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ОглавлениеKapitel II Egoisches Denken
Jede Phase dominierenden Denkens geht auf eine während dieser Zeit zugrundeliegende Weltsichtebene oder Struktur zurück. Dies gilt selbstverständlich auch für das patriarchale Denken. Allerdings gibt es hier eine höchst bemerkenswerte Ausnahme. Das patriarchale Denken ist seinerseits der Ausfluss eines zunächst dominierenden Denkens, nämlich des egoischen Denkens – nach Graves -, bzw. der defizienten Phase des mythischen Denkens – nach Gebser -. Dieses wurde dann von dem mentalen Denken abgelöst. Ganz entscheidend zum Verständnis der eher hintergründigen Dominanz dieses Denkens47 ist es aber, sich bewusst zu sein, dass dieses patriarchale Denken in ganz erheblichem Ausmaß auch das mentale Denken in seinen beiden Phasen, der Effizienz und der Defizienz, umfassend beherrschte.
Oder um es von der Sicht Graves` her zu beschreiben; es beherrschte auch in erheblichen Ausmaß das mythologische, wie das rationale Denken. Dadurch trug es absolut grundlegend dazu bei, dass beide Weltsichtebenen ganz entschieden eher in ihren negativen Möglichkeiten (s.u.) umgesetzt wurden. Ihre eher positiven Seiten kamen daher nur wenig bis gar nicht zum Tragen. Um aber die bisher in Bezug auf das patriarchale Denken gemachten Äußerungen zu verstehen, vor allem aber zu belegen, ist es erforderlich uns zunächst mit dem egoischen Denken zu beschäftigen.
Beginnen wir zur Beschreibung dieses Denkens zunächst bei Graves. Nach dessen Überzeugung entstand dieses Denken vor ca. 10 000 Jahren und zwar direkt aus dem magischen oder Stammesdenken. Meiner Überzeugung nach ist aber die Erklärung Gebsers zum Übergang vom magischen Denken in das mythische Denken vor ca. 12 - 11 000 Jahren überzeugender. Allerdings glaubt Gebser selbst an einen späteren Beginn des mythischen Denkens. Zur Beurteilung dieser meiner Sicht ist es entscheidend, dass Gebser im mythischen Denken sowohl eine effiziente, wie eine defiziente Phase unterscheidet.
Damit befindet er sich deutlicher in Übereinstimmung mit den neueren historischen Erkenntnissen. Danach begann vor ca. 13 – 12 000 Jahren – also in etwa ab dem Ende der Eiszeit - im nördlichen vorderen Orient eine Phase des Hackbaus. Diese dauerte wahrscheinlich in etwa 2 000 Jahren an und wurde dann durch die beginnende Kleintierhaltung – zunächst Schafe, dann Ziegen – ergänzt. Diese dauerte ebenfalls ca. 2 000 Jahre an. Diese Zeitspanne würde in etwa die effiziente Phase des mythischen Denkens abdecken. Insonderheit würde diese Einschätzung seine persönliche Sicht auf das mythische Denken umfassend bestätigen, wie ich gleich belegen werde.
Ab dann aber – also vor ca. 10 000 - 9000 Jahren - begann sich das egoische Denken bemerkbar zu machen48, um sich im Laufe der Zeit immer umfassender als patriarchales Denken durchzusetzen. Zur Beurteilung dieses Denkens und seiner Folgen ist es absolut wichtig sich bewusst zu sein, dass sich dieses Denken am Ich orientiert. Oder um einen anderen Begriff aus Spiral Dynamics zu verwenden, in Rot49 liegt die Kontrolle des Denkens und daher kommenden Handelns innen, von sich her, in der handelnden Person. Diese Voraussetzung führt dann zu folgender Definition dieser Weltsichtebene:
Rot: Sei ohne Rücksicht, das was du bist, und tu, was du willst.
die Welt ist ein Dschungel voller Räuber und Gefahren (nur mein Eigeninteresse zählt)
reißt sich von jedweder Herrschaft und jedwedem Zwang los, um sich selbst zu gefallen (um aber, wenn immer möglich, durch Gewalt Zwang auszuüben) steht groß da, erwartet Aufmerksamkeit, fordert Respekt und hat das Sagen
genießt sein Selbst mit vollstem Recht und ohne Gewissensbisse und Schuldgefühle, denn die gibt es hier nicht, „ich habe immer recht“ (setzt sein „Recht“ mit Gewalt durch)
überwindet, täuscht und beherrscht andere (nach eigenen Möglichkeiten auch andere aggressive) Persönlichkeiten (Macht geht über alles)50.
Dies ist eine erste Annäherung an diese Weltsichtebene, die aber schon ganz deutliche Hinweise darauf enthält, was hier besondere Beachtung erfordert. Es ist besonders die grundlegende Orientierung an eigenen Vorstellungen und daher kommenden Absichten. Diese werden immer, wenn erforderlich eben auch mit Gewalt, durchgesetzt. Es gibt derzeit eine besonders wichtige Persönlichkeit, die alle diese Umstände absolut deutlich demonstriert, Donald Trump.
Wie aber kommt diese Weltsichtebene hervor? Welche Vorläufer führten dahin – zu diesen gleich mehr - und welche Folgen hat das? Erste, noch unbelegte Antwort; ganz umfassende und zwar bis heute. Da diese aber bis heute gelten, ist es unbedingt erforderlich sich diesen ganzen Prozess inclusive seiner Folgen genauer anzuschauen, da nur so seine Folgen verständlich werden.
Hier ist es insonderheit Jean Gebser, der wichtige und unbedingt beachtenswerte Hinweise in diesen ganzen Entwicklungsprozess gibt. Schauen wir also genauer.
Das Erste, was hier unbedingt zu beachten ist, ist der Umstand, dass jedwede Evolution in Richtung positiver Folgeerscheinungen verläuft, bzw. solche hervorbringt.
Der zweite Umstand, der immer unbedingt wichtig ist beachtet zu werden, folgt aus dem schon erwähnten Sachverhalt der Präsenz von Evolution. Also klar und deutlich; Alles, was jemals in das Sein eintritt51, wird immer von uns genutzt, da es ja ab dann immer existiert. Dies gilt besonders dann, wenn es uns Menschen betrifft. Ob diese Nutzung aber dann in unserer aller Interesse liegt oder nur einzelner Personen, oder eher nicht, entscheiden wir Menschen immer selbst.
Aber der alles entscheidende Umstand ist in unserem Zusammenhang, in wessen Interesse die ab Beginn dieses Denkens jeweilige Nutzung erfolgte und immer noch erfolgt. Ob eben im Interesse einzelner – z.B. der jeweiligen gesellschaftlichen Eliten - oder der Mehrheit, oder gar aller Menschen. Aber, wie vor allem das Beispiel der Technik belegt, liegt diese dann von uns Menschen initiierte Nutzung vor allem und zuerst gerade auch in dem eigenem Interesse der jeweiligen Seinsweise, also am Beispiel der Technik, eben in derem Interesse.
Genau daher kommend entscheidet sich dann an den Folgen dieser Nutzung, ob die neuen Möglichkeiten solcher neuen Seinsweisen eher positive, oder eher negative Folgen für uns hervorbringen. Wie wir im folgenden Text noch sehen werden, liegen vor allem und zuerst hier die entscheidenden Bedingungen für eine solche eher positive oder negative Zuordnung in Bezug auf diese neuen, ab jetzt hervorkommenden Weltsichtebenen. Um dies erkennen zu können, werfen wir nochmals einen kurzen Blick auf die vorausgehende magische Weltsichtebene des Stammesdenkens.
In unserem Zusammenhang ist es zu deren Beurteilung entscheidend, dass Gebser den von ihm dargestellten Strukturen jeweils eine eigene Dimension zuordnete. So hat nach ihm
die archaische Struktur keine Dimension. „Sie ist der nulldimensionale Ausdruck einer umfassenden Ganzheit im Bewusstsein dieser Menschen, zu der sie selbst gehören“52.
Die magische Struktur ist eindimensional – sie ist die „eindimensionale Unität und naturverwobene Einheit“ die mythische zweidimensional – gleich „Ausdruck der zweidimensionalen Polarität“53, die mentale dreidimensional und die aperspektivische mehrdimensional.
Die Folgen dieser Unterscheidung sind natürlich gravierend. Im magischen Denken liegt an dieser eindimensionalen, also eher punktförmigen Sicht der Welt, die Voraussetzung dafür, dass diese Menschen umfassend von außen „kontrolliert“ werden, um den Begriff von Beck und Cowan zu benutzen. M.a.W., ihr jeweiliges Verhalten orientiert sich sowohl an den Bedürfnissen ihrer menschlichen Gemeinschaft, also ihrer Blutsfamilie und ihres Stammes, als auch von den natürlichen Umweltbedingungen. Oder nochmals mit Gebser, dieser „naturverwobenen Einheit“. Diese Eingebundenheit ist auch der Grund, warum diese Menschen alles, was sie wahrnehmen als einen Prozess verstehen, in den sie immer integriert sind. Dieser Umstand ihres Denkens und Verhaltens drückt sich dementsprechend auch in ihrer Sprache aus, wie schon eine ganze Reihe Sprachforscher*innen feststellten, insbesondere - mit mitgelieferten Beispielen - von Benjamin Lee Whorf54.
M.a.W., um die folgenden Seiten richtig ein- und zuordnen zu können ist es unbedingt wichtig zu beachten, dass alle diese evolutiven Prozesse immer neue Seinsweisen hervorbringen55, die uns ab dann natürlich zunächst völlig neutral – von sich her gesehen – zur Verfügung stehen. Sie sind damit sowohl ein Ausdruck unserer geistigen Evolution, aber bringen eben auch je nach unserer ab dann möglichen „neuen“ Nutzung sowohl positive als auch negative Folgen hervor. Nicht umsonst unterscheidet Gebser bei jeder dieser neueren – ab der mythischen – Strukturen effiziente und defiziente Phasen.
Ganz besonders wichtig ist es sich dabei bewusst zu sein, dass diese Unterscheidung an der jeweiligen Orientierung am Ich oder am Wir festgemacht werden muss. Oder, um die Bezeichnung von Beck und Cowan nochmals aufzunehmen, ob die jeweilige Verhaltenskontrolle – also die Vorgaben des Denkens und daher kommenden Verhaltens - von außen, also dem Wir, oder von innen, dem Ich herkommt. Wir werden gleich sehen, was das gerade und vor allem in dieser neuen mythischen Struktur für absolut gravierende Folgen hat.
