Читать книгу Ach los, scheiß der Hund drauf! - Peter Chemnitz - Страница 11

Randy fehlt auf der Liste –
Wie der BND und der MI6 um
Teilzeitspione werben

Оглавление

Der Job von Journalisten ist es, neugierig zu sein, zu recherchieren, Fragen zu stellen. Schon deswegen sind Menschen, die Derartiges tun, für jegliche Geheimdienste der Welt interessant. Potenziert wird das, wenn sie als Reporter durch die Welt jetten und sich gar mit fremden Präsidenten und Diktatoren treffen. So wurde auch ich eines Tages von einem Kollegen angesprochen. Es war zu Zeiten meiner Tätigkeit beim „Rheinischen Merkur“ in Köln, wo man sehr förmlich miteinander umging: „Herr Braumann, Sie sind doch häufiger in Afrika. Ich habe da gewisse Kontakte zum Bundesnachrichtendienst, die würden gern mit Ihnen zusammenarbeiten. Hätten Sie etwas dagegen, wenn einer der Herren mit Ihnen demnächst Kontakt aufnimmt?“

„Ja, darf er“, meinte ich großzügig. Einen richtigen deutschen Schlapphut wollte ich schon immer einmal kennenlernen.

Es meldete sich tatsächlich ein BND-Mitarbeiter und wir trafen uns in der Redaktion. Das Erste, was mir auffiel, war dessen seltsame Kleidung. Die war überhaupt nicht elegant, sondern eher schäbig. „Die müssen eine Kleiderordnung haben, nach der man besonders durchschnittlich aussehen sollte, um als Agent dieses Dienstes in der Öffentlichkeit zu erscheinen“, dachte ich mir. Überdies schien dieser Agent ein durch und durch spießiger Mensch zu sein. Noch dazu stellte er sich auf eine amateurhafte Weise vor: „Schmidt.“ Einige Minuten später erzählte er, er heiße eigentlich Lehmann. Aber beim Geheimdienst sei es so, dass man bei Kontakten außerhalb unter einem Tarnnamen auftrete.

Irgendwie kam ich mir veralbert vor. Dieser Schmidt-Lehmann entsprach so gar nicht meinen Vorstellungen von einem Geheimdienst. Das waren offenbar Amateure. „Nein, mit denen möchte ich nichts zu tun haben“, beschloss ich innerlich. Trotzdem ließ ich mich auf ein weiteres Treffen eine Woche später ein. Mein Agent wurde diesmal von einem Kollegen begleitet, der zog die gleiche Nummer ab: Er heiße eigentlich Meier, trete aber heute unter dem Namen Fleischer auf. Das reichte mir. Ich sagte den beiden Herren ab.

Ein paar Jahre später, ich war inzwischen Redakteur beim „stern“ in Hamburg, wurde der BND erneut vorstellig. Diesmal in Form eines Mannes, den ich vom „Rheinischen Merkur“ her kannte und von dem ich wusste, dass er ein Resident war, also ein festangesiedelter Agent des Bundesnachrichtendienstes. In Hamburg trat er als freier Journalist auf. „Herr Braumann, vielleicht wird es ja diesmal etwas mit uns. Sie sind jetzt für den „stern“ tätig und kommen viel mehr in der Welt herum und können uns viel mehr liefern, wie sieht es mit einer Zusammenarbeit aus?“, fragte er mich. Ich willigte erneut in ein Gespräch ein. Wir trafen uns in der Wohnung des Residenten.

„Wie sieht das eigentlich finanziell aus, wenn ich Ihnen Informationen verschaffe?“, fragte ich gleich. Schließlich war das eine Sache, die nichts mit Moral zu tun hatte, sondern allein mit Geld. Der Agent eierte rum. Gewiss, sie würden mich natürlich bezahlen, aber eine konkrete Summe könne er nicht nennen. Und wieder war das Auftreten eines BND-Mitarbeiters ausgesprochen amateurhaft. Dazu kam, dass ich inzwischen wusste, dass der westdeutsche Geheimdienst von alten Nazis und SS-Leuten aufgebaut worden war und Hunderte hier noch ihre Arbeit versahen. Der Verein sagte mir überhaupt nicht zu und ich verneinte endgültig.

