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Bevor es losgeht

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Zunächst die guten Nachrichten: Für Google sind bei der Einstellung eines Bewerbers Zensuren nicht mehr entscheidend. Sie hätten keine Aussagekraft über das kreative Potenzial. Auch die Deutsche Bahn will Auszubildende künftig nicht mehr anhand von Schulnoten auswählen. Der Konzern hat diesbezüglich einen Onlinetest für Schulabgänger eingeführt. Selbst die Agentur für Arbeit will mehr Akzeptanz für »Menschen mit nicht-geraden Lebensläufen« erreichen. Es ist nicht mehr von der Hand zu weisen: In nahezu allen Umfragen unter Arbeitgebern rückt die Bedeutung der Schulnoten immer stärker in den Hintergrund; einer aktuellen Befragung zufolge rangieren sie auf Platz neun der zehn wichtigsten Kriterien – auf den ersten Plätzen liegen Persönlichkeit, Kommunikationsfähigkeit und praktische Erfahrung. Und die private Zeppelin Universität in Friedrichshafen vergibt neuerdings ein »Anti-Streber-Stipendium«. Sie sucht »Bewerber ohne lückenlose Lebensläufe«, denn »auch das Scheitern und Wiederaufstehen ist eine Kompetenz«, so Vizepräsident Tim Göbel.

Das Umdenken hat begonnen – ein Umdenken, das in der Wirtschaft schon weiter vorangekommen ist als in den Bildungseinrichtungen selbst. Es ist keine Frage mehr, dass dieses Umdenken unser gegenwärtiges Bildungssystem in seinem Selbstverständnis bis in die Grundmauern erschüttern wird.

Der wachsende Unmut über ungeeignete Zeugnisse und Abschlüsse ist jedoch nur eine Facette – der Wandel reicht viel tiefer. Er vollzieht sich auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Beispiel Inklusion: Laut Gesetz sollen künftig alle Schüler gemeinsam lernen, und zwar gemeinsam mit all jenen, die bisher als sogenannte Lern- oder sonst wie Behinderte aussortiert und in spezielle Sonder- oder Förderschulen abgeschoben werden. Damit wird eine neue Dynamik in allen Unterrichtsformen Einzug halten. Denn bislang galt, dass alle Schüler einer Klasse zwar mehr oder weniger begabt seien, aber doch irgendwie auf die gleiche Weise unterrichtbar.

Was Folgen hat. Zum Beispiel wird der Frontalunterricht in diesen heterogenen Gruppen nicht mehr funktionieren – geschweige denn Leistungskontrollen, die allen dasselbe abverlangen. Die Konsequenz: Unsere Schulen werden nicht so bleiben, wie sie es noch im letzten Jahrhundert waren.

Denn die Lebenswelt, in die Schülerinnen und Schüler heute hineinwachsen, ist eine völlig andere als zu jener Zeit, in der die heutigen Bildungseinrichtungen entstanden sind. Wissen zu besitzen, ist heute kein Privileg mehr – es ist längst bis ins kleinste Detail im Internet abrufbar.

Heute kommt es mehr darauf an, was man kann – und nicht mehr so sehr auf das, was man weiß.

Was wir damit meinen? Nun, selbst wenn man beispielsweise genau weiß, wie ein Zaubertrick funktioniert, kann oder beherrscht man ihn noch lange nicht. Wenn ich ihn indes perfekt kann, bin ich auch in der Lage, einem anderen zu erklären, wie die genauen Abläufe sind.

Viel stärker als im letzten Jahrhundert geht es heute darum, das eigene Leben in die Hand zu nehmen, seine eigenen Lernprozesse selbst zu gestalten und organisieren zu können. Dazu kann man Menschen nur einladen, ermutigen und inspirieren. Entscheidend ist, dass jeder Einzelne positive Erfahrungen machen kann. Erfahrungen, die die eigene Entdeckerfreude und Gestaltungslust wecken, die es ermöglichen, die angelegten Talente und Begabungen zu entdecken und zu entfalten. Alle Menschen brauchen Erfahrungen, die sie anregen, mit anderen zusammenzuarbeiten und gemeinsam nach Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen zu suchen, die das Leben für sie bereithält.

