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Drei Jahre später
ОглавлениеAls ich in den Semesterferien, drei Jahre waren zwischenzeitlich vergangen, das erste Mal wieder den Hof meines Vaters betrat, stand er vor einem Traktor und werkelte daran. Er war so vertieft in seiner Arbeit versunken, dass er nicht aufsah. Nur mit einer Arbeitshose und einem Achselshirt bekleidet konnte ich nach langer Zeit wieder einen muskulösen männlichen Oberkörper bewundern. Das Spiel seiner Muskeln hatte wieder jene Signalwirkung auf mich, die wie damals, die sinnlichen Seiten in mir ansprachen. Um mich bemerkbar zu machen, pfiff ich laut mit zwei Fingern und drehte mich zum Hoftor um. So taten es vor Jahren die Jungs immer, wenn sie uns Mädels narren wollten. Auch diesmal zeigte es Wirkung. Als ich mich nämlich zurückdrehte und über den Hof hinweg in sein Gesicht sah, konnte ich ihm die Überraschung aus seinem Gesicht lesen. Sein Mund öffnete sich ein kleines Stück und blieb offen, seine Arme sackten plötzlich parallel zum Körper herunter und seine Hände ließen das Werkzeug los, so dass es scheppernd auf das Hofpflaster fiel. Ich winkte ihm zu und grüßte ihn, nahm mein Gepäck wieder auf und ging ins Haus. Er konnte mich hinter der Tür nicht mehrsehen, doch als ich durch das kleine Fenster der Eingangstür zurück schaute, sah ich, dass er immer noch wie angewurzelt im Hof stand. Hatte ich es bislang nur vermutet, so wusste ich seit eben, dass die Ereignisse von damals in ihm ebenso verwurzelt waren, wie sie es auch in mir waren. Ich war zurückgekommen. Mein Auftritt eben hatte Wirkung gezeigt und sollte nur das Entree sein. Doch nicht nur bei meinem Zielobjekt hatte mein unvermittelter Auftritt Wirkung gezeigt, auch in meinem Elternhaus. Auch hier herrschte eitel Freude mich zu sehen. Diese Wiedersehensfreude wurde durch ein langes Gespräch untermauert, in dem ich aus Berlin und vom Studium zu erzählen hatte. Aus fürsorglichen Gründen und um das Herz meines kranken Vaters zu schonen, verschwieg ich natürlich, dass in unserer WG und in meinem Bett auch Platz für einen jungen Mann war. Erst nach dem Abendbrot fand ich Zeit, an mich zu denken. Ich räumte mein Zimmer ein und meinen Koffer aus und verabschiedete mich zu einem kleinen Spaziergang. Gesagt hatte ich, eine Runde durchs Dorf zu ziehen und angekündigt, dass es spät werden könnte. Mein Ziel für den ersten Abend stand schon fest, da saß ich noch im Zug. Ich wollte an den Ort zurückkehren, an dem mein erstes und doch unerfülltes Abenteuer seinen Anfang nahm. Als ich aus dem Haus trat war der Hof leer- gefegt. Nur ein großer bunter Hahn stolzierte einer Gruppe von gackernden Hühnern hinterdrein. Als ich in die Dorfstraße einbog, bot sich auch da ein trostloser Anblick. Die Tages- schau hatte begonnen. Keine Menschenseele war zu sehen. Und so schlenderte ich gemäßigten Schrittes dem Dorfausgang zu, um am letzten Haus nach rechts auf dem Feldweg Richtung Weiher abzubiegen. Was ich nicht wusste war, dass Richard im Dachgeschoss eine Wohnung mit seiner Familie bewohnte, die er sich selbst ausgebaut hatte, und dass ein paar Augen hinter der Gardine eines der Fenster mich beobachteten. Nichts, aber auch gar nichts hatte sich verändert. Außer vielleicht, dass wegen der Fruchtfolge die Felder anders bestellt waren. Am Weiher das gleiche Bild. Ich zog meine Kleidung bis auf die Schlüpfer aus, legte alles etwas abseits ans Schilf und stieg ins Wasser. Es war wie