Читать книгу Die Partie der Sterne - Paul Tobias Dahlmann - Страница 6
Womit wird gespielt?
ОглавлениеDer weiße Spieler
„Sind diese verrosteten Raumboote alles, was es für uns zu entsetzen gibt?“
Das Dachswesen zog auf der weißen Welt beim Anblick des Raumhafens Nasenschleim vor und zurück. Es war unappetitlich für seine menschlichen Begleiter. Sie standen auf einer weiten Ebene, die Wolkenkratzer von Area-Complex-Polis fern im Hintergrund.
„Nein.“ Donald Whitey schnitt eine Grimasse, weil der Anblick der zahllosen Hochhäuser nicht gewürdigt wurde. „Das da ist nicht alles, was wir haben. Aber das da sind die acht verbliebenen Nahkampfschiffe unserer Bright-Light-Marines. Sie bilden den Kern unserer Flotte. Sie sind wie Landungsboote für den Weltraum, und sie suchen den direkten Kontakt. Wir nennen sie Big Licker.“
Es waren acht schlanke, stromlinienförmige Gefährte mit Stummelflügeln, bis auf einige abgeflachte Stellen am Bug und an den Seiten. Dort befanden sich Enterbrücken, umgeben von einer Reihe von Haken und Lafetten. Er rekapitulierte, dass die Big Licker darauf ausgelegt waren, andere Raumschiffe direkt zu rammen, um sich an ihnen festzusetzen. Dann konnten gewaltsam Zugänge ins Innere der Feindschiffe geöffnet werden.
Die Bright-Light-Marines waren Elitekampfeinheiten, von denen an Bord immer soviele wie möglich anwesend waren. Gewöhnlich waren es einige hundert in eng gestapelten Kammern, doch in Stase konnten tausende untergebracht werden.
„Sie sehen nicht besonders schnell oder schwer bewaffnet aus“, höhnte der Dachs indessen. „Ich sehe nirgendwo Aufbauten zum Hypergleiten. Und die Waffensysteme lassen mich das Schlimmste vermuten. Sie scheinen ausgerechnet nach vorne einen toten Winkel zu haben.“
„Sie haben die Waffen, die sie brauchen“, wich Präsident Whitey aus. „Vor Allem haben sie eben die besten Krieger, die man sich denken kann. Die sind ihre eigentliche Waffe. Die Bright-Light-Marines sind keine Menschen mehr, es sind perfekt arbeitende Maschinen. Ihre Muskeln sind Stahlseile, und sie sind mit mechanischen Teilen verstärkt, denn sonst wären sie schwach wie gewöhnliche Menschen. Auch notwenige Medikamente können ihnen injiziert werden.“
„Sie haben also kleine, dosenartige Raumschiffe mit gedankenlosen, drogenabhänigigen Automaten vollgestopft, um für Sie zu kämpfen?“, fragte der Dachs. Er zog ein metallenes Fläschchen aus einer Tasche, und trank einen Schluck. „Das gefällt mir.“
„Es sind treue Diener unserer Nation!“ Donald Whitey rief die Worte laut, aber ohne Nachdruck. „Jeder freie Bürger sollte so sein wie sie.“
„Gehorsam Ihnen gegenüber also.“ Der Dachs fuhr sich wieder einmal mit den Krallen über die Nase. „Lassen Sie mich raten: Wahrscheinlich kann selbst dieses Diplomatenschiff, auf dem sie selbst fliegen, mehr leisten im Kampf als diese Dinger? Was haben Sie denn noch hier zu bieten?“
„Sie meinten gerade die Space-Force One?“, presste der Präsident abgelenkt zwischen den Zähnen hervor. „Ja und nein. Sie hat ähnliche Waffen, blockiert diese aber nicht durch Entervorrichtungen.“
„Das könnte wichtig sein“, sagte der Gesandte der Wall-Union. „Ihre Schiffe müssen noch dringend hier und da verstärkt werden. Immerhin werden Sie selber auf jenes Diplomatenschiff gehen müssen, um den Kampf zu leiten.“
