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Kommissar Meyer und der Schlaumeier
ОглавлениеWährend Griselda Meyer aus Osselröde im nahegelegenen Wald joggt, steht ihr Mann, Kommissar Heinz Meyer, im Zentrum der Kleinstadt in einem Tiergeschäft. Er möchte sich einen Papagei kaufen.
»Ja bitte?«, fragt der Verkäufer.
»Verkaufen Sie auch Papageien?«, fragt der Kommissar Meyer.
»Papageien? Aber sicher … was für einen möchten Sie denn?«
»Gibt es da denn Unterschiede? Ich meine … ein Papagei ist ein Papagei, oder nicht?«
»Sicher gibt es da Unterschiede. Ich habe zum Beispiel einen englischsprachigen, einen holländischen, einen …«
»Einen deutschsprachigen, haben sie den auch?«, unterbricht ihn der Kommissar.
»Der Herr möchte einen deutschsprachigen Papagei«, antwortet der Verkäufer. »Na, dann kommen Sie am besten mal mit nach hinten, denn dort habe ich ein gerade eingeflogenes Exemplar für Sie.«
»Er redet doch hoffentlich nicht so, dass mir die Ohren klingeln werden?«
»Wo denken Sie hin?«, antwortet der Verkäufer. »Wie ich bemerkt habe, ist dieser Papagei eher introvertiert, aber wenn er etwas sagt, dann ist er schlagfertig.«
Ein ziemlich bunter Papagei schaut aus seinem Käfig die beiden Männer an. Stolz breitet er seine Flügel aus und blinzelt den Kommissar an.
»Ein schöner Vogel, muss ich sagen«, meint der Kommissar.
»Schön, sagen Sie? Bezaubernd würde ich eher sagen, denn dieser ist das Beste, was ich zurzeit im Laden habe.«
»Und wie viel kostet der?«
»Fünfhundert Euro.«
»Das ist aber teuer.«
»Teuer? Für so ein ausgezeichnetes, dazu deutschsprachiges Exemplar ist das billig!«
»Okay, wenn Sie meinen … nun, ich nehme ihn.«
»Super, Herr …?«
»Meyer … Kommissar Meyer.«
»Alles klar, Herr Kommissar!«, antwortet auf einmal der Papagei, während der Verkäufer den Käfig nimmt und zur Kasse geht.
Der Kommissar schaut den Papagei erstaunt an. »Hat der einen Vogel?«
»Wie ich bereits erwähnte, Herr Meyer … schlagfertig ist er!«
»Hoffentlich werde ich diesen Kauf nicht bereuen …«
»Das werden Sie nicht, Herr Meyer, da bin ich ganz sicher«, meint der Verkäufer und stellt den Käfig auf die Theke.
Der Kommissar durchsucht vergeblich seine Taschen. »Verdammt, ich kann mein Portemonnaie nicht finden.«
»Haltet den Dieb, haltet den Dieb!«, schreit der Papagei und tänzelt im Käfig hin und her.
»Wurde ihr Geld geklaut?«, fragt der Verkäufer.
»Ach, so ein Spaßvogel … Nein, hier ist es«, antwortet der Kommissar und holt das Portemonnaie aus seiner Innentasche, als er einen Anruf von seiner Frau übers Handy bekommt.
Er geht ran: »Meyer! … Ach, du bist es … Was? Du nimmst mich auf den Arm … Hunderttausend Euro hast du im Wald gefunden?«
Der Papagei reagiert resolut. »Finanzamt! Finanzamt!«
»Hallt die Klappe«, ruft er dem Tier zu. »Nein, Liebste, damit meine ich nicht dich, aber den Spaßvogel, den ich hier gerade für uns kaufe … in einem kleinen Karton hast du das Geld gefunden?«
Der Verkäufer schaut noch mal konzentriert auf die Preisliste für Papageien.
»Nein, du bist der ehrliche Finder. Aber es kann sein, dass es sich hier um Diebesgut handelt, aber da kann ich mal die Kripo dransetzen.«
»Heraus mit dem Geld! Heraus mit dem Geld!«, ruft der Papagei.
Da zieht der Kommissar während des Anrufs seine Jacke aus und wirft sie über den Käfig.
Und sofort reagiert der Papagei: »Der Lichtschalter? Wo ist hier der Lichtschalter?«
»Geh bitte schnellstens nach Hause. Ich komme dann sofort nach!«, sagt Meyer hastig, legt auf und schaut zu dem Verkäufer.
