Читать книгу Trevellian und die späte Reue: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 8
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ОглавлениеIch sprach mit dem ermittelnden Beamten von der Mordkommission Manhattan. »In McNellys Terminkalender ist vermerkt, dass er um neunzehn Uhr einen Termin mit einem gewissen Henders vereinbart hatte«, erklärte der Kollege. »Es ist davon auszugehen, dass es sich bei diesem Henders um seinen Mörder handelt. Wobei nicht anzunehmen ist, dass der Mörder unter seinem richtigen Namen einen Termin vereinbarte.«
»Wurden irgendwelche Spuren festgestellt, die einen Hinweis auf den Mörder zuließen? Fingerabdrücke zum Beispiel? Was hat die ballistische Analyse ergeben?«
»Fingerabdrücke gab es eine ganze Reihe, unter anderem die Prints eines Mannes namens Ben Carson, der polizeibekannt ist. Carson wurde überprüft. McNelly hat ihn in einer Strafsache vertreten. Carson hat für die Zeit des Mordes ein hieb- und stichfestes Alibi. Es ist auch kein Grund ersichtlich, der ihn bewogen haben könnte, seinen Rechtsanwalt umzubringen. Die tödliche Kugel war vom Kaliber neun Millimeter Luger. Keine Übereinstimmung mit registrierten Geschossen.«
»Also kein Hinweis auf die Person des Mörders«, konstatierte ich.
»Das ist leider so, Trevellian.«
Ich bedankte mich und beendete das Gespräch.
»Das ist nicht viel«, kam es von Milo, der dank des aktivierten Lautsprechers jedes Wort verstehen konnte, das gesprochen worden war. »Man kann auch sagen, das ist gar nichts.«
»McNelly war vierundvierzig Jahre alt«, bemerkte ich. »Der Bankraub fand vor zweiundzwanzig Jahren statt. Zu dieser Zeit müsste McNelly noch studiert haben.«
»Und als Student brauchte er sicher das Geld. Wie viel wurde damals überhaupt erbeutet?«
»Dreihunderttausend Dollar. Bei vier Tätern waren das fünfundsiebzigtausend für jeden. Ein warmer Regen für einen sicher nicht mit Reichtümern gesegneten Studenten.«
Milo grinste. »Warum bin ich nicht auf diese Idee gekommen, als ich studierte? Auch ich war ziemlich mittellos.«
»Du warst eben schon in jungen Jahren ein gesetzestreuer Bürger«, versetzte ich flapsig.
»Darum bin ich zu nichts gekommen. Jetzt weiß ich, was ich falsch gemacht habe. Aber Spaß beiseite, Jesse. Wir sollten uns mal mit McNellys Sekretärin unterhalten, natürlich auch mit seiner Gattin. Vielleicht auch mit McNellys Eltern, falls sie noch leben. Wäre doch interessant, zu erfahren, wie er als zweiundzwanzigjähriger Student sein Leben meisterte.«
Die Sekretärin hieß Amalie Stoneborn. Sie war um die fünfzig Jahre alt, hatte die dunkel gefärbten Haare zu einem Knoten gebunden und trug eine Brille mit rosarotem Rahmen. Da McNellys Kanzlei geschlossen war, statteten wir der Lady unseren Besuch in ihrer Wohnung ab.
»Ich kann es noch gar nicht fassen«, murmelte sie. »Das ist alles so schrecklich. Mister McNelly war doch so ein guter Mann. Er zerriss sich fast für seine Mandanten.«
»War es üblich, dass er Abends arbeitete?«, erkundigte ich mich.