„Ich? Wieso das denn ich?“ Der Präsident war plötzlich verunsichert und geriet ins Stottern. Nun kam das, was er verstanden, gefürchtet, und halb verdrängt hatte. „Ich habe doch mit diesem Kampf nichts zu tun. Warum sollte ich da mitfliegen? Und überhaupt, wenn schon, dann würde ich auf die Burning Sun gehen. Die ist unser neues Flaggschiff, gerade erst in Dienst gestellt.“
„Gerade deshalb zieht es das Feuer auf sich.“ Der Dachs bleckte die Zähne. „Hier kommen wir zu dem, was den Kampf entscheiden wird: Entweder Sie fallen, oder der König dieser Feudalisten.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Ich habe bereits gesagt, dass ich nicht zu viele Geheimnisse preisgeben werde.“ Der Dachs legte eine gedankenvolle Pause ein, ehe er fortfuhr: „So viel sollen Sie wissen: Das Ganze ist eine Fokuswirkung. Es geht um Ihre Welt, innerhalb derer Ihre Erde liegt. Innerhalb dieser liegt Ihr politisches Gebilde, das eine Kampfflotte stellt. Diese Flotte hat ein Anführerschiff, darauf einen Anführer. Das System ist schicksalhaft und stringent, deshalb verlangt es Sie persönlich.“
„Mich?“ Donald Whitey blickte abschätzig um sich. „Mich persönlich? Ich habe eine hervorragende Stellvertreterin, Margret Farage, die goldene Kanzlerin. Soll sie doch das Führungsschiff kommandieren!“
„Diese Frau wird eine hervorragende Wahl für die Kommandantin Ihres tollen, neuen Schlachtschiffes sein. Aber bedenken Sie auch: Ihre Wähler erwarten Mut von Ihnen. Beteuern Sie den nicht auch sonst immer gerne? Sind Sie der Anführer, oder nicht?“
Präsident Whiteys Augen schlossen sich für eine Weile, bis er schließlich langsam und zynisch meinte: „Wenn es darum geht, dass die gesamte Flotte eigentlich mich verteidigen soll, nun gut. Ich setze in diesem Spiel sowieso mein Amt. Warum nicht auch gleich mein Leben? Vielleicht habe ich zu lange auf Mr. Game gehört, aber es gibt immerhin ein Universum zu gewinnen.“
Seine Haltung straffte sich wieder, während er seine Fluchtmöglichkeiten für den Ernstfall überschlug. Nun zeigte sich der Trotz, den seine Wähler von ihm kannten. Das Dachswesen aus der Wall-Union klapperte mit den Zähnen.
„Sie sprachen von einem neuen Großkampfschiff?“
Nun mischte sich Admiral Joe Farmer ein, der daneben stand: „Die Burning Sun ist gerade erst fertiggestellt worden. Sie ist unser ganzer Stolz. Erst kürzlich hatten wir versucht, so ein Schiff schon einmal zu bauen. Aber es ist durch seine Beschleunigungswerte bei einem Testflug auseinandergebrochen. Das neue Modell hat die entsprechenden Fehler nicht mehr.“ Der Blick des Admirals war zur Seite gewandert. Etwas abseits schwebte frei ein gewaltiges Kugelraumschiff, zu dem etliche Kabel und Stahlseile hochliefen. Landen konnte es nicht, denn es war breiter als die größte Ausdehnung des Hauptflugfeldes, rund 3 Kilometer im Durchmesser. An einer Seite war eine große Aussparung in seiner Oberfläche, erfüllt von plasmatischem Leuchten. Dort befand sich der Hauptstrahler der Burning Sun, eine Megakanone, die fast beliebige Partikelmassen beschleunigen konnte. Es wirkte, als schwebe dort ein Augapfel von der Größe einer eigenen Stadt, der über Allem wachte und Alles sah. Seine Iris gloste ohne bestimmten Ausdruck.
