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Dreizehn

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Eilig stürze ich aus der Wohnungstür, hing mir noch eben schnell die Krawatte um den Hals und klammerte die Aktentasche fest unter meinen Arm. Irgendwie muss ich wohl den Wecker überhört haben, als ich doch tatsächlich erst dreizehn Minuten nach dem ersten Klingeln aufwachte. Warum unbedingt dreizehn? Mein morgendlicher Plan ist mit einem Zeitpuffer von genau zwölf Minuten ausgestattet, falls etwas Unvorhergesehenes eintreten würde; ansonsten ist alles streng nach Zeitplan organisiert: nach aufstehen duschen, essen, anziehen – genau geplant bis sieben Uhr zwölf, weil die restlichen Minuten bis halb vergehen werden, um im eiligen Schritt die Haltestelle zu erreichen. Wenn der Bus dann genau zu dieser Zeit links aus dem Verkehr ausschert, gelange ich schließlich pünktlichst in der Bank an und bis heute hatte das sieben Jahre lang vollkommen ausnahmslos funktioniert. Selbst im kältesten Winter und im heißesten Sommer hielt der Busfahrer seinen Fahrplan ein und damit auch ich meinen.

Genau eine Minute aber habe ich unbeabsichtigt gelassen und nun wird diese sich verhängnisvoll auf meinen Arbeitstag auswirken. Ich weiß, das ich mit der Linie Acht fahre, auf der ein disziplinierter und gewissenhafter Fahrer seinen Dienst schiebt und ich mich eben auch immer darauf verlassen kann, pünktlichst fünf Minuten vor dem Beginn meiner Arbeitszeit anzukommen. Vielleicht ein wenig knapp gefasst.

Eine wilde Hatz nach sechzig Sekunden beginnt durch die Dover Street bei der ich einigermaßen ins Schwitzen komme. Während ich möglichst darauf achte, keinen anderen umzustürzen bahne ich mir den Weg über den Bürgersteig und binde unterdessen auch die Krawatte. Ja, das geht nach Jahren einfach automatisch – ich meine daran keine Schwierigkeit mehr zu finden den Knoten präzise zu binden und den Hemdkragen darüber zu schlagen. Drei Minuten sind es noch bis zur Haltestelle aber meine Uhr zeigt zwei vor halb acht.

Alles hat sich gegen mich verschworen denke ich noch, als ich tatsächlich bei Rot eine Straße zu passieren gedenke: aufheulende Motoren und Hupen verschlingt mein Gehör und bahnen sich ihren Weg zu meinem Hirn wie ich mich durch die Stahlkarawanen schlängele. Nie in meinem gesamten Leben hatte ich bis jetzt ein Delikt begangen, nicht einmal eine Straße rechtswidrig überquert. Bis heute war es mir stets möglich, die Gesetze genaustens im Auge zu behalten und mich zivilisiert zu verhalten, aber trotzdem fühlte ich urplötzlich einen Teil meiner Last und meiner Gefängnismauern hinter mir gelassen zu haben. Ein simples Vergehen also trug auf einen Schlag zu meinem Wohlergehen bei. Dann sollte man doch ein Bankräuber werden. Dennoch verpasse ich den Bus und erahne am Haltepunkt angelangt nur noch dessen Rücklichter. Erst in zehn Minuten wird der nächste Doppeldecker diesen Punkt ansteuern und mich fünf Minuten nach Arbeitsbeginn an der Bank absetzen. Dass das meinem Chef übel aufstoßen würde ist bedenklich, weil ich nie mit ihm konnte und er wohl in seiner fiesen Art einige Überstunden anzuhängen wüsste.

Ein Taxi wäre die Lösung zu meinem Problem und als ich noch das nötige Kleingeld in meiner Börse zusammenzähle, hält nach Handsignal eine der schwarzen Taxen genau am Bürgersteig: »Morgen. Wo soll es den hingehen?«

»Harrow Bank, bitte. Westminster«, meine ich noch immer keuchend vom sportlichen Sprint hierher.

