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Fred, Philippes Freund

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Noch im Verlauf des frühen Nachmittags trafen Philippe, Deborah und Enrico in ihrem trauten Heim ein. Alles schien beim Alten zu sein. Selbst die stürmische Phase, welche die Gegend überstehen musste, schien dem Haus und dem Garten nichts angetan zu haben. Auf jeden Fall stand sogar die alte Birke noch; um sie hatte Philippe sich Sorgen gemacht.

Enrico beschnüffelte als Erstes seinen Garten und hielt Nachschau, ob nicht eine unliebsame Katze sich in seiner Abwesenheit hier häuslich niedergelassen hatte. Gott sei Dank war dem nicht so, womit die Welt für Enrico in Ordnung war.

Philippe bemühte sich zum Briefkasten, um diesen zu leeren. Es ist unglaublich, in welcher kurzen Zeit sich so viel «Mist» ansammelt, dachte er, welcher alsdann im Altpapier landet.

Trotzdem kam er nicht umhin, den Papierstoss kurz zu sichten, um unliebsame Rechnungen von anderem Unrat zu trennen. Ab und zu fand sich trotzdem noch etwas Brauchbares darunter. Und siehe da: ein hübsch aufgemachter Briefumschlag – allerdings adressiert an Deborah – weckte sein Interesse. Leider war kein Absender vermerkt, womit ihn schon die Neugierde packte, wer denn Deborah einen solchen einladenden Brief zukommen liess.

Er beeilte sich, Deborah den Brief auszuhändigen, jedoch stand diese bereits unter der Dusche. Den Brief aufzumachen, hielt er sich nicht dafür, jedoch konnte er es kaum erwarten, bis Deborah dies tun würde. Sie würde ihm sicher verraten, wer der Absender oder die Absenderin war.

Nach unendlich langen Minuten erscheint Deborah doch noch in der Küche, und Philippe macht sie auf den Brief aufmerksam. Diese reagierte allerdings nicht wie von Philippe erwartet, womit sein Interesse noch mehr stieg. Wie kann man nur so lange warten, um einen Brief aufzumachen, ging ihm durch den Kopf, und er versuchte Deborah ein wenig zu forcieren. Diese nahm das Ganze aber sehr gelassen und gönnte sich vorweg einen feinen Tee.

Ok, dachte Philippe, dann gehe ich halt ein wenig in den Garten. Er holte sich ein kleines Bier aus dem Kühlschrank und machte es sich in der Hollywoodschaukel bequem. Enrico gesellte sich zu ihm, und auf diese Weise erholten sie sich von der Heimfahrt.

Und siehe da! Nach nur kurzer Zeit kam Deborah und sie überreichte Philippe den Brief mit den Worten: «So etwas Nettes habe ich schon lange nicht mehr gelesen.»

Dem Brief war Folgendes zu entnehmen:

Liebe Deborah

Es ist mir ein tiefes Anliegen, dir auf diesem Weg ganz herzlich Danke zu sagen, für alles, was du in der Zwischenzeit für mich getan hast.

Du hast mir neue Kraft fürs Leben geschenkt, und ich sehe heute vieles mit neuen Augen.

Ich habe erkannt, was wichtig und unwichtig ist für mich und das verdanke ich dir. – Ich bin dir dafür unendlich dankbar.

Liebe Grüsse, Susann

Philippe musste Deborah absolut recht geben: einen solch schönen Brief hatte er noch selten bis nie bekommen; echt, gefühlvoll und absolut liebenswürdig.

Susann ist die Ex-Frau von Fred. Fred oder Freddy (niemand nannte in Alfred) selber ist ein guter Bekannter von Philippe und in der Zwischenzeit auch von Deborah. Fred hatte Philippe schon oft geholfen und im Gegenzug scheinen Deborah und Philippe «Amor» gespielt zu haben, sind sich Fred und Susann doch wieder sehr nahegekommen. Auch Max, ihr gemeinsamer Sohn, blickte dem Ganzen mit Interesse entgegen, und es würde ihn sehr freuen, wenn er andern seine Eltern wieder als «seine Familie» vorstellen könnte.

Deborah wollte sich so bald wie möglich bei Susann für ihr nettes Schreiben bedanken und sich mit ihr für einen «Gedankenaustausch» treffen.

Auch Philippe hatte das Bedürfnis, wieder einmal mit Fred zusammen zu kommen. Er wollte ihn ebenfalls so bald wie möglich kontaktieren und ihn zu einem Schwatz einladen.

In der Zwischenzeit zeigte sich aber doch die Müdigkeit bei beiden ob der langen Fahrt, und nach einem kurzen Spaziergang mit Enrico wollte Philippe sich schon bald zu Bett begeben. Und obschon Deborah die ganze Stecke gefahren war, wollte sie es sich nicht nehmen lassen, Susann anzurufen und ihr ganz herzlich für ihren Brief zu danken. – Selbstverständlich dauerte das Telefonat nicht nur einige Minuten … sondern etwas länger.

Philippe verabschiedete sich mit einem Handkuss durch die Luft.