„Das mit dem Unfall kommt davon, wenn man etwas Neues versucht.“ Der Dachs lachte meckernd. „Ich hoffe, ihre anderen Schiffe sind konservativer gebaut.“
„Natürlich.“ Der Admiral maß das fremde Wesen mit einem abschätzigen Blick, während er sofort Testreihen und Statistiken gegeneinander aufrechnete. „Um gegenseitige Vergleiche durchzuführen, bauen wir Schiffe eines Typs anfangs immer doppelt. Das hat sich bezahlt gemacht. Außer den genannten haben noch drei Schiffspärchen die gerade zurückliegenden Kämpfe überstanden. Die Paarigkeit spricht für ihre Bauweise.“
„Also noch sechs zu den genannten?“ Der Dachs zählte im Kopf. „Ja, dann haben wir die sechzehn. Was sind es denn für drei Schiffstypen, die wir noch nicht hatten?“
Der Admiral wies an verschiedene Stellen des riesenhaften Flugfeldes.
„Dort vorne haben wir unsere beiden Tormentor-Schlachtschiffe. Bis vor Kurzem waren sie die schwersten Kreuzer, die wir hatten.“ Die genannten Raumschiffe ähnelten überdimensionalen Fischen, die auf ihren mittleren Flossen standen. Diese schienen sich wie Schwerter in den Boden zu rammen, wo Aussparungen für sie waren. „Ihre Besatzungen bestehen im Kern aus hochrangigen Politikern und Anführern der Gesellschaft.“
„Wie? Was?“ Nun hörte der Gesandte der Wall-Union doch etwas, das ihn überraschte. „Sie bringen Politiker als Besatzungen auf Raumschiffe?“
„Nur auf die besten.“ Präsident Whitey war wieder sicherer geworden. „Was schauen Sie so verblüfft? Das ist Demokratie. Jede Gruppe des Volkes ist auch auf seinen Raumschiffen vertreten. Die gemeine Masse geht zu den Marines. Die Anführer gehen auf Anführerschiffe, wie es sich gehört. Lehrlinge der jeweiligen Gruppen führen die notwendigen Handlungen aus. Auf den Lordyas sitzen übrigens dann unsere Lehrer und Beamten, und auf den Stingrays die Ingenieure.“
Der Admiral kam den suchenden Blicken des Dachswesens zuvor. Er wies in zwei weiter entfernte Bereiche des Raumhafens. Die beiden Schiffe der Lordya-Klasse erinnerten an monströs große Vögel mit ausgebreiteten Schwingen. Zerfetze Federn schienen von ihnen nach allen Richtungen abzustehen. Die Schiffe der Stingray-Klasse schienen titanische Insekten darstellen zu wollen. Sie wirkten wie die Leiber von Tausendfüßlern oder Libellen, aus denen Segel ausklappbar waren.
„Jeder dieser Schiffstypen kämpft auf seine eigene Weise“, zischte der Admiral. „Dabei ist er an Charakter und Denkweise seiner Mannschaften angepasst. Es soll niemand sagen, dass ein konservatives System nicht anpassungsfähig sein könnte. Ich sehe nicht, was uns bedrohen sollte.“
Leise und verbissen flötete er vor sich hin: Breite Weiten! / So sind Wege. / Zwitschern Zeiten, / wird es rege.
Der schwarze Spieler
Der Raumhafen lag in einem steilen Seitental zwischen Berggipfeln. Er bestand aus einem halben dutzend Flugfeldern, zwischen denen flache Bauten verteilt standen. Außerdem ragten zwischen ihnen in unterschiedlicher Höhe stengelartige Säulen auf, die hausgroße Rosenknospen zu tragen schienen. Ein Netz aus breiten Alleen verband die Anlage. Im Hintergrund rauschten die Höhenwälder.
Der Tyrann schob sich seine Sonnenbrille zurecht, während er die Schiffe vor sich abschätzig musterte.
