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Luzern erleben

Einer Stadt auf der Spur

Eine Stadt lässt sich auf vielerlei Art erleben. Einige möchten sie erkunden und sorgfältig ihren Geschichten und Schätzen nachspüren, wie wir das mit den nachfolgenden Rundgängen empfehlen. Andere lassen sich lieber treiben und werden dabei in Luzern ganz bestimmt auch auf ihre Rechnung kommen; da die Sehenswürdigkeiten gut beschriftet sind, gelangt – wer des Deutschen mächtig ist – ohne Mühe zu wichtigen Informationen. Man kann es aber auch umgekehrt anpacken und ganz einfach von einem der Cafés aus das Leben an sich vorüberziehen lassen. Und hat man einmal Lust, dem eiligen Treiben zu entfliehen, sucht man sich die stillen Winkel aus, zum Beispiel die Münzgasse (Nr. 30) mit dem zauberhaften Blick auf die vor dem Torbogen vorüberziehende Reuss, oder – auf der anderen Flussseite – die malerische Häusergruppe im Zöpfli (Nr. 28) oder an der Rössligasse den Süesswinkel (Nr. 7), der zu seinem Spottnamen kam, weil früher hier der Mist aus den umliegenden Ställen lagerte. Etwas aber sollte niemand verpassen: die Stadt auch von oben, also zum Beispiel von der Museggmauer (Nr. 38) oder von der Gütsch-Terrasse (Nr. 114), zu sehen. Das verschafft Übersicht und ist in Luzern besonders reizvoll, weil der Ausblick – je nachdem, ob man von Norden oder von Süden her schaut – sehr stilvoll vom Kranz der Berge oder jenem der Museggtürme beschlossen wird.

Die vier schönsten Jahreszeiten

Das Bild Luzerns ändert sich wie die Jahreszeiten. In den Sommermonaten erscheint die Stadt mit ihrem Musik-Festival international und weltoffen. Touristenscharen schlendern durch die Gassen und Strassenmusikanten beleben die Plätze. In den Ufercafés bedienen Angestellte aus vielen Ländern Gäste aus aller Welt, und an den Reussufern übt man sich im süssen Nichtstun.

In den Herbstmonaten wird es ruhiger in Luzern. Die Nebel über dem Wasser lösen sich oft erst gegen Mittag auf. Dann aber zeigen sich die fernen Berge nicht selten in einem wunderbar klaren Licht. Auf den Hügeln über der Stadt verfärben sich die Bäume, und das tiefe Herbstblau des Himmels zieht viele Einheimische noch einmal hinauf in die Berge oder an die Seepromenaden. Im Winter versinkt Luzern, wie es einmal jemand umschrieb, «in biedermeierlich kleinstädtischer Ruhe». Das Leben zieht sich zurück in die Behaglichkeit vertrauter Gemeinschaften. In der früh dunkelnden Nacht streift man den Lichtern der Schaufenster nach; im Advent schaukeln die Sterne und weihnächtlichen Lichterketten über Gassen und Brücken. Diesem winterlichen Schlaf der Stadt bereitet dann die Fasnacht, dieser anarchisch-orgiastische Frühlingsausbruch, mit Getöse ein Ende. Und wenn der laue Föhn im März den Schnee von den Bergen holt und das Grün langsam wieder die Voralpen hinanklettert, dann weiss man: Bald werden in den Luzerner Gasthäusern wieder die Tische und Stühle auf die Quais und Plätze hinausgestellt – und die ersten wärmehungrigen Gäste aus aller Welt, aber auch Einheimische sich der Sonne entgegenrecken.


Ein gemütlicher Abend mit einem Hauch von Italianità am Weinmarkt.


Über den Häusern erscheint der Pilatus oft «so nahe, dass man glauben möchte, er werde über die Häuser herabstürzen» (Karl G. Küttner 1778). Stich um 1840.