Am nächsten Morgen sah die Welt schon wieder anders aus. Das Wetter war nach wie vor strahlend schön, und Philippe fühlte sich gut erholt und war voller Tatendrang. – Als Erstes wollte er mit Fred Kontakt aufnehmen.

«Tschau Freddy, wie geht es dir? Was gibt’s Neues? Hast du wieder irgendwelche Insiderinformationen, die mich ins Unglück stürzen?» So die amüsierte Frage von Philippe. – «Nein, alles im grünen Bereich. Wollen wir uns auf ein Bierchen im Lorenzini treffen? Wie wäre es zum Beispiel mit heute Abend so gegen 1700 Uhr?» «Super, ich werde dort sein!»

Noch während Philippe auf der Veranda sass und einen Kaffee trank, gesellte sich Deborah zu ihm und sie teilte ihm mit, dass sie sich für heute Abend mit Susann verabredet habe. Sie wollten in der Stadt Bern eine Kleinigkeit essen gehen und sich über dies und das unterhalten. «Stimmt das so für dich, mein Schatz?» - «Selbstverständlich; ich habe mich für heute Abend ebenfalls verabredet, und Fred und ich werden uns im Lorenzini treffen.» «Ah, dann trifft sich das ja bestens.»

Den Tag hindurch wollte sich Philippe seinem Garten zuwenden. Der Rasen musste gemäht werden und dem Unkraut wollte er den Garaus machen. Alsdann standen Einkäufe auf dem Programm, und schliesslich wollte er für das Kochen des Mittagessens besorgt sein. – Ein einfaches Gericht sollte heute genügen.

Mit einigem Erstaunen stellte Philippe im Supermarkt schon bald fest, wie sich die Reihen bei Produkten der Grundversorgung gelichtet hatten. Ganz offensichtlich wurden ob der aktuellen Situation «Hamsterkäufe» getätigt, welche Reis und Teigwaren richtiggehend zu Mangelwaren werden liessen. – Philippe dachte über seinen eignen Notvorrat nach und er musste erkennen, dass es damit nicht zum Besten bestellt war. Also füllte er noch eine Tasche mit dem Notwenigsten und er wollte seinen Eindruck mit Deborah besprechen.

Auch Deborah war aufgrund der Tagesmeldungen verunsichert, und beide fragten sich, ob es aufgrund der Entwicklung schlau wäre, nach London zu reisen. Sie wollten sich das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen lassen.

Gleiche Gedanken hatten offensichtlich auch Bernard und Isabelle und sie teilten ihre Befürchtungen Philippe und Deborah telefonisch mit. – Aufgrund der getätigten Lagebeurteilung kamen alle vier darin überein, dass sie vorerst einmal zuwarten wollten, und Isabelle würde ihren Entscheid Danielle mitteilen.

Das Lorenzini mauserte sich langsam zum Stammlokal von Philippe und Fred. Man konnte hier gemütlich ein Bier trinken und dies unter der Woche auch noch bei einem vernünftigen Lärmpegel. Das Restaurant liegt in der Altstadt von Bern und ist mit dem ÖV innert nützlicher Zeit erreichbar.

«Ciao Fred, schön dich wieder zu sehen. Dürfen wir uns noch die Hand geben oder ist dies ob der aktuellen Situation nicht mehr angezeigt?» «Keine Ahnung», so die Antwort von Fred, und er setzte sich zu Philippe an den Tisch. «Ja, das Ganze kommt mir doch sehr «spanisch» vor und die Geschwindigkeit, mit der sich die Krankheit ausbreitet, wirft schon Fragen auf.»

Bei beiden wurden Erinnerungen wach, die sie vor nicht allzu langer Zeit bereits einmal beschäftigt hatten.

«Offensichtlich treffen sich Deborah und Susann heute auch», so die Feststellung von Fred. «Ich finde es schön, wie gut sich die beiden verstehen und den Kontakt auch über den Malkurs hinaus aufrechterhalten.» - «Ja, das finde ich auch. – Im Übrigen hat Susann Deborah einen sehr lieben Brief geschrieben über den sie sich sehr gefreut hat.» «Ja, ich weiss und ich habe sie sogar darin bekräftigt dies zu tun», so die Feststellung von Fred.

«Ja, jetzt aber nochmals zurück zur aktuellen Situation, Fred. Was hältst du von diesem Virus?» - «Keine Ahnung – alles oder nichts oder etwas dazwischen», so die lapidare Antwort von Fred. «Fest steht, dass das Ganze Probleme bereitet und zwar nicht zu knapp.»

«Ja, das sehe ich auch so und mir sind die eindringlichen Worte von Smith und Pulvermacher wieder in den Sinn gekommen. Vielleicht hatten sie irgendwie doch recht.»

