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So wie die Sehnsucht eine Kunst der Distanz ist. Ist die Freude eine Kunst der Nähe. Sigmund Graff

Jahre später

Es waren rückblickend betrachtet keine leichten Jahre gewesen. Auch wenn die letzten vier, fünf Jahre nicht unbedingt zu den schönsten zählten, so konnte ich sagen, dass sie keine verlorenen Jahre waren. Ich hatte ein Ziel erreicht. Auch mein zweites Studium hatte ich mit Bravour hinter mich gebracht, dessen Abschluss mir eine recht ordentlich bezahlte Anstellung an der Uni eingebracht hatte. Diese Sicherheit im Rucksack verhalf mir dazu, die Werte für kommendes neu festzulegen. Ich stand damals am Anfang des dritten Jahrzehntes meines Lebens. Wenn auch meine Zielstrebigkeit einige Entbehrungen bedeutet hatten, die letztlich auch eine gewisse Einsamkeit und Verlassenheit mit sich brachten, so hatte ich doch wenigstens meine beruflichen Ziele verfolgen können. Es zeigte sich auch, dass mein kleines weniger erfolgreiches Glück mit Richard keine nennenswerten Schäden an meinem Wesen, keine tieferen Gräben geschaufelt hatte. Wahrscheinlich kann man solche Erfahrungen im jugendlich unbeschwerten Alter leichter überwinden, auch wenn Ehrgeiz und Stolz auf seine Leidensfähigkeit geprüft wurden. Ich war mit meiner Strategie bei Richard seinerzeit gescheitert. Aber es war besser, dem Liebeskummer ins Gesicht zu sehen, als sich unnütz in Sehnsüchte erzeugende Gedanken nach einem „ Was wäre wenn“, zu stürzen. Die brachten nichts. Alles hat seine Zeit, dessen Wert wir selbst bestimmen. An dem Tag, an dem ich mir dessen bewusst wurde, begann meine Befreiung. Auch waren die zahlreichen durchwachten Nächte, die angefüllt mit Selbstzweifel und zerstörerischen Gedanken ausgefüllt waren, für immer vorbei. Dinge, die während dieser Zeit in den Hintergrund rückten, konnten nun ihren alten Stellenwert zurückbekommen. Mit meinen Erfahrungen, den alten und den neu gewonnenen, begann ich noch einmal einen Neustart. An Körper und Geist gereift, stand ich nun im vierten Lebensjahrzehnt. Nicht das mich diese drei in der Altersangabe nun sonderlich bewegte, ich konnte doch ohnehin die Zeit nicht anhalten, aber die morgendlichen Anblicke im Spiegel