damals in jener Nacht, erfrischend. Kaum dass ich ein paar Züge geschwommen war, hörte ich das Geklapper eines Fahrrades. Ich suchte Deckung am Schilfrand. Doch es war unnötig sich zu verstecken. Ich erkannte in dem Radfahrer jenen Menschen, der in meinem Innern schon so vieles zum Schwingen gebracht hatte. Und so schwamm ich ins offene Wasser. Als er mich sah hielt er an und stieg vom Rad. „Ich habe gehofft, dich hier zu treffen“, redete ich ihn an. Doch genauso sprachlos, wie am Nachmittag im Hof, stand er da und schaute nur. „Was ist? Siehst du ein Gespenst? Bist nur zum Schauen gekommen, oder fällt dir noch etwas anderes ein“? Er drehte sich in Richtung Dorf um. Gerade, als wollte er schauen ob ihm jemand gefolgt war. Das Rad fiel polternd um. Richard verlor in Windeseile seine Kleidung und anders als vor Jahren sprang er nackt und ungeniert mit einem Kopfsprung in das doch gar nicht so tiefe Wasser. Wie damals tauchte er schniefend kurz vor mir auf und sah mich forschend an, gerade als ob er fragen wollte, darf ich dich küssen. Ach du Dummer…, ich sehn mich danach. Um ihn aufzufordern mutiger zu sein, schloss ich langsam und erwartungsvoll die Augen. Mein schüchterner Freund schien diese Geste tatsächlich zu verstehen. Er neigt sein Gesicht zu mir, und ohne mich mit den Händen zu berühren, beginnt er, seine feuchten Lippen auf meinen Mund zu pressen. Ich öffnete meinen Mund. Es sollte für ihn die Aufforderung sein, das Spiel mit den Zungen zu beginnen. Mein Herz begann wilder zu schlagen und ein merkwürdiges Gefühl begann in mir zu wachsen. Es war, als hätte er wieder die richtigen Seiten in mir angestoßen, die nun zu schwingen begannen. Ein Phänomen, das ich schon gespürt hatte, es aber schon eine Ewigkeit nicht mehr wahrgenommen hatte. Diesmal schlang ich meine Arme um ihn und zog ihn an mich. Die entstandene Nähe ließ mich seine Erregung spüren, das Herz in seiner Brust spüren, und fast explosionsartig hatte ich wieder den Druck auf meiner Bauchdecke, der mir über die Jahre hinweg, schon bei dem bloßen Gedanken an die Situation von damals, den Verstand raubte. So ein kleiner Kuss war doch nur ein erstes intimes erkunden, und es waren doch nur die Münder, die Zungen die miteinander spielten. Und trotzdem spürte ich wieder von jener Stärke. Es befeuerte meine Sinne und damit den Grad meiner Erwartungen. Die drei Jahre WG in Berlin waren ja gewiss keine Klosterjahre für mich gewesen, und in Punkto Kopfkissen- zerwühlen hatte ich mit Steffen auch schon einige wenige Erfahrungen sammeln können. Und trotzdem war heut einiges anders. Nicht nur weil heut der erste Schritt von mir ausging. Richard war zögerlich, ja geradezu zurückhaltend. Doch mit jeder Sekunde unserer Berührung änderte sich dies, gerade so, als ob mit den Sekunden auch sein Mut und seine Entschlossenheit größer werden würden. Wie damals spürte ich seine suchende Zunge, nur diesmal küsste er irgendwie anders. Es war ein Kuss, zärtlich und doch kraftvoll, mit Leidenschaft und trotzdem voller Gier. Und ichglaubte etwas Forderndes zu spüren. Obwohl ich nicht genug bekommen konnte, musste ich ihn bremsen, nahm sein Gesicht in die Hände und drückte ihn weg. „Darf ich auch mal Luftholen“. Und wieder entschuldigte sich Richard für etwas was er gar nicht musste. Ich schaute tief in seine blauen Augen. Sie trugen etwas Leuchtendes in sich, das ich so noch nicht wahrgenommen hatte. „Was ist?