»Er arbeitete sogar an den Wochenenden«, erwiderte Mrs. Stoneborn. »Er war ein Workaholic und seiner Arbeit zuliebe vernachlässigte er sogar seine junge Frau. Wir haben uns oft gefragt, wie sie das so erträgt.«
»Was wissen Sie über den Termin am elften April um neunzehn Uhr?«
»Nichts. Mir sagt der Name Henders nichts. Es handelt sich um keinen unserer Mandanten. Ich weiß nur, dass dieser Henders ein paar Tage vor dem elften anrief und um einen Termin bat. Nach Absprache mit Mister Henders legte ich den Termin fest. Dieser Henders erklärte, dass er tagsüber nicht in New York sei und bat um einen Termin am Abend.«
»Sicher«, murmelte Milo. »Er wollte McNelly alleine in der Kanzlei antreffen. Wann machten Sie am elften Feierabend, Mrs. Stoneborn?«
»Ich verlasse immer zwischen siebzehn und achtzehn Uhr die Kanzlei. Ebenso die Schreibkraft.«
»Das muss der Mörder gewusst haben«, sagte ich. »Wahrscheinlich war er über die Gewohnheiten hier gut unterrichtet.«
»Vereinbarte Mister McNelly des öfteren Termine außerhalb der regulären Öffnungszeiten der Kanzlei?«, wollte Milo wissen.
»Natürlich«, erwiderte die Sekretärin. »Terminvereinbarungen nach Feierabend oder an den Wochenenden waren nicht unüblich.«
»Wurde Mister McNelly eventuell bedroht?«
»Davon weiß ich nichts.«
Mrs. Stoneborn konnte uns nicht weiterhelfen. Wir fuhren nach Clinton, in die 54th Street. Dort befand sich McNellys Wohnung. Mrs. McNelly öffnete uns die Tür. Es handelte sich um eine dunkelhaarige, ausgesprochen attraktive Frau Ende zwanzig. Ihre langen Haare fielen in weichen Wellen auf Schultern und Rücken. Über die Gegensprechanlage hatte ich ihr schon unsere Namen genannt und sie auch nicht im Unklaren darüber gelassen, dass wir vom FBI kamen.
»Ich bin Special Agent Trevellian«, stellte ich mich vor. »Mein Kollege Tucker. Können wir mit Ihnen sprechen, Mrs. McNelly?«
»Kommen Sie herein.«
Das Wohnzimmer, das wir betraten, was luxuriös eingerichtet. Man sah auf den ersten Blick, dass der Hausherr kein armer Mann war. Die Möbel waren gediegen, in schweren Vitrinen glitzerte Bleikristallglas, die Gemälde an den Wänden waren echt, bei dem Teppich handelte es sich gewiss um einen echten Perser, die Polstergarnitur war aus weißem Leder und wirkte ausgesprochen wuchtig.
»Nehmen Sie Platz, Agents«, forderte uns die Frau auf. Als wir saßen, ließ auch sie sich nieder. Sie verschwand fast in dem Sessel. Diese Frau mutete zart und zerbrechlich an. Ihr Kinn war weich geformt, ihr Mund schön geschnitten. Der Blick ihrer dunklen Augen war unergründlich. Sie zog mit ihrer Erscheinung und ihrer Ausstrahlung sicher jeden Mann in ihren Bann.
Ich machte mich frei von subjektiven Gedanken jedweder Art und sagte: »Sie können sich denken, weswegen wir zu Ihnen gekommen sind, Ma‘am.«
Sie nickte. »Es ist furchtbar. Jemand muss meinen Mann gehasst haben. Ein anderer Grund als Hass ist für den niederträchtigen Mord nicht erkennbar. Vielleicht einer seiner Prozessgegner.«
Trotz allem schien sie mir sehr gefasst zu sein.
»Sprach Ihr Mann mit Ihnen über die Verabredung am elften um neunzehn Uhr?«, fragte ich.
»Ja. Er wies mich darauf hin, dass es wieder einmal später werden würde, weil er sich mit einem Mann verabredet habe, der tagsüber keine Zeit hat, einen Termin wahrzunehmen.«
»Nannte er einen Namen?«
»Nein.«
»Sprach Ihr Mann davon, dass er bedroht werde?«
Wieder verneinte die Frau. »Ich wüsste nicht, dass mein Mann irgendwelche Feinde hatte«, fügte sie hinzu.
