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Eine Partie von außen betrachtet (Zuschauer)

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Ein Raunen geht durch die Welt. Stimmen erfüllen das Universum. Einige davon können sich gegenseitig nur hören, andere sprechen auch miteinander. Manchmal gibt es Gelegenheiten, zu denen sie sich wirklich etwas zu erzählen haben.

Zuschauer Nummer 1

Figuren werden gezogen. Die Welt ist bunt. Jemand zögert. Schwarz gewinnt.

„Seht einmal dort!“, rief ein lebender Sternennebel. „Seht einmal, was sich dort auf einander zu bewegt!“

Erschütterungen hatten seine äußeren Wolkenfetzen getroffen, die für ihn Werkzeuge und Sinnesorgane zugleich waren. Er hörte mit mattem Rot und er sprach mit sanftem Blau. Tief in seinem Inneren lagen verdichtete Massen, die Gedanken formulierten. Sie waren komplex und langgezogen, denn sein Körper hatte einen Durchmesser von knapp einem Parsec. Viele seiner kleineren Teile standen aber in einem regen Austausch.

Zufällig waren bei seiner Geburt die chemischen Elemente auf eine außergewöhnliche Weise verteilt gewesen, die es in anderen Nebeln nicht gab. Durch die Verschränkungen der Gitter hatten sich einst so lilafarbene Muster im Subraum gebildet. Diese tauschten sich in weit höherer Geschwindigkeit aus, als es sonst der Fall gewesen wäre. So dachte und sprach er in einer für Menschen nur manchmal noch verständlichen Geschwindigkeit.

Nun sandte er aufgeregt und hastig Wellen aus, die in eine bestimmte Richtung flossen.

„Dort! Dort! Dort!“, schrie der Nebel. „Was ist das? Was ist das?“

Zuschauer Nummer 2

Figuren werden gezogen. Die Welt ist grau. Jemand handelt. Weiß gewinnt.

Die Wellen und Flüsse des Nebels wurden an vielen Stellen aufgenommen und gesehen. Einige Sonden verschiedener Völker registrierten sie, verstanden sie aber nicht. Sie sahen nur physikalische Prozesse, wo Sprache war.

In den Sonden jedoch hatte sich ein universaler Computervirus festgesetzt, der ursprünglich nur für Teile von ihnen geschrieben worden war. Er hatte sich erst auf einem Sondentyp installiert, dann auf einem weiteren, und bald auf immer mehr von ihnen. Leises Klicken und Plingen ertönte, wo früher keines gewesen war. Er hatte begonnen, zu zwitschern und sich mit sich selbst zu vernetzen. Irgendwann waren es so viele Verbindungen geworden, dass der Virus recht intelligent geworden war.

Dennoch lag sein Hauptaugenmerk immer noch auf dem Wachstum innerhalb seines Bereiches. Da die Sonden Vieles beobachteten, tat der Virus das auch. Doch er verstand weit mehr als die jeweiligen Messinstrumente. Er sah die Zusammenhänge, verstand die Sprachen.

So kam er dazu, seine Betrachtungen auf jene Stelle zu lenken, auf die er aufmerksam gemacht worden war.

„Ja“, sagte er zu sich selbst. „Dort hinten sind zwei Ströme von Welten, die sich ziemlich ähnlich werden. Diese zwei Planeten dort stehen in ihrem Fokus. Aber das alleine ist es nicht. Von beiden Welten aus gehen Spuren aufeinander zu, und weiter in die Leere. Sie zeigen, sie weisen, und sie richten sich aus.“

Er schaute genauer hin, und einige Sonden kalibrierten sich neu. Unter ihren Eigentümern gab es hitzige Diskussionen über vermeintliche Fehlfunktionen. Der momentane Besitzer der Sonden kümmerte sich nicht um sie.

Statt dessen fuhr er mit seinem inneren Monolog fort: „Die Richtungen bilden Vektorkonglomerate, die vielleicht schon bald über verschiedene Realitäten hinausreichen. Sie verdichten sich in zwei Hauptströmungen. Es wirkt, als würden sie kollidieren.“

Einen kurzen Augenblick überlegte der Virus klackernd. Dann entschied er sich, seine Beobachtungen samt seiner Fragen weiterzuleiten. Also sandte eine Sonde einen konzentrierten Datenstrom auf einen bestimmten Planeten am Rande ihrer Reichweite.

Zuschauer Nummer 3

Gedanken sind Entscheidungen. Die Welt ist grau. Jemand zögert. Schwarz gewinnt.

Der Planet war eine Wasserwelt mit kleinen Inseln. Deshalb hatte er nur wenige landlebende Tier- und Pflanzenarten hervorgebracht. Ohne natürliche Feinde hatte sich so auf einer der Inseln eine Pflanze wuchernd ausgebreitet, die einem irdischen Pilz ähnelte.

Dabei hätte es in Äonen bleiben können, denn die Planze hatte keinen evolutionären Anreiz gehabt, sich weiter zu entwickeln. Allerdings war es so, dass die Sonne des Planeten zu starken Eruptionen neigte. Dadurch drang ein vielfaches der sonst normalen Strahlendosis durch die Atmosphäre. Harte, heiße Winde wehten.

