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Ruhrgebiet
ОглавлениеGraue Städte, Kohlenstaub und Schlotbarone – diese Begriffe prägten die Frühzeit der Industrialisierung des Ruhrgebiets. Inzwischen ist daraus der „blaue Himmel über der Ruhr“ geworden und „Zeche Zollverein“ als Weltkulturerbe ein Synonym für Denkmalpflege und Kunst. Ende 2018 aber war mit Schließung der letzten Zeche, Prosper Haniel in Bottrop, „Schicht im Schacht“.
Der Abbau der Kohlen begann im Süden, wo die Flöze über Tage ausbissen (Abb. 32). Je weiter die Kohlenzechen nach Norden vorstießen, umso tiefer wurden die Schächte. Das hat seinen geologischen Grund darin, dass die kohleführenden Schichten nach Norden abtauchen. Mit Oberflächengeologie war da nichts mehr zu machen, zumal das Ruhrkarbon nahezu flächendeckend von den kreidezeitlichen Meeresablagerungen der Münsterländer Oberkreidemulde überdeckt ist (Abb. 32, 34).
Die karbonischen Ablagerungen, die den Untergrund des Ruhrgebiets kennzeichnen, werden geologisch einer der Rhenohercynischen Zone vorgelagerten Einheit zugeordnet, die als Subvariszische Saumsenke (vgl. Abb. 2) bezeichnet wird. Sie enthält die Molassen, den Abtragungsschutt des Variskischen Gebirges, und infolgedessen sind sie auch jünger, nämlich durchweg oberkarbonisch. Im Rheinischen Schiefergebirge selbst endete die Ablagerung überwiegend mit dem Unterkarbon. Von da an herrschte dort Abtragung und die Sedimente wurden in die davor liegende Küstensenke geschüttet, die zugleich von einem vielfachen Wechsel der Meeresspiegelstände geprägt war. Diese Meeresspiegelschwankungen waren, wie man inzwischen weiß, weltweit und man führt sie heute auf Abschmelzperioden im Bereich der Südhalbkugel zurück, die in diesem Gebiet auf eine permokarbonische Eiszeit zurückzuführen sind.
Dieses Kommen und Gehen des Meeres hat die Entwicklung und das Absterben von Sumpfwäldern gesteuert, aus deren Pflanzengesellschaften durch Überlagerung mit Sedimenten und Absenkung später die Steinkohlen entstanden sind. Dass das autochthone Wälder waren, lässt sich u.a. an den Wurzelstöcken belegen, die gelegentlich noch in Lebendstellung angetroffen wurden.
Die weit über 100 bekannten Kohleflöze bilden insgesamt nur einen kleinen Anteil innerhalb einer über 5000 m mächtigen Schichtfolge, die im Wesentlichen aus Sandsteinen, Grauwacken und Tonsteinen aufgebaut wird. In den Sedimenten ist eine Entwicklung von Zyklen zu beobachten, wie sie überall auf der Welt in kohleführenden, marin geprägten Ablagerungen angetroffen wird; man spricht da von Zyklothemen.
Das jeweilige Ertränken der über limnisch-fluviatilen Ablagerungen gebildeten Kohlensümpfe wird durch eine Transgression gesteuert, wobei zunächst flachmarine, dann allmählich Sedimente tieferen Wassers abgelagert werden, bis eine beginnende Regression erneut zu nichtmarinen Bedingungen führt, mit denen ein neuer Sumpfwald seinen Anfang nimmt.
Die Versenkung dieser Ablagerungen in größere Tiefen (wobei Absenkung des Küstengebietes und Auflast durch neue Ablagerungen zusammenspielen) führt schließlich zur Kohlebildung – ein Prozess, bei dem sich zunehmend Kohlenstoff anreichert, während die leicht flüchtigen Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aus der pflanzlichen Substanz ständig weiter abnehmen. Dieser als Inkohlung bezeichnete Vorgang bewirkt stufenweise Veränderungen, die mit spezifischen Qualitätsbegriffen umschrieben werden (Gasflammkohle, Fettkohle, Anthrazit etc.), in denen sich auch der Heizwert spiegelt.
Das allmähliche, flache Einfallen der kohleführenden Schichten nach Norden führt dazu, dass Oberkarbon, das man noch in der südlichen Nordsee angetroffen hat, dort in 5 bis 7 km Tiefe liegt; man weiß das aus Bohrungen, die im Zuge der Kohlenwasserstoffexploration niedergebracht wurden, wobei das gefundene Erdgas im Wesentlichen aus einer Nachinkohlung solcher Schichten stammt.
Das einfache Bild flach nach Norden fallender Schichten stimmt allerdings nur generell. Im Detail ist das Ruhrkarbon in eine Vielzahl von Sattel- und Muldenstrukturen gegliedert, die durch lokale Überschiebungen und Verwerfungen noch weiter kompliziert werden (Abb. 32). Bezüglich der tektonischen Strukturen gibt es im Ruhrgebiet eine eigene, aus dem Bergbau stammende Nomenklatur: Überschiebungen heißen hier Wechsel und die Querstörungen Sprünge, Klüfte innerhalb der Kohle werden als Schlechten bezeichnet.