Der Blick in heutige Bildungseinrichtungen zeigt noch eine andere Realität: Denn genau das, worauf es im Leben, in der Familie, in der Kommune oder im Beruf ankommt, spielt dort keine entscheidende Rolle. Was zählt, sind gute Noten fürs Pauken in möglichst kurzer Zeit. Schüler von heute werden sich kaum in der Welt von morgen zurechtfinden, wenn sie nichts weiter als Notengier gelernt haben. Gänzlich abgehängt werden dabei jene, die diesen Leistungs- und Auswahlkriterien nicht gerecht werden können oder wollen. Vielleicht, weil sie ungünstige Voraussetzungen mitbringen oder weil ihnen die Lust am Lernen verloren gegangen ist. Oder weil das, was in der Schule verlangt wird, in ihnen Widerstände auslöst. Oder es ihnen angesichts persönlicher und familiärer Probleme egal ist.

Das eherne Motto »Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir« ist aus den Fugen geraten. Das Gegenteil ist die Regel geworden – es wird nur noch für die Schule gelernt. Inzwischen ist kaum noch jemand mit diesen Zuständen zufrieden: am wenigsten die Schüler, die sich irgendwie durch diese Zeit kämpfen. Die meisten Eltern sowieso, denn vielerorts bestimmt die Sorge um gute Abschlüsse das gesamte Familienleben. Und die für Nachhilfestunden aufzubringenden Mittel werden für nicht wenige Eltern zu einer schwer erträglichen finanziellen Sonderbelastung. Lehrer wiederum fühlen sich in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt und aufgerieben zwischen immer neuen kultusministeriellen Vorgaben und immer vehementer vertretenen elterlichen Erwartungen. Kein Wunder, dass diese Zwangsjacke inzwischen für nicht wenige Lehrer zu einem ernsthaften Gesundheitsrisiko geworden ist.

Unser Bildungssystem steckt in einer tiefen Krise. Es ist eine Situation entstanden, mit der alle Beteiligten unzufrieden sind. Wenn aber niemand mehr einen Vorteil in dieser Struktur sieht, ist die Frage mehr als berechtigt, warum sie nicht verändert wird? Die Antwort kann nur lauten: Selbstorganisation heißt das Entwicklungsprinzip, das zwangsläufig dazu führt, dass sich auch unser Bildungssystem an die neuen Gegebenheiten anpassen wird.

An vielen Schulen hat der Wandel bereits begonnen, es gibt zahlreiche Initiativen, die sich mit der Situation nicht abfinden wollen. Auch wenn diese Veränderungen nicht überall sichtbar sind, so sind ihre Wirkungen mittlerweile vielerorts spürbar.

Diesen Schwung wollen wir mitnehmen. Jetzt, wo unser Bildungssystem zu wanken beginnt, brauchen wir einen öffentlichen Diskurs darüber, wie es mit und in unseren Schulen, aber auch im Kontext lebenslangen Lernens weitergehen soll. Zu diesem Diskurs wollen wir mit diesem Buch einladen: alle, denen die Zukunft der Kinder und Jugendlichen und damit auch die Zukunft unseres Landes am Herzen liegen. Sowie alle, die sich um die Zukunft der Arbeitswelt und der Unternehmen Gedanken machen.

Und weil beides sehr eng miteinander verknüpft ist, schreiben wir dieses Buch gemeinsam und bringen dabei unsere unterschiedlichen Perspektiven als Neurobiologe und als Unternehmenschef ein. Bewusst haben wir diesbezüglich die Form eines Dialogs gewählt. Er soll zeigen, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt, aber ein gemeinsames Ziel, das bei allen diesen unterschiedlichen Ansätzen nicht aus dem Auge verloren werden darf: die Entfaltung der in jedem Schüler und Erwachsenen angelegten Talente und Begabungen.

Wir empfinden es als Glücksfall, dass wir beide keine Bildungs- und Schulexperten im klassischen Sinn sind – denn so bleibt der Blick frei für das, was möglich wäre. Wir hatten aber beide genug Zeit und Gelegenheiten, Erfahrungen genau dort zu sammeln, wo sich das Leben abspielt: nicht (nur) in der Schule, sondern draußen im Leben. Und dabei vor allem im Zusammenleben mit anderen Menschen: der eine als Führungspersönlichkeit eines jungen, erfolgreichen Unternehmens, der andere als Hochschullehrer und Wissenschaftler an einer alten, traditionsreichen Universität.

Ein Dialog entsteht immer dann, wenn sich zwei Menschen begegnen, um gemeinsam nach einer Lösung für ein Problem zu suchen. Je komplexer das Problem ist, desto besser ist es, wenn die Dialogpartner möglichst unterschiedliche Erfahrungen gesammelt haben und in das Gespräch einbringen können.

