Читать книгу Trevellian und der Regisseur des Todes: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 9
4
ОглавлениеAm folgenden Morgen statteten wir Steven Baldwin in der Sawyer Street in Queens einen Besuch ab. Er war selbständiger Versicherungsvertreter, und sein Büro befand sich in seinem Haus.
»Ich hatte ein Grundstück in Linden Hill«, erzählte er. »Tausend Quadratyards. Ich habe es damals erworben, um damit zu spekulieren. Die Stadtverwaltung hat mir allerdings einen Riegel vorgeschoben. Man fand mich mit einem lächerlichen Betrag ab, und unsere Petitionen wurden mit lapidaren Begründungen abgeschmettert.«
Er zeigte uns einen Bescheid der Stadtverwaltung. In nüchterner Amtssprache wurde Baldwin damit mitgeteilt, dass sein Widerspruch gegen die Enteignung zurückgewiesen werde und er gegebenenfalls angefallene Kosten selbst zu tragen habe. Ich las die Begründung. Man hatte den Fall zwar einer rechtlichen Würdigung unterzogen, aber irgendwie kam mir die ganze Begründung recht konstruiert und wenig aussagekräftig vor.
»Sind Sie nicht vor Gericht gegangen?«, fragte ich, nachdem ich den Bescheid gelesen hatte.
»Doch. Aber wir haben unsere Klagen zurückgenommen, als signalisiert wurde, dass das Gericht zugunsten der Stadtverwaltung entscheiden würde.« Baldwin schaute mich verschwörerisch an. »Der Richter war befangen«, erklärte er. »Er ist Mitglied des Golfclubs, der die Anlage bauen will. Aber das habe ich erst hinterher herausgefunden. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens wurde abgelehnt.«
In irgendwelchen prozessualen Feinheiten wollten wir uns hier nicht verlieren. Darum stellten wir keine weiteren Fragen.
»Es wurden Drohungen gegen Arthur Manson laut«, sagte ich und schaute in das Gesicht Baldwins, um seine Reaktion zu beobachten.
In dem Gesicht zuckte kein Muskel. Die Augen zeigten nicht die Spur einer Gemütsbewegung. »Wundert Sie das, Mister Trevellian? Manson setzte den Bau des Golfplatzes in der Stadtverordnetenversammlung durch. Er war der glühendste Verfechter der Baumaßnahme. Er konstruierte das öffentliche Interesse. Ihm haben wir es zu verdanken, dass wir viel Geld verloren haben. Eine Kaufhauskette zeigte Interesse an dem Gelände.«
Wir verabschiedeten uns von Baldwin, und ich lenkte den Sportwagen nach Brooklyn, in die Paerdegat 2nd Street, wo Louella Mangano wohnte. Die Frau besaß ein schönes Haus mit Garten, was vermuten ließ, dass sie nicht gerade zu den Armen unseres Landes gehörte. Als sie uns die Tür öffnete, verschlug es mir den Atem. Sie war eine schwarzhaarige, rassige Schönheit, Ende der Zwanzig, von einer Fraulichkeit, die ihresgleichen suchte, die etwas verströmte, dem sich wahrscheinlich kein Mann entziehen konnte.
Mein Herz schlug schneller. »Guten Tag, Ma‘am«, grüßte ich. »Mein Name ist Jesse Trevellian, ich bin Special Agent beim FBI New York. Mein Kollege Milo Tucker. Wir hätten Sie gerne gesprochen.«
»Was habe ich mit dem FBI zu tun?«
Ihre Stimme klang erotisch. Diese Frau war betörend. Sie fesselte mich. »Es geht um die Entführung der Ehegattin des Stadtverordneten Arthur Manson.«
Das schöne Gesicht der Frau nahm für einen Moment einen herben Ausdruck an, dann aber lächelte sie und sagte: »Treten Sie ein, Agents. Ich habe von der Entführung gehört. Die Nachrichten sind voll davon.«
Im Wohnzimmer forderte sie uns auf, Platz zu nehmen. Sie selbst setzte sich in einen der schweren Sessel und schlug die schlanken Beine übereinander.
Ja, sie faszinierte mich. Ich konnte an ihr keinen Makel feststellen. Diese Frau war perfekt. So empfand ich sie zumindest.
Sie lächelte. Zwischen ihren sinnlich geschnittenen Lippen schimmerten weiße Zähne. »Stehe ich etwa in Verdacht, Mistress Manson entführt zu haben?«
»Sie gehören zu den Grundstücksbesitzern, die wegen des Baues einer Golfanlage in Linden Hill enteignet wurden.«
»Das ist richtig.« Louella nickte. »Das Grundstück erbte ich – wie auch dieses Haus – von meinen Eltern. Sie sind bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Es war ein Kampf gegen Windmühlenflügel, als wir uns gegen die Enteignung wehrten. Am Ende haben wir verloren und mussten neben dem Verlust auch noch die Kosten tragen.«
»Rechtsanwalts- und Gerichtskosten, wie?«, fragte Milo.