Nach Gebser ist jede dieser in unserer geistigen Evolution erreichten neuen Struktur die Voraussetzung eines „neuen“ Bewusstseinsergebnisses, das sie im Laufe ihrer Dominanz hervorbringt. M.a.W., eine neue umfassendere Erkenntnis von uns selbst und/oder unserer Umgebung. Er schreibt hier zum Übergang und dem Unterschied zwischen magischer und mythischer Struktur: „War das <Resultat> der magischen Struktur die Bewusstwerdung der irdischen Natur, also vornehmlich der Erde, so bringt die mythische den Gegenpol der Erde, nämlich die Sonne und den Himmel zum Bewusstsein“.
Ma´u kann das auch so ausdrücken; in der enorm langen Phase der Dominanz der magischen Struktur – wohl ca. 40 000 Jahre – gelang es den Menschen sich aus der Eingebundenheit in die Natur langsam aber sicher herauszulösen und sich die Erde als ihre „Außenwelt“ vorzustellen. Diese „neue“ Vorstellung bezog sich aber nur auf die Erde, auf der die Menschen lebten. Es war dann das mythische Denken, das während seiner Dominanz den „Gegenpol“ der Erde, also die Sonne und „ihren Partner“ den Mond, vor allem aber den Himmel „bewusst“ machte.
Wie ma´u sich das vorstellen könnte, hier mit den Worten Gebsers: „Der geeinzelte Punkt der magischen Struktur erweitert sich zu dem zweidimensionalen, die Fläche einschließenden Ring. Er umfasst alles Polare und bindet es ausgleichend ineinander, so wie im ewigen Kreislauf das Jahr über seine polaren Erscheinungsformen von Sommer und Winter in sich zurückkehrt; so wie der Sonne Lauf über Mittag und Mitternacht, Licht und Dunkelheit umschließend, in sich zurückkehrt; so wie die Bahn der Planeten in Auf und Niedergang, sichtbare und unsichtbare Wege umfassend, in sich zurückkehrt“. Darüber hinaus führt die mythische Struktur „zu einer Bewusstwerdung der Seele, also der Innenwelt. Ihr Symbol ist der Kreis, der stets auch Symbol der Seele war“ 56.
Ganz entscheidend ist es nun auf dem Hintergrund der derzeit bekannten historischen Fakten zu versuchen, sich ein Bild über diese Zeit zu erarbeiten. Beginnen wir bei der effizienten Phase. Nach allem, was wir bisher über diese Zeit wissen, hat sich die Art und Weise des Zusammenlebens zunächst nicht geändert. Gerhard Bott beschreibt diesen Zustand in seinem Buch „Die Erfindung der Götter“ in einer Zusammenfassung wie folgt: „Der paläolithische homo sapiens wird hineingeboren in eine große Blutsfamilie, die eine auf Blutsverwandtschaft beruhende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bildet. Die paläolithischen Blutsfamilien betreiben miteinander matrilokale Exogamie und ihr Verwandtschaftssystem ist gekennzeichnet durch unilineare Matrilinearität57.
Die Gemeinschaften sind egalitär und akephal - herrschaftsfrei -. Es gibt keine Hierarchie, keine Herrschaft über Menschen und somit keine Herrschaft von Männern über Frauen oder von Frauen über Männer. Jede Gemeinschaft praktiziert eine kollektive geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Das Sammlerinnen-Kollektiv der Frauen stellt die ökonomische Basis der Gemeinschaft dar und sorgt mit einem Anteil von 70% für die Grundernährung der Genossenschaft. Es gibt individuell freie, sexuelle Paarbildungen, aber keine Paarungsfamilien“58. Obwohl sich Bott in seinem zweibändigen Werk ständig, und das voll zurecht, gegen die sog. „Urvatergemeinde“59 wendet, verwendet er selbst in diesem Text einige Begriffe, die in eine ebenso fehlgeleitete ökonomische Interpretation dieser Zeit verweist, die dringend korrigiert werden muss.
Das beginnt mit dem Begriff Wirtschaftsgemeinschaft. Diese sich aus Blutsfamilien zusammensetzenden Stämme waren alles Mögliche, aber absolut keine Wirtschaftsgemeinschaften, insonderheit schon gar nicht in einem modernen Sinne. Der einzige Zweck der frühmenschlichen Lebensgemeinschaften bestand darin, das gemeinsame Überleben zu sichern. Wirtschaftliche oder gar ökonomische Begriffe und Denkweisen waren ihnen dabei völlig fremd, was auf der Grundlage des magischen Denkens auch gar nicht anders vorstellbar ist. Sie waren demnach auch nicht „ökonomisch“ orientiert und schon gar keine Genossenschaft.
Wichtig ist es aber sich des Umstandes bewusst zu sein, dass die Frauen meist 70% bis teils mehr Anteile an der gemeinsamen Ernährungsgrundlage beschafften. Absolut korrekt ist aber sein Hinweis, dass alle diese Blutsfamilien rein matrilokal organisiert waren. Was aber bedeutet das für diese damit definierte Gemeinsamkeit dieser Menschen, wenn ma´u darüber hinaus bedenkt, dass diese auf der Grundlage einer matrilokale Exogamie existierte?
Um diesen Umstand zu verstehen, muss ma´u sich einige dieser mit den eben verwendeten Begriffen näher bezeichneten Verhältnisse näher anschauen. Wir hatten also „Familien“, die aus mehreren Schwestern und deren Kindern bestanden. Vielleicht manchmal noch einige Großmütter, aber da die damalige Lebenserwartung in der Regel wohl nicht viel über dreißigJahre hinausging, war dieser Umstand eher selten. Unbedingt wichtig ist es sich darüber hinaus bewusst zu sein, dass die Rolle der Männer als Erzeuger der Nachkommen, was auch Bott deutlich hervorhebt, unbekannt war. Für diese Unkenntnis, die teilweise noch in jüngster Vergangenheit von Anthropologen in solchen Stämmen bestätigt wurde60, sind mindestens drei Voraussetzungen zu nennen.
Erstens stillten diese Mütter ihre heranwachsenden Kinder manchmal bis zu 6 Jahren. Es ist bekannt, dass in diesen Verhältnissen die Frauen in der Stillzeit – in der Regel – nicht erneut schwanger wurden. Gleichwohl aber lebten sie ihre sexuellen Beziehungen weiter. Auf diesem Hintergrund konnte demnach kein Zusammenhang zwischen Sexualakt und Schwangerschaft erkannt werden.
Darüber hinaus muss ma´u zweitens davon ausgehen, dass auch schon damals die eine oder andere Frau unfruchtbar war und daher trotz gelebter Sexualität keine Kinder bekam.
Und drittens war im magischen Denken alles und jedes Hervorkommen von Leben „von“ – also die Ursache - oder „aus“ – also dem Körper, hier vor allem der Erde gemeint - der „Großen Mutter“. Alles wurde von ihr erschaffen oder hervorgebracht. Die Rolle eines Mannes oder der männlichen Tiere wurde daher sehr lange schlicht nicht wahrgenommen.
Wie aber war denn eigentlich die Rolle der damaligen Männer? Was waren ihre Aufgaben? Wo lebten sie, denn in den obigen Begriffen und Darstellungen Botts kann ma´u sie zunächst gar nicht, bzw. wenig „erkennen“?
Beginnen wir bei der Nahrungsbeschaffung. Die sehr früh beginnende – wann genau ist nicht wirklich bekannt – Jagd, zunächst wohl auf kleinere Tiere und dann nach der sehr langsamen Verbesserung der Jagdwaffen auf größere Tiere, war nach allgemein übereinstimmender Meinung der Anthropolog*innen von Beginn an Aufgabe der Männer. Wie aber oben schon mit Bott dargelegt und durch alle mir bekannten Befunde immer wieder bestätigt, betrug dieser Beitrag höchstens um die 30%. M.a.W., mehr als Zweidrittel der gesamten Nahrungsgrundlage wurde durch das Sammeln von Nahrung und damit von den Frauen erbracht. Darüber hinaus waren es die Frauen, die durch die alleine von ihnen mögliche Geburt für den Weiterbestand der Menschen verantwortlich waren. Dadurch standen sie auch automatisch in „direktem“ Kontakt zur „Großen Mutter“, also der Muttergöttin. Dazu kommt noch, dass sie durch die wohl immer gelebte Exogamie diejenigen waren, die den Kern der Blutsfamilien darstellten. Ihre jeweiligen Brüder, oder allgemein „die Männer“, lebten als eine Art geduldete „Besucher“ am Rande dieser Blutsfamilien, als Sexualpartner der jeweiligen Frauen.
Da aber diese Partnerschaften keinerlei gesellschaftliche „Absicherung“ kannten61, muss ma´u davon ausgehen, dass solche Partnerschaften für die Männer ziemlich unsicher waren und wohl in aller Regel von den Frauen bestimmt wurden. Um es ganz deutlich zu betonen; es hing wohl erstens vor allem davon ab, wie „gut“ sie ihre jeweiligen Partnerinnen in deren sexuellen Bedürfnissen befriedigen konnten und wie „ungestört“ das war, was wir heute als Sympathie benennen würden. Das ändert aber nichts daran, dass die Rolle der Männer sehr von den Frauen bestimmt wurde. Ob das im Laufe der Zeit (s.u.), oder in einigen Fällen62 auch im Sinne von Dominanz zu verstehen war, ist weitgehend unbekannt, aber auch umstritten bis tabuisiert.
Ein Umstand blieb aber, der die Rolle der Männer im Laufe der Zeit aufwertete; sie waren immer für die Erziehung der Söhne ihrer Schwestern, also ihrer Herkunftsblutsfamilie, verantwortlich. Diesen Umstand kann ma´u noch mit dem Begriff des Avunkulats am Beginn des römischen Reiches nachweisen. Hier ist noch lange der Avunkulus63 im römischen Recht existent. Darüber hinaus sind auch heute in allen noch existierenden matrilinearen Völkern die Mutterbrüder, - also die Männer - für die Außenvertretung der Familien und sogar des Stammes oder des Volkes verantwortlich.
