Читать книгу Trevellian verhindert schmutzige Geschäfte: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 9
4
ОглавлениеEs war Abend. Zwischen die Hochhäuser Manhattans hatte sich die Dunkelheit gesenkt. Millionen Lichter brannten, Leuchtreklamen erstrahlten in allen Farben. Jacob Douglas schaute fern. Er war geschieden. Im TV wurde ein alter Western mit John Wayne ausgestrahlt. Douglas hatte den Film schon einmal gesehen. Dementsprechend langweilte er sich. Aber die anderen Programme brachten auch nichts Besseres; Wiederholungen, Reportagen, Soaps – alles Sendungen, die Douglas nicht im Mindestens interessierten. Also schaute er John Wayne zu, wie dieser sich schlagend und schießend über die Mattscheibe bewegte.
Douglas zuckte zusammen, als sein Telefon klingelte. Er nippte von dem Whisky, den er sich eingeschenkt hatte, dann stand er auf und ging zum Telefon. »Douglas.«
Sekundenlang herrschte Schweigen im Äther. Dann sagte eine verzerrte Stimme: »Ich habe echtes Beweismaterial. Was ich bisher der Polizei geliefert habe, war sozusagen harmlos. Damit können sie dir kaum etwas am Zeug flicken.«
»Wer spricht da? Was wollen Sie?«
»Wer ich bin, möchtest du sicher gerne wissen. Aber ich werde es dir nicht sagen, Douglas. Was ich will, ist ganz einfach ausgedrückt. Eine Million in kleinen Scheinen. Wenn du nicht zahlst, geht weiteres Material an die Bullen, Material, das dir das Genick brechen wird.«
»Was für Material?«
»Das wirst du dann sehen, wenn sie es dir präsentieren. Aber dann ist es für dich zu spät.«
»Woher soll ich eine Million nehmen?«
»Du hast mit deinen dreckigen Geschäften weit mehr als eine Million verdient.«
»Es gibt gar kein Material.«
»Es gibt eine Liste mit Geschäftspartnern, die die Polizei nicht kennt«, sagte der Anrufer. »Ich habe eine Kopie davon. Wenn ich sie der Polizei zuspiele …«
Douglas knirschte mit den Zähnen. »Diese Liste kannst du nur von Mabel Overholser haben.« Auch Douglas ließ jetzt die Formalitäten weg. Er war hochgradig erregt. Seine Hände zitterten, seine Wangenmuskulatur vibrierte.
»Denk, was du willst, Douglas. Wirst du zahlen?«
Douglas musste zweimal ansetzen. Dann keuchte er: »Okay. Ich zahle. Wann und wo?«
»Ich melde mich wieder.«
Der Anrufer legte auf. Die Stimme war derart verzerrt gewesen, dass Douglas nicht zu sagen vermochte, ob sie einem Mann oder einer Frau gehört hatte.
Er hielt gedankenverloren den Hörer noch eine Weile in der Hand. Dann legte er ihn auf den Apparat und ging zur Couch, ließ sich nieder, griff nach dem Glas und trank es mit einem Schluck leer. Die scharfe Flüssigkeit rann durch seine Kehle und ließ ihn hüsteln. Tränen traten ihm in die Augen.
Nach und nach beruhigte er sich wieder. Und plötzlich blitzte es in seinen Augen auf. Er ging zu dem Board, auf dem das Telefon stand, öffnete eine Schublade und holte sein Adressbuch hervor, blätterte darin, dann pflückte er den Hörer vom Gehäuse und tippte eine Nummer. Das Freizeichen ertönte, dann ertönte der Anrufbeantworter. »Hier ist der Anschluss von Mabel Overholser …«
Douglas legte auf. Einen Moment hatte er seine Sekretärin in Verdacht. Sie hatte Zugang zu allen geschäftsinternen Daten, sie kannte auch die Liste, von der der Anrufer gesprochen hatte. Mabel war eingeweiht. Hatte sie mit jemandem darüber gesprochen? Sie war alleinstehend. Er zahlte ihr ein Gehalt, von dem andere Sekretärinnen nur träumen konnten. Sollte sie ihm in den Rücken gefallen sein?
