Читать книгу Showdown mit dem Colt: Western Exklusiv Sammelband 8 Romane - Pete Hackett - Страница 27
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ОглавлениеSie wiesen ihr ein Tipi im Zentrum des Lagers zu. Eine Mischung aus widerwilliger Gastfreundschaft und dem Bedürfnis, sie zu kontrollieren – der Einstieg des Tipis führte nämlich auf den Kultplatz mit dem Totempfahl. Die Wohnstätten der wichtigsten Krieger grenzten an die andere Seite. Mondblüte übernachtete praktisch gegenüber dem Häuptling und dem Medizinmann.
Grauer Büffel und Weißer Bär waren mit zwei Kriegern in ihr Tipi gekommen, um zu verhandeln. Vor dem Tipi standen mindestens zwei Dutzend Pawnees und machten neugierige Gesichter. Der Tag ging zu Ende.
Vier Krieger bewachten den Kultplatz, denn am Marterpfahl hing ein Mann. Jedes Mal, wenn Mondblüte durch den offenen Einstieg zu ihm sah, lief ein Zittern durch ihren Körper: Der Mann am Marterpfahl hieß Caleb Jackson.
Häuptling Grauer Büffel hatte gedroht, Mondblütes Vater bei Sonnenaufgang des übernächsten Tages zu töten.
Sie zwang sich, den Blick von ihrem Dad loszureißen und konzentrierte sich auf Weißen Bär, den Medizinmann. Er zählte das Geld, das Mondblüte für das Leben ihres Vaters angeboten hatte. Häuptling Grauer Büffel beobachtete die flinken Fingerbewegungen des Medizinmannes. Jede Dollarnote verschlang er mit seinem Blick.
Weißer Bär nannte die Summe und begann ein drittes Mal zu zählen. Es waren über fünfzehnhundert Dollar. Der Ertrag der Arbeit eines ganzen, entbehrungsreichen Jahres.
Mondblüte schluckte die Tränen hinunter. Fünfzehnhundert Dollar hatten ihr die Felle eingebracht, die ihr Vater in den letzten zwölf Monaten erbeutet hatte. Seit vier Wochen hielten die Pawnees ihn fest. Und wenn sie die Summe nicht akzeptierten, würde er übermorgen sterben.
Lorraine Mondblüte Jackson versuchte, nicht daran zu denken.
Weißer Bär beendete die dritte Zählung und nannte die Summe erneut. Auf ein Zeichen des Häuptlings hin schob er die Banknoten und Münzen zusammen. Sorgfältig legte er sie in das Ledersäckchen, in dem Mondblüte das Geld aufbewahrte. Er band das Säckchen zu und drückte es dem Häuptling in die Hand.
Mondblüte hielte den Atem an. Die Entscheidung. Jetzt würde sie fallen. Das Geldsäckchen in der Rechten fixierte Grauer Büffel sie. Mondblüte wich seinem Blick nicht aus.
Der gedrungene Indianer mit der hohen Stirn und den tief liegenden Augen war ein gerissener Schakal. Jim Barrymore hatte ihn beauftragt den Pelzjäger zu fangen. Jackson wusste zuviel. Auf seinen Streifzügen hatte er die Bande beobachtet, kannte ihre Treffpunkte, kannte ihre Taktik, kannte einzelne Gesichter; auch Barrymores Gesicht.
Kein Problem für eine Schar Krieger, einen einsamen Jäger in ihre Gewalt zu bringen. Doch Grauer Büffel dachte nicht daran Jackson an Barrymore auszuliefern. Er verlangte Lösegeld. Vermutlich drohte er dem Bandenchef damit, Jackson freizulassen. Barrymore wollte nicht zahlen. Mondblüte gegenüber drohte Grauer Büffel mit dem Tod ihres Vaters. Sie zahlte. Was wirklich hinter der Stirn des Häuptlings vorging, mochten die Berggeister wissen.
„Gut“, sagte Grauer Büffel. Er beugte sich vor und setzte das Geldsäckchen vor Mondblütes gekreuzte Beine auf den Boden. „Weißer Bär wird den Großen Geist befragen. Wenn die Antwort günstig ausfällt, nehmen wir das Geld bei Sonnenaufgang. Und du nimmst deinen Vater und verschwindest.“
Es kostete Mondblüte alle Selbstbeherrschung, die Tränen der Enttäuschung zu unterdrücken. Häuptling, Medizinmann und Krieger erhoben sich. Grußlos verließen sie Mondblütes Tipi.
Mondblüte zog die Plane vor den Eingang, warf sich auf den Boden und weinte leise. Als sie die Enttäuschung überwunden hatte, hüllte sie sich in ihre Decken und dachte nach.
Was führte Grauer Büffel im Schilde? Sie misstraute dem Häuptling und fragte sich, wie sie so naiv gewesen sein konnte, zu glauben, er würde ihren Vater freilassen. Grauer Büffel scherte sich einen Dreck um die Antwort des Großen Geistes, diese Überzeugung verfestigte sich in Mondblüte, je länger sie grübelte. Grauer Büffel war einer, der grundsätzlich soviel wie möglich für sich und seinen Stamm herausschlagen wollte.
