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Der Chef rief uns zu sich. Milo und ich ermittelten derzeit gegen einen Barbesitzer, dem Mädchenhandel und Förderung der illegalen Prostitution vorgeworfen wurden. Wir werteten gerade die Personalien einiger der Girls aus, die bei einer Razzia, die die Sitte vor einer Woche durchgeführt hatte, in dem Etablissement festgenommen worden waren.

Wenn der Chef rief, war es meist wichtig genug, um alles liegen und stehen zu lassen und dem Ruf zu folgen.

„Geht nur hinein“, sagte Mandy, seine Sekretärin, lächelnd, als wir antanzten. „Kaffee kommt gleich.“

„Das ist ein Wort“, grunzte Milo zufrieden, dann betraten wir erwartungsvoll das Büro Mr. McKees.

„Guten Morgen, G-men“, begrüßte er uns und wies auf seinen Konferenztisch. „Bitte, nehmen Sie Platz.“

Er erhob sich, um sich zu uns zu setzen.

Dann begann er ernst: „Möglicherweise haben wir es mit einem gravierenden Fall von Betriebsspionage zu tun, Gentlemen.“

„Öfter mal was Neues“, kalauerte Milo. „Hatten wir schon einige Zeit nicht mehr. Eine große Sache?“

„Kann man wohl sagen“, sagte der Chef. „Ich würde es als bahnbrechend bezeichnen. Es geht um Fingerscan-Technik auf dem Waffensektor.“

Der Special Agent in Charge schaute von mir auf Milo, wieder zurück zu mir, und sah wohl nur ratlose Gesichter, denn er lächelte und sprach weiter: „Die Rede ist von einem biometrischen Sicherheitssystem, einer Technologie, die die Personalisierung einer Waffe ermöglicht. Nur ein registrierter Besitzer kann die Waffe, die mit dieser Technik ausgerüstet ist, benutzen.“

Natürlich war mir die Biometrie nicht unbekannt. Mit ihrer Hilfe kann anhand individueller und messbarer Körpermerkmale eine 100-prozentige Personenidentifikation erfolgen. Es gibt charakteristische und physiologische Merkmale, die für jede Person einzigartig und damit unverwechselbar sind. Diese Merkmale werden per Scanner eingelesen und das System reagiert entsprechend. Allerdings haftete biometrischen Sicherheitssystemen noch der Makel einer mangelnden Einsatzfähigkeit unter Alltagsbedingungen an. Die Fehlerquoten waren inakzeptabel, die Stabilität gering, die Produktionskosten unverhältnismäßig hoch. An diesen Fakten scheiterte bisher der Durchbruch dieser Technik.

„Okay, Sir“, ließ Milo vernehmen. „Ich hörte mal, dass daran gearbeitet wird. Aber noch keinem Entwickler ist es bisher gelungen, die hohen Anforderungen zu erfüllen, die an den Fingerscan-Sensor, zum Beispiel in einer Waffe, gestellt werden.“

„Doch“, entgegnete Mr. McKee. „Dragon Systems hat ein entsprechendes Patent angemeldet.“

Mandy kam mir einer Thermoskanne voll Kaffee. Sie schenkte unsere Tassen voll. Milo und ich bedankten uns und bereiteten den Kaffee mit Zucker und Milch auf. Es roch im Büro Mr. McKees wie in einem orientalischen Kaffeehaus.

„Wie schön“, sagte ich. „Ein enormer Fortschritt. Wenn Waffen mit einem biometrischen System versehen werden, schließt das die Nutzung durch Unberechtigte aus.“ Ich schaute Milo an, grinste und fügte hinzu: „Sollte dir mal ein Gauner die SIG wegnehmen, ist sie für ihn wertlos, weil sie auf seine Prints nicht reagiert. Vorausgesetzt, unsere Waffen werden entsprechend ausgerüstet.“

„Ich höre und staune“, knurrte Milo.