“, fragte er. „Das Blau in deinen Augen ist wie das der Kornblumen“, versuchte ich ihm ein Kompliment zu machen. Aber er wollte dies gar nicht hören, denn er antwortete mir, dass dies gar nicht gut wäre, denn die Kornblumen verblühen ja so schnell, und außerdem werde es sie bald nicht mehr geben. Er wollte nicht wie die Kornblumen enden. Das Blau des Meeres wäre ihm angenehmer. Und so erzählte er mir, dass er noch nie das Meer gesehen hatte, dass er manche Nacht, in der er nicht schlafen konnte, davon träumte, wie es wohl wäre, dem Spiel der Wellen zu zusehen, dem Rauschen der Wellen zu lauschen. Ja …, genau so sagte er es. Da stand er. Ein Hüne von Mann, mit Augen so blau wie das Meer, die noch nie aufs Meer gesehen hatten. Ich nahm sein Gesicht in die Hände und versprach ihm, dass wir es eines Tages uns gemeinsam ansehen werden. Und seine treuen blauen Augen begannen zu leuchten. Hoffentlich kannst du dieses Versprechen auch halten, dachte ich mir in jenem Moment. Aber zu mehr denken kam ich nicht. Denn wieder spürte ich seine Zunge an meinen Lippen, die um Zugang baten. Ich gewährte ihm diesen, hatte ich ihn doch bereits schon einmal dazu ermuntert. Er küsste heiß und gierig, so als wolle er das Versäumte der letzten drei Jahre mit einem Schlage nachholen. Es ließ mich glauben, dass auch er sich, wie ich ja schließlich auch, über die Zeit hinweg eine starke emotionale Bindung bewahrt hatte. Nun waren wir erwachsene Menschen gereift und hatten die Lebenserfahrung, um einschätzen zu können, was da mit uns geschah. Aber es gab für mich auch einen moralischen Aspekt, schließlich hatte er zu Hause eine Frau und zwei kleine Kinder. Was wäre, wenn unser Tun für ihn Konsequenzen hätte. Ein Gedanke, der mich für einen Moment etwas abkühlen ließ. Doch als sich seine rechte Hand tastend in Richtung meines Busens bewegte und die Linke sich abwärts, um den Grad meines Wohlwollens forschend auf den Weg machte, waren solche Überlegungen schnell vergessen. Alles geschah zu meiner Überraschung so vorsichtig, so behutsam, so einfühlsam, dass ich dies den großen, kräftigen Händen dieses Mannes nicht zugetraut hätte. Aber vielleicht war er sich seiner Sache auch nicht gänzlich sicher. Ich nahm seine linke Hand, die es schon bis unter meinen Slip geschafft hatte, und hinderte sie, ihren Weg fort zu setzen. Aber nicht weil ich es nicht wollte, dass sie weiter forscht, sondern weil ich nicht stehend und vor allem nicht im Wasser dieses Spiel zu Ende bringen wollte. Er konnte diese Geste unmöglich als eine Ablehnung seines Tuns deuten, denn von meiner anderen Hand erhielt er andere, eindeutige Signale. Ihm konnte unmöglich entgangen sein, dass sich meine Brustwarzen in seiner Handfläche zu festen Knubbeln geformt hatten. Richard löste sich von meinem Mund, um sich zu entschuldigen. „Das musst du nicht. Nur fände ich es angenehmer, wenn wir aus dem Wasser steigen würden.“ Die Worte wirkten bei ihm erleichternd, gerade so, als ob eben eine Last von ihm gefallen wäre. „Ich habe seit jenem Tage eine ewige Zeit nur an dich gedacht und ein solches Verlangen gespürt, dass ich glaubte, es würde mich zerreißen.