»Kein Problem.«

Gerade als er seinen Fuß auf das Gaspedal setzt und anfahren will stößt ihm geradewegs ein zweiter Wagen aus der Seitenstraße in die Beifahrerseite – die Scherben schleudert es wild durch alle Lüfte und der Wagen macht auf Anhieb eine Seitwärtsbewegung auf den Haltepunkt zu, mich drückt es tief in den Sitz der Hinterbank, auf der ich platz nahm. Meine Aktentasche bohrt sich weit in das Polster neben mir, bis die Schnallen aufspringen und allerlei Bürokram im Taxi verteilt wird. Es vergehen nur wenige Bruchteile einer Sekunde und wir kommen am Trottoir zum Stillstand – ein regelrechter Trümmerhaufen. Glücklicherweise ist nur einiger Blech- und Sachschaden entstanden aber weder die Fahrer noch ich sind verletzt worden. Plötzlich wimmelt es rund um den Unfall von Passanten, die sich bis zum Wagen durchzuringen scheinen, ich steige aus. Mein Kopf dröhnt und ich kann meine Umwelt noch nicht recht wahrnehmen. Stimmen wirken verschwommen und mein gesamter Verstand ist noch immer wie benebelt, als ich das Nötigste zusammensuche und eilig davonstürze. Gut, als Zeuge hätte man meiner sicher gebraucht, aber ich hätte doch lediglich nur das Sagen können, was auch all die anderen Menschen auf der Straße sahen. Außerdem sind es nur noch wenige Minuten, um mich zur Harrow Bank durchzuschlagen. Ein glücklicher Umstand macht es möglich, das ich nun doch den nächsten Bus erhasche und nervös auf einem der hinteren Plätze platz nehme, den Fahrer der Taxe und all die Menschen hinter mir lassend.

Genau sieben Minuten nachdem die offizielle Arbeitszeit beginnt gelange ich am Haupttor an und gehe durch das Foyer und die Haupthalle direkt auf das Büro des Chefs zu. Ich denke, so vielleicht einigen Schaden beheben zu können, wenn ich mich der Verspätung schuldig bekenne und mein Bedauern zum Ausdruck bringe. Für den Chef gibt es keinen Entschuldigungsgrund für das Zuspätkommen, da könnte selbst der Himmel auf die Erde stürzen … Etwas mulmig ist mir, als ich in das Vorzimmer vorstoße und bereits seine Sekretärin erblicke. Sie ist immer ein wenig verschreckt, wenn man sie anspricht: »Bitte entschuldigen Sie die Störung, Miss, ich müsste zu Mister Harrow.«

Sie ist es wieder: »Mit … mit dem habe ich nicht gerechnet.« Ihre Art macht sie eigentlich sympathisch, weil sie die einzige Frau in dieser Bank ist, die nicht wie ein Roboter den standardisierten Text herunter betet wie ein Leierkasten. »Gehen Sie durch.«

»Miles!«, dringt das Gebell des Chefs an mein Ohr, der erbost die Fäuste gegen seinen Schreibtisch gestemmt hat und errötet drein blickt. Sein Gesicht gleicht einem fürchterlichen Gebirge, so verzahnt haben sich seine Falten auf der Stirn – ich versuche zu schlichten.

»Sir, bitte entschuldigen Sie meine Verspätung. Es lag ganz an meinem inkompetenten Verhalten hierher zu finden. Ich bitte Sie inständig von Maßnahmen abzusehen und werde diese Zeit selbstverständlich am heutigen Tag nacharbeiten.« Wie ich es hasse, diesem Mann in den Allerwertesten zu kriechen, vor ihm zu kuschen, nur weil er da steht und es sonst noch mehr Überstunden hageln würde.

»Miles, es ehrt Sie, dass Sie den Weg hier in mein Büro gefunden haben« er raunt die Stirn »aber Zuspätkommen kann und will ich nicht tolerieren.« Er setzt zu seinem Schrei an: »Sehen Sie mich zu-spät-kommen?!«

»Sir, bitte …« ich halte meine Hände zu ihm, um ein wenig Schutz aufzubauen.

»Sie werden heute Abend hier wischen!«

»Wie Sie meinen«, bemerke ich flugs, bevor ich sein Büro eiligen Schrittes verlasse und meinen Arbeitsplatz ansteuere. Hier heute Abend die Putzkraft spielen zu müssen ist ein unangenehmer Tatbestand aber besser, als gefeuert zu werden ist es allemal. So kann ich zumindest weiterhin meine Miete zahlen.

Erst einmal nimmt der Tag nun seinen gewohnten Lauf, obwohl ich selbst seitdem ich heute Morgen dreizehn Minuten zu spät aufgestanden bin ein unbehagliches Gefühl spüren kann.

