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Kommissar Meyer in einer Glanzrolle

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Osselröde hat die Ehre, das Thema eines Dokumentarfilms zu werden. Der Titel lautet: ›Osselröde, die Stimme der Natur‹. Der Filmemacher versucht, ein Bild von Flora und Fauna rund um die Kleinstadt zu skizzieren. Er ist nur noch auf der Suche nach einem geborenen Osselröder, der als Hauptdarsteller dienen soll. Er schreibt dazu einen Wettbewerb aus. Entscheidend sind die Kenntnisse der Umgebung, und da Kommissar Meyer als Polizist die Umgebung kennt wie seine Westentasche, wird die Glanzrolle letzten endlich ihm zuteil.

Das alles ist eigentlich seinem zweiten Mann, dem Polizeimeister Herbert Funke zu verdanken, der, ohne dass sein Vorgesetzter die geringste Ahnung hatte, ihn als Teilnehmer des Wettbewerbs eingetragen hat.

Seit Funke dies seinem Chef gebeichtet hat, notiert er Falschparker in der Innenstadt …

Es ist ein später Sommerabend und die Dunkelheit senkt sich langsam über diesen Teil der Erde, als –gefolgt von einem Kamerateam und beleuchtet nur vom Mond – der Kommissar Meyer durch den Wald außerhalb Osselrödes schleicht. Plötzlich tauchen in der Ferne zwei Augen eines Tieres auf. Wie rotes Blinklicht funkeln sie durchs Gebüsch. Mit dem Zeigefinger an den Lippen ermahnt Meyer die Leute still zu sein, während er sich, dicht gefolgt von dem angespannten Kamerateam, langsam dem Tier nähert.

Um nicht den kleinsten Zweig knacken zu lassen, gehen sie im Wald herum, als liefen sie auf rohen Eiern. Und es klappt: Sie nähern sich dem Tier bis auf wenige Meter, ohne dass die roten Augen auch nur einmal geblinzelt hätten.

»Was soll der Scheiß?«, meint auf einmal der Kameramann laut.

Böse schaut der Kommissar auf das Team. »Na bravo … nun habt ihr das Tier verscheucht.«

»Verscheucht, nennen Sie das? Na dann würde ich mal richtig hinschauen!«, brummt der Kameramann und filmt auf Anweisung des Filmemachers weiter.

Und während die Leute ihm weiter folgen, schleicht der Kommissar wie eine Katze weiter auf das Tier zu und entdeckt dann, dass die roten Augen zwei kleine Neonlampen sind, die draußen an der Mauer eines tief im Wald versteckten Sexklubs leuchten.

Zudem kommt gerade eine Prostituierte nach draußen und zündet sich eine Zigarette an, als sie den Kommissar bemerkt.

»Hallo Süßer, hast du dich im Walde verlaufen, oder kommst du wie abgesprochen zu mir?«

Der Kommissar ist ein wenig unsicher und zeigt nervös lachend auf das Kamerateam. »Wir sind hier, um die Natur zu filmen.«

Die Prostituierte bläst den Rauch aus und mustert den Kommissar: »Dann bist du hier an der richtigen Adresse … bei uns gibt’s die Natur in reinster Form, Süßer … kannst ruhig reingehen … drinnen werden Beate und Ursula dich herzlich willkommen heißen … ich rauche nur mal schnell meine Zigarette und komm gleich nach.«

Er guckt hilflos zu dem Kamerateam, als der Filmemacher ihn anblafft: »Weiterlaufen, ob nichts geschehen wäre!«

Ohne zu zögern tut der Kommissar, was ihm aufgetragen wurde, als die Prostituierte meint: »Hoho, wo willst du denn hin? Hier geht’s lang zur Stimme der Natur!«

Sie drückt die Kippe unter ihren hohen Absätzen aus, greift den Kommissar am Arm und schleppt ihn unerbittlich mit nach drinnen – das Kamerateam immer hinterher.

