Читать книгу Trevellian und die Mörderische Schwester: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 7
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ОглавлениеPatricia Whitmore hielt den Brief in der Hand. Am Morgen hatte sie in den Lokalnachrichten vernommen, dass an der Linie der Staten Island Rapid Transit Railway der Leichnam eines jungen Mannes aufgefunden worden. Nach ersten Erkenntnissen, so der Nachrichtensprecher, lag ein Selbstmord vor, schied Fremdverschulden also aus.
Pat hatte sich nichts Schlimmes gedacht, als sie es vernahm. Sie war zur Arbeit gefahren, wie jeden anderen Werktag auch. Aber nun …
Die Augen der jungen, hübschen Frau schwammen in einem See von Tränen. Ihr Gesicht wies eine ungesunde, bleiche Farbe auf. Draußen begann es zu dämmern. Vor zehn Minuten etwa war sie von der Arbeit nach Hause gekommen. In ihrem Briefkasten hatte Robbys Brief gelegen.
Ja, es war Selbstmord.
Ja, Fremdverschulden schied aus.
Niemand wusste es genauer als Patricia.
Und dennoch war Robby nicht freiwillig in den Tod gegangen. Er war in den Selbstmord getrieben worden. In dem Brief stand es. Noch einmal las ihn Patricia. Die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen.
„McRaney!“, brach es schließlich über ihre bebenden Lippen. „Du Schwein! Du dreckiges, mieses Schwein.“
Der Hass kam bei Patricia in rasenden, giftigen Wogen. Er glomm in den blauen Augen des Girls und wütete in seinen Zügen. „Dafür wirst du büßen. Und jeder andere auch.“
Patricia schaute geistesabwesend den Rest der Post durch, die sie aus dem Briefkasten entnommen hatte. Zwei Umschläge samt Inhalt wanderten ansatzlos in den Abfalleimer, denn es handelte sich um die Reklamen eines Fitnessstudios und einer Lottogesellschaft. Dann las sie eine Mitteilung der Polizei, dass sie beim Revier in der 54. Straße anrufen sollte. Die Telefonnummer war vermerkt.
Nur nach und nach gelang es Patricia, den Aufruhr in ihrem Innersten unter Kontrolle zu bekommen. Sie zwang eine klare Linie in ihr Denken und ahnte, weshalb sie bei der Polizei anrufen sollte. Man wollte sie vom Tod Robbys in Kenntnis setzen. Einen anderen Grund gab es nicht.
Warum, Robby?, brüllte alles in dem Mädchen. Warum bist du nicht zu mir gekommen? Warum bist du nicht zur Polizei gegangen? Warum hast du das alles in dich hineingefressen und dich schließlich vor den Zug geworfen? Robby! Warum?
Sie fand keine Antwort auf diese bohrenden Fragen. Zuletzt hatte sie Robby vor zwei Wochen im Waisenhaus besucht. Er wirkte etwas verstört, fahrig, abwesend. Warum hatte er nicht mit ihr darüber gesprochen?
Patricia wischte sich mit dem Handrücken die Augen trocken. „Du hast McRaney und die Schweine, die dir das angetan haben, in deinem Brief verflucht, Robby“, flüsterte sie mit belegter, heiserer Stimme. „Und ich werde dafür sorgen, dass sich dein Fluch erfüllt. Mein Wort drauf, Robby.“
Es klang wie ein Schwur, wie eine böse Prophezeiung.
Mit zitternder Hand griff Pat zum Telefonhörer. Sie tippte die Nummer, die auf der polizeilichen Mitteilung vermerkt war, und gleich drauf hatte sie eine Verbindung. Sie nannte ihren Namen. Der Polizist druckste ein wenig herum, es war, als suchte er nach den richtigen Worten.
„Miss Whitmore“, sagte er schließlich, „es ist – ich muss Ihnen leider eine unerfreuliche, eine traurige Mitteilung machen. Ich – ich hoffe, Sie sind stark genug.“
„Es ist wegen meines Bruders, nicht wahr?“, unterbrach ihn Patricia. „Er ist tot. Ich habe …“ Sie brach ab, dachte kurz nach. „Es ist doch wegen Robby?“ Nach außen hin wirkte sie jetzt gefasst, nahezu kühl.
„So ist es, Miss Whitmore. Er hat sich vom Zug überfahren lassen. Jetzt befindet er sich im gerichtsmedizinischen Institut. Mr. McRaney, der Leiter des Heimes, in dem Ihr Bruder lebte, hat ihn identifiziert.“
Bei Nennung des Namens McRaney schienen Pats Augen zu Eis zu gefrieren.
„Woher wussten Sie, dass Ihr Bruder tot ist?“, hörte sie den Polizisten fragen. „Hat man Sie schon von Seiten des Waisenhauses unterrichtet?“
„Ja“, kam es versonnen von Pat. „Das Waisenhaus.“
„Es ist tragisch“, sagte der Polizist mit dem Ausdruck des tiefen Bedauerns. „Ich schätze, morgen wird der Leichnam freigegeben. Sie werden dann für die Beerdigung sorgen müssen. Ich möchte Ihnen mein Beileid ausdrücken, Miss.“
„Natürlich“, murmelte Sarah. „Vielen Dank.“ Sie legte auf. Mit erloschenem Blick ließ sie sich auf die Couch fallen. Düstere Gedanken zogen durch ihren Verstand. Ein Fluch war Robbys Vermächtnis. Er war tot. Robby hatte keinen anderen Ausweg mehr gesehen. Er war unwiederbringlich von dieser Welt gegangen. Patricia konnte nichts anderes mehr denken. Und es trieb den Hass immer tiefer in ihr Gemüt – einen verzehrenden, grenzenlosen Hass, der keine Zugeständnisse und kein Entgegenkommen kannte.
In seinem Brief verfluchte er McRaney.
McRaney!, hämmerte es hinter Patricias Stirn. Immer wieder: McRaney!
Dann fasste Patricia einen Entschluss. Das Mädchen erhob sich abrupt, holte seine Handtasche und verließ das Apartment in der 52. Straße. Es lief ein Stück nach Osten und setzte sich in der Nähe des Rockefeller Centers in ein Taxi. „Wilcox Street, Staten Island, zum St.-Lukas-Waisenhaus“, wies sie den Cab Driver an.
Die Fahrt ging nach Süden, durch den Holland Tunnel gelangte das Yellow Cab nach New Jersey, und über die Bayonne Bridge schließlich nach Staten Island. Bei dem Waisenhaus bezahlte Pat den Cabby. Es war jetzt finster. Aus vielen Fenstern des großen Gebäudes fiel Licht. Es lag etwas zurückversetzt in einem großen Garten. Eine breite, geteerte Zufahrt führte zu den beiden Garagen, die angebaut worden waren.
Der Hausmeister ließ Patricia eintreten. Gleich darauf saß sie Jack McRaney gegenüber. Er schaute zerknirscht, ganz so, als wäre sein leiblicher Sohn vom Zug getötet worden.
Heuchler, niederträchtiger Heuchler!, durchfuhr es Patricia wie ein Blitzstrahl. Aber dir wird es vergehen!