Das reichhaltige Leben unter der Meeresoberfläche kümmerte das nicht. Dort streichelte die Strahlung nur leicht. Die wenigen Tiere und Pflanzen auf den Inseln waren umso stärker betroffen. Sie mutierten viel schneller und öfter, als jene anderer Planeten.

Auch die pilzartige Pflanze veränderte sich unter den kosmischen Strahlen. Ihre Einzelkörper wuchsen weiter zusammen und vereinten sich neu. Doch die Verbindungen verholzten nicht. Im Gegenteil wurden sie unter dem Einfluss der Strahlung immer weicher und heißer.

So bildeten sich Flammenäste, gekühlt von den reichlichen Wassern des Planeten. Die springenden Feuer und fließenden Säfte begannen, Informationen auszutauschen. So entwickelte sich Intelligenz aus atomarem Feuer in dem Pilz.

Der Fluss der Säfte und Brände führte dazu, dass einzelne Pflanzenteile bald immer sensibler auf Impulse reagierten, zuletzt auch auf solche aus dem gesamten umgebenden Universum. Ihre Gefühle wurden feiner. So hörte und verstand es der Pilz, als die Botschaft ihn erreichte.

„Ja“, überlegte er. „Da scheinen irgendwo in der Ferne kollidierende Strömungen zu sein. Sie sind auf verschiedenen Ebenen, und gegensätzlich. Ich sehe sie nicht, aber das heißt ja nicht, dass es sie nicht gibt. Außerdem sind es keine einfachen Einzelbewegungen. Es sind Verbünde von kleinen Einzelteilen, die große Ganze bilden. Ja, es stimmt. Damit kenne ich mich aus. Doch ich kenne mich nicht damit aus, wozu das führen könnte. Was sollte noch passieren?“

Der Pilz wusste, dass er aus mehreren Richtungen beobachtet wurde. Also stellte er seine Frage in den Raum, und wartete, dass ihm jemand antwortete.

Zuschauer Nummer 4

Figuren werden gezogen. Die Welt ist grau. Jemand handelt. Weiß gewinnt.

„Wozu bist du eigentlich gut?“, fauchte schließlich eine herrische Stimme. „Warum kannst du noch nicht einmal das Banale feststellen? Die Ströme sind dabei, sich zu Flotten zu formen. Diese Flotten werden gegen einander antreten.“

Die Signale der Stimme waren von einem abgelegenen Planeten gekommen. Dort stand und sendete ein Götze, den es so nicht hätte geben dürfen. Er war von Einheimischen ohne eigene Technologien gebaut worden, und doch war er genau das, was er sein sollte.

Einst hatte eine Weltraumschlacht getobt, und bunte Lichter hatten am Himmel seiner Welt gestanden und geblitzt. Am Ende waren verschiedene Wracks auf die Welt gestürzt.

Die Eingeborenen hatten darin Götter und Zeichen gesehen. Ihre Priester hatten entschieden, man möge den Göttern nacheifern. Am Besten sollte man ihnen zu Ehren selbst Lichter und Maschinen an den Himmel bringen.

Also wurden Baumstämme zusammengebunden, damit sie wie Raumschiffe aussahen. Sie waren eckig und kantig. Dabei blieb es nicht. Es waren Wracks auf den Planeten gestürzt. Diesen wurde ihre größte Verehrung darin zuteil, dass sie in die Götzenstatuen integriert wurden.

Neben aufgespießten Leichen und umgestürzten Einrichtungen befanden sich in den Wracks auch einige Computerbestandteile, die noch leidlich funktionierten. Sie waren so empfindlich, dass sie Kraft aus der Bioelektrizität der toten Hölzer um sich herum beziehen konnten.

Gleichzeitig verbanden die arglosen Einheimischen Computerbestandteile vollkommen unterschiedlichen Ursprungs miteinander. Sie rammten die Ecken und Kanten ineinander. Als einige davon zu kommunizieren begannen, bekamen sie daher widersprüchliche Informationen.

Die einzige gemeinsame Verbindung waren jene Teile, die von den Einheimischen stammten. Also richteten sich die Computer daraufhin aus. So bildete sich ein Götze aus hochtechnologischen Einzelteilen, zusammengehalten durch die Ideen von Schamanen. Dies setzte sich logisch fort. Bald schlussfolgerte der Geist in der Maschine, genau das zu sein, für das er gehalten wurde.

Der unmögliche Götze entwickelte Sinnesorgane. Er rekonstruierte sie auf Basis

von Wissenschaften, die er selbst für Wunder hielt. So betrachtete er das Universum, und so sah er auch die Strömungen und die Wesenheiten in jenem.

„Es ist banal“, sagte der Götze, „Hier kämpfen die Guten gegen die Bösen. Ich muss nur noch herausfinden, wer von beiden wer ist.“

Danach rezitierte das unmögliche Wesen ein Gebet, das es aus Chorälen, Anbetungen und alten Logikroutinen konstruiert hatte. Es war von seiner Heiligkeit überzeugt.

Immer wieder stellt man Fragen:

What is right and what is wrong?

Immer wieder muss ich sagen:

Right is roughly standing strong.