“ Mit diesen Worten hatte sich meine Vermutung betreffs der aufgestauten Emotionen bestätigt. Wir schauten uns schweigend für einen Augenblick in die Augen. “Bring mich aus dem Wasser“. Wie ein mehrarmiger Kran umschlossen mich seine kräftigen Arme und trugen mich ans Ufer. Dort angekommen, setzte er mich eben so sanft auf eigene Füße, wie ein Kranfahrer ein zerbrechliches Gut absetzt. Und zum ersten Mal sah ich ihn nackt vor mir stehen. An ihm war alles kräftig, nicht nur seine Muskulatur, seine Statur. Das was ich sah, übertraf alle bisher vereinnahmte Männlichkeit. Wusste ich doch, dass solch eine Männlichkeit zum Gedeihen und wachsen eine größere Menge Blutes brauchte, um aus einem schaukelnden Hängedasein in eine aufrechte Haltung zu gelangen, so wusste ich auch, dass Männer ab einem gewissen Stadium ihrer Erregung nur noch ein Ziel kennen. Ihren Hirnen fehlte dann einfach das Blut zum Denken. Auch wenn ich dieses Phänomen der Blutleere in männlichen Hirnen schon erlebt hatte, hieß das ja nicht, dass es auch Männer gab, die, trotz einer zeitlich begrenzten Blutleere im Gehirn, noch auf die Noten schauen konnten und ihr Instrument auch dann beherrschten. Doch der Ehrlichkeit halber muss ich an dieser Stelle anführen, dass es beinah ebenso viele „hirnlose Spalten“ gibt, die gedankenlos alles in ihrer lechzenden eierstockgesteuerten Gier in sich einsaugen, denen dabei kein Fels zu groß ist, um sich ihren gähnenden Abgrund füllen zu können. Aber auch mit solchen Schlussfolgerungen sollte man vorsichtig umgehen, um nicht dort zu viel Porzellan zu zerschlagen, wo es doch eher um Nachsicht geht. Aber warum quälte ich mich gerade in diesem Moment mit solchem Gedankengut. Bei ihm schien es doch anders zu sein. Aus seinem Gesichtsausdruck konnte ich lesen, dass trotz seiner Erregung seine Gehirnzellen arbeiteten. Was mochte er wohl denken, fragte ich mich. Ich streifte mir selbst mein nasses Höschen ab und ließ es ins Gras fallen. So standen wir nun beide da in unserer Nacktheit und wusste um unsere Verlangen, das schon so lange nach Erfüllung gierte. Er ließ mich den ersten Schritt aufeinander zuzugehen machen. Ich musste mich ihm faktisch von der Seite nähern, stand mir doch auf dem direkten Wege ein Körperteil im Wege. Na ja, ein wenig Stellplatz vor ihm musste ich mir schon mit der Hand verschaffen. Es war auch nicht der erste Penis der in meiner Hand lag, aber der wohl kräftigste. Doch allzu viel Zeit ließ mir Richard gar nicht, um noch irgendwelche weiterführende Gedanken an diesen Umstand zu verschwenden. Wieder packten mich seine starken Arme, hoben mich empor und schon lag ich in der Horizontalen im Gras. Ich hatte mich getäuscht als ich glaubte, er macht da weiter, woran ich ihn im Wasser gehindert hatte. Er stand einfach über mir. Er schaute mich einfach nur von oben bis unten an. Ich kam mir vor wie bei einer Musterung. Es war mir gar nicht recht. Auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt noch jung und knackig schlank war, so waren weibliche Attribute an mir nicht besonders ausgeprägt. Eine Brust in Körbchen Größe A ist vielleicht laufstegrelevant, nicht aber das, was Männerherzen sich wünschten und sie höher schlagen lassen. Ein Blickfang für seine Augen schien mein magisches Dreieck zwischen endenden Schenkeln und beginnendem Körper zu sein. Es schien ihn zu faszinieren. Erst sein „du bist schön“ löste diese Spannung. „Möchtest du nur betrachten“, fragte ich um ein wenig Bewegung in die Situation zu bringen. Er kniete sich neben mich nieder, aber weder küsste er mich, noch begannen seine Hände unruhig zu werden. Da lag ein Geschenk für ihn und er schaute es nur an. „Was ist Richard“. Es musste ihm wie eine Aufforderung zum Handeln geworden sein. Erst jetzt begann er meinen Körper zu erkunden, mit den Augen, mit dem