Читать книгу Trevellian und die späte Reue: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 9
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ОглавлениеRandolph McNellys Mutter bestätigte, was wir schon von Cora McNelly vernommen hatten. Randolph McNelly hatte sich sein Studium durch Aushilfsjobs finanziert. Mrs. McNelly wurde, während wir mit ihr sprachen, immer wieder von ihren Gefühlen übermannt und weinte. Was wir von ihr erfuhren, half uns nicht weiter. Auch sie hatte keine Ahnung, dass ihr Sohn an Darmkrebs erkrankt war.
Wir sprachen mit McNellys Arzt. »McNelly wusste Bescheid«, gab der Doc zu verstehen. »Als ich ihm die Diagnose eröffnete, blieb er erstaunlich ruhig – geradezu unheimlich ruhig.«
»Warum wurde er nicht behandelt?«
»Der Krebs hatte in seinem Körper schon überall Metastasen gebildet. Es gab keine Hilfe mehr. McNelly ertrug sein Schicksal mit bewundernswerter Tapferkeit. Ich glaube, das Wissen um seinen nahen Tod ließ ihn noch verbissener arbeiten. Vielleicht suchte er in seiner Arbeit auch nur Ablenkung von der Tatsache, todgeweiht zu sein.«
Als wir auf dem Weg in die 22nd Street waren, sagte Milo: »Es scheint keinen dunklen Punkt im Leben McNellys zu geben. Er jobbte während seines Studium, wurde ein angesehener Anwalt, verdiente eine Menge Geld, riss sich für seine Mandanten den Hintern auf. Glaubst du, dass ein solcher Mann eine Bank überfällt und einen Angestellten erschießt?«
»Die Pistole, die in seinem Büro gefunden wurde, spricht dafür.«
»Vielleicht ist er erst später in ihren Besitz gelangt«, wandte Milo ein.
Ich zuckte mit den Schultern. »Leider kann er uns darauf die Antwort nicht mehr geben.«
Jason Mennert wohnte im Gebäude Nummer 132. Es war das Penthouse, das er bewohnte. Auf mein Klingeln öffnete niemand. »Wir hätten uns telefonisch rückversichern sollen, ob er zuhause ist«, sagte ich zu Milo.
Im Sportwagen, der über einen Bordcomputer verfügte, suchte ich die Telefonnummer der Stadtverwaltung heraus. Dann rief ich dort an und ließ mich mit Jason Mennert verbinden. »Guten Tag, Mister Mennert«, sagte ich, dann nannte ich meinen Namen und stellte mich als FBI-Agent vor. »Wir würden Sie gerne sprechen.«
»In welcher Angelegenheit?«
»Es geht um den Mord an Randolph McNelly.«
»Ich dachte es mir. Nun, es ist vielleicht nicht so gut, wenn das FBI an meinem Arbeitsplatz erscheint. Kann ich zu Ihnen kommen?«
»Natürlich.« Ich nannte ihm das Stockwerk und die Zimmernummer im Federal Building, dann vereinbarten wir, dass er am kommenden Vormittag um neun Uhr bei uns vorsprechen sollte.
Er kam pünktlich. Mennert war ein großer, schlanker Mann, dessen Haare sich schon grau zu färben begannen. Er knetete unablässig seine Hände. Ich fragte mich, ob ihn die Tatsache, dass wir vom FBI waren, so nervös machte.
Als er saß, begann ich: »Sie wissen, dass Randolph McNelly in seinem Büro erschossen wurde.«
»Natürlich.« In seinen Mundwinkeln zuckte es. »Es hat in allen Zeitungen gestanden, außerdem brachten es die Lokalnachrichten. Furchtbar! Haben Sie schon eine Spur zu seinem Mörder?«
»Nein. Sie waren Mister McNellys Freund?«
»Während unserer Studienzeit waren wir die besten Freunde«, erzählte Mennert. »Aber dann trennten sich unsere Wege und wir trafen uns nur noch selten. Ganz riss der Kontakt jedoch nicht ab. So ungefähr alle drei Monate trafen wir uns zu einem gemeinsamen Essen. Rand war ziemlich eingespannt.«
»Hatte er außer Ihnen noch Freunde?«
»Wir gehörten einer Studentenverbindung an. Sicher waren da noch einige Kommilitonen, mit denen so etwas wie eine lose Freundschaft bestand.«
»Welche Studentenverbindung?«
»Phi Delta Phi.«
»Was bedeutet das im Klartext?«, fragte Milo.
»Philous Dikaiooi Philosophoi. Die griechischen Buchstaben stehen für das Motto der Verbindung und bedeuten Freunde der Justiz und der Weisheit.«
»Sie haben auch Jura studiert?«
»Richtig. Nach dem Staatsexamen habe ich mich für einen Job im öffentlichen Dienst entschieden.«
»Nennen Sie uns Namen«, forderte ich.
Er schaute mich fragend an.
»Die Namen der Kommilitonen, mit denen McNelly eine lose Freundschaft verband.«
Mennert legte die Stirn in Falten. Dann sagte er: »Wilson Bancroft, Dennis Wolters, John Vanderbildt, Glenn Patterson. Es gab sicher noch einige mehr, aber sie fallen mir im Moment nicht ein. Warum wollen Sie die Namen wissen? Denken Sie, dass einer der Männer etwas mit dem Mord an McNelly zu tun hat?«
»Es besteht der Verdacht, dass Randolph McNelly an einem Bankraub beteiligt war, der vor zweiundzwanzig Jahren stattfand«, sagte ich.