Der Chef erhob wieder das Wort. „Das Problem ist, dass Dragon Systems das Patent zwar angemeldet hat, dass die Entwicklung der Fingerscan-Technologie aber durch SoftTec erfolgt sein soll. Als SoftTec das System aber für sich patentieren lassen wollte, erklärte man der Geschäftsleitung, dass Dragon Systems schneller gewesen sei. Bill Pfeiffer, der Geschäftsführer von SoftTec, hat eine vorläufige Anordnung erwirkt, wonach Dragon Systems das patentierte System nicht auf den Markt bringen darf. Und man hat sich an das FBI gewandt, weil man annimmt, dass Betriebsspionage im Spiel ist.“

„Diese Annahme ist, wenn das System tatsächlich von SoftTec entwickelt wurde, nicht von der Hand zu weisen“, sagte ich.

„Dazu kommt, dass der Projektleiter von SoftTec, ein gewisser Richard Gardner, seit zwei Monaten spurlos verschwunden ist. Bei SoftTec nimmt man an, dass er Kopien der entwickelten Pläne Dragon Systems überlassen und sich mit dem Geld, das er dafür kassierte, nach Mexiko oder Südamerika abgesetzt hat.“

„Ein biometrisches Sicherheitssystem in der Waffentechnik käme einer Revolution auf diesem Sektor gleich“, murmelte Milo. „Es wäre eine entscheidende Verbesserung der Sicherheit. Die Registrierung von Waffen würde erleichtert werden. Anhand einer Registrierung per Fingerabdruck könnte ein Schütze eindeutig zugeordnet werden.“

„So ist es“, pflichtete der Chef Milo bei.

Milo hatte natürlich Recht. Wenn Waffen nur noch nach Abgleich einer biometrischen Identifikation funktionierten, würde auch der illegale Erwerb von Waffen erschwert werden. Allerdings lag das in ferner Zukunft. Denn es würden auch in den kommenden Jahren herkömmliche Waffen in Umlauf sein, die jeder benutzen konnte. Möglicherweise würde die Einführung biometrischer Codes auf Waffen den illegalen Handel mit herkömmlichen Waffen noch ankurbeln.

„Richard Gardner, sagten Sie“, so wandte ich mich an den SAC.

„Ja, Gardner“, sagte Mr. McKee. „Der Vorstandsvorsitzende bei SoftTec heißt Bill Pfeiffer. Chef von Dragon Systems ist Dennis Mason. – Jesse, Milo, ich möchte, dass Sie sich der Angelegenheit annehmen. In welcher Sache ermitteln Sie gerade?“

„In der Sache Gordon McGrady; Mädchenhandel und Förderung der illegalen Prostitution“, antwortete Milo.

„Bringen Sie die beiden Sachen unter einen Hut?“

„Ich denke schon“, sagte ich.

„Gut.“ Der Chef griff nach seiner Kaffeetasse und nippte dran. „Den Vorteil der biometrischen Identifikation gegenüber den gängigen Methoden brauche ich Ihnen ja nicht zu erklären“, hub er dann noch einmal an. „Die Fingerscan-Technologie auf dem Waffenmarkt wäre bahnbrechend für den gesamten Sektor. Wir bräuchten keine Schlüssel mehr, keine Chipkarten, PIN-Nummern oder irgendwelche Codes, die man unter Umständen vergisst. Der Fingerabdruck ist unverwechselbar, kopier- und manipulationssicher und stets verfügbar. Verlust, Vergessen oder Diebstahl kann ausgeschlossen werden.“

„Basierend auf der Wissenschaft der Daktyloskopie“, gab Milo zum Besten und schaute mich triumphierend an. „Jetzt staunst du, was?“

„Das ist das Verfahren zur Identifizierung eines Menschen durch den Fingerabdruck“, sagte ich grinsend und sah den staunenden Blick Milos. „Auf der Basis der Einmaligkeit und Unveränderlichkeit des Prints hat sich die Daktyloskopie zum bewährtesten Verfahren bei der Personenerkennung entwickelt. Was sagst du jetzt, Milo?“

„Ich staune Bauklötze“, kam es anerkennend von Milo. „Deine Allgemeinbildung haut mich glatt um.“

Wir lachten. Schließlich tranken wir unsere Tassen leer, dann verabschiedeten wir uns von Mr. McKee.

Trevellian und das tödliche System: Action Krimi

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