Abb. 32: Das NW – SE-Profil zeigt die für das Ruhrkarbon typischen Spitzfalten, die auch die Kohleflöze erfasst hatten. Im Hangenden wurde das Steinkohlengebirge nach der Einebnung durch die Sedimente des von Norden vordringenden Oberkreide-Meeres überdeckt (grün) (Ausschnitt aus der Flözkarte 1 : 25.000, Blatt Essen, von 1924).
Abb. 33: Über Tage anstehendes Steinkohlenflöz zwischen Sandsteinbänken. Ortseingang von Witten-Heven.
Die Deformation der Schichten nimmt in ihrer Intensität allgemein von Süden nach Norden ab. Die Mulden sind immer breiter als die Sättel, die durch Aufschiebungen geprägt sind. Das zunächst einfache Bild von großen Mulden und Sätteln wird durch eine Vielzahl von Spezialfalten noch weiter gegliedert, wobei im Normalfall Nord-Vergenz vorherrscht.
Abb. 34: Geologische Übersichtskarte des Ruhrgebiets (n. Hahne & Schmidt 1982). Am Nordrand des Rheinischen Schiefergebirges tritt flözführendes Oberkarbon an die Oberfläche; dort begann einst der Steinkohlebergbau, der sich im Laufe der Zeit immer weiter nach Norden vorgeschoben hat. Weil das Karbon in dieser Richtung abtaucht, mussten immer tiefere Schächte abgeteuft werden (bei Haltern liegt die Karbon-Oberfläche schon über 1000 m tief, im Küstenbereich und in der südlichen Nordsee bis zu 7000 m).
Die spätvariskische Faltung hat die Schichten des Ruhrkarbons in Sättel und Mulden zusammengeschoben, die Strukturen sind darüber hinaus auch von Querstörungen durchzogen. Im Norden lagern mächtige Kreideschichten des Münsterlandes direkt auf dem Karbon.
Um die Strukturen zu verstehen, sind auch ein paar Worte zur Stratigraphie des Oberkarbons notwendig, das man allgemein in Namurium, Westfalium und Stefanium gliedert. Das nach einer belgischen Lokalität benannte Namurium ist im Ruhrgebiet nur in seinem oberen Abschnitt flözführend, darunter liegt das Flözleere, eine stratigraphische Bezeichnung, die sich von selbst erklärt. Die meisten Flöze liegen im Westfalium; schon der Name weist auf die Bedeutung hin. Zur Zeit des Stefaniums wurde im Ruhrgebiet schon nichts mehr abgelagert. Die weitere Unterteilung dieser Schichten in z.B. Namurium C, Westfalium A bis D ist im Ruhrkarbon mit nahe liegenden Schichtnamen gekennzeichnet, die vom Flözleeren über Sprockhövel-, Witten-, Bochum-, Essen-, Horst- bis zu den Dorsten-Schichten reichen; jede dieser Schichten umfasst etwa 500 m, die Kohlen darin machen allerdings im Durchschnitt nur etwa 1,5 Prozent aus.
Großräumlich betrachtet liegen die ältesten kohleführenden Schichten auch immer am tiefsten und sie werden nach Norden hin von immer jüngeren weiteren kohleführenden Schichten überlagert. Das führt zu unterschiedlichen Inkohlungsgraden: Die Sprockhövel-Schichten sind entsprechend durch Magerkohlen, die Dorsten-Schichten durch Flammkohlen gekennzeichnet – folgerichtig unterscheiden sich auch die Heizwerte.
Abb. 35: Diskordanz im Geologischen Garten Bochum. Die nach NW einfallenden Ton- und Siltsteine des Oberkarbons (Westfalium A) werden hier von Grünsanden der Oberkreide (Cenomanium) überlagert. Der ursprünglich grüne Grünsand ist allerdings infolge von Verwitterung braun (Foto: Prof. Dr. Thomas Kirnbauer, Technische Hochschule Georg Agricola, Bochum).
Die Tektonik des Ruhrgebiets ist auch durch eine Vielzahl von Nordwest streichenden Querstörungen geprägt, die Sättel und Mulden durchsetzen und das Gebirge in eine Reihe von Horsten und Gräben blockartig zerlegt haben; die vertikalen Versätze reichen dabei von über 200 m bis über 1000 m. Viele dieser Querstörungen zeigen außerdem horizontale Bewegungen an (Blattverschiebungen), außerdem können sie lokal durch Bleiglanz, Zinkblende und Schwerspat vererzt sein.
Im südlichen Ruhrgebiet ist die Transgression des Kreidemeeres auf das flözführende Karbon im Geologischen Garten Bochum in Form einer klassischen Diskordanz aufgeschlossen (Abb. 35). Eine sehr informative Darstellung dazu ist im Exkursionsführer des Oberrheinischen Geologischen Vereins zur Tagung in Bochum 2008 zu finden. Dort gibt es auch Informationen zum Deutschen Bergbau-Museum (Ganzelewski et al. 2008).
Ganzelewski et al. 2008, Hahne & Schmidt 1982, Hesemann 1975, Richter 1971
Tab. 1: Schichtenfolge von Devon und Karbon im Rheinischen Schiefergebirge (aus Rothe 2009).