Einen Moment biss Mennert die Zähne zusammen. Hart traten die Backenknochen aus seinem Gesicht hervor. Doch dann lachte er schallend auf und stieß hervor: »Das soll wohl ein Witz sein?« Er schaute mich an und sein Grinsen erstarrte. »Sie machen doch Witze, Agent, oder etwa nicht?«
»Sehe ich aus wie ein Witzbold?«
Das Grinsen in seinem Gesicht war vollkommen erloschen. Er zwinkerte. »Wie kommen Sie darauf?«
»In seinem Besitz befand sich die Pistole, mit der ein Bankangestellter bei dem Überfall erschossen wurde.«
»Das muss nichts bedeuten.«
»Muss es nicht. Doch dann stellt sich die Frage, wie McNelly in den Besitz der Waffe kommt.«
Milo mischte sich ein. »Haben Sie noch Verbindung zu Bancroft, Wolters, Vanderbildt und – äh …«
»… Patterson.«
»Genau«, sagte Milo und grinste etwas verlegen. »Ich werde mir die Namen aufschreiben müssen.«
»Nein«, sagte Mennert kopfschüttelnd. »Ich habe zu keinem von denen noch Kontakt. Nachdem wir unser Studium beendet hatten, riss er ab. Bancroft ist Richter, Wolters ist in der Zwischenzeit Leiter der juristischen Abteilung der Bowery Savings Bank. Was Vanderbildt und Patterson treiben, weiß ich nicht.«
»Wie finanzierten Sie Ihr Studium?«, fragte ich. »Von McNelly wissen wir, dass er jobbte.«
»Nun, meine Eltern waren gut situiert, mein Vater war Steuerberater und betrieb eine eigene Kanzlei.«
»Sie Glücklicher konnten sich also voll und ganz Ihrem Studium widmen«, meinte Milo mit einem süffisanten Grinsen um die Lippen.
»Ja, ich habe meinen Eltern sehr viel zu verdanken.«
»Können Sie uns die Adressen von Bancroft, Wolters, Vanderbildt und Patterson nennen?«, fragte Milo.
»Nein. Wie ich schon sagte: Der Kontakt riss vor fast zwanzig Jahren ab, nachdem wir das Studium beendet hatten. Danach ging jeder seiner Wege.«
»Hast du noch Fragen, Milo?«
»Im Moment nicht.«
Ich gab Mennert eine von meinen Visitenkarten. »Falls Ihnen noch etwas einfällt, das für uns von Interesse sein könnte, rufen Sie mich bitte an.«
Jason Mennert schob die Karte ein, erhob sich, reichte mir die Hand und sagte: »Rand war sicher kein Kind von Traurigkeit. Aber eine Bank hat er ganz sicher nicht überfallen. Er musste während seiner Studienzeit sozusagen von der Hand in den Mund leben. Es wäre aufgefallen, wenn er plötzlich über Geld verfügt hätte – mehr Geld, als er aufgrund seiner Situation haben konnte.«
Mennert verabschiedete sich auch von Milo, dann verließ er das Büro. Milo und ich wechselten einen Blick. »Was hältst du von ihm?«, fragte Milo.
»Gehobener Mittelstand, typischer Beamter, der in seinem Leben wahrscheinlich noch nicht einmal falsch geparkt hat.«
»Der erste Eindruck kann oft täuschen.«
»Sicher«, murmelte ich, griff nach einem Kugelschreiber, zog ein Blatt Papier aus dem Drucker und schrieb die Namen auf, die uns Mennert genannt hatte, ehe wir sie wirklich vergaßen. Dann machten wir uns an die Arbeit. Ich rief bei der Bowery Savings Bank an. Auch Milo griff nach dem Telefonhörer. Seine Aufgabe war es, herauszufinden, wo Wilson Bancroft und John Vanderbildt wohnten.
Eine halbe Minute später hatte ich Dennis Wolters am Apparat. Er besaß eine angenehme, dunkle Stimme. Ich klärte ihn auf, weshalb ich anrief. Als ich ihn fragte, wann ich ihn sprechen könnte, bat er mich, ihn nach Feierabend zuhause aufzusuchen. Er wohnte in Queens, Ruscoe Street, Nummer 98. Ich erklärte ihm, dass wir um neunzehn Uhr bei ihm vorsprechen würden.
Laut Telefonbuch gab es nur einen Glenn Patterson in New York City. Ich rief ihn an. Seine Frau meldete sich. Ich fragte sie, ob ihr Mann Jura studiert habe. Sie verneinte. Ihr Mann sei Arbeiter in einer Kartonagenfabrik erklärte sie, ich bedankte mich und beendete das Gespräch. Bei diesem Glenn Patterson handelte es sich nicht um den Mann, den wir suchten.
Milo legte auf. Er hatte sich einige Notizen gemacht, während er sprach. Jetzt sagte er: »Bancroft ist Richter im Criminal Courts Building. Er wohnt zwei-sieben-fünf Greenwich Avenue. Wir können ihn jederzeit in seinem Büro besuchen. Morgen Vormittag leitet er allerdings eine Verhandlung.«
»Um neunzehn Uhr haben wir eine Verabredung mit Wolters. Wir machen einen Ausflug nach Queens.«
»Vorher sollten wir einen Happen essen«, schlug Milo vor. »Eine Pizza mit Schinken und Champions wäre sicher nicht zu verachten.«
»Dagegen ist gewiss nichts einzuwenden«, erklärte ich.
»Vorher aber will ich noch herausfinden, wo wir diesen John Vanderbildt finden«, sagte Milo, griff nach der Computermaus und fing an zu klicken.