„Diese putzigen Raumboote sind alles, wovon Ihr etwas mehr habt?“, fragte er, während er die scheinbaren Blüten betrachtete, deren Blätter aus ineinander verschachtelten und versetzten Metallplatten bestanden. Die verschiedenen Rot- und Goldtöne der Flächen blitzten in der Sonne. „Warum habe ich Euch nicht schon längst überfallen?“
Die Kaiserin neben ihm ignorierte den sarkastischen Kommentar und betonte: „Dies sind die Maiflocken, die Nahkampfschiffe Unserer Untertanen, gebaut für den direkten Einsatz. Meistens benutzen wir sie für Routineeinsätze in der planetaren Umgebung.“
Ihr Blick glitt über die insgesamt acht organischen Kreisel. Sie waren eher flach, doch mit verschiedenen dornenartigen Aufbauten nach oben und unten. Ihre jeweils einzelnen dünnen Standstelzen bestanden aus den Stümpfen abgestorbener Baumriesen. In diese waren Treppenstufen aus Granit und Lapislazuli eingelassen.
„Wie sollen diese Dinger denn etwas ausrichten können?“, hakte der Tyrann weiter nach. „Die haben bei dieser Konstruktion ja einen riesigen toten Winkel auf der kompletten Unterseite.“
„Das ist bei den Maiflocken nebensächlich“, giftete Kaiserin Glorienne zurück. „An Bord befinden sich nicht nur Mannschaften, sondern auch Unsere besten Soldaten, die Halbsterblichen. Sie haben ihren Namen nicht von ungefähr. Diese Soldaten üben das Überleben unter extremsten Bedingungen, so dass jeder von ihnen genug normale Kämpfer aufwiegt. Entsprechend sind sie zwar nicht unsterblich, aber auch nur halb. Je Schiff werden wir wenigstens vierundzwanzig von ihnen unterbringen können bei diesem Einsatz.“
„Was können sie denn?“ Der Tyrann legte neugierig die Fingerspitzen zusammen, während er die Fürstin betrachtete.
Diese leckte sich die Lippen, ehe sie fortfuhr: „Wisst Ihr das noch nicht durch Spione oder Zauberei? Falls nicht, will ich Euch nur dies sagen: Die Halbsterblichen üben sich darin, ohne Schutz und Atemausrüstung durch den freien Weltraum zu springen. Sie können dort ebenso lange überleben, wie Ihr mir dumme Fragen stellen könnt. Sie kämpfen schwerverletzt unter feindlichem Beschuss ohne Deckung. Sie sind stark wie Ochsengespanne.“
Glorienne kam einem Kommentar des Tyrannen zuvor, und ergänzte rasch: „Und sie sind schlau wie die Füchse, nicht wie die Ochsen. Spart Euch den Satz! Es sind Schüler der Tiefenmeditation, die auch ihren Körper stählen. Wenn jemand kreativ konditioniert sein kann, dann diese Halbsterblichen.“
„Trotzdem taugen ihre Schiffe wenig. Selbst Eure kaiserliche Privatjacht scheint mir schwerer bewaffnet.“
„Wie kommt Ihr denn jetzt auf die Hohensiepen?“
„Ich wollte mir einfach nur einen Überblick über Eure Flotte verschaffen“, grinste der Mann, und spielte mit dem Griff seines Einhandschwertes. „Das Ding kenne ich wenigstens schon.“
„Gemäß der Tradition wird Seine Majestät auf der Hohensiepen in die Schlacht ziehen“, warf General Gunichi Akihito ein. Er verneigte sich ruckhaft, so dass seine Perücke verrutschte. Unter den blauen Haaren kamen daher schwarze zum Vorschein. „Die Kaiserin bleibt zurück und verteidigt das Reich.“
„Diesen Teil der Tradition könnt Ihr getrost vergessen“, versetzte Glorienne Oktavia Sieghild, geborene von Träumendenhain. Ihre Hand verkrampfte sich in ihrem Ausschnitt. „Es genügt, wenn meine Kinder zurückbleiben. Ich bin nicht umsonst Generalin geworden. Meine militärische Qualifikation ist um kein Quäntchen geringer als Ihre, Akihito! Ich werde die Corona übernehmen.“
„Majestät! Die Corona ist nicht einsatzbereit! Es sind gerade einmal die Sockelplatten verlegt.“ Der Adamsapfel des kleinen Mannes hüpfte auf und ab.
