Читать книгу Insolvenzplan, Sanierungsgewinn, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz - Paul Groß - Страница 65
2. Ausbau des Insolvenzplanverfahrens
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Die Finanzmarktkrise hat erneut gezeigt, dass eine Sanierung von Unternehmen häufig Eingriffe in die Rechte der Anteilsinhaber erfordert. Das geltende deutsche Insolvenzrecht lässt die Rechte der Anteilseigner des insolventen Unternehmens bei einer Sanierung durch Insolvenzplan unberührt. Änderungen dieser Rechte sind nur mit Zustimmung der Inhaber nach den Vorschriften des Gesellschaftsrechts zulässig. Künftig soll die strikte Trennung von Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht überwunden werden. Es ist im Interesse einer Optimierung der Sanierungsmöglichkeiten im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens zulässig, in einem Insolvenzplan Kapitalmaßnahmen vorzusehen, insbesondere die Umwandlung von Forderungen in Gesellschaftsanteile – den sog. Debt-Equity-Swap.
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Die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital ist ein wichtiges Instrument zur Sanierung von Unternehmen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Durch den Wegfall von Verbindlichkeiten kann eine Überschuldung beseitigt werden; gleichzeitig kann das Erlöschen von Zins- und Tilgungspflichten die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens wiederherstellen. Für die Gläubiger hat die Umwandlung ihrer Forderungen in Anteile den Vorteil, dass sie an künftigen Erträgen des sanierten Unternehmens beteiligt sind und über dessen künftige Aktivitäten mitbestimmen. Vereinzelt wurde im Interesse einer größeren Planungssicherheit eine Änderung des Sanierungsprivilegs des § 39 Abs. 4 InsO gefordert und vorgeschlagen, die Dauer des Sanierungsprivilegs zeitlich klarer zu fassen. Da die Regelung jedoch erst aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) zum 1.11.2008 in neuer Formulierung in die InsO eingefügt wurde, sollen zunächst die Auswirkungen des geltenden Sanierungsprivilegs auf das gestärkte Insolvenzplanverfahren beobachtet werden.
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Über die Änderung ihrer Rechte sollen die Anteilsinhaber künftig im Rahmen des Insolvenzverfahrens mitentscheiden. Sie werden als eigene Abstimmungsgruppe in das Verfahren über den Insolvenzplan einbezogen. Zur Abwehr von Störerstrategien gilt für sie – wie schon bisher für die Gläubiger – ein Obstruktionsverbot. Für überstimmte Anteilsinhaber greift ein Minderheitenschutz. Auch in dieser Hinsicht und im Hinblick auf Rechtsmittel sind die Anteilsinhaber den Gläubigern gleichgestellt. Mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans gelten die in den Plan aufgenommenen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen als beschlossen, beispielsweise eine Kapitalherabsetzung, eine Kapitalerhöhung, ein Bezugsrechtsausschluss und ein Fortsetzungsbeschluss.
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Für eine derartige Ausgestaltung des Verfahrens spricht, dass wirtschaftlich sinnvolle Lösungen am besten unter Mitwirkung aller Beteiligten, also der Gläubiger und der Anteilsinhaber, erreicht werden können. Ein Vorbild ist das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika: Nach dem dortigen Recht (Chapter XI des B.C.) können die Rechte der Anteilsinhaber durch einen Reorganisationsplan geändert werden; die Anteilsinhaber bilden dann eigene Abstimmungsgruppen neben den Gruppen der Gläubiger.
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Das verfassungsrechtliche Gebot des Eigentumsschutzes in Art. 14 GG wird nicht verletzt. Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, das ohne einen Insolvenzplan zur Abwicklung des Rechtsträgers und zu dessen Löschung im Register führt, beschränkt sich die schützenswerte Rechtsposition des Anteilsinhabers auf den restlichen Vermögenswert, der dem Anteils- oder Mitgliedschaftsrecht auch im Insolvenzverfahren teilweise noch zukommt. Dass der Inhaber diesen Wert nicht gegen seinen Willen verliert, wird durch die Mitwirkung im Verfahren und den erwähnten Minderheitenschutz garantiert. Hinsichtlich der Gläubiger, deren Forderungen durch den Insolvenzplan in Anteile am Schuldner umgewandelt werden, kommt eine Verletzung von Art. 14 GG bereits deshalb nicht in Betracht, weil eine Umwandlung nicht gegen den Willen der betroffenen Gläubiger möglich ist.