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Der Mann auf den Steinen

Île d’Oléron, Frankreich

Die Wellen des Meeres verrauschen das Zappen und die Taten. Ein intensiver Blick auf das Meer genügt. Ich gehe am Strand entlang und gucke ab und zu auf die leicht gekrümmte Horizontale, durch nichts getrübt - kein Schiff, kein Boot, kein Nichts - blicke ich in die endlose Endlichkeit. Ich nehme ein paar tiefe Züge von der nach leichtem Salz riechenden frischen Luft. Der Geist beruhigt sich seiner. Comme une ocean, très bleue, très na na na. Ich betrachte das Ufer. Marée basse - merée haute. Es gleicht sich in seiner ständigen Wiederholung, wie sich die Geschichte gleicht in ihren ständigen Wiederholungen. Wie sich die Bilder gleichen, die wir in mehr oder weniger größeren Intervallen vorgespielt bekommen. Obwohl es niemals das Gleiche ist. Das Meer strömt immer dem gleichen Land entgegen und geht wieder ein wenig weg. Aber die Geschichte treibt einem völligen Neuland zu, etwas, was wir bisher noch nicht kannten. Was wir uns bisher noch nicht vorstellen konnten.

Da geht ein Mann auf den runden Steinen, steht auf runden Steinen an der Uferböschung und kann sich kaum halten, weil die Steine unter seinen Füßen dauernd wegrutschen. Er wedelt mit den Armen, fuchtelt in der Luft herum, um sein Gleichgewicht zu halten, erschwerend kommt hinzu, dass das dünne Schuhwerk einer Masse von etwa achtzig Kilogramm kaum gewachsen ist, es drücken die runden und die eckigen Steine ganz schön in die Fußsohle, ich beachte ihn nicht weiter und widme mich weitaus wichtigeren Dingen, die zwischen den runden und eckigen Steinen, den muscheldurchbohrten Löchersteinen liegen.

Kleine weiße, salz- und sonnengegerbte Hölzer, abgebrochene Äste von irgendwoher, von irgendeinem Baum oder Strauch, ausgewalzte und sonnengetrocknete Blätterstränge, von denen nur noch die Außenformen ihrer ehemaligen lebensspendenden Adern und die Stiele übrig geblieben sind, wie kleine hellbraune, fächerförmige Siebe mit inneren Verstrebungen sehen sie aus, es erinnert mich an filigranste gearbeitete Kunstgegenstände und Kunstformen wie sie in Indien und im Nahen Osten oder Nordafrika hergestellt werden. Angerostete Dosen, zerfetzte Plastiktüten, Steine, Glasscherben, die das ewige Gereibe rund und gleichmäßig gestaltet hat. Die geschälten Hölzchen mit ihren Verzweigungen lassen den Charakter der Bäume ahnen, an denen sie wuchsen. Ein alter Schuh, der sich schon fast aufgelöst hat. Er besteht nur noch aus der Kuppe des Schuhes mit zwei metallenen, gestanzten und gebördelten Löchern. Das Ende seiner Laufbahn ist nur ein ausgebleichtes Lederstück mit zwei metallenen Ösen und einem Stück Schuhsohle an einem steinigen Stück Strand, quelle blamage. Es glänzt matt, hellbraun vom Salz ausgeblichen, meliert sieht es aus, an manchen Stellen fast weiß. Aufgebrochen ist es an den vorderen Knickstellen, dort wo die Zehen aufhören, es sieht fast so aus wie ein sich verzweigender Flusslauf auf einer Landkarte.

Das Puppenbein und der Puppenarm werden sich wohl nicht viel verändern, denen scheint es egal zu sein, mit dem Gereibe und Getreibe, mit dem Hin und Her, mit der Sonne und dem Regen, denen hat das alles nicht viel angetan. So rollen und tumbeln sie halt so vor sich hin im Weltlauf der Geschichte und verändern sich kaum.

Es interessiert mich nicht weiter, aber es gefällt mir. Ich nehme das Stück Restschuh mit, die Schuhkuppe mit den zwei Metallösen, den umgebördelten, auch ein paar von den kleinen, fast weißen, ausgebleichten, verzweigten Hölzchen und den getrockneten Siebblättern. Auch ein paar Glasscherben, die das ständige rum und num, sandene, steinerne Wasser schon ganz rundgeschliffen hat. Wenn ich ein kleiner Einsiedlerkrebs wäre, wäre ich wahrscheinlich in einer sehr glücklichen Situation. Ich kann mir jederzeit ein neues Haus suchen, die Nahrung kommt an mir vorbei geschwommen, und das ewige Taumeln und Rollen, Schaukeln, Hoppeln hin und her in den Wellen, mit den Wellen, bin ich gewohnt, es macht mir nichts mehr aus. Und wenn sich das Meer einmal beruhigt hat, krieche ich vorsichtig aus meinem Haus heraus, ohne, aus gutem Grund, es jedoch ganz zu verlassen, spaziere ich seelenruhig auf dem Meeresgrund entlang und erfreue mich der Ruhe um mich herum.

Wenn ich nach oben sehe, das Glitzern der Sonne auf der Wasseroberfläche, die ich gemeinerweise nie ganz rund zu fassen kriege, so sehr ich mich auch bemühe, der leichte, sanfte Wind drückt und schiebt und stiebt, ohne auch nur für einen kurzen Moment nachzulassen, ständig ganz leicht auf die Wasseroberfläche, als ob er mich ärgern wolle, ständig hüpft und hupft die Sonne wie ein kleiner, heller Spielball auf der Oberfläche herum, immer wieder kräuselt es sich dann doch wieder leicht an einer Stelle. Ich nehme es nach großer Anstrengung hin und verzichte auf den Genuss einer runden Sonne.

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