Читать книгу Trevellian und die Mörderische Schwester: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 6

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Robby Whitmore hockte neben den Gleisen der Staten Island Rapid Transit Railway. Über ihm spannte sich die Bayonne Bridge. Die Lichter der Häuser von Bergen Point spiegelten sich im Kill van Kull Strom. Wenn Robby den Blick nach Nordosten wandte, konnte er die hell erleuchtete Freiheitsstatue vor der glitzernden Kulisse Manhattans sehen.

Der 17-jährige nahm noch einmal alle Eindrücke in sich auf, die sich ihm boten. Dunkelheit umgab ihn. Er fragte sich, ob er wohl im Waisenhaus schon vermisst wurde. Würde ihn McRaney suchen lassen? Egal! Robby wollte nicht mehr.

Die Gleise vibrierten. Fernes Dröhnen drang an Robbys Gehör. Der Zug nahte. Sekundenlang umkrampfte grenzenlose Angst das Herz des Jungen. Er gab sich einen Ruck, erhob sich und trat entschlossen auf den Schienenstrang. Er verfluchte sie alle!

Die Lichter der Lokomotive durchbrachen die Finsternis. Das Dröhnen nahm zu. Dann sah Robby den Zug, der sich aus der Dunkelheit schälte. Er erinnerte an eine riesige Raupe, an ein alles verschlingendes Ungeheuer. Mit unverminderter Geschwindigkeit raste er heran. Der Lärm wurde ohrenbetäubend. Dann kam der fürchterliche Schlag, der alles auslöschte. Robby spürte keinen Schmerz. Die absolute Finsternis kam schlagartig und war endgültig. Der Körper des Jungen wirbelte durch die Luft. Ein junges Leben hatte ein brutales Ende gefunden!

Er hatte es nicht mehr ausgehalten. Man hatte ihn zum Liebes-, zum Sexsklaven degradiert. Er wollte den geilen Perverslingen mit den dicken Brieftaschen nicht mehr länger zu Willen sein. Lieber war er tot.

Der Lokführer war der Meinung, ein Stück Wild war ihm vor die Lokomotive gelaufen. Er gab eine entsprechende Meldung durch und raste mit unverminderter Geschwindigkeit weiter – seinem Ziel entgegen.

Am Morgen wurde die total verstümmelte Leiche Robby Whitmores neben dem Schienenstrang entdeckt. Ein Staatsanwalt verfügte die Überführung ins gerichtsmedizinische Institut. Bei der Polizeidienststelle von Port Richmond auf Staten Island war zwischenzeitlich eine Anzeige des Waisenhauses eingegangen, wonach ein 17-jähriger namens Rob Whitmore seit dem Abend vermisst werde. Der Junge wurde als mittelgroß, schlank und blondhaarig beschrieben. Als besonderes Kennzeichen war eine zwei Zoll lange Narbe am Kinn angegeben.

Die Polizei stellte sofort einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden des Jungen und der Leiche her.

Zwei Cops fuhren beim St.-Lukas-Waisenhaus in der Wilcox Street vor. Dem Hausmeister gegenüber erklärten sie, dass sie gerne Mr. McRaney gesprochen hätten. Sie wurden gebeten, in der Halle des alten Bauwerks zu warten. Es gab hier eine Polstermöbelgruppe und einen niedrigen Tisch, auf dem einige Zeitschriften und die New York Times vom aktuellen Tag lagen.

Der Leiter des Heimes, Jack McRaney, ließ nicht lange auf sich warten. Er schaute verunsichert, wie in der Erwartung einer unerfreulichen Nachricht.

„Es sieht so aus, Mr. McRaney“, begann einer der beiden Polizisten, „als wäre der von Ihnen als verschwunden gemeldete Rob Whitmore gefunden worden. Tot. Wahrscheinlich Selbstmord. Seine verstümmelte Leiche lag an den Gleisen der Staten Island Rapid Transit Railway, unter der Bayonne Bridge.“

Das Gesicht McRaneys hatte eine blasse Färbung angenommen. Jeder Blutstropfen schien daraus entwichen zu sein. In seinen Mundwinkeln zuckte es. Aus seinen Augen sprach Fassungslosigkeit.