Die Uhr zeigt achtzehn mit dem großen Zeiger, demnach schließt die Filiale und ich werde gleich meinen Putzdienst antreten. Die letzten Kunden haben die Halle eben verlassen, als ein älteres Automobil anhält. Ein schwarzer Wagen der schon einige Dellen und Kratzer hat. Nach den getönten Scheiben zu urteilen, verschließt sich der Fahrer leider meiner Auffassung. Nicht nur einmal hatte der Wagen heute schon hier gehalten, sondern heute Früh gegen neun das erste und heute Mittag während der Pause zum zweiten Mal. Zum Teufel mit diesem Fahrzeug, wenn es doch nur nicht so bedrohlich wirken würde. Irgendwie auffällig, niemand steigt ein, niemand aus. Ein Taxi ist es nicht, sondern ein normaler Personenwagen mit laufendem Motor zwischen all dem geschäftigen Gedrängel, der die ganze Zeit im Halteverbot steht. Es wirkt ganz so, als würde der Fahrer in die Bank sehen, obwohl er selbst nicht zu erkennen ist.

Irene Smith setzt sich in Bewegung – ein klares Zeichen, dass der Chef jetzt die Bank schließen lässt. Ich meine, erst kommt er hier in die Halle, verkündet das Arbeitsende, schließt die Tore und verdrückt sich mit seiner Liebschaft über den Hintereingang. Ich habe aber das Gefühl, dass es dazu heute nicht kommen wird. Irgendwie nicht.

»Hallo«, gibt der Chef zu erkennen. »Hallo Miles, wir schließen und Sie machen jetzt hier sauber, klar.«

»Ich möchte das wirklich nicht«, meine ich verschreckt ihm gegenüber noch immer den Wagen beobachtend.

»Was?«

»Mir ist nicht wohl.« Ich stehe auf.

»Soll ich ihnen etwa den Grund dazu liefern? Sie werden jetzt auf der Stelle …«

»Da! Daaa!«, schreie ich ihm ins Gesicht und zeige mit meinem linken Arm auf die Straße.

»Was erlauben Sie sich. Raus mit Ihnen, Sie sind ein für allemal gefeuert!«, blökt er mich verbittert an und erhebt seine Hand, setzt zu einer wilden Rechten an. Während der Diskussion eben hatte sich der Fahrer in Bewegung gesetzt und die Wagentür aufgestoßen. Mit eiligen Schritten hastete er ganz in Schwarz gekleidet auf die Bank zu, wird bald den Saal betreten. Endlich, als sich der Chef besinnt, blickt auch er gen Foyer und erblickt den Mann in voller Größe und vorgehaltenem Revolver: ein Überfall. Ein Überfall auf die Harrow Bank, hier, mitten in der Stadt.

»Los, los! Zwei Mille, aber heute noch! Und Griffel weg von den kleinen roten Tasten, die Ehre gebührt nur mir, die Polente zu holen!«, stößt er mit krächzender Stimme in den leeren Saal, von dessen Wänden die Worte her hallen.

Den ganzen Tag über hatte der Wagen vor der Bank gestanden und nun ist der Grund gefunden – tatsächlich ein Beobachter mit dem Sinn zur Dramaturgie und Hang zum Wahnsinn. Wer würde schon die Harrow Bank im Herzen Londons überfallen und sich freiwillig dieser ganzen Bande von kreischenden und heulenden Frauen aussetzen.

»Na los doch! Alle auf den Boden!«

Irene und drei andere folgen seinen Anweisungen auf der Stelle und brechen in einem großen Geflenne aus, eine vierte kauert sich hinter ihren Schreibtisch, dann Schüsse. Einer, dann ein weiterer. Auch ich folge den Anweisungen des Banditen und ziehe den Chef zu mir herunter.