Dieser Umstand hat wohl sehr lange dazu geführt, dass am Beginn der anthropologischen Forschungen dieser Umstand von matrilinearen Völkern und Stämmen verkannt wurde. Vor allem aber wurde er aus den bekannten Vorurteilen bestritten, und Personen, die solche Möglichkeiten erwähnten oder gar begründeten, bekämpft bis lächerlich gemacht. Der Fall Bachofen ist hier wohl der bekannteste, obwohl dessen Thesen zur Begründung seiner Sicht heute nicht mehr haltbar sind. Aber darauf näher einzugehen würde hier einfach zu weit abführen. Es sollte aber zumindest nicht unerwähnt bleiben, dass er fünf entscheidende Nachweise für die historisch ältere Rolle einer Muttergöttin und des Mutterrechts einbrachte64.
Diese hier dargestellten Lebensumstände galten nach allem bisherigen historischen Wissen auf jeden Fall für die Zeit des magischen Denkens, aber dann auch für die der effizienten Phase des mythischen Denkens. Um aber den Übergang des magischen Denkens zum effizienten mythischen und dessen Veränderungen, müssen wir uns kurz einige dieser Veränderungen anschauen. Dies gilt besonders deshalb, um das defiziente mythische, sprich das egoischen Denken besser zu verstehen.
Laut Gebser waren sich die Menschen am Ende des magischen Denkens über die Erde als Ort ihres Lebens bewusst. Aber, wie uns besonders die Nordamerikanischen Indianer noch in jüngster Vergangenheit „belehrten“, war ihnen diese Erde als Körper ihrer Gottheit absolut heilig. Sie war sozusagen der Körper Manitus. Dieser Begriff bedeutete nach neuesten Forschungen soviel wie höchstes Wesen, aber auch Summe alles Übernatürlichen. Ob dies dann, wie christliche Missionare behaupteten, in etwa dem männlichen Gott des Christentums entsprach, ist eher unwahrscheinlich. Allerdings war er dies wohl auch nie rein weiblich.
Wichtig ist aber sich bewusst zu sein, dass im magischen Denken, auch in seiner Spät-phase, eine wie auch immer vorgestellte „Verletzung“ der Erde65, durch die da einsetzende „Bearbeitung“ – zunächst im Hackbau und später Ackerbau –, schlicht undenkbar war. Genau so wichtig ist es aber auch hier zu sehen, dass das Bewusstwerden der Erde mit dem Bewusstwerden einer um jeden Menschen herum existierenden Außenwelt einherging. Mit den Worten Gebsers: „.., so brachte die magische Struktur durch den in ihr sich abspielenden Befreiungskampf gegen die Natur eine Herauslösung aus der Natur und damit die Bewusstwerdung der Außenwelt“ mit sich.
„Die mythische Struktur nun führt zu einer Bewusstwerdung der Seele, also der Innenwelt“ 66.
Die mythische Struktur ist aber zweidimensional und polarisierend. Vor allem aber beginnt sich in ihr eine Vorstellung von Zeit zu entwickeln. Um nochmals Gebser zu zitieren; „Sie ist noch raumfern (was sich erst im mentalen dreidimensionalen Denken ändert), aber sie ist schon zeitnah“67. Damit könnte auch eine erste Vorstellung zusammenhängen, dass ma´u möglicherweise zuerst eine essbare Pflanze und später deren Samen in den Boden einsetzen oder säen kann, um „später“ damit sicherere Nahrung zu gewinnen.
Hier setzt damit das ein, was wir heute Hackbau nennen. Noch einmal ganz deutlich; es ist höchstwahrscheinlich so, dass es eine in diesem Denken einsetzende polare, auf der Fläche „gegenüberliegende“ Vorstellung von früher und später ist, die die Voraussetzung dafür liefert den Boden zu bearbeiten. Diese Bearbeitung war „zunächst sehr vorsichtig“. Diese Bemerkung bezieht sich auf den Umstand einer davor existierenden Vorstellung, nicht den Boden, also den Körper der „höheren Wesenheit“, zu verletzen. Diese erste Phase des „reinen“ Hackbaus – also noch ohne Tierhaltung –, , dauerte nach bisherigen Kenntnissen etwa 1500 bis ca. 2000 Jahre. Dieser entwickelte sich übrigens höchstwahrscheinlich im Bereich um den Kaukasus herum.
Der Hackbau wurde anschließend durch erste Kleintierhaltung – wahrscheinlich zunächst im „Wohnbereich“ selbst – ergänzt. Also durch Schafe, Ziegen und dann wohl eher gegen Ende dieser Zeit auch Stück für Stück Schweine Es ist allerdings völlig unklar, wie das vor sich ging. Zunächst ist davon auszugehen, dass durch den Hackbau auch im Laufe der Zeit die Sesshaftigkeit begann. Selbst für „Anfänger“ war bald ersichtlich, dass eine dauerhafte Betreuung bis Schutz der Pflanzen vor Fressfeinden – siehe vor allem das Thema Schweine – erforderlich war.
Erste archäologische Nachweise der Domestizierung speziell von Schweinen gibt es aus der Zeit vor 9000 Jahren, also gegen Ende dieser zweiten Phase auf dem Gebiet von Hallan Çemi der heutigen Osttürkei. Ob sich hier am Beginn solche Kleintiere auch allgemeine Sicherheit erhofften - also Fressen und Schutz -, oder schlicht eingefangen wurden68, ist völlig unbekannt. Auch die Dauer dieser Phase der ersten Tierhaltung wird in etwa gleich der ersten vermutet, also etwa 2000 Jahre.
Wenn ma´u sich nun den weiteren Verlauf vergegenwärtigt, sind zwei Umstände besonders wichtig.
Auch während dieser ganzen Zeit – also in etwa 4000 Jahre - bestehen die früheren gesellschaftlichen Verhältnisse, also matrilineare Blutsfamilie, fort. Ma´u vergleiche hier die Funde in Catal Hüyük, wohl die erste „Siedlung“ der Erde.
Höchstwahrscheinlich aber beginnt während dieser Zeit eine erste entscheidende Veränderung, nämlich eine „Vergrößerung“ der Mitglieder von Stämmen. Manche Forscher sprechen von sog. Stammeshäuptlingstümern, die angeblich bis zu mehreren Tausend Mitglieder hatten. Ob diese aber schon von Männern „geführt“ wurden, ist eher unwahrscheinlich, denn die Beschaffung der Nahrung hat sich noch nicht verändert.
Nach wie vor sorgen die Frauen für die Pflanzennahrung und die Männer gehen weiterhin auf die Jagd.
Vor allem aber ist der jeweilige Status zwischen Mann und Frau nach wie vor unverändert.
Es sind aber zwei Umstände die für eine gegen Ende dieser Zeit aufkommende regelrechte Revolution sorgen, nämlich zunächst die „Erfindung“ der „Heiligen Hochzeit“.
Bevor ich erkläre, was das bedeutet, hier kurz die wahrscheinlichen Gründe für diese im Laufe der Zeit alle gesellschaftlichen Verhältnisse verändernde Neuerung. Nochmals deutlich; im mythischen Denken entwickelte sich zunehmend ein neuartiges „Zeitbewusstsein“. Wie sich schon am „neuen“ Hackbau zeigt, erkennen die Menschen immer mehr „natürliche“ Zusammenhänge, auch wenn deren Ursache und Wirkung mehrere Monate auseinander liegen.
Oben wurde argumentiert, dass hier der Grund für den sich neu entwickelnden Hackbau liegen könnte. Aber in jüngster Zeit hielten diese Menschen auch Kleintiere. Es war einfach unumgänglich, dass diesen Menschen im Laufe der Zeit der Zusammenhang zwischen Zeugung und Geburt bewusst wurde. Oder m.a.W., ma´u konnte einfach nicht mehr länger glauben, bzw. behaupten, alleine die „Große Mutter“ wäre für die Schwangerschaft einer Frau verantwortlich. Die männliche Rolle hierbei wurde immer offensichtlicher. Und diese „Heilige Hochzeit“ ist für diese neue Erkenntnis, vor allem aber ihre Anerkennung in diesen Gesellschaften der deutlichste Beweis. Was aber meint dieses neue Ritual?
Zunächst ist festzuhalten, dass in allen hier dargestellten Perioden des frühen Denkens jedwede Erfahrung und daher kommende Erkenntnis immer auf die „Große Mutter“ bezogen, bzw. auf diese zurückgeführt wurde. M.a.W., es herrschte ein sakrales Denken. Aber diese umfassende Gottesvorstellung verweist darauf, dass diese „Göttin“ im Grunde für das Leben allgemein und die Natur im Besonderen in einem ganz umfassenden Sinne stand. M.a.W., alles, was existierte war gleich „Große Göttin“. Das galt aber natürlich insonderheit für alles „Leben“ in dieser Natur. Alles wurde in seiner Herkunft aus einer Art von Geburt verstanden und damit war diese Vorstellung des allgemein Göttlichen eben unumgänglich weiblich. Das führte auch dazu, dass ma´u von einer allgemeinen Sicht auf die Natur und „sich selbst“ ausgehen kann, die ma´u als sakral verstehen kann.
In allem und jedem war diese schöpferische Potenz dieser Göttin vorhanden, siehe das Thema der Totems, das diese Überzeugung so deutlich zum Ausdruck bringt. So kann auch der Mythenforscher Ranke-Graves sinngemäß sagen: „…, dass die Welt des archaischen Menschen eine vollständig sakrale war“69. Ma´u kann das auch daran sehen, dass alle wichtigen jahreszeitlichen Vorgänge – also die Sonnenwenden, aber auch die Tag- und Nachtgleichen – durch sakrale Feste gefeiert wurden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch die Entdeckung des Mannes als eigentlicher Verursacher der Schwangerschaft und damit der Geburt der Kinder als ein sakraler Akt verstanden wurde, der ein solches „sakrales“ Fest hervorbrachte. Damit wurde dieses Fest auch direkt im Zusammenhang mit der „Großen Mutter“ zelebriert. M.a.W., die Voraussetzung von Leben blieb die „Große Mutter“. Aber in der „Heiligen Hochzeit“ wurde diese „Zeugung“ nun dadurch gefeiert, dass sich die „Große Mutter“ einen jungen Mann „aussuchte“ mit dem zusammen sie ein Kind zeugte und damit die Zeugung auch als „göttlich“ anerkannt wurde.