Sie lassen die Kamera laufen, halten fest, wie der Kommissar mehr oder weniger nach drinnen verschleppt wird, machen ein Close-up von dem Namenschild oben an der Mauer, wo wie mit Lippenstift geschrieben steht: Die Stimme der Natur.

Drinnen im Sexklub amüsiert sich derzeit ein Viertel der örtlichen Kirchengemeinde, auch der Hauptkommissar Klaus Klugscheißer. Der Hauptkommissar sinkt beim Anblick des Kamerateams sofort unter einen Tisch, die Mitglieder der Kirchengemeinde brauchen plötzlich alle spontan frische Luft oder hasten die Treppe zu den Zimmern hinauf, weil ja in den Nachttischen überall Bibeln liegen und dort unbedingt die eine oder andere Predigt gehalten werden sollte.

Die Damen an seinen Tisch gucken einander erst fragend an, aber konzentrieren sich dann auf den Kommissar, der der Situation überhaupt nicht gewachsen ist.

»Na, Süßer, ich bin die Beate und du?«

»Ich bin der Heinz. Und ich bin verheiratet.«

»Ach, das sagen sie alle«, meint Beate, als ihre Kollegin dem Kommissar liebevoll ihr Dekolleté unter die Nase hält.

»Ich bin die Ursula, und ich kann heute Nacht deine Traumfrau sein.«

Wie bei der Spurensicherung starrt der Kommissar auf die Linie vom Hals bis ins Hemd. Nervös sieht er sich nach dem Kamerateam um, das sich aber an die Bar verzogen hat, die Kamera ist scheinbar aus. »Sie verstehen mich falsch«, sagt er und zeigt auf das Team: »Wir machen gerade Aufnahmen für einen Dokumentarfilm mit dem Titel: Die Stimme der Natur.«

»Aber natürlich, hier drinnen ist alles reinste Natur, Liebster«, unterbricht ihm die Ursula.

»Davon wussten wir aber nichts … Trotzdem, wir heißen euch herzlich willkommen«, säuselt Beate und schnippt nach dem Barkeeper.

In der Zwischenzeit sieht der Kommissar aus dem Augenwinkel, wie ein dunkler Schatten über den Boden kriecht und Richtung Toiletten verschwindet. Da es in dem Sexklub nur gedämpftes Licht gibt, kann er nicht richtig gut sehen, wer sich da herausschleicht.

Da wird er vom Barkeeper abgelenkt: »Was darf's denn sein?«

Beate und Ursula drücken sich an den Kommissar, in der Hoffnung, auch etwas zu trinken zu bekommen.

»Hm, ich hätte gerne ein kleines Pils.«

»Alles klar, Herr Kommissar!«, antwortet der Barkeeper.

Meyer macht große Augen und will gerade auf den Spruch reagieren, aber Beate kommt ihm zuvor: »Ach, lieber Heinz, achte bitte nicht auf ihm, denn er hatte vor längerer Zeit mal Schwierigkeiten mit der Polizei …«

»Und nun sagt er das zu allen Kunden«, ergänzt Ursula, als der Filmemacher an der Theke auf seine Uhr schaut und dann zusammen mit dem Barkeeper zum Kommissar geht.

»Nun, Herr Meyer, es wird schon spät und ich möchte gerne weitermachen.«

Nun macht der Barkeeper große Augen, gerade als er dem Kommissar sein Pils bringen will: »Meyer? Meyer? … Warte mal, aber ich kenne Sie doch?«

Der Kommissar wirkt angespannt. »Entschuldigen Sie, aber ich muss erst mal zur Toilette.«

Schnell steht er auf und läuft zu der Tür, über der ein Hinweisschild leuchtet. Hinter der Eingangstür gibt es einen Flur mit Treppe, die zur Damen- und Herrentoiletten führt.

Kaum ist der Kommissar oben an der Treppe, erkennt er seinen Hauptkommissar, der vorgebeugt am Waschbecken steht. »Herr Klugscheißer, Sie hier?«, ruft er.