„Das ist mir bekannt.“ Die Stimme der Kaiserin war so von Frost erfüllt, dass der Tyrann sich einen kleinen Scherz erlaubte. Durch eine zauberische Handdrehung atmete die verärgerte Frau plötzlich Eiskristalle. Unbeirrt fuhr sie fort: „Der Komet ist nun einmal fort. Deshalb muss sein Schwesterschiff umgehend in Dienst gestellt werden. Dabei ist es irrelevant, ob die Asumptoren arbeiten, oder ob die Windkammern gefüllt sind.“
„Keine Sorge. Euer Schiff wird morgen früh soweit sein.“ Der gut zweihundert Jahre alte Zauberer, der aussah wie ein dreißigjähriger Barde, lächelte tiefgründig. „Es kommt mir seiner Form nach übrigens sehr bekannt vor, wenn Ihr das Ding da vorne links meint. Es sieht aus wie eine zu groß geratene Version der Luftschiffe, die das Kaiserreich früher eingesetzt hat. Vielleicht hat es etwas mehr von einer Essiggurke.“
„Haltet Eure Zunge im Zaum!“ Der General ignorierte völlig, mit wem er redete. Durch diese Verhaltensweise war er schon weit aufgestiegen im Kaiserreich. Dann raffte er sich wieder zusammen. „Aber vielleicht gefallen Euch andere unserer Schiffe besser? Wir haben auch von ihnen jeweils zwei als Schwesterschiffe gebaut. Dadurch sind wechselseitige Kontrollen möglich.“
Die Augen des Tyrannen wanderten über die Hänge mit ihren kleinen flachen Feldern. „Habt Ihr da welche bei diesen beiden Festungen versteckt?“, fragte er dann.
Akihito feixte. „Eure Augen trügen Eure Leuchtende Dunkelheit etwas. Jenes dort sind tatsächlich selbst zwei unserer Raumschiffe. So sieht die Thron-Klasse aus. Diese Artilleriefestungen sind nicht stationär. Sie lassen sich in einen beliebigen Schwebezustand versetzen. Nach Komet oder Corona sind sie unsere schwersten Schlachtkreuzer.“
Nun erkannte es auch der Fürst. Die umlaufenden Wehrgänge waren abgeschlossen, die Formen der Festungen regelmäßig. Sie ergaben Sechsecke, verbunden mit gedrungenen Wehrmauern. Schanzen an weiteren Verbindungen ragten in die Landschaft hinaus. Diese schienen in Teilen beweglich.
„Das ist schön“, meinte er. „Was für Waffen haben sie?“
„Das ist militärische Geheimsache“, gab der General rasch zurück. „Ihr müsst nur wissen, wie unsere Schiffe aussehen, nämlich noch so und so.“ Seine Hand schwenkte über die Hänge. Sie blieben noch auf auf zwei mal zwei weiteren Formen hingen.
Die ersten waren länglich und schlank. Sie erinnerten sehr an die Rümpfe von Seeschiffen mit Stahlkörpern, flachen Aufbauten und umlaufenden Geschützklappen. Bug und Heck liefen steil und gerade zusammen. Auf der Unterseite schien es ein zweites Oberdeck zu geben. Dazwischen fanden sich allerlei Masten verschiedener Längen, die in sämtliche Richtungen abstanden. Einige schienen eine Takelung aus grau waberndem Gewebe zu halten. Es war, als würden diese Schiffe vielfach existieren. Ein Teil war physisch, und ein Teil sein eigener Schemen.
