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Stufe 2 – 2.

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Die Schreie waren bis in den Schankraum zu vernehmen, doch schien niemand unter den anderen Gästen daran Anstoß zu nehmen oder zu Hilfe zu eilen. Mit großen Schritten lief Stuart Woodstock die schmale Treppe hinauf, ohne auf die Rufe des Wirts zu hören. Die Tür der einzigen Kammer, die es im oberen Stockwerk gab, war verschlossen. Mit ganzer Kraft warf er sich dagegen. Erst beim zweiten Mal gab sie nach, schlug krachend gegen die Wand.

Die Szene, die sich vor ihm abspielte, hatte er sich genau so vorgestellt. Cardiff, dieser Bastard, lag auf der Frau, die seltsam leblos wirkte. Hatte sie gerade noch geschrien, schien sie sich nun ihrem Schicksal ergeben zu haben. Ihre Augen blickten starr zur Decke, sie wirkte nicht mehr anwesend. Als hätte sie die Hoffnung auf Hilfe längst aufgegeben. Doch da irrte sie gewaltig.

»Runter von der Frau«, brüllte Woodstock und zog Cardiff am Kragen von dem Bett. Mit einem gekonnten Kinnhaken schlug er ihn zu Boden. Lupus Cardiff stieß einen dumpfen Laut aus, streckte alle vier Gliedmaßen von sich und blieb ohnmächtig liegen.

»Lady Montagu, Sie sind in Sicherheit. Haben Sie Schmerzen, geht es Ihnen gut?« Er zog die Unterröcke in die richtige Position und half ihr auf die Beine. Kaum, dass die Frau stand, sackte sie in seinen Armen zusammen. Das war wohl die zweite ohnmächtige Person, die er an diesem Abend zu verantworten hatte.

Ohne lange zu überlegen, nahm er sie auf seine Arme und trug sie ins Erdgeschoss hinunter. Die Männer im Schankraum blickten ihn mit offen stehenden Mündern an, keiner traute sich, ein Wort zu sagen. Selbst der Wirt nickte ihm nur stumm zu. Woodstocks Ärger stand ihm regelrecht ins Gesicht geschrieben und niemand wagte es, ihn aufzuhalten oder es mit ihm aufzunehmen.

Vor der Taverne wartete seine Kutsche. Rob, der Kammerdiener, öffnete die Tür, damit er Imogen hineintragen konnte.

»Fahren Sie, so schnell Sie können, nach Hause«, wies er den Kutscher an. »Und du, Rob, kümmerst dich darum, dass dieser Cardiff sein Schiff rechtzeitig erreicht und das Land verlässt.«

Die Kutsche setzte sich in Bewegung, während Woodstock Imogens Kopf auf seinen Schoß bettete. Es war nicht besonders schicklich, doch etwas Bequemeres stand ihm im Moment nicht zur Verfügung. Mit einem Taschenbuch säuberte er ihr Gesicht, das ein wenig verschmutzt war.

Als sie langsam zur Besinnung kam, blickte sie ihn an und lächelte, bis ihr bewusst wurde, dass etwas nicht stimmen konnte. Mit einem kleinen Aufschrei setzte sie sich auf und rutschte in die äußerste Ecke des Wagens.

»Gütiger Gott, wer sind Sie? Wo bin ich?«, stieß sie angstvoll aus. Ihre Pupillen waren schreckgeweitet, wie Woodstock im trüben Licht des Kerzenscheins erkennen konnte.

»Sie brauchen keine Angst zu haben, Lady Imogen. Wenn ich mich vorstellen darf, Stuart Woodstock, der neunte Duke of Lonsdale. Der Mann, der Ihnen gerade das Leben gerettet hat und dem Sie versprochen wurden.«

»Stuart? Ich … ich kenne Stuart, er … er ist ein kleiner dicklicher Junge«, stotterte sie verwirrt. Hektisch versuchte sie, ihre Röcke zu glätten, und blickte verängstigt aus dem Fenster der fahrenden Kutsche. Da es später Abend war und die Sonne bereits untergegangen, war so gut wie nichts zu erkennen.

Er lachte leise. »Ja, das war er einmal, vor zwölf Jahren. Damals haben wir uns zum letzten Mal gesehen, wenn ich mich recht erinnere. Sie waren … acht Jahre alt, oder?« Er lächelte sie besonnen an. »Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben. Ich tue Ihnen nichts.«

»Wo ist Lupus?«, wollte sie wissen und berührte ihre Lippen, die leicht geschwollen waren.