Der Hauptkommissar erschreckt sich so sehr, dass er den Hahn zu schnell aufdreht und ihm das Wasser über die Hose läuft. Schnell dreht er sich um, aber schlüpft beim Anblick seines Untergebenen sofort zurück in seiner Rolle: »Herr Meyer? Was eine Überraschung!«

Der Kommissar schaut auf die nassen Stellen auf der Hose seines Vorgesetzten. »Wie Sie sagen: eine Überraschung. Was führt Sie denn hierher?«

»Ach, Herr Meyer, ich war dabei einen Spaziergang zu machen und musste dringend mal zur Toilette … und Sie?«

»Nun, ob sie es glauben oder nicht, aber ich bin der Hauptdarsteller in einem Dokumentarfilm.«

Der Hauptkommissar schaut sich um. »Über einen … wie soll ich sagen … Sexklub?«

»Nein, nein, wo denken Sie hin … Nein, über die Flora und Fauna unseres Osselröder Waldes.«

»Ach so!«

»Am besten kommen Sie mal mit raus und schauen es sich an.«

»Keine schlechte Idee, Herr Meyer … obwohl, ich habe da eine bessere Idee.«

»Und die wär?«

»Nun, ich möchte, wie Sie verstehen werden, am liebsten nicht erkannt werden, noch dazu mit Ihnen, also schlage ich vor, wir nehmen die Feuertreppe oder ein Fenster nach draußen.«

»Aber Sie wollten ja nur mal zur Toilette, weshalb die Angst?«

»Da haben Sie recht … trotzdem, lieber wär es mir, wenn wir es auf meine Weise machen.«

Der Kommissar schaut um sich um. »Ich sehe hier nirgendwo eine Feuertreppe, nur ein Fenster.«

»Das nehmen wir, Herr Meyer«, meint der Hauptkommissar, aber entdeckt dann bei näherer Betrachtung, dass das Fenster verschlossen ist.

»Verdammt, das ist zu! Haben Sie vielleicht etwas bei sich, womit wir das Fenster aufbrechen können? Und am besten ein bisschen dalli, bevor noch jemand zur Toilette muss?«

»Wir machen es uns aber nicht leicht«, meint der Kommissar und findet in seiner Hosentasche ein kleines Klappmesser.

So kommt es, dass der Hauptkommissar Klaus Klugscheißer und sein Untergebener, der Kommissar Meyer, zur zweit, wie zwei Ausbrecher, an einem Fenster in einem Sexklub herumfingern. Am Ende gelingt es den beiden findigen Beamten, das Fenster zu öffnen.

»Wow, Herr Meyer, das ist aber noch recht hoch!«, meint der Hauptkommissar, als sie zur zweit aus dem Fenster auf einen von Gebüsch überwucherten Boden gucken.

»Wir können uns an den Zweigen runterlassen«, schlägt der Kommissar vor, als auf einmal unter an der Treppe eine Frauenstimme erklingt. »Klaus! Heinz! Ist bei euch alles okay?«

»Klaus?«, antwortet der Kommissar und schaut den Hauptkommissar an.

»Nichts wie runter!«, keucht der Hauptkommissar.

Wie Tarzan und seine Affen lassen die beiden Polizisten sich an den herabhängenden Zweigen runter und fallen mit zerschrammten Händen und Gesichtern auf den Boden voller gebrauchter Kondome und anderer unappetitlicher Sachen, die man so aus den Fenstern eines Puffs werfen kann.

Dessen ungeachtet machen sie sich schnellstens aus dem Staub – der Hauptkommissar tief ins Gebüsch und der Kommissar zum Eingang des Sexklubs, wo er aber leider das Kamerateam nicht mehr vorfindet. Er zuckt mit den Schultern und begibt sich schließlich heimwärts.