»Ja. Die Lobby, die hinter den Betreibern des Golfplatzes stand, entpuppte sich als unüberwindbares Bollwerk. Einflussreiche Leute aus Politik, Justiz und Wirtschaft, millionenschwere Sponsoren. Die Feststellung des Gemeinwohles erfolgte a posteriori. Es war der Kampf Davids gegen Goliath.«
»Eine herausgehobene Rolle in dieser Inszenierung nahm Arthur Manson ein«, äußerte ich.
»Ja, er war so etwas wie die Galionsfigur in diesem traurigen Spiel.«
»Sie hassen ihn deswegen?«
»Hass …«, der Blick der jungen Frau schien sich nach innen zu verkehren, »Hass empfinde ich nicht. Für kurze Zeit hatte ich den Glauben an das Recht verloren. Aber dann habe ich mich damit abgefunden. Ich bin kein Mensch, der eine Niederlage nicht wegstecken könnte.« Sie lachte. »Meine Sensibilität hält sich in Grenzen.«
Unter ihrem Blick wurde mir ganz heiß. Ich gab ihr eine von meinen Visitenkarten. Als wir wieder im Wagen saßen, sagte Milo mit einem aufgesetzt niederträchtigen Grinsen: »Komm wieder auf den Boden, Partner. Sicher, auch ich bin beeindruckt. Aber sie spielt eine Rolle in einem Fall, den wir zu lösen haben. Ob es eine Statisten- oder eine Hauptrolle ist, muss sich noch herausstellen.«
Der Gedanke an Louella Mangano ließ mich nicht mehr los. Immer wieder erschien ihr gleichmäßiges Gesicht vor meinem geistigen Auge. Sie hatte auf mich einen tiefen Eindruck hinterlassen. Für den Rest des Tages konnte ich mich nicht mehr so richtig auf meine Arbeit konzentrieren.
Kurz vor Feierabend rief Mr. McKee an. »Man hat einen Krisenstab gebildet, Jesse. Auch ich wurde in das Gremium berufen. Morgen Vormittag tritt es zusammen. Anschließend gibt es eine Pressekonferenz.«
»Was denken Sie, Sir?«
»Ich sagte es bereits. Die Regierung wird in die Bresche springen und das Lösegeld bezahlen. Verhandlungen mit den Entführern sind nicht möglich. Manson kann das Geld nicht aufbringen. Es wäre ein Vabanquespiel, darauf zu vertrauen, dass die Kidnapper die Frau auch ohne Lösegeldzahlung laufen lassen.«
Wir machten an diesem Tag pünktlich Feierabend. Ich brachte Milo nach Hause. Nachdem er ausgestiegen war, beugte er sich noch einmal ins Wageninnere. »Träumst du immer noch, Partner?«
»Erzähle mir bloß nicht, dass Louella Mangano bei dir keinen bleibenden Eindruck hinterlassen hat«, knurrte ich.
Milo lachte. »Wenn das nicht so wäre, würde ich an meiner Einstellung zweifeln. Aber wie es scheint, bin ich – dieses Thema betreffend – ein wenig abgeklärter als du. Bei dieser Lady musst du sicher mehr mitbringen als einen krisenfesten Arbeitsplatz. Außerdem glaube ich nicht, dass sie auf einen wie dich gewartet hat. Ich verwette meinen linken Arm, dass sie bereits in festen Händen ist. Also höre auf zu träumen und stelle dich der Realität.«
Ich fuhr nach Hause. Die Telefonnummer von Louella Mangano festzustellen kostete mich ein Lächeln. Dann überlegte ich, ob ich sie anrufen sollte. Ich nahm den Telefonhörer in die Hand, legte ihn wieder weg, schnappte ihn mir erneut. Ich schalt mich einen Feigling.
