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Kapitel 3
ОглавлениеAls alle Kekse restlos aufgegessen waren, schnappte sich Vitus den Teller und leckte die Krümel komplett ab. Er grinste verschmitzt. Denn er wusste, dass sich das eigentlich gar nicht gehörte. Und als ob das nicht schon genug war, meinte er: „So, nun müssen wir den Teller nicht einmal mehr spülen.“ Auch unter kleinen Barockengeln gab es gutes Benehmen – das kannten alle. Aber nicht alle wollten sich immer ordentlich benehmen – und natürlich musste das Geschirr gespült werden nach dem Essen. Wie überall. „Den Teller hier aber nicht mehr“, sagte Vitus fröhlich. Balthasar nahm sich vor, das später doch zu erledigen. Nach dem Erzählen seiner Geschichte.
„Wer – um alles in der Welt – ist jetzt eigentlich dieser eine besondere Bach?“, fragte Vitus etwas gedehnt. „Wenn ich mir so viele Geschichten von diesem einen Bach anhöre, möchte ich doch eigentlich gerne vorneweg wissen, warum der sooooooooo berühmt ist. Kann er denn sooooooooo“, Vitus übertrieb nun wirklich die Anzahl der ‚os’, „sooooooooo gut Musik spielen?“ „Nun“, begann Balthasar den nächsten Teil der Geschichte. „Johann Sebastian Bach hat nicht nur Musik gespielt, er hat sie auch gemacht.“ „Was heißt denn gemacht?“, fragte Vitus sofort, „Wenn ich auf meiner Geige spiele oder mich ans Klavier setze, dann mache ich doch auch Musik. Was ist denn der Unterschied?“ „Na, Johann Sebastian Bach hat sich eben auch überlegt, wie es sich denn anhört, wenn man einen Ton an den nächsten setzt. Und das mal so und danach mal anders tut. Und er hat sich überlegt, dass es doch schön klingen müsste, wenn einmal nur eine Geige spielt, an einer anderen Stelle dagegen ganz viele Geigen.“ „Und noch später noch viel mehr Geigen“, meinte Vitus. „Ja. Und dann hat Johann Sebastian sicherlich auch darüber nachgedacht, wie sich verschiedene Instrumente abwechseln könnten. Und das alles hat man früher Töne setzen genannt. Ton setzen. Johann Sebastian Bach war also ein Tonsetzer.“
Vitus staunte. „Tonsetzer, das habe ich ja auch noch nie gehört. Ist das denn so etwas wie Tondichter? Das habe ich nämlich schon einmal gehört“, plapperte Vitus munter weiter. Er war mächtig stolz darauf, dass er auch etwas gewusst hatte. Dass er sich also in der Musikszene – wie alle das heute nennen – in der Musikszene von früher schon recht gut auskannte, so meinte er. „Ja, richtig, Tonsetzer oder Tondichter, so nannte man die Leute, die heute Komponisten heißen“, sagte Balthasar. Vitus nickte eifrig, Komponist, das hatte er auch schon gehört. „Also ist der Johann Sebastian Bach Komponist gewesen“, stellte Vitus fest. „Richtig“, entgegnete Balthasar „und was für einer!“ „Und ein Musiker auch“, ergänzte Vitus. „Richtig, und ein Musiker auch.“ plapperte jetzt Balthasar nach, der natürlich wusste, dass ein Komponist ein Musiker war.
„Wo ist dieser Johann Sebastian geboren?“, fragte Vitus. „In Eisenach, auch in Thüringen“, antwortete sein Freund. „Er war also berühmt damals. In Ei - se - nach.“ „Nein Vitus, in Eisenach war er noch nicht berühmt. Da war Johann Sebastian ja noch klein. So klein wie wir beide etwa. Vielleicht auch noch kleiner. Über diese Zeit, die der kleine Johann Sebastian Bach in Eisenach verbrachte, ist nicht mehr wirklich viel bekannt. Berühmt wurde er dann erst viel, viel später. Da allerdings – wurde er sehr berühmt. Aber richtig wirklich ganz berühmt – das wurde er erst lange, lange, nachdem er gestorben war. Und dann wurde er immer und immer berühmter.“
Vitus hatte ein ungläubiges Staunen im Gesicht. Man merkte ihm an, dass er es nicht wirklich richtig verstand. Wie konnte jemand immer berühmter werden, wenn er doch gar nicht mehr lebte. „Wie geht denn so was?“, prustete er heraus. „So etwas geht nicht!“ „Doch“, entgegnete Balthasar. „Als Johann Sebastian Bach seine Musik komponierte“, Vitus fiel ihm ins Wort: „als er die Töne dichtete.“ „Ja, als Johann Sebastian damals seine Töne dichtete, da haben die meisten Menschen gar nicht erkannt, wie ungeheuer supertoll seine Musik eigentlich war. Nur andere Musiker und andere Tondichter wussten das. Und so ein anderer Tonsetzer, dir gefällt ja das Wort Tondichter am besten, richtig?“ „Yup“, bestätigte Vitus. „So ein anderer Tondichter eben, er hieß Felix Men - dels - sohn Bar - thol - dy, der mochte Johann Sebastians Musik, wie sonst überhaupt nichts anderes auf der Welt.