Markttage – die wöchentliche Versuchung

Zweimal in der Woche – am Dienstag- und am Samstagmorgen – wird die Stadt von lebhaftem Markttreiben erfüllt. An der Reuss werden Gemüse und Obst, Früchte und Blumen, Honig und Eingemachtes, Eier, Käse und Brot und Unter der Egg auch Fische angeboten. Über den Markt zu schlendern bereitet doppelten Spass. Die frische Pracht des Angebotenen ist eine wahre Augenweide; dazu kommt das Vergnügen, Bekannte zu treffen, mit denen man ein paar Worte wechselt, und den Fremden mit ihren Sprachen aus aller Welt zuzuhören. Manche Anbieter sind wie von alters her Bauern und Bäuerinnen aus dem Luzernischen, nicht zuletzt von Weggis und Vitznau, der Luzerner Sonnenstube am See. Der Dienstagsmarkt wird seit 750 Jahren abgehalten! Der älteste Marktbereich erstreckte sich von der Reussbrücke über die Kramgasse Richtung Weinmarkt, den damaligen Fischmarkt. Hauptsächliche Produkte auf dem Luzerner Markt waren Wein, Getreide, Hülsenfrüchte, Salz, Fisch sowie Vieh von Schafen über Schweine bis zu Pferden und Rindern. Der Lebensmittelmarkt mit Butter, Eiern, Obst, Nüssen, Gemüse und andern bäuerlichen Produkten wurde aber schon früh unter die Egg verlagert, wo die Bauern von ennet dem See mit ihren Booten direkt anlanden konnten.


Marktvergnügen an der Reuss: Schlendern, schauen und sich plaudernd mit Köstlichkeiten eindecken.

Neben den beiden Wochenmärkten gibt es heute noch mehrere attraktive Spezialmärkte. So findet jeden ersten Mittwoch in den Monaten März bis Dezember an der Reuss bis vor die Jesuitenkirche (Nr. 12) ein Warenmarkt für Kleider, Schuhe, Geschenkartikel etc. statt. Sehr beliebt ist sodann der Flohmarkt, der von Mai bis Oktober jeden Samstag am Reusssteg (Nr. 29) stattfindet, an dem allerhand Krimskrams feilgeboten wird, an dem aber-wer Glück hat – auch gesuchte Raritäten finden kann. Besonders belebt ist das Marktgeschehen zur Adventszeit. Dann findet auf dem Weinmarkt (Nr. 8) der Handwerksmarkt, den es sonst vom April an nur jeden ersten Samstag im Monat gibt, an praktisch allen Wochenenden statt, und es wird eine reiche Auswahl an kunstgewerblichen Artikeln von Keramik und Textilien bis zu Schmuck und Spielsachen angeboten. Der Franziskanerplatz (Nr. 16) ist dann an praktisch allen Adventstagen Ort eines stimmungsvollen Weihnachtsmarkts mit all seinen behaglichen Gerüchen von Glühwein, Punsch und Gewürzen. Einige Tage vor Weihnachten werden am Markt Venite auf dem Kapellplatz (Nr. 2) Weihnachtsspezialitäten von über 20 Nationen angeboten.

Neben den Tages- und Wochenmärkten gab es seit der Frühzeit in Luzern aber auch die grossen Messen, von denen die zweiwöchige Leodegarsmesse anfangs Oktober bis heute weiterlebt. Die «Määs» ist mit vielen Waren- und Imbissständen und ihrem Lunapark, der sich vom Bahnhof bis zum Inseli (Nr. 78) hinzieht, bei Jung und Alt sehr populär, und zieht Jahr für Jahr 300000 und mehr Besucher an.


Die Sternsinger in der Vorweihnachtszeit auf dem Kornmarkt (Nr. 3).


Die Prozession an Fronleichnam auf der Reussbrücke (Nr. 27).