Smith und Pulvermacher waren Mitarbeitende der Auslandgeheimdienste ihrer jeweiligen Länder; Smith arbeitete für die CIA, Pulvermacher für den BND. Beide waren in Ungnade gefallen und von ihren Aussendienstjobs abgezogen worden, da sie ihren Vorgesetzten zufolge über eine allzu blühende Fantasie verfügten und diese auch kundtaten. Das Ganze mochte im Ansatz stimmen, war aber zu wenig durchgedacht und vor allem zu wenig abgeklärt, womit es zumeist bei Spekulationen blieb. Daneben gab es noch einen Jacques Dupont mit Codenamen «819» vom DGSE, der auch nicht nur mit Vertrauenswürdigkeit überzeugen konnte.

Alle drei waren der Unterwelt bekannt und konnten von dieser nicht gerühmt werden: Alles aufgeblasene Säcke, wo nichts dahintersteckt, so das Urteil von Louis (der Kanaille) aus Toulon.

Louis Canal, wie er mit richtigem Namen heisst, ist eine bekannte «Grösse» in Südfrankreich, und er hatte Philippe schon die eine oder andere hilfreiche Information zukommen lassen. Auf sein Urteil konnte man sich bislang verlassen, und er verfügte über ein erstaunliches Beziehungsnetz, welches Philippe immer wieder verblüffte. Selbst im Gefängnis konnte er sich ‘à jour’ halten, was für seine Quellen und seinen Einflussbereich sprach.

Freddy musste Philippe irgendwie recht geben, und es war ihm nicht wohl beim Gedanken, dass an der Sache doch etwas dran sein könnte. Er kam ins Grübeln und formulierte furchterregende Überlegungen:

Was wäre, wenn im Labor von Bern nicht Streptokokken, sondern Viren gezüchtet worden wären? Oder, was wäre, wenn dem nicht in Bern so geschehen wäre, sondern anderswo? Und, was wäre, wenn diese Viren in falsche Hände gekommen wären? Oder noch schlimmer, wenn die Viren gezielt gezüchtet und sodann (ebenfalls gezielt) gestreut worden wären? Was wäre, wenn gar Staaten dies getan hätten, oder wenn man sie gar auf dem Schwarzmarkt erhältlich machen könnte? – Fragen über Fragen, welche alle Spekulationen offenliessen und einem nur erschaudern liessen.

Philippe wurde es richtig mulmig in der Magengegend und er brauchte ein zweites Bier.

«Ja, irgendwie ist es schon komisch.» - Die Informationen von Smith, Pulvermacher und Dupont stimmten ja schon irgendwie – zumindest im Ansatz – und Folge dessen konnten auch solche Überlegungen nicht völlig ausser Acht gelassen werden, wenngleich sie «nüchtern» betrachtet als Irrsinn bezeichnet werden mussten.

Tatsache aber war jedenfalls, dass mit Stand heute – und Philippe zückte sein Smart Phone – die Situation sich wie folgt präsentierte:

Italien hatte 6'820, Spanien 3'434 und China 3'163 Tote zu beklagen. Die Gesamtzahl der Toten weltweit belief sich auf 19'675; die Zahl der infizierten Personen auf 111'895 (Stand: 25.3.2020).

https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6

Philippe erschrak ob den Zahlen und sogar Fred fand keine passenden Worte, um dem Schrecken gerecht zu werden. Beide verstummten eine Weile, und es dauerte einiges an Zeit, bis sie das Gespräch wieder aufnehmen konnten.

Beide kamen weiter ins Grübeln und hinterfragten die anderen Informationen, welche sie bislang von den «Geheimdienstlern» oder anderswoher erhalten hatten. – «Cyberwar» war das Stichwort!

Sie fragten sich, was wäre, wenn das Ganze mit den Viren nur ein Ablenkungsmanöver wäre, um die Weltherrschaft im Digitalbereich an sich zu reissen. – Dies und weitere Gedanken beschäftigten die beiden. Ihren Informationen zufolge soll ja eine Gruppierung unter dem Decknamen «Blue Danube» am Wirken sein und diese schien, den Informationen und Erfahrungen von Philippe zufolge, vor nichts zurück zu schrecken. – Fürchterlich der Gedanke, aber doch nicht ganz aus der Luft gegriffen.

Auf jeden Fall würde ein solches «Ablenkungsmanöver» der Organisation in die Hände spielen, wird die Wirtschaft durch den «Virenbefall» weltweit doch so geschwächt, dass ‘Blue Danube’ dadurch ein deutlich leichteres Spiel hätte.

Philippe und Fred mochten den Gedanken gar nicht weiterspinnen, schauderte ihnen doch vor den Konsequenzen und der unsäglichen Tragik ob solchem Tun. – Nein, so schlimm und grausam konnte niemand sei, ging es ihnen durch den Kopf … oder etwa doch?

Beide waren verunsichert.

Bedrückt und unzufrieden verliessen sie das Lorenzini, und sie wünschten sich gegenseitig noch einen schöneren Abend. – Sie hofften, sich schon bald wieder zu sehen.

Was die beiden damals noch nicht wussten, war die Tatsache, dass sämtliche Gaststätten und andere Betriebe – mit Ausnahme der Lebensmittelversorger – am darauffolgenden Tag ihre Läden schliessen mussten und die Bewegungsfreiheit im sozialen Umfeld fortan deutlich

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