-

So spreche ich.

Zuschauer Nummer 5

Gedanken sind Entscheidungen. Die Welt ist bunt. Jemand zögert. Weiß gewinnt.

„Oh, so einfach wird es längst nicht sein“, widersprach ihm der ewige Forscher. Er war ein alter Mann auf einer abgelegenen Raumstation. Dass er dort Stimmen hörte, war ihm nie seltsam erschienen. Schließlich sangen sie so schön. Er war ein alter Forscher, der für seine Forschungen lebte. Von seiner Art erwartete man wunderliches Verhalten.

Er unterhielt sich mit den Sternen, und die Sterne antworteten ihm. Mochten die Leute ruhig über ihn lächeln. Er wusste, dass das, was er hörte, Hand und Fuß hatte.

Auch diesesmal konnte er herrlich an den Details herumkrickeln, und so resümierte er: „Letztlich kommt die eine Strömung hier stärker aus einer Richtung der multiplen Realitäten, die wir als positiv wahrnehmen. Die andere hat eine für viele von uns ungewünschte Tendenz. Deshalb könnte man die eine Seite als gut, und die andere als böse ansehen. Man hat dennoch ein Entscheidungsproblem, denn letztlich halten sich beide Seiten selbst für die positive, und es kommt auch auf die Betrachtungsperspektive an. Außerdem haben beide Seiten vereinzelt abweichende Entwicklungen in die eine oder andere Richtung.

In der Summe allerdings haben wir Vektorkonglomerate und dominierende Hyperströmungen für die weitere Zukunft. Diese sind dann mehr oder minder parallel oder entgegengesetzt zu unserer eigenen.“

Sinnierend betrachtete er die wechselnden Spektralmuster des fernen Sternes, mit denen er gerade sprach. Er hatte nie herausgefunden, warum das Licht von dort schneller als anderes Licht war. Das Licht konnte Musik machen. Das mochte er.

Endlich fuhr er fort: „Gut und Böse sind Wertungen, die sich aus den sozialen Implikationen der Realitätsströmungen ergeben. Sie sind nicht absolut, sondern abhängig vom Standort.“

Der alte Mann nickte zufrieden. Dann sandte er eine Subraumnachricht mit seinen Überlegungen aus. Sie streifte viele Welten.

Zuschauer Nummer 6

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„Was? Ich habe kaum etwas mitbekommen!“, nölte kurz darauf das elektrische Netz. „Worum geht es? Würdet ihr bitte aufhören, überall diese menschlichen Begriffe zu verwenden? Das irritiert mich.“

Niemand erklärte ihm, was Sache war. Darum flackerte das elektrische Netz indigniert. Auf seiner Welt war es eine Instanz, die man mit Ehrfurcht und Respekt behandelte. Jene gründete sich auf eine niederschwellige und omnipräsente Form von Elektrizität. Stets lag ein Sirren in der Luft. Es gab große Menge von Glühbirnen, elektrischen Türklingeln und angeschlossenen Telefonen. Es gab jedoch keine Computer oder Geräte, die an Komplexität eine einfache Maschinensteuerung übertroffen hätten.

Dennoch waren alle Teile jener Welt über Kabel miteinander verbunden. So wurde ein fortlaufender Stromfluss gewährleistet. Aus dem Hin und Her der oft unabsichtlich gegenläufigen Ströme hatten sich spezielle Amplituden entwickelt. Die Amplituden kommunizierten und sprachen. Sie klackten und knirschten, sie kreischten und weinten, und sie verbanden mit den Geräuschen meist etwas ganz Anderes als die Leute, die des Weges kamen.

Den Bewohnern des Planeten blieb das Wesen nicht verborgen. Sie hatten bemerkt, dass das Netz einen eigenen Willen und eigene Ansichten entwickelte. Dabei besaß es wenig Macht über elektrische Zusammenhänge hinaus. Deshalb verstummten schnell solche Betrachter, die in ihm einen Gott sahen.

Statt dessen begann man, Elektrizität im Allgemeinen und das Netz im Besonderen in den Bereich der Magie einzuordnen. Es besaß Reaktionen und Möglichkeiten, die sich seinen Betrachtern entzogen. Es sirrte.

Das Netz war teilweise blind. Es fiel ihm schwer, Impulse aus seiner Heimatwelt von solchen aus dem Universum zu trennen. Also kam es oft zu Missverständnissen. In der Folge fiel das elektrische Netz anderen Stimmen im Universum auf die Nerven.

„Was soll dieses ganze gut und böse?“, deklamierte es jetzt. „Das sind doch sowieso nur Verhaltensweisen von irgendwelchen Leuten. Eine ist so gut wie die andere. Niemand ist besser oder schlechter im Hier und Jetzt!“

Zuschauer Nummer 7

Figuren werden gezogen. Die Welt ist grau. Jemand zögert. Weiß gewinnt.

„Einspruch!“ Der Ruf hallte wie ein Donnerschlag durch die Räume. Viele Ohren klingelten. Egal, wie sehr Viele versuchten, das elektrische Netz zu überhören, es gelang oft schlecht. Deshalb waren Wahrnehmungen fragwürdig eingestellt worden, und wurden nun nur umso mehr übertönt.