Und dieser Felix spielte 100 Jahre später eines der schönsten Werke von unserem Johann Sebastian vor ganz vielen Menschen. 100 Jahre lang – das ist so viel Zeit, wie dein Opa alt ist.“ „Mein Opa heißt auch Vitus“, sagte Vitus „und ich heiße Vitus, weil mein Opa ein toller Musiker war, sagte Papa“, fügte Vitus hinzu. „Also, dieser Felix, der hat die Matthäus-Passion ...“ „Was ist die Matthäus-Passion?“, unterbrach Vitus Balthasar. „Unterbrich’ mich doch nicht dauernd“, sagte Balthasar ein ganz klein wenig genervt. Aber er konnte natürlich verstehen, dass Vitus das wissen wollte. „Das – weiß ich auch noch nicht so ganz genau, Vitus. Vielleicht wollen wir das einmal googeln, im Internet, nächste Woche.“ Vitus gab sich zufrieden. „Also, ungefähr 100 Jahre nachdem Johann Sebastian dieses Werk geschrieben hatte, führte dieser Felix die Matthäus-Passion vor ganz vielen Menschen auf, die sich über ein dreiviertel Jahrhundert lang nicht für Bachs Musik interessierten. Ein dreiviertel Jahrhundert, das sind 75 Jahre. Alle waren ganz begeistert von dieser Aufführung der Matthäus-Passion.“ Vitus nickte, als ob er sagen wollte: „Ich wusste, sie würden das mögen. Und dann?“ Er konnte es einfach nicht abwarten. „Dann, also nachdem der Felix ..., weißt du noch, wie er hieß?“ „Felix“, antwortete Vitus schnell wie eine Kanonenkugel. „Ja, aber wie noch?“ „Mendel ...“, sagte Vitus und, „... Bart.“ „Nicht ganz“, korrigierte ihn Balthasar, „aber du bist ja auch ein Musikengel und kein Engel, der Geschichten erzählt. Deshalb ist das nicht so schlimm. Und den ganzen Namen kann man sich auch wirklich schwierig merken. Also – er hieß Men - dels- sohn Bar - thol - dy. Probier’s einfach ‘mal.“ Und Vitus versuchte sich: „Mendelin Bar - tholdy.“ Vitus hatte wohl ein wenig zu lange Geschichten gehört und er wurde nicht nur unruhig auf seiner kleinen weißen Wolke, er wurde auch ein wenig – albern. „Oder Mendelinum Bartoldelinum?“ Balthasar schüttelte den Kopf. „Mendelssohn Bartholdy. Und ich glaube, wir müssen nach diesem anstrengenden Kapitel über den großen Johann Sebastian Bach eine ganz kleine Pause zum Ausruhen einlegen.
Was hältst du denn davon, wenn du versuchst, ein wenig Musik von Johann Sebastian zu spielen? Du hast ja deine Noten, und wie es geht, das hast du ja gelernt. Und ich bin natürlich auch nicht böse, wenn das am Anfang noch nicht so toll klingt. Und danach, danach machen wir einen kleinen Mittagsschlaf. Und wenn wir fertig sind mit dem Mittagsschlaf, erzähle ich dir vom Papa von Johann Sebastian, wo der in Eisenach lebte und wie der zusammen mit Johann Sebastian zum Musizieren ging. Nämlich, um Geld für die Familie zu verdienen.“ Vitus setzte sich an sein kleines Cembalo, das er zum Üben auf seiner Wolke hatte. Er zupfte sich die losen Enden seiner kleinen Wolke zurecht, machte ein ganz ernstes Gesicht, schlug die erste Seite in seinem kleinen Notenheft auf und begann zu spielen. Schön klang das, gleich beim ersten Mal, ganz ohne vorher zu üben. Aber, so dachte Balthasar, das können kleine Barockengel eben. Sie können Dinge viel, viel schneller und viel, viel leichter tun. Beide lachten bei so schöner Musik und weil sie so viel Neues ausgetauscht hatten. Und weil sie sich so gut unterhielten und auch voneinander lernten. Und: weil jetzt so schöne Musik dieses dritte Kapitel der Geschichten rund um Johann Sebastian Bach beendete. Beide waren sie hundemüde. Sie gähnten um die Wette, sodass die Münder fast nicht mehr größer werden konnten. Und sie schliefen in Nullkommanix ein.