Читать книгу Trevellian und der Tod auf Bestellung: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 8

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Der Mann hieß Gregg Hollander. Einen Wohnsitz hatte er genannt, als er die Vermisstenanzeige erstattete, ob wir ihn jedoch dort antrafen, war fraglich. Es war eine Adresse in der Bronx, eine Straße, die von heruntergekommenen, teils verlassenen Häusern gesäumt wurde. Der Putz fiel von den Fassaden ab. Viele Fenster waren eingeschlagen. Die Mülltonnen vor den Gebäuden quollen über. Unrat lag auf den Gehsteigen und der Straße herum.

Es war um die Mitte des Vormittags, als ich den Wagen am Straßenrand abstellte. Auf einer Treppe lümmelten fünf Jugendliche. Drei Burschen, zwei Girls. Sie rauchten. Aus einem offenen Fenster trieb laute Musik. Irgendwo weinte ein Kind, eine keifende Frauenstimme war zu hören. Ein Mann, auf dessen Kopf eine Baseballmütze saß, schob einen Einkaufswagen. Das Scheppern vermischte sich mit der lärmenden Musik.

Wer hier wohnte, war durch das Netz der Sozialität gefallen und fristete sein Dasein am Rand der Gesellschaft. Brutstätte der Kriminalität. Der Weg der Kinder, die hier aufwuchsen, war vorgezeichnet. Er endete in neunundneunzig Prozent aller Fälle in der Asozialität.

Ich schaute mich um und fühlte Unbehaglichkeit. Schließlich suchten wir das Gebäude mit der Nummer neunundvierzig. Nur die wenigsten Häuser wiesen Nummernschilder auf. Wir fanden die Nummer siebenunddreißig und konnten uns ausrechnen, bei welchem Anwesen es sich um Nummer neunundvierzig handelte.

Es war ein dreistöckiges Gebäude. Die Haustür stand offen. Einige Briefkästen waren im Treppenhaus an der Wand befestigt, die meisten waren jedoch aufgesprengt. Der Geruch von Staub und Moder schlug uns entgegen. Die Wände waren verkratzt und mit Sprüchen sowie primitiven Zeichnungen vollgekritzelt. Es war düster.

»Hier möchte ich nicht mal begraben sein«, knurrte Milo.

Wir stiegen die Treppe empor. In jeder Etage gab es zwei Wohnungen. Wir läuteten an einer Tür im ersten Stock. Es dauerte nicht lange, dann wurde uns geöffnet. Es war eine junge Frau mit strähnigen, blonden Haaren und aufgequollenem Gesicht, Zeichen dafür, dass sie dem Alkohol nicht abgeneigt war. Sie fixierte uns misstrauisch. »Was wollen Sie?«

Ich übernahm es, zu antworten. »Wir suchen einen Mann namens Gregg Hollander. Er hat angegeben, hier zu wohnen.«

»Den kenne ich«, sagte die Lady. »Gregg wohnt nicht hier. Aber sein Kumpel. Eine Etage höher. Er heißt Sam Jennings. Zu ihm kommt Gregg oft.«

»Sagt Ihnen der Name Ben Miller etwas?«, fragte ich, einem jähen Impuls folgend.

»Ben, ja. Kam öfter mit Gregg hierher. Ist er nicht verschwunden?«

»Ist er«, sagte ich, verschwieg aber, dass Ben Miller nicht mehr lebte. »Sam Jennings, sagten Sie.«

»Es ist die Wohnung über meiner.«

»Danke.«

Wir stiegen weiter die Treppe hinauf und läuteten an der Tür von Sam Jennings. Jennings war mit Jeans und einem grünen Unterhemd bekleidet. Seine Arme waren tätowiert. Er war unrasiert, seine Haare waren durcheinander, und mir war klar, dass das Wort Morgentoilette für Jennings ein unbekannter Begriff war.