Schließlich fasste ich all meinen Mut zusammen und tippte die Nummer in das Telefon. Das Freizeichen ertönte. Dann erklang eine rauchige Stimme: »Louella Mangano.«
Mein Atem ging schneller. »Trevellian«, sagte ich. »Störe ich Sie, Miss Mangano?«
»Nein. Das Fernsehprogramm ist eine Katastrophe. Ich habe schon daran gedacht, mich ins Bett zu legen und ein Buch zu lesen. Was kann ich für Sie tun? Sind noch irgendwelche Fragen offen?«
»Es gibt noch eine Frage.«
»Stellen Sie sie, Agent.«
»Darf ich Sie zum Essen einladen?«
Louella lachte. »Das hat aber wenig mit dem Fall zu tun, an dem Sie gerade arbeiten.«
»Wenn ich ehrlich bin – gar nichts.«
»Ich habe bereits gegessen, G-man.«
»Dann lade ich Sie auf ein Glas Wein ein. Sagen Sie ja, Miss Mangano. Ich könnte Sie in einer Stunde abholen.«
»Sagen Sie Louella zu mir. In Ordnung, Jesse. Holen Sie mich in einer Stunde ab. Ich freue mich auf Sie.«
Am liebsten hätte ich einen Luftsprung vollführt. Da ich bereits geduscht hatte, rasierte ich mich nur noch schnell und putzte mir die Zähne. Das Gefühl, das mich beherrschte, konnte man nur als himmelhochjauchzend beschreiben. Hatte ich mich verliebt?
Nachdem ich mir Rasierwasser ins Gesicht geklatscht und den Mund mit Mundwasser gespült hatte, verließ ich meine Junggesellenbude, fuhr mit dem Lift in die Tiefgarage, und wenig später war ich auf dem Weg nach Brooklyn.
Louella sah bezaubernd aus. Ein dezenter Duft ging von ihr aus. Sie war kaum geschminkt, aber gerade das verlieh ihrem Gesicht einen natürlichen Reiz. »Ich freue mich, dass ich Sie einladen durfte«, sagte ich.
»Und ich freue mich über die Einladung. Zwei- oder dreimal im Monat gehe ich mit Freunden und Bekannten weg. Die andere Zeit sitze ich zu Hause herum und wälze Gesetze oder Kommentare.«
Mir fiel ein, dass wir sie gar nicht nach ihrem Beruf gefragt hatten. »Machen Sie ein berufsbegleitendes Studium?«
»Nein. Es handelt sich um ein Vollzeitstudium. Jura. Vor zwei Jahren habe ich meinen Beruf an den Nagel gehängt und mich bei der Fordham Universität eingeschrieben. Über das Geld, um mein Leben bestreiten zu können, verfüge ich.«
Wir fuhren in Richtung Manhattan.
»Was sind Ihre beruflichen Pläne?«, wollte ich wissen.
»Ich will Staatsanwältin werden.«
»Ein hohes Ziel.«
»Man muss seine Ziele hochstecken im Leben.«
Mein Ziel war die Smithfield Bar in der Essex Street. Es war ein vornehmer Laden mit einem gediegenen Ambiente, in dem nur eine distinguierte Gesellschaftsschicht verkehrte und vor dem ein breitschultriger Türsteher darauf achtete, dass keine potentiellen Störenfriede oder Zeitgenossen, die sich nicht in den vorgegebenen Rahmen einfügten, ihren Fuß über die Schwelle setzten.
Das Licht in der Bar war schummrig. Leise Musik spielte im Hintergrund. Das Publikum hier war zu neunzig Prozent jenseits der Vierzig. Die Damen waren gepflegt, die Herren gaben sich weltmännisch. Der Kellner geleitete uns zu einem freien Tisch, rückte Louella den Stuhl zurecht, ich wartete, bis sie saß, dann ließ auch ich mich nieder. Ich bestellte trockenen Rotwein; Cabernet Sauvignon Stag‘s Leap Vineyard, Jahrgang 2000. Er kam aus dem Napa Valley, Kalifornien.
Ich kostete den Wein. Er schmeckte vorzüglich. Nachdem uns der Kellner eingeschenkt hatte, prosteten wir uns zu. Louella sah mich dabei an, und ich verspürte plötzlich ein seltsames Kribbeln zwischen den Schulterblättern.
Ich erfuhr, dass sie solo war. Ihre letzte Beziehung war vor einem halben Jahr auseinander gegangen. Ihr Vater war Lehrer an einer Grundschule in Brooklyn gewesen, die Mutter betätigte sich in ihrer Freizeit als Kunstmalerin.
Louella erzählte mir aus ihrem Leben. Ich hörte ihr zu. Manchmal stellte ich eine Frage. Sie war humorvoll, kurzweilig, und nicht die Spur arrogant, wie man es schönen Frauen wie ihr oftmals nachsagte.
Ich brachte sie weit nach Mitternacht mit einem Taxi nach Hause, denn nach dem Genuss des Weines wagte ich mich nicht mehr ans Steuer. Vor ihrer Haustür verabschiedete sie sich von mir, und sie hauchte mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Ich war der glücklichste Mensch auf Erden.