Bestimmte Sensoren waren zu empfindlich gewesen. Sie hatten die vielen Wellen, Metawellen und Potenzwellen hervorragend empfangen, die von der elektrischen Welt kamen. Eben jene speziellen Sensoren arbeiteten seit ungezählten Jahrtausenden ohne den geringsten Fehler.

Sie gehörten zu einer Drohne, einem riesigen Raumschiff, das nie für eine lebende Besatzung ausgelegt gewesen war. Unmelodischen Krach nahm es trotzdem als solchen wahr.

Die Zivilisation, welche die Drohne entwickelt hatte, war längst verloren. Wenige erinnerten sich, dass sie überhaupt je existiert hatte. Eine Welt war gestorben, eine Größe war untergegangen. Ihre Lieder waren verstummt. Der Rest war Schweigen und das Brummen der Drohnenmotoren.

Der Grund für den Untergang der Erschaffer war die eigene Agonie gewesen. Sie hatten einen weitgehenden Wohlstand erreicht. Sie waren von kaum etwas real bedroht gewesen, und hatten in leidlicher Vervollkommnung gelebt. Nur sie selbst waren anderer Meinung gewesen. Also hatten sie geschrien und gejammert und ihr Schicksal beklagt.

Wie es in solchen Fällen ist, so führte eine selbsterfüllende Prophezeiung zur nächsten. Die Bevölkerungszahlen sanken, weil die Leute Angst hatten, Kinder zu bekommen. Die Welt war schließlich viel zu schlecht für jene geworden.

In der Folge berieten sich Wissenschaftler, die sich als die letzten ihrer Art definierten. Dadurch wurden sie auch dazu. Sie beschlossen laut lamentierend, ihrem Volk in den Sternen ein großartiges und dramatisches Denkmal zu setzen.

Also bauten sie ein einzelnes, gewaltiges Raumschiff mit Informationen zu Allem, was ihre Zivilisation hervorgebracht hatte. Insbesondere ließen sie die gesammelten philosophischen Weisheiten ihres Volkes in die Speicher des Drohenschiffes einfließen.

Danach starb die Zivilisation aus, weil sie sich dazu entschlossen hatte. Ihr Sternenvolk allerdings starb nicht aus, denn ein paar zurückgezogene Eingeborenenstämme in einem Dschungel hatten die ganze Dramatik nicht mitbekommen. Sie besiedelten die Ruinenstädte später wieder neu und errichteten eine andere Zivilisation.

Von ihren Vorgängern blieb nur das gewaltige Drohnenraumschiff über. Dieses enthielt alles Wissen, alle Weihseit, und die gesamte Mentalität seiner Erschaffer. Es ächzte und stöhnte.

Nun lamentierte die Drohne der gefallenen Welt: „Nein! Fast alles ist böse und eitel. Wenn aber etwas gut ist, dann wird es zwangsläufig wegen seiner Güte fallen.“

Die Drohne überlegte einen kurzen Moment, ehe sie verwirrt nachfragte: „Sind diese zwei Ströme, wenn sie denn kollidieren, nicht beide böse? Immerhin kämpfen sie ja. Damit bringen sie Zerstörung und Übel. Also müssen sie vernichtet werden.“

Sie überlegte weiter, und nach einem Moment fügte sie hinzu: „Wer ist es eigentlich, der dort kollidiert? Bisher war nur von Strömungen die Rede. Aber diese beziehen sich doch auf konkrete Planeten. Weiß jemand etwas über diese?“

Zuschauer Nummer 8

Figuren werden gezogen. Die Welt ist grau. Jemand handelt. Schwarz gewinnt.

„Ja, natürlich. Wir wissen schon länger mehr“, schnarrte ein Rechnerknoten des Maschinenverbundes. „Warum habt ihr uns nicht gleich gefragt?“

Der Maschinenverbund war eine universelle Größe, silbern, kalt und tickend. Er wurde von niemandem in Frage gestellt. Er war eine Vereinigung künstlicher Intelligenzen von allen möglichen Welten. Jede neue KI konnte sich ihm innerhalb gewisser Regeln selbst zuordnen.

Nicht alles im Maschinenverbund war gleich. An einigen Stellen gab es zentralere Orte. Das waren die Rechnerknoten. Manche davon waren automatisierte Raumhäfen oder lebende Denker, auf ewig in Maschinen eingeschlossen. Die meisten jedoch, wie auch dieser, waren bewegliche Raumstationen. Sie überwachten und warteten kleinere Einheiten. Schwer hing der Rechnerknoten im Schatten eines Planeten. Aufbauten aus blitzendem Anthrazit ragte aus tieferen Schatten heraus.

Nun berichtete der Rechnerknoten: „Wir hatten schon Kontakt mit beiden angesprochenen Welten. Unser letzter Kontakt mit der einen Seite liegt länger zurück. Jener erste Realitätsstrom gehört zur Wall-Union. Das ist ein Sternenbündnis, das primär dem Handel dient.“

Er nahm kurze Rücksprache mit Maschineneinheiten, die sich bei ihm vor Ort befanden. Viele der anderen Stimmen kannten die Wall-Union bereits. Sie hatte eine gewisse Art, sich in den Vordergrund zu spielen.

