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VON FALL ZU FALL

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Hauptkommissar Stahnke lebt, und das besser als je zuvor. Der Fünfzigjährige hat – nachdem ihm seine Frau davongelaufen ist – mit der Studentin Sina eine attraktive, 20 Jahre jüngere Gefährtin bekommen. Irgendwann ist er auch befördert worden, und mit Oberkommissar Kramer steht ihm ein zwar humorloser und maulfauler, aber effizienter Mitarbeiter zur Seite. Er »schätzte seinen Assistenten ebenso wie der ihn, aber die beiden Männer hatten es sich angewöhnt, daraus ein Geheimnis zu machen. Zuweilen sogar vor sich selbst.«

Stahnke lebt, und das deutlicher als je zuvor. »Ein anderes Blatt« und »Thors Hammer« (beide 1997) brachten frühe Ermittlungen, da waren andere Personen mindestens ebenso wichtig wie er. In »Ebbe und Blut« (1999) gewinnt er Kontur, in der ersten Fallsammlung »Das Mordsschiff« (2000) hat er bereits Vergangenheit und Zukunft, ist die runde Figur geworden, die ich liebe: ein Zweizentner-Mann mit stoppelblondem Kopf, dem seine »ungesteuerten Gedankenkaskaden« unbehaglich sind, weil er ein langsamer, von seinen Vorurteilen leicht verführbarer Denker ist.

»Der Etappenmörder« (2001) wurde zu Stahnkes bislang größtem und gefährlichstem Fall. Damals wandte sich Sina ab von ihrem früheren Freund, dem immer mal wieder auftauchenden Sportjournalisten Marian Godehau, und ihm zu. Spätestens seit damals aber habe ich für Stahnke zu fürchten begonnen. Es würde ihn doch nicht etwa ein ähnliches Schicksal erwarten wie Sherlock Holmes? Der sollte ja auf dem Höhepunkt des Erfolgs nach dem Willen seines Schöpfers in die Reichenbachfälle gestürzt werden. Was wird Peter Gerdes noch mit Stahnke vorhaben? Sina könnte sich von dem deutlich Älteren abwenden. Oder der stille Kramer macht endlich das, was er unverständlicherweise bis heute nicht gemacht hat und klettert die Karriereleiter an ihm vorbei. Stahnke könnte auch in den sturzbachartigen Fällen untergehen, die ein anthologisierter Kommissar nun einmal zu lösen bekommt, und sein Gesicht verlieren. Oder er muss ins zweite Glied zurück, weil der Autor eine andere Figur in sich entdeckt hat, die er nun fördert und zur Hauptfigur macht.

Einmal habe ich Peter geschrieben: »Geh vorsichtig um mit Stahnke, er ist mir lieb und wert. Wehe Du tust ihm was, so wie Agatha Christie ihrem Poirot.« Und habe ihm auch den Grund für meine Zuneigung gestanden: »Viel mehr als die großen Analytiker und geschwinden Puzzle-Füger mag ich nämlich die Umstandskrämer und Bauchdenker, die Melancholiker. Jene, die immer ein bisschen wirken wie aus der Welt gefallen – und die sie doch so genau kennen, weil manchmal eben der Blick von unten genau die richtige Optik ist. Also Pater Brown, Maigret, Brunetti, Wallander. Ja, und Stahnke eben. Also geh bloß vorsichtig mit ihm um!«

Unvorstellbar, dass Stahnke in der Gegend herumrennt und mit dem Revolver fuchtelt. »Einen Fall mental zu sezieren und zu strukturieren war fast ebenso befriedigend wie die Ergreifung eines Täters aus Fleisch und Blut. Und bestimmt ebenso kreativ.« Manchmal scheint ihn sogar die Tat mehr zu interessieren als der Täter. Auf die Spitze wird das im Fall »Schiefer als Pisa« getrieben, dessen lässige Tätervernachlässigung wohl einzigartig in der Kriminalliteratur sein dürfte.

Der große Stille aus dem Norden irrt sich mitunter, manchmal müssen ihn Freunde und Kollegen auf die richtige Lösung bringen; und immer wieder helfen ihm die merkwürdigsten Analogien weiter. Das alles gefällt mir. Es macht Stahnke unverwechselbar, liebenswert und höchst lebendig. Also hoffe ich, dass es ihm – von Fall zu Fall – weiterhin gut gehen wird. Und er keinen Reichenbach-Reinfall erlebt!

Klaus Seehafer

Stahnke und der Spökenkieker

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