»Herr Meyer … wie ich gerade sehe, habe ich bei dem Preis einen Fehler gemacht, denn es heißt nicht fünfhundert, sondern fünfzehnhundert Euro … soviel kostet Sie dieser Papagei.«
Der Kommissar schaut in sein Portemonnaie. »Ach, was solls … Kann ich mit meiner Karte zahlen?«
»Kein Problem, Herr Meyer«, antwortet der Verkäufer und überreicht nach der Zahlung dem Kommissar den Käfig. »Na, dann viel Spaß mit ihrem Kauf, Herr Meyer!«
»Spaß muss sein! Spaß muss sein!«, ruft der Papagei unter der Jacke.
»Ja, danke. Und hoffentlich ist er nun erst mal eine Weile ruhig«, brummt der Kommissar und verlässt den Laden.
Der Papagei trällert indes: »Wie wär’s mit einem Schläfchen! Wie wär’s mit einem Schläfchen!«
Nachdem die Kripo die Hunderttausend Euro, oder um genauer zu sein, siebzigtausend Euro untersucht hat, doch dabei nichts Kriminelles herausgekommen ist, feiern der Kommissar und seine Frau diesen Fund zu Hause unter dem Genuss reichlichen Essens und Alkohol. Den Hunderten von Freunden die ganz plötzlich mal vorbeischauten wollten, haben sie abgesagt.
»So, letzten Endes ist dieses Geld unseres!«, sinniert der Kommissar, der neben seiner Frau auf der Couch sitzt, während beide auf den Papagei im Käfig starren.
»Mann, Heinz, was wir uns nun so alles kaufen können … neue Kleider für mich, ein anderes Auto, Urlaub ….«
»Ja, gut, nur …?«
»Was ist? Du hegst noch Zweifel, wie ich sehe?«
»Wir hätten das Geld nicht bei unserer Bank abgeben sollen.«
»Wieso? Was kann da passieren … wir bekommen doch Zinsen bei der Bank?«
»Unser Geld ist wie eine Torte … sobald die Welt davon Wind bekommt, will jeder davon ein Stück abhaben.«
»Ach, wohin denkst du. So schlimm wird es nicht werden.«
»Privatvermögen! Privatvermögen!«, krakelt der Papagei.
Beide schauen erstaunt auf ihren Vogel im Käfig.
»Wie recht der hat«, meint der Kommissar. »Beim Finanzamt werden Sie uns überprüfen, da kannst du Gift drauf nehmen.«
»Kontenabrufverfahren! Kontenabrufverfahren!«, brabbelt der Papagei, während er an einem Keks knabbert.
»Ja, aber was denn noch?«, meint Frau Meyer und nimmt einen Schluck von ihrem Weißwein.
»Sparer werden ordentlich zur Kasse gebeten! Sparer werden ordentlich zur Kasse gebeten!«, ruft da wieder der Vogel.
»Ich brauche nun einen Schnaps«, murmelt der Kommissar und schenkt sich neben seinem Bier noch einen Klaren ein.
»Ach Heinz, mach dir nichts daraus … es ist nur ein Papagei, dem sie das Sprechen beigebracht haben.«
»Nur das Sprechen beigebracht … Mensch, der redet ja wie der Finanzminister! Ach, hätte ich ihn nur nicht gekauft«, antwortet der Kommissar und kippt den Schnaps hinunter.
»Mit diesem Betrag können wir uns in der kommenden Zeit bestimmt noch einiges leisten.«
Der Papagei tanzt auf seiner Stange hin und her. »Verrechnungssteuer! Verrechnungssteuer!«
»Verdammter Vogel! Wenn der so weiterredet, haben wir am Ende keinen Cent mehr!« Der Kommissar kippt noch einen Schnaps hinunter.
»Heinz! Das sind nur die Steuern, von denen der Vogel redet … das meiste ist für uns«, antwortet seine Frau und schenkt ihr Glas nach.
»Meinst du?«
»Abgeltungssteuer! Abgeltungssteuer!«, klingt es nun aus dem Käfig.
»Verdammte Flasche … kaum zu glauben, aber die ist leer!«
»Ruhig, Heinz, im Kühlschrank steht noch eine. Ich hole sie dir, aber bitte, wir reden nicht mehr von Steuern.«
»Okay«, antwortet ihr Mann, während er einen Schluckauf bekommt.
»Schluckbruder! Schluckbruder!«, kreischt nun der Papagei, während Frau Meyer ihrem Mann eine neue Flasche Schnaps bringt.
»Komm, nimm einen Schluck, denn wir halten doch zusammen.«
»Solidaritätssteuer! Solidaritätssteuer!«, reagiert der Papagei.
»Da ist mal das Glück auf unserer Seite, und schon wird man scheinbar dafür bestraft«, sinniert der Kommissar so vor sich hin, wobei er die Flasche Schnaps zum Mund führt.