Douglas war es plötzlich ziemlich unbehaglich zumute. Sie hatte ihn in der Hand. Wenn sie nicht mehr mitspielte, war er geliefert. Er holte noch einmal sein Adressbuch hervor. Dann wählte er die Handynummer seiner Sekretärin. Sie meldete sich sogleich. Douglas sagte: »Ich hab schon versucht, Sie zu Hause zu erreichen, Mabel.«
»Ich bin im Kino. Am Broadway. Was wollen Sie denn von mir, Mr. Douglas?«
Er lauschte der Stimme hinterher. Hatte sie Ähnlichkeit mit der verzerrten Stimme von vorhin? Er konnte es nicht bejahen, wollte es aber auch nicht ausschließen. Nur Mabel wusste Bescheid. Oder hatte sie die Liste einem Dritten weitergereicht? Siedend durchfuhr es Douglas. Er räusperte sich, gab sich etwas verlegen und sagte: »Verzeihen Sie, Mabel. Ich fühle mich einsam und wollte Sie zum Essen einladen. Ich – ich sehne mich nach einem gemütlichen Abend. Seit meiner Scheidung …«
Er unterbrach sich.
»Der Film ist um zehn Uhr zu Ende«, gab Mabel Overholser zu verstehen. »Wir können uns gerne treffen. Ich bin zu Fuß die paar Schritte von meiner Wohnung zum Broadway gegangen. Holen Sie mich ab?«
»Welches Filmtheater?«
Sie sagte es ihm. Nachdem er aufgelegt hatte, überlegte er, dann holte er das Telefonbuch, blätterte darin herum, und hatte schließlich den Namen, den er suchte. Holman – Andrew Holman. Er tippte die Nummer. Die monoton klingende Stimme einer Frau erklärte ihm, dass es unter der gewählten Nummer keinen Anschluss mehr gab. Douglas presste die Lippen zusammen. »Elfte Straße, Nummer dreihundertachtundfünfzig«, murmelte er. Er kannte die Adresse, wenn er den beiden G-men gegenüber auch so getan hatte, als wüsste er nicht, wo Holman wohnte.
Holman war der Sohn der seiner ersten Ehefrau. Von ihr hatte er sich vor über dreißig Jahren scheiden lassen. Holman war damals zehn. Er hatte den Kontakt zu Andrew Holman verloren. Als dieser sich vor einiger Zeit bei ihm meldete, weil er völlig pleite und am Ende war, gab Douglas ihm einen Job. Niemand im Betrieb wusste Bescheid. Er hatte Holman verboten, darüber zu sprechen.
Douglas schaute auf die Uhr. Es war 8 Uhr 35.
Er hatte Zeit. Von einem Augenblick auf den anderen entschloss er sich, und er holte seine Pistole aus dem Schlafzimmer. Eine Beretta Cougar 8000, 950 Gramm schwer, Lauflänge 92 Millimeter, Kaliber 9 Millimeter Luger. Er schob sie in seinen Hosenbund, dann schnappte er sich seine Jacke vom Haken und verließ die Wohnung. Er fuhr in die 11. Straße. Die Kellerwohnung fand er schnell. Obwohl die Jalousie vor dem Fenster heruntergelassen war, konnte er durch die Ritzen Licht sehen. Er klopfte gegen die Tür, weil es keine Glocke gab. Gleich darauf wurde sie einen Spalt breit geöffnet, der rechte Teil von Holman Gesicht war zu sehen, die andere Hälfte wurde vom Türblatt verdeckt.
Verwundert riss Holman die Augen auf. Sie waren gerötet und wässrig. Seine Lippen waren feucht. »Was willst du denn hier?«, fragte er mit alkoholschwerer Zunge. »Willst du mich etwa wieder einstellen? Hast du keinen gefunden, der die Dreckarbeit für dich macht?«
Kurzerhand trat Douglas gegen die Tür. Sie flog nach innen auf. Die Sicherungskette wurde aus der Verankerung gerissen. Holman bekam das Türblatt ins Gesicht und stolperte einige Schritte zurück, einen gurgelnden Ton von sich gebend.