Er musterte uns von oben bis unten, dann schaute er mir herausfordernd ins Gesicht und sagte mit schiefem Mund: »Entweder seid ihr Versicherungsvertreter oder Bullen. Was nun?«

»Bullen«, sagte ich und zeigte Jennings meine ID-Card.

»FBI«, grunzte er. Seine Brauen schoben sich zusammen. »Ihr kommt wegen Ben Miller, nicht wahr?«

»Wir suchen Gregg Hollander.« Ich verstaute die ID-Card wieder in der Tasche.

»Keine Ahnung, wo Gregg sich herumtreibt. Er war vorgestern hier. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Er hat keine eigene Wohnung und schläft mal hier, mal dort. Was wollen Sie denn von Gregg?«

»Er hat Ben Miller als vermisst gemeldet.«

»Ich weiß. Er hat mit mir darüber gesprochen. Wenn ich richtig informiert bin, war Miller der vierte oder fünfte Obdachlose, der spurlos verschwunden ist.«

»Der fünfte«, sagte ich. »Was wissen Sie sonst noch?«

»Miller hat Gregg gegenüber seltsame Andeutungen gemacht.«

»Lassen Sie sich nicht die Würmer aus der Nase ziehen«, knurrte Milo etwas ungeduldig. »Welche Andeutungen?«

»Er erzählte Gregg, dass er Rückenmark spenden wolle. Das werde gut bezahlt. Das Rückenmark werde für die Behandlung von Leukämiekranken benötigt.«

Es durchfuhr mich wie ein Stromstoß. »Sprechen Sie weiter«, forderte ich Jennings auf. »Was hat Ihnen Hollander noch erzählt? Nannte er Namen? Den Namen eines Krankenhauses oder eines Arztes?«

»Soviel ich von Gregg weiß, erging sich Ben nur in Andeutungen.«

»Wir müssen unbedingt mit Hollander sprechen!«, presste ich hervor. »Besitzt er ein Handy? Können Sie ihn telefonisch erreichen?«

Jennings lachte auf. Jetzt konnte ich sehen, dass ihm ein Eckzahn fehlte. Die anderen Zähne wiesen einen gelblichen Belag auf. »Wo denken Sie hin? Gregg lebt von dem, was andere wegwerfen. Und sein Handy wirft niemand weg. Versuchen Sie‘s mal vor dem Supermarkt in der Banker Street. Dort treibt sich Gregg oft herum.«

Jennings erklärte uns, wo wir die Banker Street fanden. Wir fuhren hin. Der Supermarkt hieß Dominick‘s Store und gehörte zur Supermarktkette Safeway. Der Parkplatz war nur zur Hälfte mit Autos besetzt. Männer und Frauen schoben Einkaufswagen. Bei einer Bank am Rand des Parkplatzes sahen wir fünf Männer, von denen jeder eine Bierdose in der Hand hielt. Sie sahen ungepflegt aus, ihre Kleidung mutete abgerissen an, und ganz offensichtlich handelte es sich um Penner, die sich den Tag hier vertrieben.

Wir gingen zu ihnen hin. Sie wurden auf uns aufmerksam und starrten uns mit lauerndem Ausdruck an. Mir fiel unwillkürlich der Vergleich mit einem Rudel ausgehungerter Wölfe ein. Keiner dieser Kerle war älter als dreißig. Aber der unstete Lebenswandel hatte unübersehbare Spuren in ihren Gesichtern hinterlassen. Einer spuckte aus, setzte die Bierdose an die Lippen und trank.

»Wir suchen Gregg Hollander«, gab ich zu verstehen.

»Viel Glück«, erwiderte einer der Kerle lakonisch.

»Ist einer von euch Hollander?«, fragte ich unbeirrt.