Kirchliches Brauchtum

Die jahrhundertelange Prägung Luzerns durch die katholische Kirche zeigt sich bis heute auch in einigen öffentlichen Bräuchen. Im Advent am Anfang des Kirchenjahres feiert man in der Hofkirche jeweils St. Nikolaus mit einem würdevollen Auszug des Heiligen samt Gefolge, darunter auch die schwarzen «Schmutzlis». Am ersten Adventssonntag zieht von der Pfistergasse her ebenfalls ein weithin hörbarer Klausumzug in die Stadt. Er umfasst glockenschwingende «Treichler», peitschenknallende «Geisslechlöpfer» und die «Niffeleträger» von Küssnacht, die auf dem Kopf ihre grossen, reich verzierten Laternen tragen. Am vierten Adventssonntag kann man auf den Plätzen der Altstadt den Luzerner Spielleuten beim Adventssingen begegnen, zu deren Zug die Heilige Familie, die Hirten mit ihren Tieren sowie die Drei Könige gehören. In der Silvesternacht klingt das alte Jahr mit Musik von den Türmen der Hofkirche aus, und anschliessend wird in der voll besetzten Kirche Gottes Schutz und Segen erbeten. In den Tagen um Dreikönige sind Gruppen der Sternsinger unterwegs, die auf die Türbalken der besuchten Häuser mit Kreide ihr CMB hinschreiben, was auf Caspar, Melchior und Balthasar – die Namen der drei Könige, die dem Christkind in der Krippe huldigten – hinweist, aber vielleicht auch «Christus mansionem benedicat» – Christus segne dieses Haus – bedeutet. Am Karfreitag begibt sich um die Mittagszeit von der Peterskapelle hinter einem grossen Holzkreuz her eine Prozession auf einen modernen Kreuzweg. Auffahrt (Christi Himmelfahrt) ist vor allem ein Fest des ländlichen Luzern. In sechs Gemeinden, darunter Sempach, Beromünster und Ettiswil, reiten die Gläubigen mit dem Priester in einer Segensprozession durch Feld und Flur. In der Hofkirche wird dieses biblische Ereignis anschaullich gemacht, indem ein Christusbild in das Kirchengewölbe aufgezogen wird. An Fronleichnam findet auf dem Franziskanerplatz ein Gottesdienst mit anschliessender Prozession zur Hofkirche statt. Auf der Reussbrücke erteilt der Priester den Segen in alle vier Winde, während vom Gütsch her die Salven der Bruderschaft der Herrgottskanoniere über die Stadt donnern. Am Bettag im September finden in mehreren Kirchen sowie auf dem Kapellplatz ökumenische Gottesdienste statt.

Rüüdig turbulent – Fasnacht in Luzern

Wer erleben will, wie gegen Winterende urtümliche Gefühle die Menschen überkommen, muss in die Luzerner Fasnacht eintauchen. Sie ist ein stürmisch-anarchischer Ausbruch von Lebenslust, und in ihrer Spontaneität nicht zu vergleichen mit der Basler Fasnacht, die sich in ihrem strengen Ablauf daneben ausnimmt wie eine preussische Drillübung. Wenn auch seit fünfzig Jahren die «Guggenmusigen» (fasnächtlich verkleidete Musikgruppen) überhand genommen haben – am Monsterkorso zum Fasnachtsschluss sind es jeweils an die hundert –, so haben sie doch die individuellen Masken nicht verdrängt. Im Gegenteil: Wenn sie durch die Gassen schränzen und ihre kakophonischen Wellen von den alten Mauern zurückbranden, bildet das recht eigentlich den Takt, zu dem buchstäblich die halbe Stadt tanzt, singt und hüpft. Es wäre auch falsch zu sagen, man gehe an die Fasnacht: Man taucht vielmehr in sie ein und wird vom Strom einfach mitgezogen. Früher oder später landet man dann dort, wo das eigentliche Herz der Fasnacht schlägt: bei der Eggstiege am Rathaus und den Arkaden Unter der Egg. Es gibt in Luzern Leute, die während der Fasnacht tagelang selig dahintreiben in einer chaotischen Woge von Lärm, grotesken Gestalten und Kaffee-Schnaps-Düften. Die wohl poesievollsten Bilder dieser Tage sind die kleinen Gruppen und Einzelnen, die traumverloren umherziehen, und deren fantastischen Gewänder, bizarren Masken und mächtigen «Grinde» (Masken, die den ganzen Kopf bedecken) sich im Wasser der Reuss widerspiegeln. Die grossen Umzüge hingegen, die am «Schmutzigen Donnerstag» (Donnerstag vor dem Rosenmontag) und am «Güüdis-Montag» (Rosenmontag) stattfinden, sind etwas konventionell: Die Sujets der vielen Wagen werden zwar kunstvoll und mit viel Aufwand gestaltet, aber Witz und Skurrilität finden sich eher im Individuellen.


