Читать книгу Tiere als sprechende Gefährten - Penelope Smith - Страница 14

Geist und Form

Оглавление

Als ich vor einem Vierteljahrhundert in Edinburgh in Schottland lebte, hatte ich einen Kater namens Ipsis. Ipsis hatte seinen Namen, der aus dem Lateinischen hergeleitet soviel wie „er selbst“ bedeutet, selber gewählt. Er war eine Wucht von einem schwarzen Kater, der, wenn er Leuten tief in die Augen schaute, diese zu Bemerkungen hinreißen konnte, wie: „Das ist mehr als ein normaler Kater!“

Ipsis war mein spezieller Freund, da er mir bei meinen Beratungen beistand. Kam ein Kunde, trat er zur Begrüßung in Erscheinung und machte es sich dann irgendwo im Hintergrund bequem. Wenn wir dann der Lösung eines Problems nahe waren und sich beim Kunden durch freiwerdende Emotionen gerade eine Einsicht ankündigte, kam es oft vor, dass Ispsis plötzlich auf den Tisch sprang, den Kunden ermunternd anschaute, so als wartete er auf dessen Aha-Effekt. Meistens lachten dann die Kunden und meinten, der Erfolg der Sitzung sei ja jetzt so gut wie sicher, da ihnen Ipsis auf die Sprünge helfe.

Vor allem erinnere ich mich noch an eine Eigenart, durch die mir Ispis sehr beistand. Wir lebten in einer zugigen Dachwohnung, wo uns als einzige Wärmequelle ein kleiner Elektroofen zur Verfügung stand, der noch dazu im Münzbetrieb funktionierte. Das Aufstehen im Morgengrauen fiel mir oft schwer. Aber Ipsis machte es mir ein wenig leichter. Meistens schlief er zu meinen Füßen auf meinem Bett. Kurz bevor der Wecker klingelte, war er schon am Kopfkissen und weckte mich ganz zart mit seiner Tatze. Das brachte mich zum Lächeln, ich streichelte ihn und manchmal schlief ich dabei wieder ein. Wenn dann der Wecker schellte und ich immer noch nicht aufstand, wurde Ipsis hartnäckiger, leckte mit seiner rauen Zunge an meiner Wange oder biss mich leicht ins Kinn, so, als wolle er mir sagen: „Du musst jetzt aufstehen und an die Arbeit. Sie ist sehr wichtig.“ Er half mir, der Kälte des Zimmers zu trotzen, und gemeinsam gingen wir dann zur Arbeit ins Beratungszentrum.

Meinem Freund schilderte ich immer wieder meine wunderbaren Erlebnisse mit Ipsis, was ihm - obwohl er Ipsis auch sehr mochte - manchmal ganz schön auf die Nerven ging. „Das ist doch nur ein Kater, mehr nicht“, meinte er dann, und ich erwiderte: „Und wenn ich dich so ansehe, wie du Ipsis, bist du nur eine menschliche Gestalt, mehr nicht.“

Wir sehen nicht mehr, als wir wahrhaben wollen, und verstehen es meisterhaft, uns auf Normen der Wahrnehmung festzulegen. Wir gehen von der Sinnlichkeit unserer äußeren Hülle aus und von den Veränderungen innerhalb dieser Grenzen. Ohne das Bewusstsein der unendlichen allgegenwärtigen Geistnatur hätte für mich das Leben keinen Sinn. Ich würde den Gefühls- und Gedankenreichtum vermissen, der sich mir durch die Weisheit anderer Wesen offenbart.

Ich sah Ipsis also sowohl in seiner Tiefgründigkeit und Weisheit als auch in seiner Schönheit und Grazie, die er durch seine Katzengestalt offenbarte. Mir gefiel alles an ihm - die geistige Kommunikation und Weisheit, die Katzeninstinkte und individuellen Eigenarten - alles gehörte wunderbar zusammen, war gut.

Wenn man den physischen Aspekt vom geistigen getrennt sieht, ist das gefährlich. Denn das sogenannte Körperliche ist Geistnatur. Die Quantenphysik zeigt, dass die kleinsten Energieteilchen, aus denen das Universum atomar zusammensetzt ist, unentwegt verschwinden und wieder erscheinen, als wäre Magie im Spiel. Sie sind weder hier noch dort, obwohl die Illusion besteht, dass diese Energieeinheiten solide Partikel und relativ beständige Objekte sind. Die Energiepartikel, die die Grundlage der Materie bilden, sind also von unserer Wahrnehmung geprägt. Wir nützen ihr ständiges Vorhandensein. Wir teilen sie uns offenbar, bestehen alle im Grunde aus ihnen. Wie faszinierend!

Als individuelle lebendige Gestalten sind wir vergänglich. Wir nehmen persönliche Merkmale und Seinsweisen an, die wir für unser wirkliches Selbst halten. Diese Identität wandelt sich aber, wenn wir in der physischen Realität einen Zustand verlassen, die geistigen Dimensionen durchwandern und wieder in einen physischen Zustand zurückkehren. Wir können unendlich viele Identitäten annehmen. Wir können im Individuellen aufgehen, Gruppenidentitäten annehmen oder mit Allem-und-Nichts beziehungsweise Gott einswerden. Wer kann uns da als etwas bezeichnen und behaupten, mehr seien wir nicht?