»Was wollt ihr denn von ihm?«

»Das werden wir Hollander selbst sagen. Ich bin Special Agent Trevellian, FBI New York. Wenn einer von euch Hollander ist, dann soll er es jetzt sagen. Oder müssen wir euch mitnehmen?«

»Ich bin Hollander«, meldete sich einer der Kerle. Er war blond, seine Haaren hingen bis auf die Schultern, der Jeansanzug, den er trug, war an den Knien und Ellenbogen abgewetzt und alles andere als sauber. Seine Augen waren glasig. Wahrscheinlich war das nicht das erste Bier an diesem Morgen, das er trank.

»Wir haben einige Fragen, Ben Miller betreffend«, erklärte ich. »Mit Sam Jennings haben wir bereits gesprochen. Was Sie ihm erzählt haben, ist für uns von großem Interesse.«

»Ihr könntet eigentlich ‘ne Runde spendieren«, grölte einer der Kerle. »Greggs Aussage ist sicher von Wert für euch. Und wir haben ziemlichen Durst.«

»Denkt an eure Leber, Jungs«, versetzte Milo. »Sie dankt es euch sicher, wenn sie eine kleine Pause bekommt.«

»Scheiß auf die Leber«, antwortete der Bursche. »Wenn sie hin ist, saufen wir auf der Milz weiter.«

Die anderen lachten. Auch Hollander.

»Miller sprach von Knochenmarkspende«, sagte ich an Hollander gewandt. »Er wollte sein Rückenmark verkaufen. Er hat doch sicher auch Einzelheiten erwähnt.«

»Ben tat ziemlich geheimnisvoll«, murmelte Hollander nach kurzer Überlegung. »Er sagte nur, dass man ihm eine Menge Geld für seine Rückenmarkspende bezahle.«

»Wer?«

Hollander zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich habe zwar gefragt, aber Ben schwieg.«

»Nannte er ein Krankenhaus, einen Arzt, irgendeinen Namen?«

»Nein«, antwortete Hollander kopfschüttelnd. »Nichts.«

»Denken Sie nach«, drängte ich.

»Nein, verdammt! Er schwärmte nur davon, dass er Geld wie Heu haben werde – nannte jedoch keine Summe.«

»Warum haben Sie das nicht bei der Polizei angegeben, als sie Miller vermisst meldeten?«, wollte Milo wissen.

»Ich hielt es nicht für wichtig. Hat es etwas mit Bens Verschwinden zu tun?« Hollander starrte mich an, als versuchte er, in meinen Zügen zu lesen.

»Möglich«, antwortete ich. »Außer Miller sind vier weitere Männer spurlos verschwunden. Jack Henders, Conrad Wilson, James Perry und Milt Casey. Kannten Sie einen von ihnen?«

»Ich kannte James Perry«, erklärte der Bursche, der vorhin eine Runde Freibier forderte. »Aber nicht gut. Ich kann Ihnen kaum etwas über ihn erzählen.«

»Wir geben uns auch mit dem Wenigen, das Sie wissen, zufrieden«, sagte Milo.

»Perry trieb sich bis vor drei Monaten in der Bronx herum. Dann verschwand er. Ich hörte mal, dass er sich nach Südmanhattan abgesetzt hat. Perry war ein Idiot. Er träumte davon, eine eigene Wohnung und einen Job zu haben und war überzeugt davon, es eines Tages zu schaffen.«

»Was ist daran idiotisch?«, fragte ich.

Der Bursche lachte klirrend auf. »Perry wollte nach den Sternen greifen. Doch sie sind für unsereins unerreichbar.«

»Man muss sich auf die Hinterbeine stellen«, gab Milo zu verstehen. »Und man muss sein Ziel hartnäckig verfolgen.«

»Dieser Zug ist für uns abgefahren«, knurrte der Bursche.

»Diese Kerle wollen gar kein anderes Leben«, meinte Milo, als wir wieder auf dem Weg nach Süden waren. »Sie leben von der Hand in den Mund, und das reicht ihnen. Ihre größte Sorge ist, dass ihnen das Bier und die Zigaretten ausgehen. Die meisten von ihnen sind Tagediebe.«

Trevellian und der Tod auf Bestellung: Action Krimi

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