Douglas trat ein. Angewidert schaute er sich um. Am Tisch saß eine Lady, die er nicht mit der Beißzange angefasst hätte. Sie hatte lange, strähnige Haare, ein aufgedunsenes Gesicht, verfügte über einen unförmigen Oberkörper und war offensichtlich ebenso betrunken wie Holman. Auf dem Tisch vor ihr standen eine Flasche Wein und eine fast geleerte Pulle Rumverschnitt. Gläser gab es nicht.
»Hast du bei mir angerufen, du dreckiger Alkoholiker?«
»Ich? Wie käme ich dazu? Von dir habe ich nichts zu erwarten.« Holman lachte nervös auf. »Ich war zwar mal dein Stiefsohn, aber nach der Scheidung von meiner Mutter hast du mich behandelt wie Dreck. Im Dreck hast du mich auch arbeiten lassen. Sind sie etwa dabei, dir die Lizenz zu entziehen? Sperren sie endlich deinen Laden zu? Es wird Zeit, sage ich dir, verdammt Zeit. Wundert mich sowieso, dass sie dich noch nicht eingesperrt haben, nach allem, was vorgefallen ist.«
»Gib mir die Liste? Wie hast du dich in das Vertrauen Mabels geschlichen? Hast du ihr irgendetwas erzählt?«
Holman ging zum Tisch und setzte sich. Er griff nach der Flasche Rum und trank einen Schluck, atmete tief durch und rülpste. »Du redest Unsinn. Einen wie mich hat die arrogante Overholser nicht einmal beachtet.« Holman kniff die Augen zusammen. »Was für eine Liste?«
»Mit der du mich erpressen willst.«
»Was redest du bloß für einen Scheiß, Mann!«
Douglas ging zum Telefon, das auf einem Schränkchen stand, das Holman wohl vom Sperrmüll geholt hatte. Es war weiß lackiert, aber der Lack blätterte schon ab. Auf den Deckel war ein grüner PVC-Belag geklebt. Er nahm den Hörer ab und hielt ihn sich ans Ohr. Es erklang das Besetztzeichen.
»Den Telefonanschluss hat man mir gekappt«, lachte Holman und es klang unecht, wie von weit hergeholt. »Habe die Telefonrechnung nicht bezahlt. Zu verdanken habe ich das dir, du verdammter alter Sack. Eines darfst du mir glauben: Ich schließe dich in meine Nachtgebete ein. Und dass ich dir kein langes Leben bei bester Gesundheit wünsche, kannst du dir wohl denken.«
Douglas legte den Hörer wieder auf, dann griff er in die Tasche, holte seine Brieftasche heraus und entnahm ihr hundert Dollar. Er ging damit zum Tisch und warf das Geld auf die Platte. »Versaufe es nicht!«, mahnte er mit grollender Stimme. »Und wenn du willst, kannst du wieder bei mir anfangen.«
»Ich denke, dein Laden wird geschlossen.«
»Ich werde bald wieder öffnen. Bei dir waren die beiden FBI-Schnüffler. Was hast du Ihnen erzählt?«
»Dass mir in deinem Betrieb das Essen verging.«
»Was noch?«
»Nichts, außer, dass es Zeit wird, dass man den Laden zusperrt. Ich werde nicht wieder bei dir anfangen. Aber es würde dir sicher nicht weh tun, wenn du mich ein wenig unterstützen würdest. Alle Monate ein paar Hunderter …«
»Damit du noch mehr saufen könntest.«
Douglas verließ die Wohnung. Er glaubte selbst nicht mehr daran, dass es sich bei dem Anrufer um Holman handelte.
Mabel Overholser! An sie musste er sich wenden.
Es war 9 Uhr 30. Douglas beschloss, zum Broadway zu fahren. Eine kurze Wartezeit nahm er gerne in Kauf.