Kleine Gruppen in fantastischen Gewändern und mit mächtigen «Grinden» (Masken), die sich genüsslich inszenieren oder traumverloren umherziehen.

Die Luzerner Fasnacht beginnt am «Schmutzigen Donnerstag» in aller Frühe. Ein paar Minuten vor fünf Uhr taucht am Schweizerhofquai aus dem Dunkel der Nacht der Nauen mit dem Bruder Fritschi und den Honoratioren der Zunft zu Safran auf, der dieser Tag seit undenklichen Zeiten gehört. Der Zug bewegt sich zum Kapellplatz, wo schon Tausende in der kalten Nacht auf ihn warten. Punkt fünf Uhr ertönt dann der gewaltige Urknall, und wie unter dem Eis hervor brechen schlagartig Ausgelassenheit und Begeisterung los, die sich erst in der Morgenfrühe des Aschermittwochs wieder legen. Der Montag – der hier «Güüdis-Montag» heisst – gehört der Weyzunft, einer 1925 gegründeten Fasnachts-Gesellschaft. Am Abend des «Güüdis-Dienstags» lockt der Monsterkorso der «Guggenmusigen» dann noch einmal Zehntausende in die Stadt, wo das normale Leben für fast eine Woche aussetzte, und wo nun die kollektive Depression ausbrechen würde – gäbe es nicht die Gewissheit, dass in einem Jahr wieder Fasnacht ist.

Wer ist Bruder Fritschi?

Er ist der Held des «Schmutzigen Donnerstags». Seine Ankunft gibt das Signal zum Fasnachtsbeginn. Am Nachmittag bildet der Fritschiwagen, auf dem er sich mit der Fritschene – beide markiert von stämmigen Safranzünftlern – befindet, den Höhepunkt des langen Korsos. Ihr Wagen umrundet dreimal den Fritschibrunnen auf dem Kapellplatz. Die Safranzunft, deren Emblem er sozusagen ist, heisst auch Fritschizunft und ihr Zunftmeister Fritschivater.

Wer Bruder Fritschi aber eigentlich ist, weiss niemand. Seit er um 1450 in Luzern auftauchte, hat er vielerlei Gestalt angenommen. Im 15. und 16. Jahrhundert wurde er als Greisenpuppe aus Stroh abgebildet, die gelegentlich in andere eidgenössische Orte entführt wurde und dann jedes Mal unter tagelangen Festlichkeiten wieder zurückgeholt werden musste. Er war also eine Art freundeidgenössische Maskotte. Nicht selten wurde er aber auch als Luzerns ältester Bürger bezeichnet, der durch seinen kräftigen Hang zum schönen Geschlecht und durch seine Potenz auffiel, was eher auf einen Frühlingskult verweist. Und so erleben ihn die Luzerner auch heute noch: Als ein Sinnbild unverwüstlicher Lebenslust, das sie auffordert, auch in ernsten Zeiten die Lust am Leben nicht zu verlieren.