Wie richtig ich gehandelt hatte, zeigte sich ein paar Jahre später. In der Bundesrepublik hatten sich die politischen Vorzeichen geändert. Willy Brandt und Walter Scheel hatten zum großen Entsetzen von Bundeskanzler Kiesinger eine rot-gelbe Koalition gebildet. 1969 wurde Horst Ehmke Kanzleramtsminister und versprach in der Öffentlichkeit, mit eisernem Besen in den Ministerien und speziell in dem ihm unterstehenden Bundesnachrichtendienst zu kehren. Und das tat er. Der Dienst wurde neu organisiert und zahlreiche Leute wurden entlassen. Es geschah aber auch etwas, was Geheimdienste eigentlich nie machen: Es wurden Geheimnisse preisgegeben. So bekam Ehmke beispielsweise die Liste mit den Namen aller westdeutschen Journalisten, die für den BND arbeiteten. Der SPD-Mann war eng mit Manfred Bissinger befreundet, dem damaligen stellvertretenden Chefredakteur des „stern“. Dem sagte er eines Abends in gemütlicher Runde: „Da sind ja etliche aus deiner Redaktion für den BND tätig.“ Bissinger, der Revolutionär und führende Linke in der Redaktion, wurde sofort hellhörig. Das würde ihn schon sehr interessieren, wer da auf der Liste stünde. Und Minister Ehmke hat den Geheimnisverrat fortgesetzt und erzählt, wer von den „Gruner + Jahr“-Journalisten beim BND unter Vertrag stand. Darunter befand sich unter anderem ein Mann namens Steinmeier, der als Korrespondent für „stern“ und „Die Zeit“ in Moskau saß. Der bekam sage und schreibe 10.000 DM monatlich vom Bundesnachrichtendienst. Steinmeier kannte ich. Das war ein älterer Herr, kriegsversehrt, mit einem Holzbein. Wenn der dem BND so viel wert war, dachte ich mir, musste er ja heftig Informationen geliefert haben. Aber dies aus einem Land, dessen Geheimdienst in einer ganz anderen Liga spielte als der deutsche? Irgendwie bot sich die Vorstellung an, dass da jemand auf zwei Schultern getragen wurde.

Es gab eine herrliche Szene, als Manfred Bissinger zu mir ins Redaktionszimmer kam. Er legte mir die Hand auf die Schulter und sagte: „Gratuliere, das hätte ich nicht gedacht, dass du nicht dabei bist. Du stehst nicht auf der Liste.“ – „Welche Liste?“, fragte ich erstaunt. „Auf der BND-Liste.“ Weil ich diesen Hype um Willy Brandt nicht mitmachte, galt ich als Faschist und ein solcher musste in den Augen Bissingers natürlich auch für den BND arbeiten. Nun räumte er ein, sich getäuscht zu haben.

Ich verzieh Bissinger und arbeitete weiter an meinem Bericht für den MI6, den britischen Auslandsgeheimdienst. Denn natürlich hatte ich den Verlockungen nicht widerstehen können. Das hing mit dem charmanten Geschäftsmann Anthony Divall zusammen. Kennengelernt hatte ich ihn während des Biafra-Kriegs. Als dieser begann, war Biafra noch von keinem unabhängigen afrikanischen Land anerkannt worden. Deswegen war es kompliziert, hinzukommen. Die Hilfsflugzeuge, die von Lissabon aus flogen, mussten entweder auf damals portugiesischem oder spanischem Gebiet zwischenlanden, also entweder auf Sao Tomé oder Fernando Po vor der afrikanischen Westküste. Erst im Laufe des Jahres 1967 verbesserte sich die Situation, weil die Elfenbeinküste diplomatische Beziehungen mit Biafra aufnahm und nun dort Station gemacht werden konnte.

Bei den Reisen nach Biafra übernachtete ich häufig im Hotel „Tivoli“ in Lissabon. Zur Übernachtung gehörte stets ein abendlicher Barbesuch, denn zu dieser Zeit war ich ein großer Anhänger des Barlebens. Es war für mich völlig unvorstellbar, in einem großen Hotel ins Bett zu gehen, ohne zuvor an der Bar gewesen zu sein. Auch war das für die Kontaktpflege wichtig. Schließlich war es nicht selbstverständlich, dass Reporter von einer der von Hilfsorganisationen gecharterten Maschinen mitgenommen wurden. Aber ich hatte enge Kontake zur katholischen Caritas Internationalis, die einen Großteil der Flüge nach Biafra bezahlte, weil dort vor allem Katholiken lebten. An der „Tivoli“-Bar lernte ich eines Abends den Engländer Anthony Divall kennen und bald auch schätzen. Für die nächsten 30 Jahre zählte er zu meinen besten Freunden.