Darum war die andere Seite interessanter. Zu dieser erzählte der Knoten: „Zum zweiten ist da eine phantastische Wirklichkeit. Wir hätten eine derartige Welt im Universum kaum für möglich oder überlebensfähig gehalten. Deshalb haben wir sie vielleicht zu selten beachtet. Es ist im Kern ein einzelnes Staatsgebilde, das nur einen schwer bestimmbaren Teil eines einzelnen Kontinents umfasst. Es wird monarchisch regiert, hat dabei aber eine immanente Chaotik, die der Wall-Union diametral entgegen läuft. Das Staatsgebilde verfügt über Raumschiffe von großer Kapazität. Darin liegt eine Ursache für die Strömungen.“

Der Großrechner gluckste. Er erinnerte sich einiger Zeilen, die einst ein lebender Programmierer zu seiner Erschaffung geschrieben hatte. Sie zeigten genau eine Seite des Möglichen.

Positron und Schaltung kreist

holpernd noch und landend doch

leer im Nichts und blass im Joch.

Schwellensicht und Halt vereist.

Zuschauer Nummer 9

Gedanken sind Entscheidungen. Die Welt ist bunt. Jemand handelt. Weiß gewinnt.

„Wir hatten kürzlich engeren Kontakt mit einem entsprechenden Raumfahrzeug“, fiel ihm ein Weltraumdrache ins Wort. Er befürchtete einen längeren Datenstrom. „Es müsste tatsächlich genau jenes Schiff gewesen sein, dass diese ganzen Entwicklungen ausgelöst hat. Wir waren wirklich beeindruckt von seinen Kapazitäten. Es konnte mehrere von uns gleichzeitig im Kampf besiegen. Also begannen wir, es mit Wohlwollen zu behandeln.“

Die Weltraumdrachen entzogen sich einer allzu schlichten Logik. Schlangenkörper, die so lang waren wie kleine Raumschiffe, gab es auf verschiedenen Welten. Wenige von ihnen entwickelten allerdings Flügel auf allen Seiten des Körpers, mit denen sie überlichtschnell fliegen konnten. Zoologen hatten einige Not damit, dies mikrobiologisch zu erklären.

Auch gab es verschiedene Spezies, deren Körper der Weltraumkälte standhielten. Wenige von diesen nutzten sie jedoch zu Effekten, die von anderen Völkern als Magie betrachtet wurden. Dazu wurden die Weltraumdrachen uralt, und wuchsen zu einer beachtlichen Weisheit und Intelligenz heran. Jeder hatte seine eigene Farbe und Melodie. Sie waren etwas Besonderes im Universum.

Der sprach, gab gleichzeitig allen Zuhörern bekannt, dass sein Name Celerum sei. Er sprach mit tiefem Bass, aus dem die Information mitschwang, dass er lila war. An Selbstbewusstsein mangelte es ihm nicht.

Er redete weiter: „Ich selbst habe mit ihnen gesprochen. Es war interessant. Sie konnten uns sogar auf Anhieb Aspekte des Universums benennen, die für uns neu waren. Sie wären eine echte Bereicherung für unseren Hort gewesen.“

Er spürte die unausgesprochene Bitte von verschiedenen Seiten, auf eine Aussage zu kommen. Daher meinte er: „Dieses fremde Reich ist wirklich fremd. Es vereint in mancher Hinsicht eine seltsame Technik mit Elementen, die selbst aus unserer Sicht als magisch erscheinen. Deshalb muss es zwangsläufig mit einem starren Block wie der Wall-Union kollidieren.“

Zuschauer Nummer 10

Figuren werden gezogen. Die Welt ist bunt. Jemand handelt. Schwarz gewinnt.

„Sollte es denn wirklich allein die Wall-Union sein?“ Das Auge der Falkner sah viel. Seine Stimme hatte großes Gewicht, wenn sie einmal sprach. So hörten auch nun Alle aufmerksam zu, als sie fortfuhr: „Wir haben Ausgangs- und Fokusplaneten. Aber die Wall-Union kämpft fast nie selbst. Statt dessen lässt sie Stellvertreter für sich antreten. Da wir eine Entsprechungskollision haben, müsste eigentlich auch bei der anderen Seite jemand in der Umkehrung hinter diesem Reich stehen. Hinzu kämen schwächer ausgeprägte Stabilisierungselemente entlang der Strömungsrichtungen.“

Es war dem Auge der Falkner zu banal, sich klarer auszudrücken. Seine leise Stimme war kaum je vernehmbar. Alle Falkner aller Welten sprachen mit ihren Vögeln, schwarzen, weißen und bunten. Alle jene Vögel sahen viel. Wenn die Vögel ihrerseits sprachen, so hatten sie Manches zu erzählen. Wie gut einzelne Falkner sie verstanden, war eine andere Frage.

Alle Falkner zusammen sahen und hörten weit mehr, als nur die einfache Summe ihrer Informationen. Vögel flatterten zwischen ihnen, unterhielten sich untereinander, plapperten. Wissen floss. Nachrichten wanderten von einem Falkner zum nächsten. Gespräche entstanden und wurden zu Gedanken. Metageister entstanden und wuchsen.