Musikstadt Luzern

Wenn es ein Ereignis gibt, das den Namen der Stadt Jahr für Jahr in die Welt hinausträgt, dann sind es die Internationalen Musikfestwochen (IMF), die seit 2001 Lucerne Festival heissen. Zusammen mit anderen grossen Festspielorten gehört Luzern zu den bekanntesten europäischen Festivalstädten. Im Rahmen der ersten Festwochen im Juli und August 1938 leiteten Dirigenten wie Ernest Ansermet, Fritz Busch und Bruno Walter etwa ein halbes Dutzend Konzerte. Am meisten Aufsehen erregte Arturo Toscanini, als er vor dem Landhaus Tribschen in einem «Concert de Gala» unter anderem Richard Wagners «Siegfried-Idyll» zur Aufführung brachte, das dort ein Menschenalter zuvor entstanden war. Nach dem Krieg wurde es dann möglich, neben dem 1943 gegründeten Schweizerischen Festspielorchester vermehrt auch erstklassige ausländische Orchester zu verpflichten. 1957 traten erstmals die Wiener und 1958 die Berliner Philharmoniker auf, die mit Dirigenten wie Wilhelm Furtwängler, Karl Böhm und Herbert von Karajan viel zum wachsenden Prestige der IMF beitrugen. Die Festivalszene war damals noch recht idyllisch. Viele bedeutende Musiker hielten sich im Sommer längere Zeit in Luzern auf, gaben hier – wie die Komponisten Arthur Honegger und Paul Hindemith – Meisterkurse oder nahmen am Vierwaldstättersee sogar Wohnsitz wie Sergej Rachmaninow und Raffael Kubelik oder später Vladimir Ashkenazy und James Galway. Als im internationalen Konzertbetrieb die Hektik zunahm und die Festivalprogramme mehr und mehr austauschbar wurden, verstand es Luzern, ein eigenes Profil zu gewinnen. So stehen die Festwochen seit 1970 jeweils unter einem Leitthema. Ausserdem wurde dem zeitgenössischen Musikschaffen mehr Raum gewährt, wobei die 1956 gegründeten Festival Strings Luzern unter Rudolf Baumgartner den Anfang machten. Die Festspiele vergaben auch zahlreiche Kompositionsaufträge; seit einigen Jahren lädt Lucerne Festival ausgewählte «composers in residence» und Interpretenpersönlichkeiten «artistes étoiles» zu den Festwochen ein. Die Reihe «Debut» gilt der Förderung junger Interpretinnen und Interpreten.


Konzert des Lucerne Festival in der «Salle Blanche» im Kunst- und Kongresszentrum (Nr. 76). Selbst auf den oberen Rängen ist das Hörvergnügen makellos.

Zur Sommerausgabe von Lucerne Festival im August und September mit heute rund hundert Anlässen und über 100 000 Besucherinnen und Besuchern ist seit 1988 in Anknüpfung an eine alte Tradition das neuntägige Oster-Festival getreten, in dessen Programme vermehrt geistliche Musik Eingang findet. Seit einigen Jahren wird im November sodann das Piano-Festival mit Rezitalen, Klavierkonzerten und dem Jazz-Ableger «Off-Stage» durchgeführt. Grossartig ist, dass seit der Eröffnung des KKL Luzern 1998 ein Konzertsaal für all diese Anlässe zur Verfügung steht, der akustisch zu den besten der Welt zählt.

Luzern kulinarisch

Wie aufgrund der Geschichte fast nicht anders zu erwarten, weist die Luzerner Küche kräftige rustikale Züge auf, das heisst, Käse, Milch und Rahm (Sahne) sowie Obst und die daraus gebrannten Wasser spielen eine nicht geringe Rolle. Andererseits zeigen sich auch fremde, vor allem südliche Einflüsse; so sind für Festtagsspeisen wie die Chügelipastete (s. Kasten) oder die bekannten Luzerner Lebkuchen raffinierte Zutaten und Gewürzmischungen erforderlich. Kommt dazu, dass man in Luzern kräftige Aromen gern mit einem Schuss Süssem mildert, was der Küche einen geradezu modernen Anstrich gibt.