Mund, mit den Händen. Und ein Anode-Kathode-Gefühl mit extrem hoher Volt Zahl stellte sich ein. Mein Gott, ich stand vom Scheitel bis zum großen Zeh unter Spannung und presste alle meine Zärtlichkeit in diesen Kuss. Noch nie streichelten so große zarte Hände meine Brüste, noch nie züngelte jemand mit einer solchen Verspieltheit an meinen Hügeln und ihren steinhart gewordenen Spitzen. Die Reize, die von seinem Tun ausgingen, kamen aus einem Ozean der Zärtlichkeiten, in den ich nun genießerisch einzutauchen versuchte. Seine neugierigen Finger fanden Mulden zum Verharren, fanden Körperteile zum Streicheln und Überwinden, kreisten im zarten Flaum meiner Schambehaarung. Als ich aber seine Hand auf meinem Venushügel verspürte, die einen sanften Druck ausübte und dann zwei seiner Finger neben dem Eingang zu meinem Glückszentrum diesen Druck auch auf mein zweites Lippenpaar ausdehnte, suchte ich nach Contenance. Und als Sekunden später dieses Fingerpaar, wie ein Vogel auf Nahrungssuche, zwischen meinen Schamlippen versank, durchfuhr ein erstes leichtes Beben meinen Körper und löste ein genüssliches Grollen aus. Erschrocken hatte er seine Hand zurückgezogen. „Mach weiter“, musste ich ihn auffordern. Ich wollte mehr von dem spüren, was da eben in einer ersten Welle durch meinen Körper zog. Immer noch hockte er neben mir und hatte nicht den Mut sich neben oder auf mich zu legen. Er saß wie ein Geigenspieler vor seiner Stradivari und hatte Angst, das Instrument zu spielen, das sich ihm darbot. Ich genoss die Situation, die besondere Art und betrachtete es als eine Vorbereitungszeit für etwas noch Größeres. Noch konnte ich warten, doch auch das war nur eine Frage der Zeit. Seine Hände begannen, die Innenseiten meiner Schenkel zu suchen, eine ebenso erogene Zone wie die, wo mein zweites Lippenpaar zum Mund wird und eine kleine Hautfalte einen prallen Punkt verdeckt, der mir pure Lust bereitet. Ich hätte nie vermutet, dass in Richard derartige Fähigkeiten schlummern und er sich so auf die Liebe vorbereiten kann. Oder war ich das besondere Spielzeug für ihn? Ich hatte genügend Streicheleinheiten erhalten und wollte nun mehr. Und so begann ich mit meinen Händen auf Entdeckerreise zu gehen. Welch pralle Männlichkeit erwartete mich, als ich mich erhob und vor ihm kniete. Man musste schon mit Blindheit geschlagen sein, um seine Erregung übersehen zu können, und selbst dann konnte man ihr auf dem Weg zu ihm nicht aus dem Wege gehen. Meine Hand hatte das Ziel im Fadenkreuz. „Ich habe ein wahnsinniges Verlangen nach dir“, sagte er leise. „Ich weiß, und es ist auch nicht zu übersehen. Mir geht es nicht anders“. Eine meiner Hände fand ihr Ziel in seinem Nacken, die andere glitt an seiner Hüfte abwärts in seinen Schritt. Unsere Münder berührten sich, ganz sanft drückte er mich ins Gras. Hätte er nicht seine Beine zwischen die meinen geschoben, um sich so abstützen zu können, so hätten sich 80 Kilo über mir ausgebreitet und mich erdrückt. So aber konnte ich den Geschmack seines Mundes und die Wärme seines Körpers genießen. Außer Atem vom wilden Spiel unsere Zungen trennten sich unser Lippen und fanden sich wieder, lösten sich voneinander und haben sich wieder vereint. Wenn das Sein sich ganz und gar auf den Moment konzentriert, die Betriebsamkeit des Tages geschwunden ist, wenn das Verlangen die Sorgen um Vergangenheit und Zukunft vergessen lässt, und das Jetzt von der Freude auf das Kommende durchdrungen ist, dann ist