»Sie da, aufstehen«, meint der Gangster zu mir und fuchtelt ständig mit seiner geladenen Waffe herum. Ich stütze mich vom Boden ab, halte meine Hände nach oben und versuche möglichst emotionslos an diese Sache zu gehen. Mit Hilfe kann in den nächsten Minuten nicht gerechnet werden, weil es einen Alarm in der Bank nicht gibt. Das Problem sind die Kosten der Alarmanlage, die der Chef erst vor einem Monat hat abstellen lassen. Damit könnte auch kein roter Knopf helfen, die Polizei zu verständigen. Mein Vorteil seine Schwäche, denn scheint der Mann nicht die leiseste Ahnung von dem zu haben, was er nun mit dem ganzen Haufen hysterischer Frauen, mit mir und dem Chef anfangen soll. Kleinlaut stößt er nochmals sein Anliegen aus: »Wo bleiben meine zwei Millionen?«

Ich traue mich zu einem Dialog mit dem Mann: »Wir sollten uns legen.«

»Schnauze man! Ich mache das nicht zum ersten Mal.«

»Ich kann das Geld …«

Er unterbricht mich: »Na los doch, wir gehen jetzt alle zum Tresorraum.«

Hinter seiner schwarzen Maske erkenne ich Verzweiflung, der Schweiß läuft ihm mehr auf der Stirn als mir. Eigentlich kommt mir das Ganze hier entgegen, weil sich so der Putzdienst verschieben und mein Leben etwas aufwerten lässt. Nicht alle Tage hat man die Gelegenheit einem Banküberfall in geselliger Runde beizuwohnen. Und in ernsthafter Gefahr befindet sich hier wirklich nur einer, nämlich der Räuber selbst.

»Okay. Die Hühner da stecke ich in das Büro. Los, Marsch! Und ihr zwei da kommt mit.« Mit seinem Revolver treibt er den aufgelösten Haufen in den Lagerraum, in dem immer die Tinte und das ganze Papier gelagert wird. Ein fürchterlicher Geruch ist das dort drin, kaum zum Aushalten …

Im Zählraum liegt glücklicherweise genügend Bargeld um den Räuber zu Entlohnen, den Tresor zu öffnen wäre durch ein Zeitschloss auch nicht möglich gewesen. Na ja, zumindest nicht für mich – der Chef hat da einen bestimmten Key. Und der ist es auch, dem nun die Waffe an den Kopf gehalten wird, während ich mich des Geldzählens befleißige. Immer schön gemütlich, denn in Gefahr ist hier wirklich keiner. Seit der Mann die Bank betreten hatte, kann ich ihm wirklich nicht die Lust des Mordens ansehen und das er sich die Finger damit schmutzig machen wolle, kann ich ebenfalls nicht glauben.

»Gehen auch Hunderter?«, frage ich den nervösen Räuber, der bereits die Polizei vorfahren hört. Wie es scheint, hat ein Passant das Gesetz verständigt, als im Banksaal Schüsse fielen – damit hat sich der Trottel doch wirklich selbst geliefert.

»Ja man, einfach rein in den Koffer.«

»Einer wird nicht reichen.« Mein Chef bekommt Panik und zittert am ganzen Körper. »Würde es ihnen etwas ausmachen«, frage ich den Bankräuber, »wenn Sie die Waffe auf mich statt des Chefs richten könnten? So viel Aufregung kann er nicht ertragen. Immerhin bekommt er Tabletten gegen solchen Scheiß verschrieben.«

»Wie sie wollen.« Er hebt den Arm und richtet den Lauf jetzt direkt auf mich.

»Das stört mich nicht, solange ich pünktlich in vier Minuten Feierabend machen kann.«

»Hä?«

Irgendwie scheine ich den Bankräuber zu verunsichern mit meinem Gerede, aber das ist völlig ernst gemeint. Was wäre das wohl hier geworden mit den ganzen Memmen, wenn ich nicht einschreiten würde. Die Weiber haben sich doch tatsächlich ohne Widerstand in der Rumpelkammer einschließen lassen, dabei hätten die ihn leicht überwältigen können. Tja, und Adam Harrow, dieser kleine Hitzkopf hat nicht einmal den Mut, sich vor seine Belegschaft zu stellen und alle Gefahr auf sich zu nehmen.

»Haben Sie einen zweiten Koffer dabei?«, frage ich.

»Schnauze.«

»Ich möchte nur sehen, ob wir im Lager …«

Ich wende mich von ihm ab, doch er schreitet mit seinem Schießeisen ein: »Hierbleiben!«

»Aber das Geld?«

»In den Sack!«, schnauzt er mich an.

»Der Kunde ist König«, meine ich, aber ein zweiter Koffer ist dann schnell gefunden.