Deshalb haben wir diese ungewöhnliche Konstellation eines Hirnforschers mit einem Unternehmenschef gewählt. Denn uns, Gerald Hüther, Hochschullehrer und Neurowissenschaftler aus Göttingen, und Peter M. Endres, Unternehmer und bis 2013 Vorstandsvorsitzender der ERGO Direkt Versicherungen, eint vor allem eins: die Suche nach besseren Lösungen. Uns interessiert weniger das, was schon recht gut funktioniert, sondern vor allem das, was noch alles möglich wäre.

Der eine von uns, der Wissenschaftler Hüther, hat im Laufe seines Lebens, das zum Teil dramatische Wendungen genommen hat, erfahren dürfen, welche Energie Menschen freisetzen, die aus einer festen inneren Überzeugung heraus Themen angehen. Von Kindesbeinen an wollte er hinter die Kulissen schauen, verstehen, warum sich etwas und wie es sich entwickelt hat. Mit einem banalen »Weil es so ist« hat er sich nie zufriedengegeben. Die Neugier hat ihn vorangetrieben. Und gegen jeden gut gemeinten Rat – und wahrscheinlich auch gegen jede Vernunft – hat er schließlich auch dem universitären Forschungsbetrieb mit dem Gerangel um Impact-Faktoren und die nächsten Sprossen auf der Karriereleiter den Rücken gekehrt. Zu technologiegetrieben war ihm dieses Leben, ohne echtes Interesse an dem, was die Menschen wirklich bewegt und ihnen hilft, ihr Leben zu meistern. Geworden ist er trotzdem einer der bekanntesten Neurowissenschaftler in Deutschland, mit Leib und Seele.

Gutes besser machen ist auch der Antrieb des anderen, des Unternehmenslenkers Endres. Mit 27 Jahren hat er zum ersten Mal sein Talent getestet, ein Unternehmen zu führen. Damals hatte er einen Zigarrenversand gegründet und war »grandios gescheitert«, wie er heute freimütig eingesteht. Im Laufe seiner weiteren Laufbahn hat er nicht wenige Projekte gestartet, denen in aller Regel keine große Chance auf dem Markt eingeräumt wurde – und doch hat er damit nicht nur die Versicherungsbranche durcheinandergewirbelt, sondern das Unternehmen zu einem der erfolgreichsten Direktversicherer in Deutschland gemacht.

Uns eint Albert Schweitzers Ehrfurcht vor dem Leben und Albert Einsteins Lust am Selbstdenken. Hüther hat am Anfang seiner Karriere das menschliche Gehirn in Scheiben geschnitten, um dem Geheimnis seiner Arbeitsweise auf die Spur zu kommen. Endres hat im Selbstversuch immer wieder nach dem richtigen Weg gesucht, um Menschen für das zu begeistern, was in ihnen steckt.

Der Weg zum Thema Bildung lag übrigens nahe – wobei der deutsche Begriff die Spannbreite nicht einmal ansatzweise verdeutlicht, die uns bewegt. Besser geeignet ist der englische Begriff »education«, also nicht Bildung über Ausbildung, Schulung und Training, sondern das Einladen, Ermutigen und Inspirieren, sich selbst zu bilden. Es geht uns bei diesem Thema vor allem um eines: um die Entfaltung der in jedem Menschen angelegten Talente und Begabungen. In seiner alltäglichen Umgebung hat Hüther sehr schnell festgestellt, dass die universitären Strukturen nicht unbedingt geeignet sind, schlummernde Talente oder Begabungen von Studenten zutage zu fördern. Zu stark ist der akademische Betrieb darauf ausgerichtet, in kurzer Zeit möglichst viele Studenten mit möglichst viel Wissen vollzustopfen. Teamarbeit wird unter diesen Bedingungen kaum gefördert, Abschlussarbeiten von Gruppen gibt es so gut wie nie. Hierarchische Strukturen behindern die Entwicklung von Innovationen.

Endres stellte in seinem Alltag wiederum fest, dass es in Unternehmen nicht einfach ist, Regeln für das Verhalten aufzustellen und gleichzeitig Freiräume zu gewähren, in denen die Mitarbeiter eigene Ideen entwickeln können, die wiederum das Unternehmen voranbringen. Der ökonomische Druck, dass jedes Projekt einen Deckungsbeitrag erwirtschaften muss, erschwert es außerdem, die Augen auf diejenigen zu richten, die noch nicht nach ihren Fähigkeiten eingesetzt werden.