»Man kümmert sich um ihn«, gab Stuart als Antwort, ohne zu viel zu verraten.

Diese Nachricht entspannte Imogen ein wenig. Sie atmete langsam aus und versuchte ihre angespannten Nerven unter Kontrolle zu bekommen. Plötzlich kam sie sich kindisch vor, so in die Ecke gekauert, sodass sie Mut sammelte und sich aufrecht hinsetzte, ein wenig in Woodstocks Richtung rutschte. Nun saß sie ihm gegenüber und beäugte ihn kritisch. Ihr Blick wanderte über seine Gestalt, als versuchte sie sich an ihn zu erinnern. »Sie haben mir an den Zöpfen gezogen und mich als hässliches Entlein beschimpft«, murmelte sie nachdenklich und sah ihn böse an.

Er schmunzelte. »Ja, das stimmt, Lady Imogen, ich bitte dafür um Entschuldigung, aber damals waren wir noch Kinder, was man nun nicht mehr behaupten kann.«

*

Imogen konnte nicht glauben, was hier passierte. Sie ließ den Blick über den Mann gleiten, der ihr vollkommen fremd war. Diesen großen, gutaussehenden Mann hätte sie niemals mit dem Duke of Lonsdale in Verbindung gebracht.

Das Schaukeln der Kutsche machte ihr plötzlich bewusst, dass sie sich vom Ort des Schreckens entfernte.

»Sie … Sie haben mich gerettet. Wie haben Sie gewusst, wo wir zu finden sind?«, fragte sie beschämt.

»Ihr Vater hat mich geschickt. Diese Taverne ist die einzige zwischen Farnham und Southampton, in der man übernachten kann. Ich werde Sie erst einmal nach Headley Down Park bringen. Dort können Sie sich ein wenig herrichten. Ich hoffe, es geht Ihnen gut, und dieser Schuft hat Ihnen nichts angetan.«

Imogen errötete bis zu den Haarspitzen. »Nein, Sie sind noch rechtzeitig gekommen. Ich danke Ihnen. Keine Ahnung, was in Lupus gefahren ist. Er war immer wie ein Bruder für mich. Er hat sich eingebildet, dass ich ihn lieben würde. Was für eine absurde Idee.« Tränen traten in ihre Augen.

Lonsdale reichte ihr ein Taschenbuch.

»Wir werden in ungefähr zwei Stunden auf meinem Landsitz ankommen. Dort werden Sie sich ausruhen können. Ich werde Ihrer Familie eine Nachricht schicken, dass Sie wohlauf sind.«

»Was wird aus Lupus?«, fragte sie unter Tränen und schnäuzte ihre Nase. Das war alles so beschämend.

»Mein Kammerdiener wird sich um ihn kümmern und ihm deutlich machen, dass es für ihn besser wäre, das Schiff in die Neue Welt nicht zu verpassen, wenn ihm sein Leben lieb ist. Wir hätten Grund genug, ihn ins Gefängnis zu stecken.«

»Aber ich bin doch freiwillig mit ihm gegangen«, jammerte Imogen, dem Nervenzusammenbruch nahe.

»Warum? Weshalb sind Sie weggelaufen?«, fragte Stuart einfühlsam.

Imogen schüttelte den Kopf, weil sie einfach nicht darüber reden konnte.

»Lady Imogen, ich kenne Sie, Sie sind eine starke Frau. Sagen Sie mir, was Sie veranlasst hat, heimlich das Weite zu suchen. War es, weil Sie Cardiff wirklich lieben?«

»Oh, Gott bewahre. Natürlich nicht. Wie könnte ich ihn lieben?«, fragte sie brüskiert. Sie reckte ihr Kinn. »Ich könnte niemals einen Mann heiraten, den ich nicht liebe. Deshalb bin ich fortgelaufen. Und ist es nicht eine Ironie des Schicksals, dass mein Vater mir genau den Mann hinterherschickt, vor dem ich zu fliehen versuchte? Glauben Sie mir, Euer Gnaden, Sie kennen mich kein bisschen.« Sie blickte ihm stolz ins Gesicht. Im Halbdunkeln erfasste sie seine Züge, die wie gemeißelt wirkten. Das kantige Kinn, das mit Bartstoppeln übersät war, gab ihm ein herbes Aussehen. Er wirkte entschlossen und doch schön in seiner Männlichkeit. Er war ein Mann, der Imogen gefallen könnte, – wäre er nicht Stuart Woodstock, der Herzog von Lonsdale.

Dir verpflichtet

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