Zur selben Zeit müssen die Polizisten bereits das gesamte Gebäude von Keller bis Dach umstellt haben und bald mit einer Evakuierung beginnen. Ja, es ist immer besser, Nerven wie Stahlseile zu haben und im Ernstfall von ihnen Gebrauch zu machen – wirklich hilfreich scheint der Umstand, dass ich der Polizei mit meinem Gerede einen Vorteil verschafft und den Überfall in die Länge gezogen habe. Demnach kann es auch nicht mehr lange dauern bis der Satz fällt, den üblicherweise die Polizei in so einer Situation allzu gern verwendet.

»Sie da!« Der Räuber zeigt auf mich. »Sie kommen mit! Als Geisel!«

»Nein, nein das kann ich wirklich nicht!«

»Ha? Typ, ich halte dir eine Knarre an die Stirn und du sagst du kannst nicht? Was läuft denn in dir nicht richtig ab?«, meint der Gangster etwas beunruhigt.

»Ich … ich bekomme meine Überstunden nicht bezahlt und ähm … Überfälle und Geiselnahme steht auch nicht in meinem Arbeitsvertrag.«

»Scheiß drauf, du bist jetzt entführt! Verträge kannst du später noch ändern. Los, klemm dir den Koffer unter den Arm.«

»Und was ist mit meiner Tageskarte?« Werfe ich dem zur Hintertür eilenden Mann zu.

»Tageskarte?«

»Ich habe heute früh aus Versehen eine Tageskarte statt einer Einzelfahrt verlangt und … na ja, wäre doch schade, wenn die jetzt …«

Er funkt mir dazwischen: »Ich bin Psychopath!«

»Habe ich bemerkt. Aber im Grunde sind wir das doch alle. Sie, ich, die ganze Welt spielt verrückt und könnte mit einer einzigen Idiotie bezeichnet werden.«

»Ich könnte Sie auf der Stelle umbringen!«

»Nein.«

»Doch.«

»Nicht wirklich.« Seine Augen sind weit aufgerissen, als ich ihm mit jedem Schritt näher komme und bereits seinen Atem spüren kann. Jeder hätte wohl unlängst das Weite gesucht, aber dennoch bleibe ich ruhig und verhalte mich auch in Anwesenheit des Bankräubers sittsam.

»Dann bringe ich die Weiber um!«

»Tun Sie sich keinen Zwang an, bitte. Aber wenn Sie jetzt nicht der Polizei in die Hände fallen wollen, müssen Sie gehen.«

»Nur mit Ihnen!«, schreit er mir ins Gesicht und packt mich am linken Arm. Dann rennen wir zusammen Richtung Toiletten, als mein Chef zaghaft aus dem Zählraum gekrochen kommt, um sich das Treiben aus nächster Nähe zu betrachten. In dem Moment höre ich erstes Scheibensplittern, die Polizei scheint demnach mit der gesamten Kavallerie ausgerückt zu sein – wirklich löblich, obgleich sich mir in meiner Situation kein Nutzen dadurch erschließen lässt.

»Hier durch«, ruft der Gangster zu mir, als er das Waschbecken als Stiege benutzt um den Lüftungsschacht zu erreichen. Irgendwie muss ich den Gedanken gefasst haben, jetzt nicht auf mich aufmerksam zu machen, sondern dem Räuber zu helfen. Zumindest steige ich tatsächlich zu ihm und mache den Vorschlag, nun doch mit dem Bus zu fahren. Das sollte jeden Verdacht von uns lenken und die Möglichkeit geben, das angefangene Gespräch andernorts fortsetzen zu können.

»Mit dem Bus? Warum sind Sie so, wie Sie sind?«

»Warum ich? Nein, warum tun Sie das?«, erwidere ich im Lüftungsschacht kriechend.

»Des Geldes wegen.«

»Nein, wie profan. Ich dachte schon, es stecke Rache dahinter oder etwas vergleichbar aufregendes.«

»Geld genügt als Grund, finden Sie nicht?«

»Ja, man lebt sparsam.«

Der Räuber stoppt: »Sie sind wirklich ein eigenartiger Mann …«, lässt eine Pause: »man könnte auch Sie einen Psychopathen nennen, oder?«

»Seien Sie beruhigt, ich bin sicherlich mehr Psychopath als Sie es je waren. Wer sonst würde sich auch Tag für Tag mit denselben Menschen abgeben, die er eigentlich nicht ausstehen kann. Jahrelang, immerzu und ständig.«

Gesucht

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