Im physischen Reich können wir (gleichgültig welcher Spezies wir angehören) uns innerhalb unserer körperlichen und gesellschaftlichen Grenzen praktisch zum Ausdruck bringen. Bisweilen können wir wunderbare, weise, ausgeglichene und bewusste Wesen sein, bisweilen aber voller Ängste stecken und stark von dem beeinflusst sein, was uns körperlich angetan worden ist. Und es gibt Zeiten, in denen wir situationsgebunden abwechselnd beides sind. So gelingt es uns manchmal, negative äußere Einflüsse zu überwinden und unsere Zukunft selbst in die Hand zu nehmen, und manchmal haben uns die äußeren Umstände im Griff, und wir erleben uns fremdbestimmt. Die Überwindung bestimmter Prägungen ist also möglich, wir können das Potenzial unserer Spezies als individuelle Erfüllung gänzlich ausleben.

Jeder von uns betrachtet und erlebt die universale Geistnatur aus seiner beziehungsweise ihrer einmaligen psychosomatischen Bewusstseinsperspektive. Unser Bild vom Universum ist von unseren Sinneswahrnehmungen geprägt. In unserem Alltag können wir uns miteinander identifizieren, weil wir aufgrund unseres ähnlichen Körperbaus und überhaupt als Mitglieder derselben Spezies vergleichbare Sinneseindrücke und ähnliche natürliche, emotionale und soziale Bedürfnisse haben. Doch wir können uns auch in andere Spezies hineinversetzen, da alle Lebewesen auf der Erde an elementaren biochemischen Prozessen teilnehmen und durch die Geistnatur verbunden sind.

Die Wesen suchen sich bei ihren Inkarnationen normalerweise die Körperformen und Situationen aus, die ihnen schicksalsmäßig entsprechen beziehungsweise den nächsten Schritt auf dem Abenteuerpfad durchs Leben ermöglichen. Sie können das entweder sehr bewusst tun oder unwissentlich, indem sie die einmal getroffenen Lebensentscheidungen verdrängen, um das Identitätsempfinden und das Moment des Unerwarteten und Abenteuerlichen zu steigern. Oder weil sie durch zu viel Verdrängung den Faden verloren und sich in der physischen Welt zu sehr verfranst haben. Das kosmische Spiel kann sehr vielfältig erlebt werden, bis ein Wesen sich schließlich seiner Geistnatur bewusst wird. Vergisst es seine Geistnatur über lange Zeit, kann es wirklich in einen elenden Zustand geraten.

Wir Menschen, die sozusagen mit unseren analytischen Verstandeskräften vorne dran sind, sind besonders auf die Hilfe der anderen Spezies angewiesen, um bei der Ausschöpfung unserer Möglichkeiten nicht vom Weg der Achtsamkeit abzukommen. Tiere können uns Daseinsfreude lehren, wie wir die Potenziale unseres Körpers und des Universums in jedem Augenblick sinnvoll genießen und den Draht zu uns selbst als ewige Geistnatur bewahren können, den die meisten Tiere niemals verlieren.

Doch auch Tiere sind nicht automatisch bravere Wesen, nur weil sie Tiere sind, wie manche Leute glauben. So wie wir auch, machen sie auf ihrem geistigen Pfad „Fehler“, unter denen sie zu leiden haben und aus denen sie lernen.

Tiere, die von Menschen willkürlich und grausam behandelt werden, können menschentypische Neurosen entwickeln. In der Wildnis überleben geschwächte Tiere normalerweise nicht lange. Aber wenn Menschen eingreifen und kränkliche, verhaltensgestörte Tiere weiterzüchten, kommt es zu entsprechenden Erbschäden. In Tierzüchtungen spiegeln sich menschliche Vorstellungen wider. Und je mehr die Zuchttiere den Menschen gefallen, desto mehr bestätigen sie deren Erwartungen. Natürlich können Tiere in ihrer Entwicklung auch vom Menschen profitieren. Deshalb gibt es ja verschiedene Spezies - dass sie miteinander besser überleben, sich weiterhelfen und die Freude am Leben teilen.

Wir sind Individuen auf der Reise durch die Unendlichkeit. Unsere unterschiedlichen Wege, die wir eingeschlagen haben, kreuzen sich immer wieder. Alle Wege und alle Körperformen haben ihren Wert. Je nach Reiseetappe erscheint den Einzelwesen eine Körperform attraktiver und zweckmäßiger als andere.

Und wenn auch die speziellen Fähigkeiten der verschiedenen Spezies wirklich bewundernswert sind, dürfen wir darüber nicht die Einmaligkeit jedes einzelnen Wesens vergessen. Ob Mensch, Delphin, Hund, Katze, Lama oder Vogel, nicht jedes Einzelwesen ist sich des tieferen Sinns seiner Spezies bewusst. Die Einzelwesen verkörpern die Spezies oft unvollkommen

Manche Tiere strahlen eine ihre Art, ja jede Art durchstrahlende Weisheit aus. Dann werden sie von manchen mit Menschen verglichen. Normalerweise will man damit sagen, dass man diese Tiere wegen ihrer Auffassungsgabe und Reaktionsweise für außerordentlich intelligent hält. Es gibt Wesen jeglicher Gestalt, die ihrer Spezies und sich selbst als ewigen Wesen vorbildlich gerecht werden. Gewöhnlich fallen sie wegen ihrer Lebensfreude, ihrem Selbstvertrauen und ihrem mitfühlenden Wesen auf. Diese Wesen inkarnieren sich bewusst, egal welche Gestalt sie annehmen. Ich nenne sie Meisterwesen.

Wir Menschen lieben das Kategorisieren, und die Beschreibung der Spezies nach Merkmalen oder Funktionen ist durchaus interessant. Am meisten lernen wir jedoch im Leben, wenn wir die Einzelwesen in ihrer Individualität würdigen auf ihrer Wanderschaft durch die Sphären. Was für ein Abenteuer es ist, sich gegenseitig in, durch und über seine momentane Gestalt hinaus zu verstehen!

Tiere als sprechende Gefährten

Подняться наверх