Читать книгу Ein Kabel für Deutschland - Peter Joe - Страница 5
Der Richterspruch
ОглавлениеEin herrlicher Tag, was das Wetter betraf. Ich saß wie immer im Auto und nahm mir eine kleine Straße vor, die ich anhand der Straßenliste überprüfte. Ja, was ist das denn. Haus Nummer 14 vorhanden und angemeldet und 14 a? Das passierte öfter, vor allem wenn Eigentümer an ihr bestehendes Objekt anbauten und der Elektriker dann kurzer Hand das vorhandene Signal abzweigte. Na denn … auf zum Klingelputzen.
Es kam also ein älterer Herr gemächlich an den Gartenzaun, hat mich nicht reingebeten, sondern wir haben quasi über den Zaun, bei herrlichem bayerischem Wetter, nach dem Warum und Wieso, über das jetzt aktuelle Produkt gesprochen. Ich habe dann — ohne zu wissen wer er ist oder war, er war nämlich genauso nett wie ich und hatte diese gewisse beruhigende, sonore Baritonstimme — erklärt, was es doch für ein tolles Produkt sei, unser Kabel digital. Dass er nur das analoge Signal bestellen wollte, habe ich einstweilen abgespeichert und auch nicht überhört, bin aber davon ausgegangen, dass dieses große, große Haus im Hintergrund und dieser lächelnde Mann bestimmt wegen zwei Euro mehr im Monat ... vor allem wenn ich die ganzen Vorteile ... Der Nette hat sich den ganzen Vortrag bis zum Schluss mit allem Drum und Dran so geduldig, angehört. Sein ab und zu unterbrechendes aber auffallendes Lächeln hab ich als Zustimmung für unser Top Angebot gewertet. Ich wusste nicht, dass jedes Wort bereits gefiltert wurde. Irgendwann kam dann: „Herr Medienberater, alles schön und gut, aber ich schau nicht so viel, eigentlich gar nicht fernsehen. Ich hab nicht mal ein Gerät. Ich les lieber ein gutes Buch und will nur Ihr analoges Programm, weil ich dann beim oder nach dem Lesen im Hintergrund ein klassisches Radioprogramm über Kabel empfangen kann. Wissen Sie“, sagt er, „mein altes Radio rauscht ab und zu und das stört dann auch beim Lesen. Also kann ich jetzt bei Ihnen das Radiosignal einzeln bestellen, oder zumindest das analoge Signal?“
„Nur Radio?“, sage ich, „is des a Scherz? Des hab ich noch nie gehabt. Was ist mit Fußball, Tagesschau, Panorama, Monitor, Bibel-TV?“
Er lacht hellauf und sagt wieder ganz gelassen, “Interessiert mich alles nicht“, wie gesagt ganz nüchtern, „ich schau nicht fern, und wenn’s das Radio Signal nicht einzeln gibt, nehme ich halt, des lieben Friedens willen, das analoge Signal für Fernsehen und Radio.“ — Betonung auf und — „Weil“, sagt er weiter, „des für mein Radio völlig ausreicht und wenn ich doch gar keinen Fernseher habe, brauch ich doch auch nicht diesen Receiver und auch nicht diese Karte.“
Also Totalschwenk, habe ich gedacht und gesagt: „Ich bin leider nur Vermittler von Verträgen, wissen Sie, und wenn meine Mutterfirma, also Ihr Vertragspartner, mir sagt, es gibt keine analogen Einzelnutzerverträge mehr, dann muss ich des auch so weitergeben, und nur ein Radioprogrammlieferungssignalkabel, des gab’s bei uns noch nie extra, des is doch nur ein Kabel, man kann doch das nicht in der Mitte längsseits für Radioprogramme durchschneiden. Selbst wenn Sie heute Nein sagen und morgen einen Fernseher kaufen, wer soll des denn dann überprüfen, wenn beide Signale auf dem Kabel liegen?“ Ich füge noch schnell hinzu: „Ich hab nicht einmal ein Antragsformular mehr für diese alte analoge Geschichte.
Dann sagt er: „Zeigen Sie doch mal her, den Vertrag mit den neuen Programmen.“ Im Ton wie: Vater spricht zu Sohn.
Buh, denk ich, das is ja eine richtig schwere Nuss. Also noch mal die Vorteile, jetzt auf klassische Radioprogramme bezogen, hervorgehoben. Könnte sein, dass er sich’s vielleicht bei den zusätzlichen Klangvorteilen und Programmen überlegt, denke ich.
„Was“, fragt er, völlig unberührt, „hat der analoge Anschluss gleich wieder gekostet?“
„14,90.“
„Und der digitale?“
„Nur 16,90 mit zig digitalen Radiosendern, quasi mit null Rauschen“, sag ich und hol sofort die Senderliste aus meiner Verkaufsmappe.
„Ja, dann ist mir des klar“, sagt er, ganz gelassen. „Wissen Sie, ich war früher Richter.“
„Was“, sag ich, „ein echter Richter?“
„Ja“, sagt er. „Aber ich bin jetzt im Ruhestand, und mir“, sagt er weiter, „ist des völlig klar, warum Sie das analoge Signal nicht mehr verkaufen ... “
Ich noch schnell berichtigt: „Verkaufen dürfen. Echt“, sag ich noch, „Sie wissen, warum?“, und war jetzt hochinteressiert, was ein echter Richter zu unserer neuen Zwangsdigitalisierung sagen würde.
„Ja“, sagt er, „weil vermutlich wegen zwei Euro keiner klagt.“
Na kennen Sie das?
Küche nur mit Sofa, Auto nur mit Hänger, Käse nur mit Schuhcreme, Anzug nur mit String Tanga.
Ich gebe zu, ich kannte das auch noch nicht. Nur sollte das alles künftig Standard werden, wissen Sie: Wer hat´s erfunden? Nein nicht Ricola.