wohl die intensivste Form der Lust am Leben erreicht. Ich hatte gewusst ihn eines Tages wieder zu finden, aber nicht geahnt, vom Glück so überwältigt zu sein. An jenem Abend wäre ich bereit gewesen, auf einige Jahre meines Lebens zu verzichten, nur damit nichts dieses Konzert hätte stören können. Ich erlebte das Schönste, das intensivste Vorspiel meines noch so jungen Lebens und hoffte, dass es nicht so schnell enden möge. Vergessen waren all die Vorgänger. Dilettanten wie Günter, mein erster Versuch, der einfach ohne jede Vorwarnung drauf losstürmte, der nur wusste wo er sein Geschlechtsorgan unterzubringen hatte, aber nur dessen Gebrauchsanleitung zum Pippi machen wirklich kannte. Oder Siggi, der mich mit ein bisschen Krabbeln-Fingern-Knutschen und sechs Stößen abfertigte, weil er noch für eine Physikprüfung zu büffeln hatte. Und dann Phillip, mein Dozent, der es in den Quickis zwischen zwei Vorlesungen schaffte, gleich mehrmals den Gipfel der Welt zu erklimmen, mich aber stets auf der harten Schreibtischplatte vergaß mit zu nehmen und nur als ein Mittel zum Zweck ansah. Er flötete mir zwar während der Penetration mehrfach ein „Ich liebe dich“ ins Ohr, doch schien nach seiner Erleichterung davon wenig übrig geblieben zu sein. Und obwohl ich diesen Viertelstunden stets freudig entgegen sah, war mir das Fummeln und Knutschen vorher lieber als der Akt und das Nachher, einfach weil es, wenn auch nur Sekunden, länger war. Ein danach gab es eher selten, denn schnell hatte er seine Hose hochgezogen und geschlossen, weil es immer etwas Dringendes, Unaufschiebbares für ihn zu erledigen gab. So erlebte ich die körperliche Liebe in den Anfängen. Erst mit Steffen kam alles in anspruchsvollere Bahnen, wurde erfüllender, denn er nahm sich Zeit. Nur war sein kleines Spielzeug mehr außerhalb als im Spiel und hatte es eher mit den Fingern und der Zunge. Mit Richard dagegen war nun ein ganz anderes Schiff drauf und dran in meinen Hafen einzulaufen, eins auf das ich schon lange gewartet hatte. Eben so, als hätten Schiff und Hafen schon lange auf einander gewartet, so als wäre beide für einander geschaffen worden. So lagen wir im Gras. Die Sterne standen über uns. „Ich hab da etwas für dich“, flüsterte Richard und drehte sich auf die Seite um etwas aus seiner Hose zu ziehen und reichte es mir. Ich konnte die Worte auf dem Zettel nicht lesen. Richard erklärte mir, dass er alles was er an jenem Abend nicht sagen konnte, aufgeschrieben hatte. „Warum hast du mir es nicht eher zukommen lassen“, wollte ich wissen. „Ich hatte doch immer gedacht, dass es noch Gelegenheit dazu geben würde. Aber dann kam alles so schnell, du warst weg und es gab nie wieder ein Zeichen von dir. Du dort in der Stadt, später ein Studium, ich hier in der Provinz, ein popliger Landarbeiter. Nach einiger Zeit dachte ich, dass es so, wie es gekommen war, das Beste gewesen ist. Als du heute Nachmittag wieder in mein Leben tratst, kam all dies wieder in mir auf. Es war einfach stärker“. „Aber heute bist du gebunden, hast zwei Kinder“. Richard zuckte mit den Schultern.