Wir sind davon überzeugt, dass Potenzialentfaltung einzelner Personen wie auch ganzer Teams in ihrem jeweiligen Umfeld zwar machbar ist, ein stärkerer Hebel jedoch im Bildungssystem liegt. Dort werden die Grundlagen gelegt, wie und wofür sich Menschen später im Leben auf den Weg machen. Dazu braucht es Freiräume, es braucht Teamwork und Unterstützung bei der Suche nach dem, was möglich ist, es braucht Jugendliche, die wissen, was sie können, die Freude an dem haben, womit sie sich beschäftigen. Solche Heranwachsende werden schließlich besser wissen, welche Ausbildung oder welches Studium sie wählen. Sie werden an der Universität und in Unternehmen nicht als Einzelkämpfer tätig sein, sondern in Teams Lösungen für Probleme finden, die heute noch als unlösbar gelten. Sie werden sich mit Leidenschaft um die Themen kümmern, denen sie sich verbunden fühlen.

Gemeinsam mit anderen werden sie nach Orten und Gelegenheiten suchen, in denen sie nicht nur kreativ sein, sondern auch ihre Ideen umsetzen dürfen. Es wird dabei zwar viele kleine Fehler geben, die sich die Teams gegenseitig nicht nur verzeihen, sondern die sie feiern werden. Denn sie bringen die Gemeinschaft voran – und alle machen am Ende des Tages die Erfahrung, dass sie Teil dieser Gemeinschaft sind und mit ihrem Beitrag den Erfolg des gemeinsamen Vorhabens garantieren.

Wir teilen eine gemeinsame Vision: Jene, die bereits in ihrer Schulzeit und auch danach so unterwegs waren, werden am Ende ihrer Berufslaufbahn ein erfülltes Leben führen und weiter ihren Leidenschaften nachgehen, die sie schon in den vergangenen 20 Jahren in den Bann gezogen haben. Unternehmen werden auf solche Mitarbeiter nicht verzichten wollen – genauso wenig, wie solche Mitarbeiter auf erfüllende Aufgaben verzichten. Vielleicht geben diese Rentner ihr Können an die nächste und übernächste Generation weiter, weil sie wissen – und in ihrem Leben erfahren durften –, dass nur generationenübergreifendes Lernen wirkliche Weiterentwicklung ermöglicht.

Klingt abenteuerlich? Ja, es wird ein großes Abenteuer, solche Ideen in die Tat umzusetzen. Aber längst gibt es gute Beispiele, die zeigen, wie sich unser Bildungssystem in diese Richtung entwickeln lässt. Eine Vielzahl an Initiativen arbeitet in Deutschland daran, dass Kinder ihre Potenziale entfalten können.

Dafür wurde die digitale Plattform bildungsstifter.de gegründet. Sie will Schulen unterstützen, die sich schon auf den Weg zu einer Transformation ihrer Lern- und Beziehungskultur gemacht haben.

Für uns ist das Engagement für ein neues Bildungsverständnis eine Konsequenz aus dem, was wir in unserem jeweiligen Leben erfahren haben – an Positivem und Negativem. Wir erzählen davon und machen deutlich, wie sehr bestimmte Einstellungen durch Erfahrungen geprägt werden. Wie wichtig es ist, dass nicht schon in frühester Kindheit gemachte ungünstige Erfahrungen dazu führen, dass Menschen Haltungen entwickeln, die sie an der Entfaltung ihrer Talente und Begabungen hindern. Wie wichtig es ist, dass allen Schülern in der Schule Gelegenheit geboten wird, ihre Stärken und wahren Bedürfnisse zu entdecken.

Wir sind realistisch und visionär zugleich: Und wissen aus eigener Erfahrung, wo die Bemühungen um Veränderung an Grenzen stoßen und wo sie Aussicht auf Erfolg haben. Immer wieder Mut schöpfen wir aus den innovativen Ansätzen, die es in vielen Schulen oder am Rande des Schulsystems bereits gibt. Deren Erfolge können selbst größte Pessimisten überzeugen, Veränderungen anzustreben und umzusetzen.

Ganz ehrlich: Wir sind uns selten einig – zu unterschiedlich sind unsere Lebenslinien verlaufen. Und doch finden wir im Dialog immer wieder zueinander. Denn die Idee, dass Menschen als Potenzialentfalter geboren werden, ist universal. Und die Wege dorthin weist nicht nur die Hirnforschung. Auch der Erfolg eines Unternehmens ist ausschließlich auf engagierte, kreative Mitarbeiter zurückzuführen, die, nicht weil sie müssen, sondern weil sie wollen, manchmal sogar »besoffen vor Glück« (Peter M. Endres) morgens zur Arbeit kommen.