„Ja, ich weiß“, ergänzte Akihito etwas zerknirscht. „Wir waren auch schon einmal einfallsreicher in der Formgebung als bei der Konstruktion der Langer-Klasse. Das liegt an den gesellschaftlichen Zuordnungen. Auf den Langern wollten wir vorrangig Autoritäten aus bestehenden Bereichen unterbringen. Den Titularadel in den gemeinen Besatzungen haben wir bereits auf die höheren Schiffsklassen verteilt. Bei den Langern an Bord sind viele Beamte und Hausdienergeschlechter. Deren Denkweise korrespondiert am Besten mit bekannten Mustern. Das haben sie mit Gespenstern gemein. Also haben wir dort Panzerkreuzer aus der Seefahrt in Entsprechung zu ihren Ebenbildern in der Geisterwelt gebaut, und diese dann verknüpft. Gewisse Erfahrungen von Luftschiffen waren dabei sehr hilfreich. Nun sind sie weltraumtauglich.“
„Komisch“, meinte der Tyrann leichthin, da Gespenster ihn nicht weiter kümmerten. „Ich dachte immer, die kaiserliche Raumsoldatenschaft bestünde sowieso größtenteils aus Adeligen.“
„Ja, das tut sie“, schnitt Glorienne das Gespräch der beiden Männer ab. „Unsere Offiziere sind mehrheitlich aus alten Häusern. Doch es gibt verschiedene Arten von Adel. Auch Edelmut hat seine Ausrichtungen. Man kann innerhalb jeder Art zu leben edelmütig oder skrupellos sein. Dennoch ist es etwas Anderes, wenn dies das Leben im Kern bestimmt. Jeder hat irgendwann einmal ein Bild gemalt, aber die Wenigsten sind echte Maler.“
„Was für ein schönes Gemälde: Adel als ein Bild von Herrschaft.“ Die Stimme des Tyrannen floss zynisch gedehnt. „Wofür braucht Ihr denn noch weitere Leute auf Eurer adeligen Flotte? Habt ihr nicht genug Ritter und Burgfräulein?“
„Wir brauchen sie, weil die Flotte das Volk ist“, erklärte Glorienne ruhig. „Die Bevölkerung spiegelt sich in Allem, was zu ihr gehört, Adel wie Untertanen, hoch wie tief. Jeder muss aus seiner Warte heraus die echte Möglichkeit haben, sich in sie einzugliedern, wenn das sein Wunsch ist. Ein Halbsterblicher zu werden, ist hart für jemanden aus dem Volk. Umso mehr gibt es für sie oder ihn zu gewinnen. Entsprechend sind die Einteilungen der Schiffe. So können wir neu an die Dinge herangehen.
Was wir übrigens noch nicht angesprochen hatten, sind die Sänger-Schiffe dort hinten. Auf ihnen werden unsere Künstler eingesetzt.“
Mit einer kleinen Geste zückte die Kaiserin ihren Spitzenfächers und wies auf zwei besonders hochgelegene Flugfelder.
„Ich sehe nur zwei unfertige Gerüste.“ Der Tyrann runzelte die Stirn. „Sie erinnern grob an Kristalle oder komplexe Prismen, aber es sieht nicht so aus, als wären diese Dinger in den nächsten Monaten flugfähig.“
„Der Anschein trügt.“ Glorienne lächelte und zeigte dabei kleine Verlängerungen ihrer Eckzähne, die ihr den Ausdruck eines Raubtiers gaben. Die Zähne schimmerten von Weißgold. „Die Künstlerschiffe sind unfertig, weil sie unfertig sein sollen. Sie folgen keinem fixen Konzept, sondern sind ergebnisoffen angelegt. Dafür reicht eine kristalline Grundform aus. Es gibt Material für andere und immer neue Aufbauten an Bord, Ateliers und Werkstätten. Die Sänger selbst sind nie fertig, sondern werden stets neu konstruiert, während sie im Raum sind. Das ist Schwäche und Stärke gleichermaßen. Diese Raumschiffe können neue Winkelhaken fliegen, neue Wege gehen, neue Perspektiven eröffnen.“
Leise und vergnügt pfiff sie: Ich warte, Zeit! / Ich gleite, Ort! / Zu echten Gedanken, / wo Lügen nur schwanken.