Tony war Unternehmer und hatte ein eigenes Flugzeug, mit dem er Hilfsflüge in die Kriegsgebiete der ganzen Welt organisierte. Er hatte die Luftbrücke des eingetragenen Vereins „Fördergesellschaft Afrika“ nach Biafra organisiert sowie Flüge in den Südsudan, wo animistische und christliche Schwarze gegen die Vorherrschaft der mohammedanischen Nordsudanesen rebellierten. Und natürlich flog er auch Waffen nach Biafra. „Wir sind nicht auf Milchpulver-Transporte spezialisiert“, sagte er einmal. Ich selbst bin mit ihm mehrere Male nach Afrika geflogen.

Vor allem aber hatte Anthony Divall eine interessante Geschichte. Als 18-jähriger Royal-Marine war er nach Deutschland gekommen und hatte uns befreit. Als seine Einheit auf den Elbwiesen bei Lauenburg erfuhr, dass der Krieg zu Ende sei, wollte er in Deutschland bleiben und meldete sich zum militärischen Geheimdienst, dem Military Intelligence Service, Section 6 (MI6). Er wurde nach Berlin versetzt und arbeitete dort in den ersten zwei, drei Nachkriegsjahren. Dann aber machten die Briten die für sie schreckliche Entdeckung, dass der Berliner Büroleiter ein Doppelagent war und sie lösten das Büro komplett auf. Fortan war Anthony Divall als freiberuflicher Waffenhändler tätig und wurde vom MI6 immer dann eingesetzt, wenn Großbritannien irgendwelche Bewegungen mit Waffen unterstützen wollte, das aber nicht bekannt werden sollte.

Irgendwann fragte mich Tony, ob ich mir vorstellen könnte, ihm hin und wieder Informationen zu liefern. Er spielte gleich mit offenen Karten: „Ich bin eine Art Relaisstation für den MI6 und du, Randy, bist häufig in afrikanischen und arabischen Ländern unterwegs. Und was da passiert, interessiert uns Engländer sehr.“ Nun war mir Divall sympathisch und irgendwie auch der britische Geheimdienst. Ich wusste einiges aus Kriminalromanen und auch James Bond war schon erfunden. Das Ganze erschien mir seriös.

Ich lieferte Tony also die ersten Informationen und die waren offenbar gut, denn nach einiger Zeit wurde mir mitgeteilt, dass mich ein Geheimdienstmitarbeiter aus London kennenlernen möchte. Es war ein gewisser Donald, er kam nach Hamburg und ich habe mit ihm die Reeperbahn besucht. Der Brite war hin und weg. Hamburg war damals meines Wissens die einzige Stadt der Welt, wo auf der Bühne echter Sex gezeigt wurde. Das war eine Attraktion weltweit und das wollte man sehen. Donald kam bald öfters nach Hamburg und bat mich stets, mit ihm die Reeperbahn zu besuchen. Auch ich freute mich auf seine Besuche, denn er brachte immer einen Briefumschlag mit meinem Agentenlohn mit. Das war für mich sehr schönes privates Geld, über das ich mit meiner Familie nicht redete, das für mich privat zur Verfügung stand. Unter anderem auch für den einen oder anderen Besuch der Reeperbahn.

Die Zusammenarbeit mit dem MI6 lief sehr sauber und professionell ab. Die Geschichte endete erst Jahre später mit dem Falklandkrieg 1982. Ich arbeitete für das Reportagemagazin „Geo“, als die Briten zu mir mit einem sehr gut durchdachten Vorschlag kamen. Man habe gewisse Kontakte zu meinem Chefredakteur und es gebe die Möglichkeit, dass dieser mir vorschlage, eine mehrwöchige Reportagereise durch Patagonien zu machen. Dabei sollte ich die Küste entlangfahren und mir alles notieren, was mir an argentinischen Artillerie- und Raketenstellungen auffalle. Nun war aber auch in Deutschland bekannt, wie die Stimmung in Argentinien war und dass die dort regierende Militärjunta Jagd auf Spione machte. Einige waren schon geschnappt und zu Gefängnisstrafen von bis zu 30 Jahren verurteilt wurden. Dass ich mich einem solchen Risiko aussetzen sollte, behagte mir gar nicht. Das war mir wirklich zu gefährlich und ich beschloss, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, die Zusammenarbeit mit dem MI6 zu beenden. Die waren einverstanden. „Okay. Wir verstehen das. Sache erledigt. Mund halten.“ Es wurde ein Schlussstrich gezogen und es galt für beide Seiten das Schweigegebot. Wir trennten uns als Freunde. In summa waren unsere 15 Jahre Zusammenarbeit davon geprägt, dass beide Seiten profitierten. Ich jedenfalls kann mich nicht beklagen.

Ach los, scheiß der Hund drauf!

Подняться наверх