Die Luzerner Chügelipastete

Schon die äussere Form verrät, dass die Chügelipastete eine Festtagsspeise ist. Das beinahe runde «Gehäuse» aus Blätterteig ist reich verziert und erinnert in Form und Grösse an eine Frauenhaube aus früheren Zeiten. Diese Form erhält man, indem der Teig um einen in Papier eingeschlagenen Ballen Papierstroh modelliert wird, der mitgebacken und erst nach dem Herausschneiden eines «Deckels» wieder entfernt wird. Die Füllung besteht meist aus Kalbfleisch, «Brätkügeli» (kleine Fleischklösschen) und Champignons an brauner Sauce, bei der Weisswein nicht fehlen darf, sowie Weinbeeren (Rosinen mit Kernen), die nach einem alten Rezept einen Tag in Cognac eingelegt werden. Sie erst geben dem Gericht den raffinierten Geschmack, der an die französische Küche erinnert und darauf hinweist, dass diese Festtagsspeise wohl durch Offiziere in französischen Diensten nach Luzern gekommen ist.


Schnitz und Härdöpfel sind beispielsweise gekochte und klein geschnittene Birnen und Kartoffeln an einer Zucker-Mehl-Sauce, die mit geräucherten Rippchen und Speck sowie Zungenwurst gegessen werden – eine nahrhafte Herbstspeise, die in der Zentralschweiz überall verbreitet ist. Das Gleiche gilt für die Älplermagronen, bei denen geschälte und in Stücke geschnittene Kartoffeln mit Makkaroni weich gekocht und dann mit Sahne, Käse und gedünsteten Zwiebeln vermischt werden; dazu wird Apfelmus gereicht. Für dieses Gericht braucht man nur eine einzige Pfanne; schliesslich hing ja in den Alphütten über dem offenen Feuer auch meist nur ein Kessel. Eine deftige Winterspeise ist auch die Luzerner Chässuppe, für die fein geschnittene Brot- und Käsestreifen mit Milch oder Bouillon angerührt werden; auch zu diesem Gericht isst man Apfelmus oder Apfelstückli (Kompott). Zu den Zutaten für die Luzerner Lebkuchen gehören Birnenhonig (Birnendicksaft), Zimt und Anis, Muskat- und Nelkenpulver sowie ein ordentlicher Schuss Träsch (Schnaps aus Birnen und Äpfeln). Der noch ofenwarme Lebkuchen wird mit Birnenhonig bestrichen und meist mit süsser Schlagsahne serviert. In die Füllung der Birnenweggen gehören gedörrte Birnen und Zwetschgen sowie Feigen, Baumnüsse, Rosinen – und selbstverständlich wieder der unvermeidliche Kirsch oder Träsch.

Was die Getränke betrifft, so sind die Luzerner Weine durchaus nicht zu verachten. An den milden Ufern der Seen gedeihen ein feiner Blauburgunder und ein spritziger Riesling ×Sylvaner. Aber das Luzerner Nationalgetränk ist nicht Wein, sondern der – in Luzern heisst es: das – Kaffee Träsch oder eben Kafi Luz, was nichts anderes ist als die Abkürzung für Luzerner Kaffee. Er ist so ziemlich das Gegenteil eines Espresso und wird auch nicht aus der Tasse, sondern aus dem Glas getrunken. Genau genommen haben wir es weniger mit Kaffee, als mit heissem Schnaps mit leichtem Kaffeegeschmack zu tun. Sprichwörtlich heisst es, man müsse Kaffee ins Glas giessen, bis man den Löffel darin nicht mehr sehe, und dann mit Träsch nachfüllen, bis er wieder sichtbar werde. Jedenfalls ist dieses Nationalgetränk für Luzern so typisch wie das Bier für Bayern oder der Tee für England. Noch angenehmer als sein Geschmack ist die wohlige Wärme, die es verbreitet.


An einem lauen Sommerabend unter der Egg lässt es sich wohl sein.

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