ließen erste nahenden Zeichen der Veränderungen erkennen. In meinem Bad standen jetzt viel mehr Cremetöpfe als früher. Und sie tragen Aufschriften wie "Repair" oder "Anti-Aging" was einen sicheren Hinweis auf die zunehmender Reife der Nutzerin geben konnte. Jugendliche Frische bedarf dessen nicht. Ich konnte nicht sagen dass ich mit meinem Aussehen unzufrieden war, gar nicht. Also wenn Blicke entkleiden könnten, dann würde ich wohl täglich nackt durch die Uni laufen. Kosmetika und andere schmückende Beiwerke schienen dieses Phänomen pushen zu können, bzw. noch unter der Decke respektive Kleidung verstecken zu können. Doch wie lange noch? Also galt es weitere Eckpfeiler für das Leben zu setzen. Eine Basis hierfür gab es mittlerweile schon mit Christoph. Für Christoph brauchte ich mich nicht zu entscheiden, er hatte sich für mich entschieden. Ja….., einfach so auf der Straße. Das war auch so eine irre Geschichte, dass ich sie an dieser Stelle erzählen muss. Ich war auf dem Nachhauseweg, stand auf einer Verkehrsinsel in der Friedrichstraße und wartete auf die Ampel, als ein Audi unmittelbar vor mir anhielt und eine Hand mit einer roten Rose plötzlich durchs heruntergelassene Fenster sich mir entgegen streckte. Ich musste lächeln, schenkte der Blume aber keinerlei Bedeutung und ging, als die Ampel auf Grün sprang, über die Straße. Der Audi fuhr natürlich, samt der Rose weiter. Ich hatte die Blume schon vergessen, als sich mir ein weiteres Mal eine rote Rose in den Weg stellte. Diesmal konnte ich neben der Hand auch den Träger ausmachen. Warum ich die Rose ausschlage, wurde ich gefragt. Als ich nicht reagierte, sank die Hand enttäuscht nach unten. Ich schaute mir den Fragesteller an und sah in ein Gesicht mit einem salz- und pfeffermelierten Dreitagesbart, langes wirres Haar und meerblaue Augen. Was mir zu diesem Zeitpunkt durch den Kopf ging, kann ich heute nicht mehr sagen, aber auch an Ort und Stelle musste ich nichts sagen. Das Reden übernahm er. Er erzählte etwas davon, dass er die Blume für mich geklaut habe und nun von der Polizei gejagt werde. Also eine ganz irre Story, die mir aber ein Lächeln entlockte und dazu bewegte, dass ich die Rose nahm und an meine Nase führte, um daran zu riechen. Ich konnte ihm ansehen, dass ihn meine Geste erleichterte. Vielleicht deshalb, weil er sich nun schon an seinem Ziel wähnte. „Wie heißt du? Rosenrot? Ich lächelte ihn an. „Find es raus?“, und lief an ihm vorbei weiter auf meinem weg nach Hause. Als ich darüber nachdachte, musste ich über diese originelle Masche lächeln, über mich aber auch etwas ärgern, dass ich seinem Drängen so schnell nachgegeben hatte und die Blume nahm. Zwei Tage später, ich kam am Nachmittag von der Uni nach Hause, da lauerte er mir vor dem Haus auf, und hielt mir wieder eine Rose entgegen. „Die ist aber ehrlich erstanden, ich schwöre es Stephanie. Und das mit der Blumenfrau und der Polizei ist auch ausgestanden. Bei der Blumenfrau habe mich frei gekauft. Und der Polizei bezahlte ich treu und brav meine Strafe fürs Falschparken.“ Woher wusste er meinen Namen? Wieder löste es ein Schmunzeln bei mir aus. Hartnäckig ist er ja, dachte ich bei mir. „Na da bin ich aber beruhigt. Am Ende komme ich hier im Viertel noch ins Gerede.“ „Mach dir da mal nicht so viele Gedanken, das bist du doch schon. Was glaubst du, warum ich so schnell zu deinen Namen gekommen bin. Ich brauchte nur nach der schönsten Frau im Viertel zu fragen.“ Ich begann ihn mir genauer anzuschauen. Heute sah er um die Haare etwas geordneter aus, hatte einen Anzug an und auch die Sandalen vom letzten Mal gegen ordentliches Schuhwerk getauscht. Ich dachte mir, eigentlich ein ganz passabler Kerl, auch wenn er schon etwas älter sein müsste. „Und was machst du sonst, wenn du nicht gerade Blumen klaust, die Polizei ärgerst und jungen Frauen Rosen hinterherträgst“, wollte ich wissen. „Dann stricke ich an einer Maske, nehme mir meine Wasserpistole, überfall die Currybude um zu etwas Beißbaren zu kommen und mir eine Zeitung kaufen zu können.“ Ich musste lachen. „Noch so ein netter Zeitvertreib. Dir scheint es nicht langweilig zu werden. Ich mach dir einen Vorschlag. Damit wir hier in aller Öffentlichkeit nicht wegen Verabredung zu einer Straftat auffallen, lädst du mich auf einen Kaffee vorn an der Ecke beim Bäcker ein. Und wir reden darüber.“ Mit dieser plötzlichen Wendung sah er sich angekommen, und bestätigte schnell mit einem okay. So lernte ich Christoph kennen. Seine

Erscheinung, sein Intellekt, sein Humor, seine Hartnäckigkeit hatten Eindruck bei mir hinterlassen und ich erfuhr so die Tatsache, dass er als Journalist des Öfteren im Ausland beruflich tätig war. Ich sah darin, wenn alles andere mit ihm genauso klappen sollte, für mich auch weiter die Freiräume, die ich zurzeit noch für mich hin und wieder benötigte, ohne mir bei irgendjemand etwas vergeben zu müssen. Mehr als eine Freundschaft, das gab ich ihm zu verstehen, konnte ich im Moment nicht zulassen. Er akzeptierte dies und schon Tage später standen seine Koffer vor meiner Tür. Es bedurfte eine gewisse Zeit, bis wir uns an gemeinsam genutzte Räume gewöhnten. Wir fanden doch ziemlich schnell zu einander und erlebten gemeinsame Jahre, in denen alles in einem gleichen Takt lief, sich Begehren ergab, weil sich Lust an Lust erfreute, neu ergab und sich wieder für beide erschöpfend auflöste. Bis…. ja…bis ich ein befristetes Angebot für Gastlesungen an der Uni Aix-Marseille in Frankreich erhielt. Es war für mich ein kleiner Paukenschlag. Ich in Marseille, ein Traum gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen, eine Wertschätzung meiner Arbeit und um

zweiten, konnte ich so den Wirkungsstätten der großen französischen Maler ganz nahe sein. Dort arbeiten, wo andere Urlaub machen. Ich mag die Art der Franzosen, deren Flair, ihre Einstellung zum Leben, dies hatte es mir schon in meiner Jugend angetan. Natürlich konnte ich ein solches Angebot nicht ausschlagen. Mit Christoph war recht schnell geklärt, wie wir uns mit Job, Wohnung und dem Hin und Her arrangieren konnten. Die Aussicht als Dozent auch über die Zeit der Gastvorlesungen hinaus arbeiten zu können, machte das Angebot für mich noch angenehmer. Doch soweit wollte ich noch nicht denken.

Schlafen können wir später

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