Als draußen die Trommeln ertönten und Weißer Bär anfing auf dem Kultplatz vor dem Marterpfahl zu tanzen, um den Willen des Großen Geistes zu erfahren, glaubte Mondblüte ihn bereits zu kennen. Der Wille des Großen Geistes und der Wille des Häuptlings waren identisch. Mondblütes Geld und Barrymores Lösegeld – beides wollte sich der gerissene Pawnee-Häuptling sichern.
Sie wartete bis die Trommeln verstummten. Sie wartete bis der Gesang des Medizinmannes verstummte. Sie wartete bis sie draußen im Lager weder Stimmen noch Schritte mehr hörte. Dann schälte sie sich aus den Decken und lüftete die Plane vor dem Tipi-Eingang.
Ein kleines Feuer loderte auf dem Kultplatz. Ihr Vater am Totempfahl hing in seinen Fesseln. Er schien zu schlafen. Drei Krieger hockten am Feuer. Auch sie schienen eingenickt zu sein. Mondblüte lockerte den Dolch in der Lederscheide an ihrem Gurt. Sie musste es wagen.
Sie kroch aus dem Tipi, schlich in weitem Bogen durch das Lager und näherte sich dem Marterpfahl im Rücken der Krieger am Feuer. Sie waren tatsächlich eingeschlafen. Von hinten schlich sie an den Marterpfahl heran und zog den Dolch. „Ich bin’s, Dad“, flüsterte sie und ging in die Knie. „Nicht erschrecken.“
Plötzlich sah sie Lichtschimmer im Häuptlingstipi. Und neben dem Tipi döste ein Rappen. „Es hat keinen Sinn, Kind“, flüsterte ihr Vater. „Barrymore ist bei dem Häuptling. Er kann es sich nicht leisten, mich laufen zu lassen. Er wird dich überbieten.“
In diesem Moment wurde die Plane vor dem Eingang des Häuptlingstipis zur Seite geschlagen. Ein hochgewachsener Mann bückte sich ins Freie. Langes, graues Haar quoll ihm unter einem dunklen Filzhut hervor und fiel ihm bis auf die Schulter. Er trug einen langen, schwarzen Wildledermantel.
„Jim Barrymore“, flüsterte Caleb Jackson.
Barrymore schien verärgert. Jedenfalls schnitt er eine grimmige Miene und machte rasche, hektische Bewegungen. Er band seinen Schwarzen los, schwang sich in den Sattel und galoppierte zwischen den Zelten in die Dunkelheit. Mondblüte schöpfte Hoffnung.
Jetzt verließ auch der Häuptling sein Tipi. Er sah Mondblüte sofort und kam zu ihr. Die drei Krieger am Feuer sprangen auf und folgten ihm. Neben dem Marterpfahl blieben die vier Pawnees stehen. Ein paar Atemzüge geschah gar nichts. Nur die braunen Augen des Häuptlings wanderten zwischen dem Dolch in Mondblütes Faust und ihrem Gesicht hin und her.
„Elftausend“, sagte Grauer Büffel endlich.
Mondblüte sah ihn erschrocken an. „Niemals“, flüsterte sie. „Wo soll ich soviel Geld hernehmen?“
„Dann pack deine Sachen, sattle dein Pferd und verschwinde“, sagte der Häuptling. „Barrymore zahlt zehntausend.“ Er wandte sich ab, stelzte zurück zu seinem Tipi und verschwand darin.
Weinend verabschiedete Mondblüte sich von ihrem Vater. „Ich werde alles versuchen, dich zu befreien, Dad“, schluchzte sie. „Irgendetwas wird mir einfallen, verlass dich auf mich...“
Die Krieger ließen ihr nicht viel Zeit. Sie drängten sie zu ihrem Tipi, beobachteten, wie sie ihre Decken zusammenrollte und ihr Pferd sattelte und eskortierten sie schließlich durch das Lager bis in den Wald. Dort jagten sie das Halbblut in die Dunkelheit. Mondblüte ritt in die Nacht.
Nach einer halben Stunde etwa schälten sich vor ihr die Umrisse von Reitern aus der Dunkelheit. Mondblüte sprang aus dem Sattel und riss ihr Gewehr aus dem Holster. „Lass das, Lorraine“, sagte eine heisere Stimme.
Sie hörte das reibende Geräusche eines Schwefelholzes an einer rauen Fläche. Eine Flamme leuchtete auf. Jim Barrymore zündete sich einen Zigarillo an. Im kurzen Schein des Feuers sah Mondblüte sein kantiges, stoppelbärtiges Gesicht. Dann erlosch das Schwefelholz. Barrymore rutschte aus dem Sattel und kam zu ihr.
„Die verdammte Rothaut glaubt, sie könnte uns gegeneinander ausspielen, hast du’s gemerkt?“ Breitbeinig blieb er vor ihr stehen. Die Spitze seines Zigarillos leuchtete auf. Mondblüte sah sein schwarzes Halstuch, sein graues, fettiges Haar und seine schmalen Lippen. Unter dem offenen Ledermantel trug er eine schwarze Lederweste, und an der Hüfte ein Doppelholster. Die Kolben der Revolver waren nach vorn gerichtet.
„Ich schlag dir ein Geschäft vor, Lorraine.“ Barrymore nahm den Zigarillo aus dem Mund. Am Ringfinger seiner linken Hand sah sie einen goldenen Ring mit einem schwarzen Stein. „Du kriegst deinen Vater von mir.“
„Und der Preis?“ fragte sie heiser.
Trotz der Dunkelheit sah sie, dass er feixte. „Grainger.“