»Komm, Heinz, das Saufen hilft dir nichts.«
»Zinssteuer! Zinssteuer!«, klingt es im Käfig.
Der Kommissar stellt die Flasche zurück auf den Tisch. »Wie wär’s, Liebste, hast du nicht auch auf einmal Lust auf Papageienfleisch?«
Der Papagei hockt auf einmal wie angefroren auf seiner Stange und kreischt. »Sie sind Vegetarier! Sie sind Vegetarier!«
»Mach dir nichts daraus, Heinz, es ist und bleibt nur ein Vogel, sonst nichts«, versucht Frau Meyer ihren Mann zu beruhigen, der fast anfängt zu weinen. »Lass uns in Frieden unseren Moment des Glücks genießen.«
Sofort reagiert der Papagei, indem er anfängt wie die Sängerin Nicole zu singen: »Ein bisschen Frieden, ein bisschen Liebe, dass ich die Hoffnung nie mehr verlier …!«
»Sag mal, ist unser Papagei nicht steuerlich absetzbar?«, fragt Meyer seine Frau.
»Abzugsposten! Abzugsposten!«, reagiert der Vogel schlagfertig.
»Das kannst du vergessen, Heinz!«
»Doch, ich glaube, das ist der Fall, wenn wir den Vogel ausstopfen!«
»Der Notausgang! Wo ist hier der Notausgang?«, kreischt der Papagei.
»Ich glaube, ich habe im Tierladen viel zu viel bezahlt für einen so blöden Vogel!«
Sofort erhebt der Papagei seinen Kopf und lächelt fast. »Abgezockt! Abgezockt!«
Der Kommissar steht auf und ruft. »Ich habe die Schnauze voll, wo ist meine Dienstwaffe?«
»Notfallnummer eins eins null! Notfallnummer eins eins null!«, klingt es aus dem Käfig.
»Hast du einen Vogel? Komm, lass uns losgehen, irgendwo auf eine Terrasse setzen und einen Kaffee trinken«, meint Frau Meyer.
Der Kommissar schaut in sein Portemonnaie. »Ich hab gerade noch fünf fuffzich im Portemonnaie. Und so wie unser Vogel redet, von all den Steuern, ist das sicher auch alles, was von den siebzigtausend Euro, die du gefunden hast, übrig bleibt.«
»Mehrwertsteuer! Mehrwertsteuer!«, kreischt der Papagei.
Der Kommissar greift den Käfig, stellt ihn auf die Fensterbank, öffnet das Wohnzimmerfenster wie auch den Käfig und ruft: »So, meinetwegen kannst du eine Fliege machen!«
Der Papagei schluckt mühsam und piepst. »Flughafensteuer! Flughafensteuer!
»Keine Ausrede, ab geht die Post, gleich nach links, eine kurze Strecke über die Autobahn und zurück zum Tierladen.«
»Welttierschutztag! Welttierschutztag!«, klingt es verzweifelt aus dem Käfig.
»Welttierschutztag? Für uns Leute ist jeder Tag ein Steuertag ohne Schutz. So, und jetzt verzieh dich.«
Seine Frau steht hinter ihm. »Heinz, du schmeißt da fünfzehnhundert Euro aus dem Fenster!«
»Ja, und die anderen siebzigtausend!«
Der Papagei kreischt nun wirklich laut: »Amnesty International! Amnesty International!«
»Verzieh dich, du blödes Tier!«, kreischt nun auch der Kommissar, worauf der Papagei aus seinem Käfig und aus dem Fenster fliegt.
»Endlich, den sind wir los«, meint er und schließt das Fenster.
»Komm, Heinz, lass uns irgendwo einen Kaffee trinken gehen«, beruhigt sie ihren Mann, der in sein Portemonnaie schaut.
»Fünf Euro fuffzich, hoffentlich reicht das für zwei Tässchen entkoffeinierten Kaffee«, meint er, als sie das Haus verlassen.
»Bestimmt, Heinz, bestimmt «, sagt seine Frau, worauf er sie befremdend anschaut, als sie auf ihre Fahrräder steigen.
Während dieses Momentes, als sie beide Richtung Zentrum ihrer Kleinstadt fahren, kommt aus der anderen Richtung der Postbeamte angefahren, steigt aus seinem Auto und wirft einen Brief in den Postkasten, wobei er kurz aufschaut, zu einem Papagei oben auf dem Schornstein, der anfängt zu kreischen: »Ein Brief vom Finanzamt! Ein Brief vom Finanzamt!«
Der Postbeamte will noch gucken, ob das stimmt, aber der Brief ist schon im Kasten, und so zuckt er mit den Schultern und fährt weiter. Und so endet die Geschichte rund um den Papagei hier für uns Leser, doch nicht für den Kommissar …