Nach allem, was ma´u dazu zu wissen glaubt, geschah dies in einem ersten Schritt dadurch, dass sich eine Schamanin - wahrscheinlich zur Zeit der Sonnenwende - einen jungen Mann erkor, mit dem sie dann einige Zeit nach einer „Hochzeit“, eben der neuen „Heiligen Hochzeit“70 zusammenlebte. Dieser junge Mann wurde dadurch auch zu einer ersten Form von gottähnlich „erhoben“ Dann aber wurde er in einigen Teilen der Welt zum großen Frühjahrsfest – also dem Vorläufer des späteren Osterfestes – der „Großen Göttin“ geopfert. Sein Blut wurde dann als „Düngung“ und Garant einer reichen zukünftigen Ernte auf der bearbeiteten Flur vergossen.
Ein Umstand ist aber unbedingt zu beachten; diese „Heilige Hochzeit“ war von Beginn an, ganz wie der schon oben zitierte Bott zum Ausdruck bringt, „die Heiligung der Vaterschaft“ und damit ein gesellschaftsprägendes Ritual. Aber es war keineswegs von Beginn an „die Heiligung und Legitimation eines Königs“ und schon gar nicht die „Zeugung eines zukünftigen Thronfolgers“71. Diese Entwicklung liegt bei der Entstehung dieses Rituals noch in weiter Ferne (s.u.). Auch eine Heiligung der Sexualität ist hierdurch absolut unsinnig. Wenn die Lebenssicht der magisch und mythisch denkenden Menschen als sakral zu verstehen ist, dann war auch die Sexualität schon immer sakral, also „heilig“. Wie Anthropolog*innen schon immer bei allen noch einigermaßen ohne Außeneinfluss72 existierenden Stämmen beobachten konnten und können. Das galt aber auch in Hochkulturen, wie der chinesischen und indischen. In diesen wurde die Sexualität schon immer unbegrenzt, ja oft ungehemmt ausgelebt. Und die damaligen Männer hatten ja außer der keineswegs ihre ganze Zeit beanspruchenden Jagd meist nichts anderes zu tun, als ihre Partnerinnen sexuell zu befriedigen. Da aber damals alles sakral, also heilig war, galt dies selbstverständlich auch für die Sexualität. Diese brauchte also keinesfalls „neu“ geheiligt zu werden.
In etwa zur gleichen Zeit ergab sich aber allgemein gesellschaftlich ein zweiter noch viel folgenschwererer Umbruch. Dieser „drehte“ ab dann grundlegend jede gesellschaftlichen Verhältnisse völlig „um“. Ma´u kann davon ausgehen, dass gleichzeitig zu diesen zuletzt erwähnten Veränderungen die ersten Menschen anfingen egoisch zu denken. Diese eben geschilderten, wie auch die weiteren jetzt anstehenden Veränderungen lassen sich nicht anders erklären. Beginnen wir zunächst bei den Stück für Stück einsetzenden Veränderungen im Jagdverhalten der Männer.
Sie erlebten seit mehreren tausend Jahren, dass die Tierhaltung73 durch die Frauen sowohl den Zugang zu Fleisch als Nahrung erleichterte, als auch zunächst zu Fellen und im Laufe der Zeit wohl auch zu Milch führte. Dann die Folgen der Schweinehaltung, die ja ebenfalls gegen Ende dieser Zeit üblich wurde.
Nun sind aber Wildschweine keineswegs so „friedliche“ Tiere, wie Schafe oder auch Ziegen. Vermutlich waren es zunächst die Männer, die auf die die Pflanzungen bedrohende Schweine Jagd machten, um diese Pflanzungen besser zu schützen. Möglicherweise wurden dabei auch Bachen mit Jungen getötet und dann deren Jungen eingefangen.
Vermutlich entwickelte sich daraus im Laufe der Zeit auch die Haltung der Schweine.
Ein Umstand ist aber unbedingt zu beachten; selbst noch in dieser Phase belegen die Knochenfunde – siehe z.B. Tell Abuhureyra -, dass der Rückgang der Nahrung aus erlegten Tieren zugunsten domestizierter Tiere sehr langsam vor sich ging. So dauerte es mehrere 100 Jahre, bis deren Anteil 10% übersteigt. Gerade auch dieser Umstand belegt, wie schwer sich die damaligen Menschen immer noch taten und wie lange sie brauchten überkommene Gewohnheiten zu verändern. Dies galt insbesondere für die immer noch übliche „gesellschaftliche Arbeitsteilung“.
Aber natürlich gab es am Beginn des eben erwähnten Überganges zum egoischen Denken sowohl Frauen als auch Männer deren Denken sich in einem solchen Sinne veränderte. Wenn ma´u sich aber anschaut, was dieses Denken auszeichnet74, muss dieses Denken, vor allem aber das dadurch hervorgebrachte Verhalten, am Beginn innerhalb dieser Gesellschaften große Probleme verursacht haben. Um diesen umwälzenden Prozess auch nur in Ansätzen zu verstehen, sollte ma´u zumindest versuchen, sich Menschen mit einem solchen „neuen Denken“ in einer immer noch am Wir orientierten Denken vorzustellen. Das betraf ja ganz konkret die Mitmenschen, die eigenen Familie und letztlich dem Stamm. Alle diese eben nochmals aufgezählten Verhaltensweisen widersprechen diesem bisherigen Denken absolut zentral und direkt.
Gab es in diesen Stämmen denn überhaupt „Positionen“, die einem solchen Denken zumindest entgegenkamen? Ja die gab es durchaus und zwar insbesondere die der Schamaninnen, um zunächst bei den Frauen zu bleiben. Es ist wohl keine Frage, dass in einem solchen Aktionsraum die ersten und zunächst einzigen Möglichkeiten bestanden, vergleichbare Verhaltensweisen umzusetzen. Allerdings konnte das am Beginn dieser Entwicklung nur ganz vorsichtig und Stück für Stück erfolgen. Jedwedes Verhalten, das klar den oben dargestellten Umständen entsprach,. wäre absolut massiv zurückgewiesen und bekämpft worden. Möglicherweise sind am Beginn dieser Entwicklung auch einzelne Frauen, die solches versuchten damit gescheitert und eventuell sogar aus dem Stamm verstoßen worden. Nicht umsonst hat ja dieser Übergang, nach allem was heute in einem solchen Sinne beobachtbar ist, mehrere Tausend Jahre gedauert.
Wie aber erging es da Männern, die eh in diesen Stämmen eine eher untergeordnete Stellung hatten. Oder m.a.W., Männer waren zu diesem Zeitpunkt keine Personen, die anderen ihre Meinung oder gar ihren Willen hätten aufzwingen können. Aber da Menschen schon immer erfinderisch waren, kann ma´u davon ausgehen, dass solche Männer im Laufe der Zeit zunächst eine gewisse Vorherrschaft oder Anführerschaft in ihren Männergemeinschaften anstrebten und je nach Fähigkeiten auch erreichten. Möglicherweise waren es dann auch diese Männer, die die Idee entwickelten eventuell weitere größere Tiere zu domestizieren. Denn, wenn es möglich war selbst größere Tiere wie z.B. die Schweine zu domestizieren, warum denn dann nicht auch noch größere Tiere, wie die damals überall in der umgebenden Natur existierenden Boviden, also „die Hornträger (Bovidae) oder Rinderartigen“ (Wik)?
Da es aber auf dem Hintergrund der derzeit bekannten Funde und deren zeitliche Zuordnung ebenfalls schon erste Siedlungen gab – siehe Catal Hüyük, ober in etwa zur gleichen Zeit Jericho – muss ma´u davon ausgehen, dass sich auch hier die Stellung der Männer innerhalb der Gemeinschaften veränderte.
Erstens war wohl der erste „Häuserbau“ kaum ohne Mithilfe von Männern denkbar.
Zweitens war die dann beginnende Herdenhaltung der Boviden reine Männersache.
Und drittens brachte diese Entwicklung eine Verstärkung dessen hervor, was ma´u dann „Handwerk“ nennen wird.
Es gab zwar, was frühe Funde belegen, schon in der Altsteinzeit Spezialisten beim Herstellen von Werkzeugen. Das waren Personen, die diese Herstellung einfach besser konnten, als andere. Ob dies Männer oder Frauen waren ist aber unbekannt, möglicherweise sowohl als auch. Aber bei der immer umfassenderen Entwicklung hin zur Errichtung von Wohnstätten, taten sich hier sicherlich besonders Männer hervor. Diese konnten dann auch weiterhin besonders solche Tätigkeiten ausübten.
In dieser Zeit entstanden dann wohl auch erste besonders hervorgehobene Stätten zum Zelebrieren der regelmäßigen Rituale, Dazu kommt, dass ja mit weiter vergehender Zeit immer mehr Personen egoisch zu denken begannen, also auch immer mehr Männer. Bevor wir hier aber die weitere Entwicklung der gesellschaftlich immer dominanteren Rolle der Männer näher darstellen, vorab noch ein kurzer Blick auf bedeutende Frauen. Schon oben wurde darauf verwiesen, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit vor allem Schamaninnen waren, die als erste egoisches Denken „leben“ konnten. Von da aus ist es nicht unwahrscheinlich, dass es zuerst eine solche Schamanin war, die die Idee der Heiligen Hochzeit hatte. Diese konnte sich dann durch ein solches neues Fest besonders hervorheben und damit ihr Prestige entschieden stärken.
Dazu muss ma´u folgendes bedenken; bekanntlich geht der Geschenktausch zwischen den Stämmen schon sehr weit zurück in die Vergangenheit. Sein Beginn ist völlig unbekannt, aber hier dürfte einer der Gründe liegen, warum sich Bernstein schon relativ früh bis nach China nachweisen lässt und zwar in Gräber bedeutender Personen. M.a.W., es waren insbesondere Gegenstände und wohl auch Kleidungsstücke, die zu besonderen Anlässen, also vor allem sakralen Festen benutzt bzw. angezogen wurden, um sich dabei besonders zu schmücken. Bekanntlich kann ma´u diesen Umstand auch bei heute noch existierenden Stämmen bei solchen Feiern beobachten. Und es ist gar keine Frage, dass sich gerade hier egoisch denkende Frauen besonders hervortaten.
