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Bild 1-1: Stadtplan von Berlin aus dem Jahr 1811 mit dem Eckhaus Markgrafenstraße 74 / Zimmerstraße 31 (roter Pfeil), dem Wohnhaus der Lüderitz-Familie 1820 – 1875 (Quelle: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:kobv:109-opus-104308 Kindheit, Schule, Studium

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Carl wurde am 14. Februar 1854 in Berlin geboren und am 17. März in der Jerusalemkirche getauft. Eine seiner Taufpatinnen war Alma Lüderitz geb. Tarnovius aus Stettin, verheiratet mit Theobald Carl Albert, einem Bruder von Carls Vater. Als zweite Patin fungierte ein Fräulein Therese Doussin (im Taufeintrag Toussaint) zu Schönweide. Ihr begegnen wir später noch einmal, da sie einen Bruder der Mutter Lucie heiratet (–> Kapitel 14).

Seit 1820 lebte die Familie Lüderitz im eigenen Haus im Zentrum Berlins, heute Berlin-Mitte: Friedrichstadt, Markgrafenstraße 74 / Ecke Zimmerstraße 31. Zur Schule war es ein Fußweg von 400 m, zum französischen Dom weniger als 1000 m, bis zum Berliner Stadtschloss nur 2000 m – man wohnte im Herzen der Stadt. Das hatte seinen Grund: Die Familie zählte zur französischen (Hugenotten-)Gemeinde. Die Hugenotten hatten in diesem Teil der Stadt ihr kulturelles und ökonomisches Zentrum, hatten Siedlungs-, Bau- und Gewerbefreiheit und Privilegien und ein Recht auf kulturelle Identität gewährt bekommen. Das Haus war 1776 errichtet worden und gehörte damit zur barocken Erstbebauung in diesem Teil der Stadt. Es wurde 1881 abgerissen und durch ein größeres Haus mit mehr Etagen ersetzt, aber zu dieser Zeit wohnte die Familie Lüderitz schon an einem anderen Ort.

Carl und später sein jüngerer Bruder Hermann besuchten das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium „um die Ecke“. Dieses war 1811 aus der Königlichen Realschule entstanden und eine Gründung des Pietisten Johann Julius Hecker aus dem Jahr 1747. Die Schule wurde zum führenden humanistischen Gymnasium in Preußen. Die Liste heute noch bekannter Schüler, wie z. B. Reichskanzler Otto von Bismarck, und Lehrer, wie z. B. „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn, war lang. Das Gymnasium zählte 1500 Schüler, als Carl 1866 einer von ihnen wurde.

Über Carls Schulleistungen weiß man wenig, lediglich seine gesammelten Deutschaufsätze mit Noten zwischen sehr gut und mittelmäßig sind uns bekannt. An diesen kann es nicht gelegen haben, dass er im Sommer 1869 ein Semester wiederholen musste. Das war in der Obersekunda, also zwei Jahre vor dem Abitur, das er im Februar 1872 ablegte. Der Oberprimaner Carl erhielt im November 1871 einen Schulpreis für eine „feierliche Rede“ zum Reformationsfest, wie die Schulchronik vermerkt. Einer späteren (1910) eigenen Aussage zufolge (2) hätte er gern ein künstlerisch-musisches Fach studiert. Aus der gleichen Quelle wissen wir, dass er leidlich Klavier spielte und durchaus ein Händchen für das Zeichnen hatte, wenngleich nicht das Talent seiner Schwester Elisabeth. Aber sein Vetter Hermann Noth­nagel, sein großes akademisches Vorbild, hatte ihn letztendlich davon überzeugt, Medizin zu studieren.

Am 6. April 1872 schrieb sich Carl an der 1809 gegründeten Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin ein. Zwei Jahre später wechselte er nach Jena, wohin sein Vetter Hermann auf den Lehrstuhl für Physiologie berufen worden war. Zwischen den ersten zwei Semestern in Berlin und der Fortsetzung des Studiums in Jena unternahm Carl eine Reise durch den Harz (–> Kapitel 13).

Seine Familie muss ihn finanziell unterstützt haben, da für Studium, Promotion und Habilitation laut Statut der Universität Jena von 1883 Gebühren zu entrichten waren. Das Studium der Medizin in Jena kostete bei Erstimmatrikulation 21 Mark und 15 Mark für Veteranen (ehemalige Soldaten der Einigungskriege). Das Geld wurde verwendet für: Universitätshaupthalle, Philosophische Fakultät, Bibliothek, Kollegienkirche, Landkrankenhaus, Kollegienhauskasse. Darüber hinaus mussten einige Lehrveranstaltungen als Honorar für den Professor bezahlt werden. Auch die Promotion mit einer klinischen Arbeit über die progressive Muskelatro­phie (3) zum Doktor der Medizin und Chirurgie am 25. April 1876 kostete mehrere hundert Mark (von der Kaufkraft her etwa 1600 Euro nach heutigem Wert). Die anschließende Habilitation war ebenfalls mit nicht näher bezeichneten Kosten verbunden.

Folgende Lehrveranstaltungen mussten an der Universität Jena im Fach Medizin belegt werden: Enzyklopädie und Methodologie, Naturgeschichte und Botanik, Chemie und Pharmazie, Anatomie, Physiologie und Anthropologie, Psychologie, Geschichte der Medizin.

Vorlesungen über die medizinischen Wissenschaften waren: Allgemeine und besondere Pathologie, Semiotik, Arzneimittellehre, Formulare, allgemeine und besondere Therapie, Chirurgie, Verbandslehre, Ophthalmologie, Entbindungskunst, Klinik, Tierarzneikunde, Staatsarzneikunde.

Carl richtete am 17. Mai 1880 an die Medizinische Fakultät in Jena das Gesuch, sich als Privatdozent für das Fach Innere Medizin habilitieren zu dürfen. Der Anatom Wilhelm Müller (1832 – 1909) erstellte das positive Gutachten zur Habilitationsschrift. Die öffentliche Verteidigung erfolgte zur Zufriedenheit der Fakultät am 11. Juni 1880. Mit Schreiben des Großherzoglich Sächsischen Staatsministeriums wurde am 29. Juni 1880 die Genehmigung der Habilitation an der Medizinischen Fakultät für das Fach Innere Medizin erteilt. Vom Wintersemester 1880/81 bis einschließlich Wintersemester 1881/82 hielt Carl als Privatdozent Lehrveranstaltungen ab. Im Jahre 1882 verließ Carl Jena und ging zurück nach Berlin, als auch Nothnagel Jena den Rücken kehrte, um einen Ruf in Wien anzunehmen.

Die Familie Lüderitz

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