Читать книгу Trevellian und das tödliche System: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 8
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ОглавлениеWir meldeten uns bei Bill Pfeiffer, dem Vorstandvorsitzenden von SoftTec, an. Sitz der Firma war in Südmanhattan. Wir saßen Pfeiffer in seinem Büro gegenüber. Es war ein luxuriös eingerichtetes Büro mit Blick auf Liberty Island. Pfeiffer selbst war ein hagerer Mittfünfziger mit graumelierten Haaren und kantigem Gesicht. Dieser Mann verströmte ein hohes Maß an natürlicher Autorität, wirkte aber nicht unsympathisch.
„Wir nehmen an, dass Richard Gardner Kopien von der Plänen des Scanners anfertigte und Dragon Systems zum Kauf anbot. Richard Gardner war Leiter der Entwicklungsabteilung. Wir haben ihn gut bezahlt – sehr gut sogar. Aber das war ihm scheinbar zu wenig. Er verschwand über Nacht, kam einfach nicht mehr zu Arbeit, nachdem der Scanner entwickelt war. Jetzt glauben wir auch zu wissen, was der Grund dafür war.“
„War Gardner verheiratet?“, fragte ich.
„Nein. Er hat eine Verlobte. Ihr Name ist Jennifer Patton. Nachdem Gardner nicht mehr zu Arbeit kam, fragten wir bei ihr nach. Sie behauptete, keine Ahnung zu haben, wo Gardner sich aufhält.“
„Sie glauben ihr nicht?“, fragte ich.
„Ich weiß nicht“, dehnte Pfeiffer und zuckte mit den Achseln. „Vielleicht hat sie wirklich keine Ahnung, wohin sich ihr Verlobter abgesetzt hat.“
„Wo wohnt diese Frau?“
„Das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Aber ich habe Ihre Telefonnummer. Einen Augenblick …“ Pfeiffer suchte in seinem Terminkalender herum, dann stieß er hervor: „Da ist sie ja. Haben Sie was zum Notieren?“
Milo zückte seinen Taschenkalender und einen Kugelschreiber. Pfeiffer sagte ihm die Nummer. Milo schrieb sie auf.
„Wie hoch ist der Schaden, der Ihrer Firma zugefügt wird, wenn das Patent auf Dragon Systems angemeldet bleibt?“
„Das geht in die Milliarden, G-men“, stöhnte Pfeiffer. „Das Fingerscan-System wurde ja nicht nur für den Waffensektor entwickelt, sondern für jede Art von Identifikation. Es bedarf keiner Zugangscodes mehr, keiner PINs und Passwörter, das System würde Einzug halten in die gesamte IT-Sicherheit.“
„Das bedeutet, Gardner hat gegebenenfalls genug Geld dafür erhalten, um bis an sein Lebensende ausgesorgt zu haben“, meinte Milo.
Pfeiffer nickte. „SoftTec hat Jahre für die Entwicklung aufgewendet. Für die Firma wäre es ein immenser Verlust, wenn sie die Früchte ihrer Entwicklung nicht ausschöpfen könnte. Dragon Systems steht von jeher in Konkurrenz zu SoftTec. Doch wir waren immer die berühmte Nasenlänge voraus. Vielleicht hat Mason Richard Gardner schon vor längerer Zeit gekauft. Wer weiß das schon. Eines jedoch ist klar. Das Patent des Fingerscan-Systems, das Dragon Systems angemeldet hat, wurde von SoftTec entwickelt. Ich habe eine einstweilige Verfügung erwirkt …“
„Wir wissen“, sagte ich. Und sogleich fügte ich hinzu: „Natürlich werden wir mit Mr. Mason von Dragon Systems sprechen. Allerdings wird er nicht zugeben, dass er Gardner gekauft hat – falls es so ist.“ Ich schaute Milo an. „Hast du den Namen der Frau auch aufgeschrieben?“
„Natürlich.“
„Schön. Dann sollten wir uns zunächst mal mit den Leuten unterhalten, mit denen Gardner eng zusammengearbeitet hat“, gab ich zu verstehen. „Dazu bräuchten wir Namen, Mr. Pfeiffer, und einen Raum, in dem wir ungestört mit den Leuten reden können.“
„Das ist das geringste Problem, G-men …“
Die Ausbeute war kläglich. Niemand konnte uns etwas über Gardners Verbleib sagen. Niemand konnte uns überhaupt etwas sagen. Die Ausbeute war nicht nur kläglich – sie war gleich Null.
Wir kehrten ins Federal Building zurück. Milo holte seinen Notizblock hervor, nahm den Telefonhörer zur Hand und tippte die Nummer, die er von Pfeiffer erhalten hatte. Er hatte den Lautsprecher eingeschaltet. Dreimal ertönte das Freizeichen, dann sagte eine rauchige Stimme: „Patton.“
„Jennifer Patton?“, fragte Milo.