Dass es gerade diese Umstände waren, die sich letztlich die eher damals noch dominierten Männer zunutze machten, konnte natürlich zum Beginn dieser Entwicklung nun wirklich niemand vorhersehen. Die Folge war aber, dass diese sich im Laufe der Zeit zunächst mit den Frauen gleichzustellen begannen, um diese dann Stück für Stück nun wirklich umfassend zu dominieren bis letztlich völlig zu unterdrücken. Dieser ganze Prozess dauerte zwischen 6 und 7000 Jahre. Ma´u muss aber davon ausgehen, dass solche Veränderungen von Generation zu Generation so gering waren, dass selbst die beteiligten und vor allem betroffenen Personen diese überhaupt nicht bemerkten. Wenn dies aber doch geschah, wurden diese in Mythen „in den Himmel“ gehoben, um damit die Göttinnen und Götter dafür verantwortlich zu machen.
Aber kehren wir zur Entwicklung der Stellung egoisch denkender Männer zurück. Es sei hier zum Beginn nochmals besonders betont. Es war alleine das heraufkommende und sich Stück für Stück durchsetzende egoische Denken, das für diese Veränderungen verantwortlich war. Ab hier konnten die davon betroffenen Personen nicht mehr anders als in diesen Kategorien denken und dann im Laufe der Zeit auch nicht mehr anders sprechen. Aber kehren wir zu der ersten entscheidenden Veränderung auf Seiten der Männer zurück.
Am Beginn dieser neuen Zeit setzte sich die Bovidenhaltung immer mehr durch. Irgendwann begannen dann auch Männer mit Hilfe solcher Tiere die größer gewordenen Bodenbearbeitungsgeräte zu ziehen. Wir sprechen hier von Geräten aus Holz, die sog. Ziehhacken, die wir als frühe Vorläufer von Pflügen anschauen können. Diese wurden in kleinerer Form wohl zunächst von den für die Bodenbearbeitung zuständigen Frauen „gezogen“. Vermutlich übernahmen solche Arbeiten wegen ihrer größeren Körperkraft Stück für Stück auch Männer, bevor dieser Prozess dann auf erste Tiere übertragen wurde. Ma´u muss sich aber bewusst sein, dass auch gerade dieser Übergang wohl mehrere Hundert, ja wohl eher bis zu 1 oder gar 2000 Jahre andauerte. Aber wie sich gerade an der Entwicklung der „Heiligen Hochzeit“ ablesen lässt, veränderte sich gerade auch dadurch in etwa zeitgleich das Verhältnis zwischen den Männern und den Frauen grundlegend. Aus dem ursprünglichen „göttlichen Jüngling“ wurde im Laufe der Zeit ein immer älterer, immer gleichberechtigterer „göttlicher Mann“. Oder m.a.W., eine immer deutlicher hervortretende gleichberechtigte männliche Gottheit. Wie konnte es dazu kommen?
Hier eine erste Antwort, weitere werden weiter unten dargestellt. Also noch einmal ganz deutlich; wir befinden uns immer noch in der Phase des mythischen Denkens. Nachdem die effiziente, am Wir orientierte Phase in etwa 4000 Jahre vorgeherrscht hatte, begann sich die am Ich orientierte defiziente Phase des egoischen Denkens, also vor rund 9000 Jahren durchzusetzen. Dieses Denken ist aber vor allem am Ich und dessen Sonderstellung und damit zunächst an Stellungen und damit verbundenen Prestige und Image orientiert. Ab einer bestimmten herausgehobenen Position beginnt es sich dann besonders an Macht und Gewalt zu orientieren. Und es sind natürlich insonderheit Männer, die auf Grund ihrer überlegenen Körperkraft absolut dazu prädestiniert sind, in diesem Denken die gesellschaftlichen Führungsrollen zu übernehmen.
Das geht aber natürlich in einem Denken, das seit mehreren 10000 Jahren sowohl von einer weiblichen Göttinnen Vorstellung, als auch einer gewissen Vorrangstellung der Frauen geprägt war, keineswegs von jetzt auf gleich. Zudem muss ma´u beachten, dass selbst dann, wenn sich eine neue Weltsichtebene etabliert hat, immer noch ein sehr bedeutender Teil, oft sogar noch die Mehrheit auf der oder den davor existierenden Weltsichtebenen denkt. M.a.W., es gibt ganz zweifellos länger existierende Übergangsformen, wie z.B. die schon häufiger nachgewiesene und selbst heute noch in manchen Stämmen existierende Doppelbesetzung der Häuptlingsrolle. Oder anders gewendet; ganz offensichtlich bestanden die ersten aufkommenden Häuptlingspositionen aus egoisch denkenden Frauen – siehe die schon oben erwähnten Stammeshäuptlingstümer -, die dann Stück für Stück egoisch denkende Männer zulassen mussten.
Dieser enorm langsame Übergang lässt sich z.B. an der durch Funde belegten langsamen Entwicklung in eine solche Richtung in der sich ja immer mehr durchsetzenden Bovidenkultur beobachten. So schreibt Bott dazu folgendes: „Die (frühe) Bovidenkultur ist gekennzeichnet durch den sanften Hirten; besonders zu dieser Zeit gibt es kaum Hinweise auf ein Hierarchisierung der Gesellschaft, wohl aber auf deren Vorläufer, den Beginn einer gesellschaftlichen Arbeitsteilung und des Handwerks. Auch dies ist ein sozialer Quantensprung: Neben die geschlechtsspezifische und kollektive Arbeitsteilung tritt jetzt die gesellschaftliche und individuelle. Es macht nicht mehr jedermann, jeder Mann und jede Frau das Gleiche, wie sein Genosse (ich würde den Begriff Mitmensch vorziehen), sondern es gibt Spezialisten“. Der folgende Satz ist aber besonders wichtig: „Während die geschlechtsspezifische kollektive Arbeitsteilung zur Gleichheit führt, bringt die gesellschaftliche Arbeitsteilung Ungleichheit mit sich, die Ungleichheit des Spezialisten“75. Wir werden weiter unten vor allem auf den letzten Satz noch ausführlich eingehen müssen.
Mit diesem Denken beginnt nun der Übergang sowohl zur Bovidenhaltung und damit dem Übergang vom Jäger zum Hirten, als auch dem Beginn erster Siedlungen inclusive der Erfindung der Herstellung von Keramiken und erster Metallerzeugung – Kupfer -. Dieser ist aber weltweit zeitlich so unterschiedlich und oft von Brüchen begleitet76, dass es sinnvoller erscheint, nur die grundlegenden Umbrüche darzustellen und diese nur angenähert zeitlich zuzuordnen. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass es hier nicht darum geht, eine neue historische Dokumentation zu schreiben. Das ginge eh über meine Möglichkeiten hinaus. Hier geht es darum die entscheidenden Veränderungen
erstens auf dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse der Weltsichtebenen oder Denkstrukturen neu zu bewerten,
zweitens aber insonderheit hier das dadurch bedingte Heraufkommen des patriarchalen Denkens zu erklären und damit auch dessen umfassende Auswirkungen darzustellen und zu begründen.
Die frühe Phase dieses Überganges ist durch zwei wichtige Neuerungen gekennzeichnet;
erstens die beginnende Siedlungsgeschichte, allerdings mit großen Brüchen und
zweitens die beginnende Bovidenhaltung.
Die Brüche in der Entwicklung hin zu größeren Häusergemeinschaften könnte damit zusammenhängen, dass sich das Denken der Menschen mit solchen Größenordnungen noch schwer tat. So dauerte es doch bis zur endgültigen Etablierung von wirklichen Stadtkulturen noch rund 3000 Jahre. Noch wahrscheinlicher ist aber, dass hier am Beginn dieser Entwicklung die Häuser in der immer noch existierenden Matrilokalität alleine den Frauen gehörten und eine Machthierarchie auf dieser Denkvoraussetzung noch unbekannt war.
Dieser Übergang zu Hierarchien erfolgte offensichtlich eher im Zusammenhang mit der sich entwickelnden Bovidenhaltung und der damit erstens Stück für Stück aufkommenden Herdenhaltung. Vor aber wurde durch die dann aufkommende Bearbeitung des Bodens mit Pflügen und Zugtieren die ehemalige Arbeitsverteilung zwischen Männern und Frauen grundlegend verändert. Auf dieser Voraussetzung entwickelte sich jetzt je nach natürlicher Voraussetzung
entweder eine reine Hirtenkultur, die in manchen Regionen ja bis heute existiert,
oder eine bäuerliche Wirtschaft als Kombination zwischen Herdenhaltung der Tiere und Bodenbewirtschaftung.
In all diesen Entwicklungen, insbesondere unter Beachtung des sich immer umfassender durchsetzenden egoischen Denkens wurden die Frauen immer mehr auf die „häuslichen“77 Arbeiten, wie
betreuen der Feuerstellen und der Kinder, der Essenszubereitung und dem Melken der Tiere, manchmal auch der Bearbeitung eines Gartens, eingeschränkt.
In der Umkehrung dazu wurde die Rolle der Männer innerhalb dieser Gesellschaften immer wichtiger. Dies galt besonders für deren Positionen in den sich immer deutlicher abzeichnenden Machthierarchien. Es ist aber unbedingt festzuhalten, dass sich dieser Übergang über mehrere Jahrtausende hinzog. So kann ma´u doch selbst noch in den ab vor den etwas mehr als 5000 Jahren existierenden Stadtstaaten und dann den Feudalstaaten Frauen in herausragenden Positionen erkennen.
Das gilt aber nach wie vor besonders in Bezug auf die Religionen, also den „Kontakt“ zur Großen Mutter. Funde von Götterstatuen aus der Zeit der ersten Feudalstaaten zeigen nach wie vor, dass die weiblichen Götterstatuen größer sind als die männlichen. So kann ma´u selbst noch während der Zeitenwende78 bei einigen germanischen Stämmen bedeutende Priesterinnen beobachten.
Gegen Ende dieser Übergangsphase entstehen dann die ersten wirklichen Städte, die uns bekannt sind, wie Eridu, Ur oder Uruk, wobei Eridu vermutlich die älteste sumerische Stadt war. Sie liegt in Süd-Mesopotamien unter dem Tell Abu-Schahrein im heutigen Süd-Irak. Nach dem sumerischen Mythos ist sie die Stätte, an der die Geschichte begann. In der sumerischen Königsliste wird Eridu als Stadt der ersten (mythischen) Könige Alulim und Alalgar erwähnt. Damit gehört sie zweifelsohne an den Anfang der urbanen Revolution, die eine Kette von Stadtgründungen nach sich zog (s.o.).
