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2. KAPITEL

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Maria konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so unsympathische Gäste gehabt hatte wie diese drei Männer: Da war zum einen der pockennarbige Grobschlächtige, den seine Freunde Jan genannt hatten, der seine Finger nicht bei sich behalten konnte und dem sie weder nachts noch sonst wo alleine begegnen wollte. Dann der arrogante Schönling: Kapitän Schmalzlocke, dieser Adonis für Arme. Und zu guter Letzt der Kahlgeschorene mit dem kleinen Zopf am Hinterkopf, den seine Freunde Rüdiger nannten, das Kerlchen, das ihrem Blick nicht standhielt und das wie ein Dieb an den Wänden entlangschlich. Schon beim Einchecken vor einigen Tagen hätte sie die drei am liebsten unter einem Vorwand wieder fortgeschickt. Gerade eben, als dieser Jan sie „Schätzchen“ genannt hatte, hätte sie sie problemlos rausschmeißen können, das war eine Steilvorlage gewesen, aber sie hatte diesen Moment verpasst, leider. Was nur, was nur in aller Welt hatte sie sich dabei gedacht, diesem Horrortrio von den Gärten, dem schönsten Ort auf dieser Erde, zu erzählen?

Als sie am Tisch des Ehepaares aus Köln vorbeikam, machte die Frau, eine Mittfünfzigerin mit erdbeerblondem Haar, ihr ein Zeichen.

„Die behandeln Sie wie ein Stück Fleisch“, flüsterte sie Maria im Singsang des Rheinlandes zu und blickte dabei scharf in die Richtung, in der die Unsympathischen saßen. „Da kriegt man als Frau ne Jänsehaut. Soll isch mal mit den dreien reden, damitt sie Sie endlisch in Ruhe lassen?“

„Nicht nötig, Frau Mayer“, flüsterte Maria zurück, wobei sie sich tief zu ihr hinunterneigte und Mühe hatte, das Tablett nicht fallen zu lassen. „Das Problem löst sich von selbst. Übermorgen um zehn Uhr sind sie fort.“

Frau Mayer wischte sich imaginären Schweiß von der Stirn und atmete geräuschvoll aus. Maria lachte und zwinkerte ihr zu.

In der Küche angekommen, stellte sie das Tablett ab und ließ sich auf einen Schemel sinken. Sie war an einem Punkt jenseits der Müdigkeit angelangt. Die letzte Nacht war grauenvoll gewesen. Wahrscheinlich hatte sie geschlafen, aber mehr als zwei Stunden konnten es nicht gewesen sein. Sorge und Angst schnürten ihr die Kehle zu. Sie öffnete das kleine Fenster und sog die kühle Morgenluft ein, so gut es das viel zu enge Dirndl zuließ.

Maria wurde seit einigen Wochen erpresst. Die Erpresser waren zwei junge Männer, offenbar zwei Einheimische, die sich sicher zu fühlen schienen. Am Vortag hatten ihr die Erpresser auf dem Hotelparkplatz aufgelauert und angekündigt, heute wiederzukommen. „Du wirst schon sehen, wann und wo.“ Maria war sich sicher, dass sie ihr Versprechen halten würden. Bisher hatten sie immer damit gedroht, das Hotel niederzubrennen, wenn Maria nicht zahlte. Gestern hatten sie zum ersten Mal angedeutet, dass sie ihr selbst etwas antun wollten. Was genau, hatten sie nicht gesagt.

Maria hatte die Wirte der meisten Hotels der Umgebung gefragt, ob auch sie erpresst oder bedroht würden. Alle verneinten und zumindest am Telefon hatte es für Maria nicht so geklungen, als hätten sie aus Angst die Unwahrheit gesagt. Auch der Kommissar hatte ihr leicht vorwurfsvoll erklärt, dass es schon seit Jahren in weitem Umkreis keine Schutzgelderpressung mehr gegeben habe. Warum, warum gerade ich?, dachte sie.

Außer mit der Polizei hatte Maria mit ihrer Schwester, ihrer besten Freundin und mit Regine, ihrer rechten Hand im Hotel, über die Erpressung gesprochen und dabei sehr unterschiedliche Reaktionen erfahren. Aber der einzige Mensch, der ihr wirklich hätte helfen können, war schon seit Jahren tot. Alois, der Vorbesitzer des Hotels, war für sie der Vater gewesen, den sie nie gehabt hatte. Er hätte gewusst, was zu tun war. Nein, eigentlich stimmte das nicht. Er hätte nicht gewusst, was zu tun war, sondern er hätte Maria zugehört. Er hätte so lange zugehört und nachgefragt, bis sie selbst gewusst hätte, was zu tun war. So gut zuhören wie er konnte niemand sonst.

Um sich abzulenken und auch weil es nötig war, stürzte sich Maria auf das dreckige Geschirr. Tina, ein Mädchen mit Pagenschnitt und Stupsnase, das als Kellnerin und in der Küche arbeitete, half ihr. Wie so oft summte sie bei der Arbeit. Tina war ein echter Glücksfall. Sie war nicht nur schnell und effektiv, sondern auch von einer Heiterkeit, die ansteckend war.

Maria ließ einen Teller fallen, der auf den Fliesen zersplitterte. „Bringt Glück!“, sagte Tina, lachte und holte Kehrbesen und Schaufel.

Als sie mit dem Geschirr fertig waren, ging Maria wieder in den Frühstücksraum, um nach dem Rechten zu sehen. Nur noch wenige Tische waren besetzt. Am Tisch in der Ecke saß das alte Ehepaar aus Brighton, das zu ihren liebsten Stammkunden gehörte. Am Nachbartisch hatte eine Familie mit zwei kleinen Jungs Platz genommen. Die Kinder schoben sich ein Feuerwehrauto zu und vergaßen dabei offenbar die Welt um sich herum. Ihre Eltern saßen händchenhaltend auf der Bank nebeneinander und guckten einander an, als wären sie gerade zusammengekommen.

Am Tisch der drei Männer hockte nur noch Rüdiger Rattenschwanz. Er machte Maria mit der Hand ein Zeichen, dass sie an seinen Tisch kommen sollte.

„Sie wünschen?“ Maria hielt einen Sicherheitsabstand.

„Was sind die Gärten?“

„Schön sind sie, die Gärten. Es gibt Feigenbäume und Oleander. Kennen Sie vielleicht aus dem Baumarkt, Oleander meine ich. Und Goldfische gibt es auch.“

Rüdiger lag etwas auf der Zunge. Es arbeitete in ihm. Auf seine Wangen neben den Koteletten hatten sich rote Flecken gelegt.

„Und wo sind die Gärten?“ Er sprach so leise, dass Maria ihn kaum verstehen konnte.

„Immer links und dann der Hauptstraße folgen und den Schildern nach. Kann man eigentlich nicht verfehlen.“

„Vielen, vielen Dank“, sagte der Mann hastig. Die Röte hatte jetzt auch seine Stirn erreicht.

„Keine Ursache“, sagte Maria. „Immer wieder gern.“

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