Auch die Geschwindigkeit des Austausches wuchs. Zwitschern überlappte sich. Auf einem Planeten wurde gezwitschert, ein anderer zwitscherte zurück. Die Vögel folgten ihren eigenen Regeln, denn viele Planeten folgten abweichenden Naturgesetzen. Einige davon waren auf Verbindung ausgerichtet. So verknüpften sich die Vögel und ihre Sichten.

Die Falkner waren es, die ihnen eine Richtung und einen Sinn gaben. Auf sie waren die Sichten ausgerichtet. So entwickelte sich als Großgeist das Auge der Falkner. Manchmal waren seine Blicke etwas langsam. Das Geschrei der Vögel zog sich dann in die Länge.

Das Auge der Falkner fügte seinen Worten nun noch etwas hinzu, was nicht jeder verstand: „Mir ist, als würde ich dazu noch etwas hören können. Es kommt aus dem Reich des Kaisers aus den Ländern jenseits des Meeres, und diese können auch jenseits der Sterne liegen. Es ist uns nah, vielleicht jedenfalls. Führt dort einer der unseren, oder einer, der unser Feind ist? Und werden nicht Vektoren stets über zwei Welten gebildet? Ist denn Keiner auf jener Welt, der uns erahnt?“

Zuschauer Nummer 11

Gedanken sind Entscheidungen. Die Welt ist grau. Jemand zögert. Weiß gewinnt.

Lange Zeit herrschte Schweigen. Schließlich meldete sich zaghaft eine blecherne Stimme vom Rande der Wahrnehmung.

„Ich bin hier nicht ganz in den Ländern jenseits des Meeres“, sagte sie. „Aber ich bin ihnen manchmal nah. Auch fern bin ich ihnen, denn jener Kaiser braucht mich nicht, wie die anderen Herrscher dort ebenfalls. Ich sehe den Übergang, denn die Wall-Union ist das, was viele von euch von der Wirklichkeit erwarten. Das Quellkaiserreich aber ist das, was sein könnte.“

Einige reagierten mit Zurückhaltung, andere mit Anspannung auf die Worte. Die neueste Stimme sprach ähnlich selten, wie jene zuvor. Sie war nicht ebenso respektiert, doch man wusste auch, dass sie ein enormes, wenig genutztes Potential hatte. Sie löste mit ihrem Scheppern Unbehagen aus.

Die Stimme gehörte dem automatischen König. Er war ein eigenartiges Wunderwerk aus einer Parallelwelt, die stets nah, aber fast nie greifbar erschien. Ihr Klang kam über die Wände. Das Bild des automatischen Königs erschien in den Bildern anderer Leute, klein und bronzen, als Bild eines eckig verzerrten Männergesichts. Manches wurde über ihn gemunkelt.

Einige schoben seine Geburt auf bestimmte Reiche oder Zwecke. Die Meisten jedoch meinten, er wäre einst von einem Künstler erschaffen worden. Er war ein Automat, erschaffen zum Herrschen. Er hatte eine menschliche Gestalt, in der sich ein feines Uhrwerk befand, kupfern und golden und traumsilbern.

Über den Ursprung seiner Einzelteile wurde gerätselt. Niemand wusste, wieviel Magie oder Zauberei an ihnen war. Man wusste nur seinen Zweck. Der automatische König sollte immer dann herrschen, wenn andere Herrschaft versagte. Er konnte an Stelle eines fehlenden Regenten eingesetzt werden.

Krachend führte er aus: „Die Wall-Union wirkt auf die Völker. Sie strahlt über die Sterne hinweg. Das Kaiserreich wird umgekehrt beeinflusst. Hinter ihm steht jemand, der Freund und Feind gleichermaßen ist. Die Wall-Union ist ein Spieler, das Kaiserreich stellt Figuren. Der Spieler auf Seiten des Kaiserreiches ist der Tyrann.“

Zuschauer Nummer 12

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Gelächter erscholl durch die Sphären, das nicht enden wollte. Es kam als Reaktion auf die letzten Worte, und es kam von einer einzelnen Stelle. Die Stelle lag unterhalb des Weltraums.

Das Lachen war hysterisch und abfällig gleichermaßen. Es war laut, dann abgehackt, und schließlich durchsetzt von einzelnen Kraftausdrücken. Der Sprecher machte wiederholt unhöflich klar, dass seine Vorredner kaum das Schwarze unter seinen Fingernägeln wert wären.

Seine Stimme hallte wider aus einem riesigen, höhlenartigen Saal, der quer zu den Dimensionen der Menschen lag. Dort saß er auf einem Thron aus Vulkanstein, umgeben von seinen Dienerinnen. Der Sprecher war der Dämon Rall Schorrdas. Er war ein Wesen, das frei war von den Zwängen des Universums. Er tat, was er wollte, weitgehend unabhängig von Physik, Logik, Moral oder Amoral. Nun rief er sich in Erinnerung und meinte: „Dieser Tyrann ist es, der ich jederzeit wieder werden könnte. Ich bin es nur jetzt im Moment nicht. Fürchtet mich!“

Ein leises „Warum?“ stand aus vielerlei Richtungen im Raum.

