert, die in der einen oder anderen Weise mit Carl Lüderitz verbandelt sind, namentlich genannt in der Genealogie. Tausend und mehr Dokumente und Urkunden haben wir gesammelt und 10.000 Akten – digital oder analog – durchsucht.

Viele, aber nicht alle Personen tauchen in dieser Sammlung von Geschichten, die nicht immer in chronologischer Reihenfolge erzählt sind, auf. Manche beschränken sich auf eine Generation, viele sind generationenübergreifend. Alle sind so dicht wie möglich an der Realität, soweit sich diese aus Akten rekonstruieren lässt. Wo Fiktion ins Spiel kommt, ist diese gekennzeichnet.

Erst wenn man die Vergangenheit mit der Gegenwart in Beziehung bringen kann, entstehen Geschichten, davor ist es (nur) Geschichte. Leben bekommt Geschichte erst, wenn die Genealogie mit Dingen angefüllt ist, die die Zeit überlebt haben, wie Briefe, Tagebücher oder Fotos. Davor ist es nur ein Haufen Papier. („Hört, hört!“, lässt der Historiker verlauten, „und wer sorgt dafür, dass sie die Zeit überleben? Wir, die Historiker und Archivare.“). Und damit sie die Zeit überleben und Geschichten erzählen können, müssen sie hinterlassen werden; jemand muss sie sammeln und des Aufbewahrens für würdig befinden, und sei es nur in einem Schuhkarton oder auf dem Dachboden. Solche Beispiele werden in einigen Kapiteln beschrieben wie z.B. die Erinnerungen von Carls Vater Carl Adolph, die Bilder seiner Schwester Elisabeth oder sein eigenes Harz-Reisetagebuch.

Ein Foto von Carl Lüderitz haben wir immer noch nicht, dafür aber ein gemaltes Portrait. Eine Freundin meinte, dass wir, hätten wir schneller ein Foto gefunden, vermutlich nicht so weit und tief und lange gegraben hätten. Es ist so: Wir haben uns die Geschichte nicht ausgesucht, sie hat uns gesucht und gefunden.

Titelbild: Von Elisabeth Poppe-Lüderitz, der Schwester von Carl Lüderitz 1888 gemalte Familienszene mit der Malerin (stehend), Mutter Lucie geb. Neider, daneben ihr ältester Sohn Albert, links sitzend der jüngste Sohn Hermann und rechts Dr. Carl Lüderitz

Die Familie Lüderitz

Подняться наверх