„Ja. Was wünschen Sie?“
„FBI. Mein Name ist Tuck …“ Milo schaute mich verblüfft an. „Aufgelegt“, knurrte er. „Hat wohl was gegen Polizisten, die Gute.“ Er legte den Hörer kurz auf den Apparat, hob ihn erneut vor sein Gesicht und drückte die Wahlwiederholung.
Wieder ertönte einige Male das Freizeichen, dann ertönte es erneut: „Jennifer Patton. Lassen Sie mich in Ruhe. Ich weiß nicht, wohin Rich sich abgesetzt hat. Der Schuft hat mich einfach sitzen lassen. Dabei wollten wir im Sommer heiraten. Die Hölle verschlinge ihn.“
Milo schaute mich an und hob die Brauen. Seine Augen wurden kugelrund. Seine Mundwinkel bogen sich nach unten. Dann aber nahm sein Gesicht den normalen Ausdruck wieder an und er sagte: „Wir würden dennoch gerne ein persönliches Gespräch mit Ihnen führen, Miss Patton. Es liegt an Ihnen, wo das sein wird. Entweder Sie nennen mir Ihre Anschrift, oder Sie kommen ins Field Office.“
„Ich komme“, sagte die Lady nach kurzem Zögern. „Wann passt es Ihnen?“
„Morgen früh?“
„In Ordnung. Gegen neun Uhr bin ich bei Ihnen.“
Jennifer Patton legte auf, und auch Milo drapierte den Hörer auf den Apparat. „Resolute Person“, knurrte er. „Wenn ihre frommen Wünsche in Erfüllung gehen, hat Rich Gardner nicht mehr viel Freude im Leben zu erwarten.“
„Was hältst du davon, wenn wir Interpol einschalten“, fragte ich. „Sicher hat sich Gardner ins Ausland abgesetzt.“
„Das nehme ich auch an. Keine schlechte Idee, Partner. Ja, wir schalten Interpol ein. Im Moment unsere einzige Chance, Gardner irgendwo in der weiten Welt aufzuspüren. Allerdings sollten wir erst mal abklären, ob es überhaupt nötig ist, nach ihm zu fahnden. Wenn er nämlich nicht die wertvollen Pläne an Dragon Systems verkauft hat, brauchen wir auch Interpol nicht zu bemühen. Vielleicht ist er nur auf der Flucht vor der burschikosen Lady, die ihn beim Teufel sehen möchte.“
Milo grinste anzüglich.
Mir kam plötzlich ein ganz anderer Gedanke. Einer, der mich für die Spanne einiger Atemzüge regelrecht erschreckte. „Möglicherweise ist Gardner überhaupt nicht auf der Flucht“, stieß ich hervor. „Vielleicht lebt er gar nicht mehr.“
Milo schaute mich einen Augenblick an, als hätte ich etwas völlig Blödsinniges von mir gegeben. Plötzlich aber schien sich sein Blick nach innen zu kehren, dann sagte er: „Ein Aspekt, der nicht von der Hand gewiesen werden kann. Himmel, Partner, dann haben wir es am Ende nicht nur mit Betriebsspionage zu tun, sondern auch mit Mord.“
Ich winkte ab. „Malen wir den Teufel nicht an die Wand, Milo. Reden wir lieber mal ein paar Takte mit Dennis Mason von Dragon Systems. Ich bin aber fast davon überzeugt, dass er uns einige Techniker oder Ingenieure präsentiert, die Stein und Bein schwören, das Fingerscan-System entwickelt zu haben. Ich denke, in dieser Sache hat SoftTec das Nachsehen, es sei denn, wir erwischen Rich Gardner, und der gesteht, die Pläne der von SoftTec entwickelten Technologie an Dragon Systems verkauft zu haben.“
Ich suchte die Nummer von Dragon Systems heraus und hatte wenig später die Sekretärin Dennis Masons an der Strippe. Ich bekam einen Termin für den kommenden Tag, nachmittags, um 14 Uhr.
Nun, in diesem Fall, so schien es mir, lief uns nichts mehr davon.
Am kommenden Tag erschien kurz vor neun Uhr die Verlobte Richard Gardners. Was für eine Frau! Mir verschlug es glatt die Sprache. Auch Milo bekam große Augen. Ihre Erscheinung schlug uns beide in ihren Bann. Sie war etwa 30 Jahre alt und eins-siebzig groß, gewachsen wie eine Grazie, und sie hatte das Gesicht einer Liz Taylor der 50er Jahre. Jennifer Pattons Haare waren dunkel, die Augen blau. Der Blick dieser Augen schien in den verborgensten Winkel meines Gehirns zu dringen. Ihr Hals war schlank, die Linie des fein geformten Kinns makellos. Sie lächelte. Weiße, regelmäßige Zähne schimmerten zwischen ihren sinnlichen Lippen.
Ein Mann, der diese Frau verließ, musste ein Narr sein.