»Nennen Sie uns seine Freunde«, forderte Milo.
Die Frau musste nicht lange nachdenken. »Mein Mann arbeitete viel – viel zu viel – und hatte keine Zeit für irgendwelche Freunde. Manchmal traf er sich mit einem früheren Studienkollegen zum Essen. So vier- bis fünfmal im Jahr. Jason Mennert war während des Studiums der beste Freund meines Mannes.«
»Mennert studierte auch Jura?«
»Ja. Er ist Abteilungsleiter bei der Stadtverwaltung.«
»Kennen Sie Mennert persönlich?«
»Ich war einige Male dabei, wenn Sie sich trafen. Mennert wohnt in East zweiundzwanzigsten Straße. Ich kann Ihnen seine Telefonnummer geben.«
»Ich bitte darum«, sagte ich.
Cora McNelly ging zum Telefon, das auf einem Board stand, klappte ein Register auf, nahm einen Notizzettel und vermerkte darauf die Telefonnummer, dann kam sie zurück und gab mir den Zettel. Sie hatte den Namen dazugeschrieben. Ich gab den Notizzettel Milo. »Leben die Eltern Ihres Mannes noch?«
»Nur die Mutter. Sie wohnt in Staten Island, Conger Street.«
Milo notierte die Adresse.
»Im Büro Ihres Mannes wurde eine Pistole gefunden«, fuhr ich fort. »Haben Sie eine Ahnung, woher er sie hat?«
Unter dem linken Auge der Frau begann ein Muskel zu zucken. Zeichen einer inneren Erregung? Ich registrierte es. »Ich hatte keine Ahnung, dass mein Mann überhaupt eine Waffe besitzt«, sagte Cora McNelly.
»Mit dieser Waffe wurde vor zweiundzwanzig Jahren ein Bankraub in New Jersey verübt. Ein Bankangestellter wurde mit ihr erschossen.«
Ihr Gesicht verschloss sich. »Sie denken doch nicht, dass mein Mann eine Bank überfallen hat?«
»Aus welchen Verhältnissen stammt Ihr Mann? Waren seine Eltern gut situiert? Wissen Sie, wie er sein Studium finanzierte?«
»Sein Vater war Kraftfahrer bei einer Spedition, die Mutter war Hausfrau und zog fünf Kinder auf. Aus den Erzählungen weiß ich, dass es der Familie meines Mannes nicht gerade rosig ging. Randolph kellnerte, um sich das Geld für sein Studium zu verdienen. Von zuhause konnte er keine finanzielle Unterstützung erwarten. – Daraus schließen Sie doch nicht etwa, dass er eine Bank überfiel? Du lieber Himmel, doch nicht Randolph!«
»Seit wann kennen Sie Ihren Mann?«
»Ich lernte ihn vor sieben Jahren kennen. Vor vier Jahren haben wir geheiratet.«
Wir stellten noch einige mehr oder weniger belanglose Fragen, ihr Verhältnis zu ihrem Mann betreffend, im Hinblick auf seine Geschwister, hinsichtlich seiner beruflichen und außerberuflichen Gewohnheiten. Dabei erfuhren wir, dass er seit zwei Jahren Mitglied in einem Golfclub war, in der ganzen Zeit aber allenfalls zweimal dem Golfspiel frönte. »Randolph kannte nur seine Arbeit«, erklärte Mrs. McNelly. »Für sie lebte und – und …«
Sie brach ab und schluckte würgend.
… starb er, wollte sie wohl sagen. Sekundenlang herrschte betretenes Schweigen. Dann fragte ich: »Wussten Sie, dass Ihr Mann an Darmkrebs litt?«
»Nein. Falls er Bescheid wusste, sprach er nie mit mir darüber.« Tränen füllten ihre Augen. »Ich – ich kann das alles noch gar nicht begreifen. Ich kann einfach nicht glauben, dass er tot sein soll.«
»Wer ist sein Arzt?«, fragte Milo.
Cora McNelly nannte uns den Namen und die Adresse. Dann verließen wir sie.