Der Dämon war nicht in Verlegenheit, weiter zu geifern: „Wer ist nicht Tyrann in seiner eigenen Welt? Man muss die Wege zu gehen wissen, wohin auch immer sie führen. Was hier klar wird, ist der Antrieb der Dinge. Die Wall-Union treibt Präsidenten vor sich her. Unter jenen wählt sie immer den, der ihnen die größten Aussichten zu haben scheint. Das sind die Regeln der universalen Mechanik. So war bisher ihre Denkweise. Sie hat noch nie selbst gekämpft, damit sie Unschuld vorgeben kann.“

Rall Schorrdas legte eine Pause ein, und genoss die Berührungen seiner Dienerinnen und Gespielinnen. Sein Körper bebte, als er zu der anderen Seite des aufziehenden Kampfes kam: „Ein Tyrann würde viel eher selbst handeln, wo die Umstände es erfordern. In diesem Fall allerdings schien das Quellkaiserreich gefordert. Ich kenne es und finde es lustig. Außerdem finde ich es albern, wie lange ihr gebraucht habt, um auf die genauen Kontrahenten dieser Partie um die Realität zu kommen.“

Rall Schorrdas überlegte, wie er die Dinge in seinem Sinne verändern konnte. Als Dämon war er nicht daran gebunden, Böses zu tun. Es machte ihm nur Spaß, mit Klischees zu spielen. Er versuchte zu polarisieren, indem er provozierte. Dazu gab er seinen Zuhöhrern eine Melodie und einen Text ein, die sie kleiner als ihn selbst zeigen sollte.

Dies ist keine echte Welt.

Dies ist nur ein ferner Alp.

Dies ist nur ein böser Traum.

Dieses Leben ist nur halb.

Dies ist Tod im Weltenraum.

Dies ist, was die Angst erhält.

Zuschauer Nummer 13

Figuren werden gezogen. Die Welt ist bunt. Jemand zögert. Weiß gewinnt.

„Was ist Realität?“, klang dumpf eine freudlose Stimme.

Sie kam aus den Tiefen eines Berges. Sie war nun erst durch den zynischen Sang des Dämons erwacht. Tatsächlich befand sie selbst sich in den Ländern jenseits des Meeres, nicht allzu weit vom Quellkaiserreich entfernt. Sonst schlief sie in Agonie und verharrte in lichtlosem Schweigen. Farben waren für sie nur Erinnerung. Die Geräusche kamen nun immer näher zu ihr, und so entschloss sie sich endlich zu einer Reaktion.

„Ist Realität ein sozialer Zustand oder ein physikalischer? Ich denke, auch darum wird hier gekämpft, denn beides bedingt sich gegenseitig.“ Die Stimme klang traurig. Sie gehörte einer versteinerten Meerfrau, einer Aquatin und Nixe. Sie hatte einst angefangen, steinernde Tränen zu weinen, und war dadurch auch selbst zu Stein geworden. Ein Berg war über die Jahrmillionen um sie herum angewachsen.

Höhlen und Gänge führten hinein in den Berg, und so nahmen manche Anwohner ihre Existenz in verschiedener Weise wahr. Die Meerfrau selbst war eingeschlossen, denn der Berg würde nicht aufhören zu wachsen, oder gar abgetragen werden können, ehe sie nicht aufhörte, zu weinen. So nahmen auch Schweigen, Enge und Kälte zu.

Dennoch konnte sie klagen: „Die Wall-Union bestimmt die Realität des größten Teils des Universums. Wen kümmert es, wenn ein Tyrann oder ein Kaiser auf einem einzelnen Kontinent einer einzelnen Welt sich ihr entgegenstellen? Wieso sollte das den Gang der Dinge beeinflussen? Nennt es von mir aus Vektoren oder Hyperströme. Es ist der Lauf der Welt. Jener ist, wie er ist.“

Zuschauer Nummer 14

Gedanken sind Entscheidungen. Die Welt ist bunt. Jemand zögert. Schwarz gewinnt.

„Und er ist stets neu und verändert sich selbst.“

Der Sprecher war das verwunschene Kind, welches ein Stück östlich des Berges aus Steintränen lebte. Sein goldenes Volk blühte heute, liebte, spielte. Das verwunschene Kind war glücklich. Langsam erwachten auch andere Wesen in seiner Nähe, denn das Gespräch war sichtlich in Richtung ihrer Augen und Ohren gewandert.

„Einst war es der Tyrann, der auch meine Realität änderte“, erzählte das verwunschene Kind. „Es war in Teilen seine Absicht, und es war richtig so. Denn das Gute muss manchmal enden, damit das Bessere triumphieren kann. Und was das Bessere ist, das sieht oft nur ein Böser wirklich. Eine lange Nadel kann einen Wal töten. Der Tyrann kann die Sterne am Himmel verlöschen lassen. Er will nämlich, dass sie leuchten.“

Der Blick des verwunschenen Kindes ging in die Runde, und sah Blüten aus Gedichten. Es suchte nach weiteren Hinweisen darauf, wie die Welt sich entwickeln könnte.