„Er – er ist tot?“, brach es erschüttert aus seiner Kehle. Er schluckte krampfhaft. „Vom – vom Zug überfahren?“

Der Cop nickte. „Er wurde in die Pathologie verbracht. Wir sollen Sie ebenfalls dorthin bringen, Mr. McRaney, damit Sie den Jungen identifizieren. Haben Sie eine Ahnung, was ihn veranlasst haben könnte, sich vor den Zug zu werfen?“

McRaney schaute geistesabwesend. Sekundenlang schwieg er, und der Polizist wollte seine Frage schon wiederholen, als der Heimleiter leise sagte: „Vielleicht war er unglücklich. Nachdem vor einem Jahr seine Schwester das Waisenhaus verlassen durfte, weil sie volljährig wurde, ging es mit Robby immer mehr bergab. Seine Schulnoten wurden immer miserabler. Er tanzte aus der Reihe, war aufsässig und frech geworden.“

„Er hat eine Schwester?“

„Ja, Patricia. Die Eltern der beiden verunglückten, als sie vier und sechs Jahre alt waren. Niemand wollte sich der beiden Kinder annehmen, also landeten sie bei mir.“

McRaneys Miene wies einen schmerzlichen Ausdruck auf. Die beiden Polizisten mussten annehmen, dass ihn das Schicksal des jungen Rob Whitmore betroffen und fassungslos machte. Es war ein fast weinerlicher Gesichtsausdruck, den er zur Schau trug.

„Es – es waren gute Kinder“, fügte er hinzu und schniefte. Dann durchfuhr ihn ein Ruck. „Lediglich seit einem Jahr spielte Robby manchmal verrückt. Vielleicht lag es am Alter. Spätpubertäre Erscheinungen.“ Er zuckte mit den Achseln. „Weiß der Himmel, was sich in Robbys Psyche abspielte, nachdem seine Schwester das Heim verlassen hatte.“

„Wenn Sie jetzt so freundlich wären“, murmelte der Polizist, der bisher auch schon das Wort geführt hatte.

„Natürlich. Ich holte nur meine Jacke.“ McRaney hastete davon und verschwand in einem Raum im Erdgeschoss des Gebäudes, das fast 40 Waisenkindern Platz und Fürsorge bot.

„Der arme Junge“, murmelte Jameson Parker, der Hausmeister, der alles gehört hatte. „Nun ja, in letzter Zeit wirkte er schon etwas verstört. Aber dass er gleich Selbstmord begeht …“ Ungläubig schüttelte der Mann den Kopf.

Jack McRaney kam zurück. Er trug jetzt eine altmodische Jacke mit Fischgrätenmuster und Schultern, die aussahen, als wären sie ausgepolstert. Er war überhaupt eine ziemlich farblose Erscheinung. Der 48-jährige war, was seine Kleidung betraf, ein erzkonservativer Typ.

„Kann ich mit Ihnen fahren? Bringen Sie mich wieder zurück?“, wollte er wissen. Ein angedeutetes, verlegen anmutendes Lächeln umspielte seine Lippen. „Oder soll ich selbst …“

„Nein, wir bringen Sie zum gerichtsmedizinischen Institut und fahren Sie auch wieder hierher zurück, Mr. McRaney“, erklärte der Cop. „In Ihrem erregten Zustand wäre es vielleicht nicht gut, wenn Sie selber fahren würden.“

„Danke.“

Die Fahrt nach Manhattan dauerte eine halbe Stunde. Eine Viertelstunde später identifizierte Jack McRaney den toten Jungen als Rob Whitmore. „Ja, das ist Robby“, würgte er hervor und wandte sich ab. „Großer Gott.“

Das weiße Tuch wurde wieder über das entstellte Gesicht des Toten gezogen. McRaney wankte. Einer der Polizisten stützte ihn. „Es – es ist so furchtbar“, stammelte McRaney.

Der Cop nickte.

Trevellian und die Mörderische Schwester: Action Krimi

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