Anders als bei den frühen Orten wie Jericho oder Çatal hüyük war sie der Ausgangspunkt einer Zivilisation, die erste Stadt, die den Namen verdient (teils Wik). Aber dieser Entwicklung ging schon die erste Entstehung von Hirtenkönigen voraus, die sich gegen Ende der oben dargestellten Übergangszeit etablierten. Mit den Worten Botts: „…, erlaubt es den viehreichsten Boviden-Patriarchen die Hierarchie des Priesterfürsten durchzusetzen. Dabei ist eindeutig, dass nicht etwa der Priester zum Fürsten wird (wobei zu dieser Zeit mit höchster Wahrscheinlichkeit die Priester noch Frauen waren), sondern der Fürst wird zugleich Priester, denn die (hier beginnende) Herrschaft ist von ihrer Geburtsstunde mit der politischen Theologie der Herrschenden verbunden“. M.a.W., „es ist nicht die Theologie, die sich politisiert, sondern die Politik wird (bis heute s.u.) theologisiert“79. Oder noch anders gewendet; die seither patriarchal denkende und handelnde Politik hat bis heute die patriarchal begründete Theologie - siehe das AT – zu ihrer Absicherung herangezogen und benutzt. Gerade hier nochmals die gleiche Frage wie oben; wie kam es dazu?
Weiter oben haben wir uns zunächst die Auswirkungen des egoischen Denkens angeschaut. Ab hier geht es darum uns die Veränderungen in den direkten zwischenmenschlichen Beziehungen näher zu betrachten. Ausgangspunkt ist die Position eines der ersten Häuptlinge in der immer noch existierenden matrilinear und matrilokal bestimmten Situation. Dieser Häuptling ist immer noch der Mutterbruder seiner eigenen Blutsfamilie und „Besucher“ in der Familie seiner sexuellen Partnerin. Er ist aber jetzt egoisch denkender Häuptling und möchte erreichen, dass sowohl seine Stellung als auch sein Prestige als „Erbe“ an seinen „vermutlich“ eigenen Sohn weitergeht. Es ist offensichtlich, dass in dieser Phase schon die Rolle der Männer als der Erzeuger „ihrer“ männlichen Kinder bekannt ist. Bevor ich hier aber in diesem Zusammenhang weiter argumentieren kann, muss ich erst etwas zu dem Thema Erbe sagen.
Bekanntlich macht sich dieser Begriff heutzutage an dem Thema Privateigentum fest. Spätestens aber seit den ersten Sozialisten und insonderheit seit Marx ist dieser gesellschaftlich so bedeutende Begriff80 in der auf Marx folgenden sich neu entwickelnden Wissenschaft der Ökonomie ein ganz besonderes Thema. Vor allem um diese „Unruhestifter“ zu widerlegen. So behaupten praktisch alle derzeitigen Ökonom*innen, dass es das Privateigentum schon immer gegeben habe. Manche gehen sogar soweit, diesen Begriff auch auf das tierische Revierverhalten zu übertragen. Insbesondere aber werden seither in praktisch allen Veröffentlichungen sowohl allgemein gesellschaftswissenschaftlicher, besonders aber ökonomischer Wissenschaftler*innen die Begriffe Besitz und Eigentum gleichbedeutend und wechselseitig verwendet. Aber ein kurzer Blick auf die rechtliche Definition könnte jederma´u verdeutlichen, ja eigentlich müsste, dass dies keineswegs der Fall ist. Das hat natürlich auch seine besonderen Gründe (s.u.).
M.a.W., wenn wir uns unseren hier anstehenden Umstand anschauen, gibt es im Blick auf unsere weitere Vergangenheit nicht nur eine immer noch existierende – wenn auch zunehmend schwindende – Urvatergemeinde. Nein es gibt sogar eine fast grundsätzlich überall existierende Eigentumsdenkergemeinde81, zu der übrigens leider auch Gerhard Bott gehört. So sehr ich einerseits seine Bücher schätze, haben sie mir doch schon geholfen meinen in meinen früheren Büchern verwendeten falschen Begriff des Matriarchates zu korrigieren. Es ist aber hier dringend darauf zu verweisen, dass diese hier dargestellte Verwendung des Eigentumsbegriffs sowohl bei Ökonom*innen, als auch vieler weiterer Wissenschaftsbereiche, also auch in der Historie, nicht nur unsinnig, also ohne Sinn ist. Er widerspricht sowohl den rechtlichen Bestimmungen, vor allem aber allen „unabhängigen“ Forschungsergebnissen. Hier die Begründung.
Kurz zusammengefasst betrifft der Begriff des Besitzes die Möglichkeit auf einen Gegenstand oder Umstand direkten Zugriff zu haben. Der Begriff des Privateigentums hingegen das umfassendste, staatlich garantierte Herrschaftsrecht an einer Sache. Diesen Umstand, vor allem seine konkreten Auswirkungen, können Sie jeder Zeit im BGB, aber natürlich erst recht im HGB nachlesen. Zum Beleg hier ein allgemein bekannter Sachverhalt; der/die Mieter/in einer Wohnung ist deren Besitzer/in, der/die Vermieter/in der/die Eigentümer/in.
Hier die zwei wichtigsten Begründungen warum die Anwendung des Eigentumsbegriffs auf unsere frühere Geschichte so unsinnig ist. Wenn Eigentum ein staatlich garantiertes Herrschaftsrecht ist, kann es ein solches erst geben, wenn es Staaten gibt. Theoretisch könnte ein solches Recht also mit den ersten Stadtstaaten, vor allem aber den ersten Feudalstaaten entstehen. Aber weit gefehlt. Da sowohl in den ersten Stadtstaaten, vor allem aber den Feudalstaaten die jeweiligen Herrscher die alleinigen „Eigentümer“ des von ihnen dominierten Territoriums waren, wäre es ihnen niemals in den Sinn gekommen, irgendjemandem anderen ein solches Recht einzuräumen. Das hätte ja ihre alleinige Entscheidungsbefugnis, bzw. Souveränität82 eingeschränkt. Ma´u beachte hierzu auch den Begriff des Lehens83, das ja im ganzen Mittelalter auch noch in allen Europäischen Feudalreichen galt. Dies galt so lange bis sich dann etwa ab dem 12. Jh. das Eigentumsrecht erneut mit Beruf auf das römische Recht verbreitete. Das Eigentumsrecht entstand daher völlig folgerichtig erst am Beginn einer ersten demokratieähnlichen Verfassungsentwicklung ab etwa 650 v.Chr. in Griechenland84. Das war übrigens ziemlich gleichzeitig wie das ökonomische Geld.
Wie Sie bei David Graeber nachlesen können85, gab es entgegen der Behauptungen von Ökonom*innen auch die ersten Märkte erst ab der Entstehung von Staaten86 und Geld zunächst nur als „soziales, oder humanes Geld“87. Aber selbstverständlich gab es von Beginn der menschlichen Geschichte an Besitz. Und zwar sowohl von einzelnen Personen in Bezug auf ihre ganz privaten Gebrauchsgegenstände. Dann aber auch insonderheit in den Blutsfamilien sowohl auf ihre Wohneinheit, als auch auf das dann von ihnen bearbeitete Land. Wie gerade auch dieser Zusammenhang zeigt, ist es immer wichtig bei allen entscheidenden gesellschaftlichen Verhältnissen entgegen den üblichen behaupteten88, sich daher zunächst geglaubte Angaben genauer anzuschauen und zu hinterfragen. Dabei kommen oft sehr interessante „Varianten“ zum Vorschein. Um aber nicht weiterhin zu weit von dem hier eigentlich behandelten Gegenstand abzuweichen, kehren wir ab hier wieder zu diesem zurück.
Wie also kann ein wie oben definierter Häuptling unter den damals gegebenen Bedingungen seinem Sohn sein „Amt“ und damit seinen Status vererben. Bei Malinowsky kann ma´u diesen Umstand sehr gut nachlesen. Bekanntlich konnte ein Sohn damals deshalb seinen Vater nicht beerben, weil dieser einer anderen Blutsfamilie angehört Er war der Sohn seiner Sexualpartnerin. Nur die Töchter seiner Schwestern konnten ihn beerben, da jede Form von Besitz in Händen der, bzw. seiner Blutsfamilie verbleibt. Wenn ihn also einer seiner Söhne beerben soll, kann dies nur über eine seiner Schwestern, bzw. einer deren Töchter geschehen.
M.a.W., nur wenn dieser Sohn seine Base oder Cousine heiratet, hat er das „Recht“89, seinen Vater zu beerben. Es sei allerdings ebenfalls nicht übersehen, dass es in den damaligen Verhältnissen keineswegs immer klar war, wer eigentlich der Vater eines bestimmten Kindes war. Dazu waren damals die „Paarbeziehungen“ viel zu unklar und schon gar nicht durch gesellschaftliche Bräuche geregelt oder gar vorgegeben. Malinowsky beschreibt den jetzt folgenden Umstand wie folgt. Die heranwachsenden Jugendlichen konnten ab ihrer Pubertät, völlig frei miteinander in eigens dafür vorgesehenen „Gebäuden“ – immer aus Holz – zusammenlebten. Damit waren diese Jugendlichen sowohl was ihre Sexualitätsaktivitäten betrifft, als auch ihre jeweiligen Beziehungspartner völlig frei und unabhängig.
In dieser nun von Malinowsky dargestellten Situation, in der es genau darum ging, eine der Nichten des Häuptlings dazu zu zwingen „seinen“ Sohn zu „heiraten“90. Dazu wurde eine dieser jungen Frauen – also eine seiner Nichten - dazu gezwungen, nicht in diesem Gemeinschaftshaus zu leben, um sich für seinen Sohn „aufzuheben“. Er nennt diese daraus entstehende Beziehung eine Kreuz-Vettern-Basen-Heirat, wobei ich den Begriff einer Beziehung vorziehen würde.