Seit den Geschehnissen im Wald sind einige Tage vergangen. Die Schrammen auf Gesicht und Händen des Kommissars waren für die Frau Meyer akzeptabel, denn er ist ja schließlich Hauptdarsteller in einen Dokumentarfilm über Wald und Flur – oder besser gesagt war, denn der Filmemacher hat beschlossen, sich einen anderen Hauptdarsteller zu suchen. Der Kommissar konnte das alles aber seiner Frau nicht erzählen, wie er fand, wenn er versuchte sich selber im Spiegel anzuschauen.

Im Zentrum von Osselröde ist einmal im Monat Abendmarkt, aber nur in der Sommersaison. Es herrscht viel Betrieb, da selbst spätabends die Temperatur noch an die 25 Grad Celsius beträgt.

Auf der Terrasse eines Cafés genießen der Kommissar und seine Frau gerade ihre Getränke, als er auf einmal seinen Namen hört :»Heinz! Wie nett dich wiederzusehen! Mann, du warst ja auf einmal weg!«

Der Kommissar und seine Frau schauen auf zu einer Frau auf hohen Absätzen in einem ziemlich offenherzigen Kleid. Sofort erkennt er Beate aus dem Sexklub. Ihm wird sofort heiß, vor allem, weil ihm seine Frau irritierte Blicke zuwirft.

»Hallo!«, reagiert er zurückhaltend.

»Na, Heinz? Du weißt doch noch … Im Wald! Die Stimme der Natur?«, plappert Beate und rückt ihr Dekolleté zurecht.

Die Frau Meyer mischt sich ein. »Haben Sie auch an Der Stimme der Natur, dem Dokumentarfilm mitgearbeitet?«

Beate zwinkert erstaunt mit den Augen. »Dokumentarfilm? Ich weiß nicht, wovon Sie reden … Ich arbeite zurzeit in einer …« Sie hört auf zu reden, denn der Kommissar bekommt plötzlich einen Hustenanfall.

Sofort klopft sie ihm, zusammen mit Frau Meyer, auf den Rücken. Die anderen Gäste hören auf sich zu unterhalten und starren sie gebannt an.

Der Kommissar entkommt dieser Situation nur mit knapper Not, als Beate andere Bekannte trifft und mit diesen weggeht. Hektisch trinkt er einen Schluck Bier.

»Geht's wieder?«, fragt seine Frau besorgt.

»Da ging mir doch fast die Puste aus.«

»Woher kennst du eigentlich die Frau?«, fragt sie.

»Ach, während der Aufnahmen traf ich sie im Wald, sonst nichts.«

»Komisch, denn Sie wusste überhaupt nichts von einem Dokumentarfilm.«

Der Kommissar hat ein weiteres Mal Glück. Diesmal rettet ihn sein Handy, das klingelt.

Er geht ran: »Meyer! Funke, du? Was ist los? …« Der Kommissar läuft hinter das Café, wo es ruhiger ist.

»Warum sprichst du so leise? … Ausgewählt? Was? Du wurdest als Hauptdarsteller des Dokumentarfilms ausgewählt? … Und ihr seid gerade bei den Aufnahmen? … Nein, ich habe dir verziehen, aber ich bin froh, die Stelle los zu sein, denn wenn ich daran zurückdenke … Mann! … Was? Du siehst gerade aufleuchtende Augen eines Tieres im Wald? Oh Gott, Funke, nein! Das sind die …«

Ein Lächeln schleicht sich ins Gesicht des Kommissars.

»Funke … du hast recht, ich hab’s auch gesehen … es sind die Augen eines Tieres … ja, na dann viel Spaß, Funke. Tschau!« Lächelnd legt er auf und geht zurück zu seiner Frau, die gerade den Kellner bezahlt.

»Ich bin müde, Heinz, ich möchte schlafen gehen.«

»Gute Ide, denn die Stimme der Natur ruft uns«, antwortet er deutlich erleichtert.

»Was du nicht sagst«, antwortet sie, und Arm in Arm machen sie ihren Spaziergang nach Hause.

Satirische Sketche 4

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