„Ja. Vor drei Jahren wäre alles anders geworden. Nachdem kein Zeichen von dir kam, hatte ich mich verlobt um mich gegen dieses Gefühl zu erwehren, gegen die Illusion, als könnte noch mal was aus uns werden“. Der Zauber des Momentes war dahin. Ich sah wie er mit sich kämpfte. Ich hätte es wissen müssen, dass die Sittenstrenge seiner erzkonservativ katholischen Erziehung nur die Monogamie für ihn zuließ. Die neu entstandene Situation passte nicht in sein Lebenskonzept, seine einfach strukturierte Denkweise ließ die heutige Situation einfach nicht zu. Er wollte ein „anständiger Mann“, wie er es nannte, bleiben. Ich benahm mich dagegen schuftig. Denn ich bin zu ihm mit der Absicht gekommen, mich unvergesslich für ihn zu machen, ihn mit weiblicher Magie in eine unheilbare Sehnsucht zu stürzen, selbst auf die Gefahr hin, seine Beziehung ins Wanken zu bringen. Ich gebe zu, dass solch Verführung unmoralisch ist, doch in mir loderte eine Begierde, die nur der richtige Mann erfüllen konnte. „Aber Richard. Wir sind Jahre älter, reifer geworden. Auch ich habe diese eine Nacht nicht vergessen können. Unsere Situation heute schreit nach Verlangen. Wie lange wolltest du dich gegen dieses Gefühl wehren. Schau dich an.“ „Ach Stephanie“, hörte ich ihn flüstern“, „das habe ich nicht zu träumen erhofft. Seit unserer ersten Nacht liege ich manchmal wach in meinem Bett und träume vor mich hin. Ich, ich…, ich weiß nicht…, was mit meiner Zerrissenheit noch werden soll.…..“ Aus seinen unvollendeten Sätzen war eine Unsicherheit zu spüren und ließ Rückschlüsse auf seine moralischen Regungen zu. Ich spürte seine Zweifel an der Unrechtmäßigkeit seines Tuns. Auch wenn sich mir eine solche Frage nicht stellte, so konnte ich ihn verstehen, schließlich war er verheiratet und in dieser Verbindung ist er Vater zweier Kinder geworden. Seine Komplexe zwangen ihn zur Zurückhaltung und er erschien festentschlossen dieser „anständige Ehemann“ bleiben zu wollen. Auch wenn ich mir den Ausgang des Abends anders vorgestellt hatte, so musste ich dies respektieren. Er legte sich zu mir ins Gras und suchte meine Hand. „Vor drei Jahren hätte alles anders werden können“, wiederholte er sich. „Ich versteh deine Zweifel ja“, sagte ich ihm. „Versprich mir, dass wir uns bald wiedersehen“. Mit diesem Satz setzte ich ihn unter Druck. Ich wollte ihn nicht so einfach aufgeben, auch wenn ich wusste, dass ich an den Festen seiner Moral und seiner Beziehung rüttelte. Ich kannte ja um seine Sehnsüchte und das Verlangen, dass in ihm lebte. Mit der Grausamkeit einer jungen Frau, die ich damals war, konnte ich mich nicht damit abfinden, meine unheilbar gewordene Sehnsucht einfach ungestillt zu begraben und ihn in den Armen einer anderen zu wissen. Ich wollte für ihn unvergesslich bleiben. Richard drehte sich zu mir. „Ich verspreche es“. Damit hatte auch unser zweiter Abend ein vorschnelles und ungewolltes Ende genommen. Ich war enttäuscht und redete mir ein, dass mit Richard noch nicht alles verloren wäre. Was hat schon eine verlorene Nacht zu bedeuten. Ich war damals Anfang der zwanziger Jahre und dachte, ich musste nur lange genug warten können. Es war jene Zeit in meinem Leben, wo ich noch glaubte, dass meine Teenagerjahre sich unendlich lange hinziehen könnten. Ich hatte jede Menge Zeit zum Warten. Wenn ich hörte wie Bekannte, die nur wenig älter waren, sich schon als Erwachsen sahen, das Ende ihre Jugendzeit bedauerten, sah ich mich selbstgefällig nicht in einer solchen Gefahrenzone. Auch wenn meine Mutter in ihrem alljährlichen Monolog zu Weihnachten immer wieder davon sprach, dass die Jahre immer schneller vergehen würden, je älter man wird, sie Enkel sehen wollte, glaubte ich, dass die Zeit meiner Zwanziger Jahre ewig dauern würden. Was aber, wenn Richard mich doch vergaß? Diesen Gedanken wollte ich nicht weiter denken.