Es gibt mehrere Gründe, warum ich diesen Umstand trotz seiner Probleme aus diesem Buch hier erwähne. Erstens gibt es Anthropolog*innen, die in Australien bei den Aborigines vergleichbare Umstände beschreiben. Diese nennen sie Kreuz-Cousin-Cousinen-Heirat. Noch wichtiger ist hier aber folgender Umstand. Hier wird eine aus der damaligen Gewohnheitssituation heraus entstehende Möglichkeit dargestellt, wie eine erste von Männern gewollte und durchgesetzte geplante Weitergabe von Besitz in ihrem Sinne möglich wurde. Ob der aber schon damals „allgemein“ üblich war, ist völlig unbekannt.
Hier könnte sich aber ein Einstieg in eine nicht wesentlich später aufkommende patrilineare Paarbindung angebahnt haben. Diese wurde vor allem deshalb immer wahrscheinlicher, weil diese Häuptlinge auch über die sich neu entwickelnde Herdenhaltung von Großtieren immer mehr Zugriff auf diese Tiere bekamen. Natürlich waren diese erst recht Teil „ihrer“ Erbfolge. Noch wahrscheinlicher wird dieser Umstand, wenn ma´u bedenkt, dass egoisches Denken immer mit Macht und Gewalt verbunden war und ist. Also einer rücksichtslosen Durchsetzung der eigenen Interessen.
Natürlich ging das nicht von jetzt auf gleich. Aber je mehr egoisch denkende Personen in solch neue Machtpositionen kamen, wie sie ja diese neue Häuptlingsstellen darstellten, um so schneller muss sich dieser Wechsel der zwischenmenschlichen Beziehungen vollzogen haben. Dieser Umstand hat aber noch eine weitere enorm wichtige Folge. Der Sohn eines solchen Häuptlings wird jetzt durch diese „Heirat“ mit seiner Base oder Cousine Mitglied der Blutsfamilie seines Vaters. Es könnte hier einer der entscheidenden Gründe dafür entstehen, dass es ab hier Familien gibt, die erstens durch diese Konzentration auf das Häuptlingserbe nur noch innerhalb dieser Familie, immer wichtiger und herausgehobener werden. Vor allem aber gerade dadurch immer umfassender von den Vorteilen des Geschenktausches profitierten (s.u.).
Ganz besonders aber kommt in dem obigen Beispiel etwas zum Vorschein, das ab jetzt immer umfassender zur Normalität wird. Es war die ab hier immer üblichere Erziehung zum Gehorsam, bzw. die Unterwerfung unter die Vorgaben solcher mächtiger Personen. Es ist nun genau das, was das folgende Hauptthema sein wird, die ab jetzt immer selbstverständlichere Gehorsamserziehung, die ja die eigentliche Voraussetzung des patriarchalen Denkens bis heute ist.
Um diesen ganzen Vorgang aber in weiteren wichtigen Fassetten wirklich zu verstehen, sollten wir den Blick noch auf eine andere, hier immer auch eingeschlossene Person werfen, nämlich die Schwester des Häuptlings. Diese war ja auch die Mutter des betroffenen heranwachsenden Mädchens. Warum ließen solche Frauen es zu, dass ihre Tochter mit solchen autoritären Methoden erzogen wurde, die doch bis dato völlig unbekannt waren? Oder von einer anderen Seite her betrachtet; in welcher Weise profitierten diese von diesem Vorgang? Und hatten ihre Töchter dann als spätere „Frau“ des Häuptlings nicht auch Vorteile von diesem Vorgang?
Betrachten wir uns zunächst die Mutter, die ja letztlich die entscheidende Person war, ohne deren Zustimmung ja diese Methoden niemals hätten stattfinden können. Die erste Voraussetzung für eine solche Zustimmung war zweifelsohne der Umstand, dass auch diese Frau bereits egoisch dachte. Eine Frau im bisherigen Wir-orientierten Denken hätte niemals solche Methoden zugelassen, denn sie hätte ja damit gegen die bisher gültigen Regeln im Umgang mit den heranwachsenden Kindern verstoßen. Nach allem was Anthropolog*innen in solchen Stämmen beobachten können, werden die heranwachsenden Kinder äußerst liebevoll und ganz in ihren berechtigten Wünschen unterstützend behandelt. Also letztlich genau das, was die kritische Analyse (s.o.) als Voraussetzung zur Entwicklung einer selbstbewussten Person für unabdingbar erkannte.
Aber eine schon egoisch denkende Frau sah diesen Prozess eben von sich her, sprich unter den Bedingungen von möglichen Vorteilen für sich selbst und dann insbesondere ihrer eigenen Blutsfamilie (s.o.). Aber welche waren das? Einmal ganz abgesehen von dem oben schon angesprochenen Status und Prestige ihres Bruders, spielte zu dieser Zeit mit Sicherheit noch ein anderer Umstand hier hinein. Wie die meisten Anthropolog*innen heute wissen, nahm der damals übliche Geschenktausch zwischen den einzelnen Stämmen mit wachsenden Ressourcen aus der Tierhaltung und dem Ackerbau immer mehr zu. Dieser spielte sich aber hier wohl zunächst zwischen den jeweilig agierenden Häuptlingen ab. Nun weiß ma´u zwar auch, dass zumindest in vielen Stämmen der jeweilige Häuptling den weitaus meisten Teil dieser „Gaben“ an seine Anhänger weitergeben musste, um diese ihm gegenüber „gewogen“ zu halten.
Aber erstens konnte er hier seine Schwestern, also seine Blutsfamilie durchaus besonders bedenken. Insonderheit aber konnte er, seitdem er auch noch selbst direktes Mitglied seiner eigenen Blutsfamilie geworden war, solche Artikel, wie besonders herausragende Kleidungsstücke oder Schmuck für Frauen vor allem gerade an diese, oder dann später seiner „eigenen Frau“ weitergeben. Wie ja Funde aus Grabstätten aus dieser und der folgenden Zeit belegen, wurden ab jetzt solche herausragende Personen nicht nur in besonderen Stätten beerdigt – siehe der Beginn der Hügelgräber -, sondern auch mit besonderer Kleidung, Schmuck und weiteren besonderen Grabbeigaben bedacht.
Den Höhepunkt dieser Entwicklung können wir einige Jahrtausende später in Ägypten beobachten. Es ist in diesem Zusammenhang daher durchaus wichtig zu erwähnen, dass die ägyptischen Pharaonen noch sehr lange ihre eigentliche Legitimation ihrer Position dadurch bekamen, dass sie ihre Schwester heirateten. Das galt deshalb, da diese die von einem Gott, also dem davor regierenden Pharao gezeugt worden war. Ma´u beachte hier als Beispiel den Fall Djoser im alten Reich. Dieser war durch Gewalt an die Macht gekommen und konnte diese erst durch die Hochzeit mit der Tochter des früheren Pharao legitimieren. Hier spielte ganz offensichtlich immer noch das alte Denken der Blutsfamilien hinein. Aber kehren wir zu den Anfängen dieser Entwicklung zurück.
Also nochmals; ganz offensichtlich profitierten vor allem die Schwestern und dann die eigene Blutsfamilie91 auch und gerade von diesem Vorgang. Erst von hieraus wird es verständlich, dass sie es nicht nur zuließen, dass eine ihrer Töchter so behandelt wurde, sondern dies auch noch im Hinblick auch auf die Vorteile, die diese Tochter dann später als „Frau“ des Häuptlings genießen konnte unterstützten. Wir haben hier den Beginn zweier absolut entscheidender Entwicklungen, die durch das egoische Denken hervorgerufen wurden.
Erstens den Beginn der patriarchal bedingten dann männlich dominierten Zweierbeziehung, die zunächst vor allem und zuerst im Interesse einiger weniger Männer lag. Diese wirkte sich dann aber ebenfalls auf ihre Blutsfamilie in einem solchen Sinne positiv aus. Dies galt allerdings natürlich nur, wenn ma´u diese Entwicklung aus der Sicht des egoischen Denkens sieht. Es ist aber unbedingt wichtig zu beachten, dass sich dieser Prozess auch von Beginn an in der Weiterentwicklung der Heiligen Hochzeit abzeichnete. Dies dadurch, dass sich der männliche Gott immer mehr dem Status der weiblichen Göttin annäherte und dann in der folgenden Weiterentwicklung diese immer mehr dominierte. Diese musste dann am Beginn des mentalen Denkens endgültig dem monotheistischen Gott weichen und spätestens dann aus dem Bewusstsein insonderheit der westlich denkenden Menschen als göttliches Wesen völlig verschwand. Zweitens aber begann sich von Beginn dieser Entwicklung an die autoritäre Gehorsamserziehung zu etablieren, mit all den katastrophalen Folgen, wie ich sie bereits oben mit Bezug auf die kritische Fraktion der Analyse darstellte. Wie aber konnte das geschehen, insbesondere in den späteren, teils absolut grausamen Methoden dieser sog. Er-Ziehung?
Jede Form autoritärer Erziehung führt dazu, dass heranwachsende Kinder zunehmend den Kontakt zu ihren eigenen Gefühlen und Wünschen verlieren und nur noch das wollen, was sie wollen sollen. Oben habe ich darauf verwiesen, dass hier an der Einschränkung der persönlichen Freiheit der zukünftigen Partnerin des zukünftigen Häuptlings diese Form von Erziehung ihren Anfang hat. Nun ist es aber natürlich keineswegs so, dass hier von Beginn an diese Form von autoritärer Erziehung existiert, die einige Tausend Jahre später praktiziert wird.
Ma´u kann davon ausgehen, dass zunächst auch noch diese Kinder nach ihrer Geburt ähnlich liebevoll behandelt und betreut wurden, wie das bisher über viele Jahrtausende der Fall war. Aber bei den hier betroffenen jungen Frauen kann sich deren erzwungene Einschränkungen zunächst in ziemlicher Wut geäußert haben. Nun ist es aber so, dass die „autoritären“ Personen, also in unserem Falle sowohl die eigene Mutter, als auch der Onkel solche Wut nicht nur nicht akzeptierten, sondern diese erneut mit autoritären Maßnahmen unterdrückten.
Ein solches Verhalten hat aber bei davon betroffenen Kindern immer die gleiche Folge. Sie wird zwar unterdrückt, aber existiert natürlich weiter. Ma´u kann nun von folgenden Möglichkeiten ausgehen. Vieles hing für das zukünftige Verhalten dieser Frauen davon ab, ob sie ihre spätere Stellung als „Häuptlingsfrau“ und den damit verbundenen Privilegien mit ihrem Schicksal zufriedenstellten. Vielleicht waren sie dann bereit sowohl ihren späteren Partner, als auch dessen und damit natürlich ihren Kindern diese Wut in ihrem Verhalten diesen gegenüber nicht spüren zu lassen. Es ist aber gleichwohl davon auszugehen, dass sie dann auch ihren eigenen Töchtern gegenüber ähnliche autoritäre Erziehungspraktiken anwandten, mit vergleichbaren Folgen.