Ich bot ihr einen Sitzplatz an. Sie ließ sich nieder und schlug die schlanken Beine, die in einer engen Jeans steckten, übereinander. „Wenn ich gestern etwas unhöflich war“, sagte sie, „so möchte ich mich hierfür entschuldigen. Aber als ich hörte, dass Sie vom FBI sind, wusste ich, dass der Anruf wieder Richard betraf. Die ständigen Anrufe seinetwegen gehen mir auf die Nerven. Richard hat mich schmählich sitzen lassen. Er ist ein Schuft. Von Bill Pfeiffer habe ich erfahren, dass er irgendeine Entwicklung an die Konkurrenz von SoftTec verkauft haben soll.“
„Entschuldigung angenommen“, gab Milo zu verstehen. „Ich bin Special Agent Milo Tucker.“ Er wies auf mich. „Special Agent Trevellian. Wer ruft denn so oft an wegen Richard Gardner?“
„Pfeiffer von SoftTec, Kollegen, Bekannte. Und jetzt auch noch das FBI. Ich kann die Frage nach Rich nicht mehr hören. Der Schuft hat sich abgesetzt. Wobei ich davon überzeugt bin, dass er irgendein Betriebsgeheimnis an Dragon Systems verkauft hat. Mittlerweile traue ich ihm jede Schlechtigkeit zu. Richard war nie zufrieden mit dem, was er hatte. Er wollte immer höher hinaus. Rich war habgierig.“
„Hat es seit seinem Verschwinden nie ein Lebenszeichen von Gardner gegeben?“, fragte ich.
„Nein.“ Jennifer schüttelte den Kopf. „Der Schuft hat sämtliche Brücken hinter sich abgebrochen und seine Spur akribisch ausgelöscht. Allerdings hatte er schon immer eine gewisse Vorliebe für die alte Welt. Ich schätze, er treibt sich irgendwo in Paris, Rom oder Madrid herum, und haut das Geld, das man ihm gezahlt hat, auf den Kopf.“
„Sie lassen ja kein gutes Haar an dem Mann, den Sie heiraten wollten“, wandte ich ein.
„Er hat mir Sand in die Augen gestreut. Er hat der ganzen Welt Sand in die Augen gestreut. Mich hat er ausgenutzt. Ich hasse ihn dafür.“
„Ist Ihnen schon einmal in den Sinn gekommen, dass Richard Gardner gar nicht mehr lebt?“, fragte Milo.
Sie schaute ihn entgeistert an. „Warum sollte er tot sein?“
„Nun, vielleicht zahlte man ihn mit einem Stück Blei aus“, erklärte ich.
In ihren ebenmäßigen Zügen arbeitete es. Sie blinzelte. Dann stammelte sie: „Nein, G-men. Das – das ist mir … ist mir noch nicht in den Sinn gekommen.“ Ihre Stimme gewann an Sicherheit. „Daran habe ich überhaupt noch keinen Gedanken verschwendet.“
„Es ist nicht auszuschließen“, knurrte ich. „Wir müssen jede Möglichkeit ins Kalkül ziehen. Unabhängig davon werden wir, wenn sich der Verdacht der Betriebsspionage gegen Gardner erhärtet, Interpol einschalten. Besitzen Sie ein Bild von Gardner?“
Ohne nachzudenken schüttelte Jennifer den Kopf. „Die Bilder habe ich in die Mülltonne geworfen, nachdem ich sicher sein konnte, dass Rich mich schnöde verlassen hat. Die sind längst durch den Schlot der Müllverbrennung.“
„Wir werden eines aus der Personalakte, die es bei SoftTec sicherlich gibt, bekommen“, sagte Milo gleichmütig.
Ich hatte einen Moment lang das Gefühl, als wirkte Jennifer Patton irritiert.
„Wovon leben Sie eigentlich?“, fragte ich sie.
„Bis vor zwei Monaten unterstützte mich Richard. Seit er fort ist, bin ich auf meine Eltern angewiesen. Ich suche einen Job – als Modell, aber es sieht schlecht aus. Die Konkurrenz ist jung und unverbraucht.“
Ich wusste, worauf sie anspielte. Als Modell gehört eine Frau um die 30 schon fast zum alten Eisen, wie man so sagt.
„Wo leben Ihre Eltern?“
„Philadelphia. Bitte, G-men, lassen Sie meine Eltern aus dem Spiel. Sie sind alt und hatten ihr Leben lang nichts mit der Polizei zu tun. Meine Mutter würde ganz sicher einen Schock bekommen, wenn …“
Jennifer brach bedeutungsvoll ab.
„Sagen Sie uns trotzdem die Anschrift“, verlangte ich.
Die schöne Frau seufzte. Dann gab sie mir die erbetene Auskunft. Milo notierte fleißig.
Ich versuchte mir ein Bild von Jennifer Patton zu machen. Entweder war sie wirklich sehr emotional veranlagt, oder sie war eine vorzügliche Schauspielerin.