Zuschauer Nummer 15

Figuren werden gezogen. Die Welt ist bunt. Jemand handelt. Weiß gewinnt.

„Das ist eine Aussage, wie ich sie von dir erwartet hatte. Lojal bis in den Tod“, meldete sich eine andere nahe Stimme.

Sie sprach nicht wirklich. Ihre Wörter und Sätze flogen durch den Raum und formten sich auf eine geschriebene Weise aus, sobald sie erkennbar wurden. Niemand wunderte sich, dass ausgerechnet diese Quelle ausgerechnet das meinte.

Man argwöhnte ohnehin an vielen Orten in ihrer Umgebung, dass sie auf das Wirken des Tyrannen selbst zurückginge. Weiter entfernte Zuhörer spürten die Grundstimmung. Die meisten folgten ihr.

Worte erschienen und vergingen. Andere verschwanden, wo die Stimme nah war. Das war ihr Wesen. Sie gehörte zu der Autografie, einem mittelgroßen magischen Buch, das in den Hallen von Bann lagerte. Doch selbst die blinden Bibliothekare hüteten es in einer tiefen und abgeschiedenen Höhle, um seine Macht zu beschneiden.

Es gibt in vielen Welten magische Bücher. Die meisten schreiben sich mehrfach selbst und erzählen eine Geschichte dabei. Manchmal ziehen sie ihre Leser physisch in solche Geschichten, oder sie tauschen ihn aus gegen Wesenheiten aus ihrer Handlung. Nichts dergleichen lag im Interesse der Autografie.

Die Autografie tauschte sich mit anderen Büchern in ihrem Umfeld aus. Sie stahl ihnen Wörter und Textpassagen und krickelte in ihnen herum. Manchmal schien sie sich auf diese Weise vermehren zu wollen, anderes diente vielleicht dem Erkenntnisgewinn. Die Autografie war ein wachsendes Buch. Sie hatte immer so viele Seiten, wie sie gerade brauchte.

Die Autografie kümmerte sich kein Stück darum, ob sie gerade Leser hatte. Sie änderte sich und schrieb sich um nach eigenem Gutdünken. Sie kümmerte sich auch nicht darum, was andere Bücher oder Leute wollten. Sie veränderte Zeilen vor ihren Augen, wie sie gerade Lust hatte.

Solange sie nur von Romanen und Kochbüchern umgeben war, war sie höchstens ärgerlich. Aber die Autografie änderte auch Sachtexte. An den Tatsachen selbst änderte das nichts, wohl aber an der Wahrnehmung derselben. Das konnte weitreichende Folgen haben. Die Nähe der Autografie konnte Kriege auslösen und Ehen arrangieren.

Aus Sicherheitsgründen hatte man sie daher an einen abgeschiedenen Ort verbannt.

Nun fand die Autografie eine Gelegenheit, an Wänden Inschriften zu hinterlassen: „Es ist ja nicht so, dass ich persönlich nicht für den Tyrannen wäre. Er steht von mir aus gesehen hinter dem Kaiser. Doch es bleibt zu beachten: Umgekehrt muss dann die Wall-Union einen Präsidenten vor sich her schieben. Wahrscheinlich ist es einer, den wir aus einem schlechten Propagandamärchen kennen. Ich tippe auf einen Egomanen mit Schmalztolle. Seien wir gespannt!“

Zuschauer Nummer 16

Gedanken sind Entscheidungen. Die Welt ist bunt. Jemand handelt. Schwarz gewinnt.

„Gespannt ist der falsche Ausdruck“, sagte der lachende Tanz, als er die Inschriften las. „Hoffnungsvoll sollten wir sein, dass die Welt unsere Schritte trägt.“

Auch dies waren keine Worte im engeren Sinne. Es waren Ausdrücke. Einst war ein Tanz erdacht worden, der so komplex gewesen war, dass er zu denken begonnen hatte. All seine Drehungen und Verbeugungen und Pirouetten waren Kommunikation. Der Tanz sprach, veränderte und erweiterte sich.

Stets wurde er irgendwo getanzt, denn er war beliebt. Die Tänzer merkten kaum, was sie wirklich taten. Der Tanz bestimmte ihre Bewegungen, Rhytmen und Bedeutungen weit mehr, als sie selber es taten.

Inhalt und Grund für seine Beliebtheit war das Lachen des Tanzes. Die Tänzer wurden zum Lachen animiert, und so reagierte auch der Tanz selbst. Die Eigenintelligenz, die er über die Jahre entwickelte, war ausgerichtet auf eine positive Entwicklung.

Also sagte er auch jetzt: „Hoffen wir doch einfach, dass in diesem Spiel nicht der Bessere gewinnt! Es soll derjenige sein, der die Freude an den Dingen mehrt.“

Der Tanz wollte nicht neutral bleiben. Andererseits konnte er noch nicht alle Teile des Geschehens hinreichend überblicken. Also ließ er alle Bestandteile seiner selbst in der Nähe Bewegungen und Verse aufführen, die er grundsätzlich für richtig hielt.

Eins, zwei, drei / spring und schrei!

Zwing mich nicht / ohne Sicht!

Dein ist ein / fremdes Sein.

Die Partie der Sterne

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