Dass die Realität des Arbeitslebens für die meisten Menschen gegenwärtig noch anders aussieht und dass es bisher eher wenige Schüler gibt, die so gerne in die Schule gehen, dass sie weinen, wenn die Schulferien beginnen, ist uns beiden nur allzu bewusst. Darüber haben wir lange und intensiv miteinander geredet, einen ganzen Sommer lang, oft während unserer Wanderungen hinauf auf einen der Berggipfel in den Alpen. Von dort oben sieht die Welt anders aus. Der Blick wird nicht ständig vom nächsten Berg verstellt, wir konnten weit in die Ferne sehen und die ganze Bergwelt bis zum Horizont überschauen. So öffnete sich auch unser Blick für das Entscheidende, was in so vielen Schulen, Ausbildungseinrichtungen, Universitäten und Unternehmen fehlt, um das zu werden, was sie allesamt sein könnten – Orte des gemeinsamen Entdeckens, des Voneinanderlernens, des Miteinandergestaltens, Orte der Entfaltung der in jedem Menschen angelegten Potenziale.

In all diesen Einrichtungen ist genau das verloren gegangen, worauf es für gelingende Bildungsprozesse, für gelingende Beziehungen, für eine gelingende Entwicklung der Persönlichkeit und damit für die gelingende Gestaltung des Lebens am meisten ankommt: die Lust am Lernen sowie die Freude am gemeinsamen Entdecken und Gestalten. Uns wurde aber auch klar, dass unsere Schulen, Universitäten und Unternehmen dafür weder geschaffen noch darauf ausgerichtet sind. Dass diese Einrichtungen ganz anderen Zwecken dienen und bis heute ihre jeweils eigenen Ziele verfolgen.

Das lässt sich indes ändern, weil es kein Naturgesetz ist, dass Menschen im Laufe ihres Lebens ihre angeborene Entdeckerfreude und Gestaltungslust verlieren. Und wenn eine Gesellschaft ihre eigene Entwicklungsdynamik, ihre Innovationskraft, ihren Entdecker- und Erfindergeist zu verlieren droht, wird es höchste Zeit, sich auf genau das zu besinnen, was die wichtigste Grundlage ihrer Zukunftsfähigkeit in einer globalisierten Welt ist: die Lust der Menschen am gemeinsamen Entdecken und Gestalten dieser neuen Lebenswelt. Die darf ihnen nicht abhanden kommen oder gar ausgetrieben werden, zu Hause nicht, in der Schule nicht, und auch nicht im Beruf. Und deshalb werden sich unsere Bildungseinrichtungen und Unternehmen verändern müssen, und zwar so, dass dort ein für die Bewahrung dieser angeborenen Lernlust günstigerer Geist, ein günstigeres Klima, günstigere Einstellungen und Haltungen entstehen kann.

Angesichts dieser Perspektive, die wir oben auf dem Gipfel erkannt hatten, war es nicht mehr so schwer, beim Abstieg ins Tal die einzelnen Bereiche auszumachen, in denen ein Umdenken, eine Veränderung bisher vorherrschender Haltungen und innerer Einstellungen sowohl im Bildungsbereich als auch in Unternehmen und Organisationen notwendig ist.

Diese Bereiche bilden die acht Kapitel dieses Buches, und wir haben dabei jeweils eine bisher vorherrschende Überzeugung als »gut«, eine für die Bewahrung und Wiedererweckung der Lernlust geeignetere Einstellung als »besser« dargestellt. Natürlich gibt es auch Bedingungen, unter denen es günstiger ist, die bisher vorherrschenden Haltungen einzufordern und zu stärken.

Ob sich so auch die Lernlust erhalten und wiedererwecken lässt, muss jeder Leser selbst entscheiden. Genau dazu wollen wir Sie einladen: zum Selberdenken – oder noch besser zum Entdecken Ihrer Lust am Selberdenken.

In eigener Sache

Frank Roth hat an diesem Buch redaktionell mitgearbeitet und uns maßgeblich unterstützt. So hat er mit uns den Inhalt der Gespräche strukturiert und zusammengefasst. Dazu bedarf es journalistischer Fähigkeiten, die er in besonderem Maße hat. Außerdem ist er ein toller Mensch. Die Zusammenarbeit hat uns viel Spaß gemacht. Danke, Frank Roth!

Lernlust.

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