Aber sicher gab es auch junge Frauen, die ihren späteren „Männern“ diese ihre Wut spüren ließen. Vielleicht sogar dann deren Söhnen, also natürlich sehr wohl ihren eigenen Kindern gegenüber diese Wut noch lange auslebten, mit entsprechenden negativen Folgen für diese Kinder. Ma´u muss also davon ausgehen, dass sich diese Umstände im Laufe der Zeit Stück für Stück verstärkten, so dass sich eine autoritärere Erziehungspraxis immer mehr etablierte. Dadurch nahmen natürlich auch die noch näher darzustellenden negativen psychischen Folgen immer mehr zu. Das hatte höchstwahrscheinlich auch damit zu tun, dass diese neuen Häuptlinge wohl im Laufe der Zeit auch immer mehr darauf sahen, ihren Partnerinnen weitere sexuelle Kontakte mit anderen Männern so weit wie möglich zu untersagen. Auch hier waren sie ja darauf erpicht, nur ihren eigenen Söhnen ihren Häuptlingsstatus zu vererben. M.a.W., von Beginn an bedeutete die Einführung patriarchal bestimmter Paarbindungen schon immer auch der Versuch von Seiten der Männer die zuvor üblichen sexuellen Freiheiten ihrer Partnerinnen Stück für Stück einzuengen, um sie letztlich völlig zu unterbinden. Hier lassen sowohl die Harems grüßen, vor allem aber die im AT angedrohten Todesstrafen, sprich öffentlichen Steinigungen gegenüber Ehefrauen, denen solche Handlungen nachgewiesen werden konnten92.
Der absolut umfassende Umbruch in eine dann generelle Missachtung und gefühlsmäßige Misshandlung neugeborener Kinder erfolgte aber dann mit der Heraufkunft der Sklaverei. Dies galt besonders in den neu entstandenen Feudalstaaten, in etwa vor etwas mehr als 5000 Jahren. Wie ist das zu verstehen, bzw. was geschah hier konkret? Es ist bei allen Historiker*innen und Anthropolog*innen unbestritten, dass mit der Heraufkunft der Stadtstaaten und dann der ersten Feudalstaaten das begann, was wir seither Zivilisation nennen. Diese war nach deren allgemein vertretenen Überzeugung das Beste, was uns Menschen in unserer Geschichte geschah. Und nach dieser Überzeugung strömten die in der Umgebung lebenden Menschen mit „fliegenden Fahnen“ dort hinein.
Dass diese Überzeugung völlig an der damaligen Realität vorbeiging, beschreibt der Anthropologe Stanley Diamond in seinem Buch „Kritik der Zivilisation“ klar und deutlich wie folgt: „Die Zivilisation musste immer mit Gewalt durchgesetzt werden. Innerhalb dieser Zivilisationen wurden diese eingeborenen Völker (also die Mitglieder der früheren Stämme) in die <Massen> von Bauern und Proletarier verwandelt, die den Staatsapparat trugen. Ohne Rücksicht darauf, wie <notwendig> (?) die politische Struktur der Zivilisation ursprünglich gewesen sein mag, bleibt es doch eine geschichtliche Tatsache, dass die unabhängigen eingeborenen Gemeinschaften in fortschreitendem Maße unterdrückt (ausgebeutet) und zerstört wurden“93.
Auch der Anthropologe und Politikwissenschaftler aus Jale James C. Scott bestätigt und ergänzt diese Sicht in einem Interview mit Zeit Online sehr deutlich. Einen von dem Journalisten angefangenen Satz, der die Zivilisation preist, fährt er diesen Satz aufnehmend fort: „ …Wehrpflicht, Steuern, Zwangsarbeit und Ungleichheit. Alles Gründe, warum Menschen von dort flohen. Städte schrumpften immer wieder, weil die Bevölkerung fort ging, oder auch durch Kriege oder Epidemien. Die Sterblichkeit in den dicht besiedelten Gebieten war extrem hoch. Städte konnten nur wachsen, indem sie Leute von außerhalb aufsaugten, also entführten und versklavten. In Mesopotamien war das Wort (bzw. das geschriebene Symbol) für <Sklave> eine Kombination aus den Symbolen für Frau und Berg“.
Und in Bezug auf die ebenso immer wieder hochgelobte Ackerbaukultur bemerkt er auch diese relativierend: „Im Vergleich zur aufgewendeten Arbeit war der Ertrag an Kalorien aus Getreideanbau gering. Überhaupt war die Ernährung in der frühen Phase der Sesshaftigkeit schlecht. Es fehlten eine ganze Reihe Mineralien, auf die Jäger und Sammler vorher nicht verzichten mussten. Auch das Leben an einem Ort brachte Probleme mit sich. Die Menschen lebten nun in ihren eigenen Ausscheidungen und denen ihrer Nutztiere. Das war die Ursache für die Entstehung von Infektionskrankheiten, an denen wir noch heute leiden.“94
Der entscheidende Punkt aber, um den es hier geht, um die immer deutlicher werdende Veränderung in der Kindererziehung aufzuzeigen, entsteht aus der Sklavenhaltung, insbesondere der Frauen. Es ist ja bis in die jüngste Vergangenheit bekannt, dass Sklavinnen, neben ihrer allgemeinen umfassenden Unterdrückung und Missachtung, was natürlich auch ihren Selbstwert zerstörte, immer auch von ihren „Eigentümern“ sexuell missbraucht wurden. Alle diese Umstände führten dazu, dass diese Frauen innerlich völlig zerstört und umfassend leer waren. Wenn überhaupt saß in diesen Menschen ein umfassender Hass gegen ihre Unterdrücker. Das galt natürlich in besonderen Maße, wenn diese Frauen zuvor relativ frei in einem Stamm gelebt hatten.
Der alles entscheidende Punkt, um den es hier geht, ist der Umstand, dass ja solche Frauen vor allem auch als Ammen oder generell zur Betreuung neugeborener Kinder herangezogen wurden. Wie wir oben im Kapitel über die Analyse und hier insbesondere die Umstände der frühesten Kinderbetreuung mit Dux hörten, ist diese erste Zeit der Betreuung neugeborener Kinder die alles entscheidende Phase in der Entwicklung eines heranwachsenden Kindes. Nur hier können sie innere Selbständigkeit, Empathie und Kompetenz erwerben. Wenn nun aber der hierfür zuständige Mensch jemand ist, der innerlich selbst zerstört ist, innerlich leer ist, im schlimmsten Falle aber voller Hass auf die Eltern dieser Kinder, dann kann das Ergebnis dieser „Betreuung“ nur das allerschlimmste sein, das die Analyse als Voraussetzung einer zerstörten Psyche darstellt und beschreibt.
So erzogene Menschen waren und sind nicht nur innerlich leer, sondern voller Hass auf sich selbst. Dieser wird aber einerseits völlig verdrängt, liegt aber andererseits stets bereit, um auf andere projiziert zu werden. Vor allem aber gerade in Bezug auf die zukünftigen Anführer der jeweiligen Gesellschaften, kam jetzt eine besonders harte95 und rücksichtslose Überlegenheitserziehung obendrauf. Oder m.a.W., diese heranwachsenden Anführer erlernten eine scheinbare Überlegenheit über andere, denen sich diese umfassend zu unterwerfen hatten. Und dies galt völlig unabhängig davon, wie begründet oder unbegründet diese war. Absolut typisches patriarchales Denken eben. M.a.W., ab hier haben wir Menschen in Führungspositionen, die einerseits innerlich zerstört waren, andererseits aber darauf getrimmt waren, andere ihren Willen durch Befehle, oder gar Grausamkeiten aufzuzwingen. Das waren ab jetzt Gestalten, denen wir in unserer Geschichte bis heute immer wieder begegneten und immer noch begegnen.
47 Diese Bemerkung bezieht sich auf den Umstand, dass dieses patriarchale Denken trotz seiner ganz enormen Wirkungen nach wie vor in der öffentlichen Wahrnehmung kaum beachtet wird.
48 also die defiziente Phase nach Gebser
49 Bekanntlich verwendeten Beck und Cowan Farbbezeichnungen zur Benennung der Weltsichtebenen, also rot für das egoische Denken
50 sinngemäß aus B. und C. „Spiral Dynamics“ S.343 ff mit Ergänzungen von mir
51 also ab seinem Hervorkommen
52 Jean Gebser „Ursprung und Gegenwart“ S.113
53 a.a.O.
54 siehe hierzu mein Buch „Was ist Realität und/oder Wirklichkeit“, in dem ich diesen Zusammenhang deutlich erwähnte und einige wichtige Schlussfolgerungen darauf bezog.
55 jede neue Struktur ist eben eine solche, wobei sie aber dabei die vorhergehende einschließt
56 a.a.O.
57 Der immer noch meist verwendete Begriff des Matriarchates als „Spiegelbegriff“ zum Patriarchat für diese gesellschaftlichen Zustände ist schlicht falsch, da es vor dem Patriarchat mit höchster Wahrscheinlichkeit nie eine absolute Herrschaft von Frauen über Männer gab.
58 a.a.O. S.129f
59 ein Begriff, der auf die früher übliche, sich auf Freud stützende Sicht- bzw. Erklärungsweise der weitaus meisten Ethno-Anthropolog*innen auf unsere Frühzeit verweist
60 siehe hierzu als Beispiel Bronislaw Malinowski „Geschlecht und Verdrängung in primitiven Gesellschaften“
61 es gab nach Allem was dazu bekannt ist keine gesellschaftlich abgesicherte Paarbindungen
62 vergleiche hierzu Margret Mead in ihrem dreibändigen Buch „Jugend und Sexualität“, die über einen Stamm berichtet, in dem ma´u solche Verhältnisse erkennen kann.
63 also der Mutterbruder, der sowohl für die Erziehung seiner Neffen, aber teils auch ihres Erbes mitverantwortlich war
64 siehe hierzu G. Bott a.a.O. S.492f
65 wie dies dann Schritt für Schritt im mythischen Denken geschah, wenn auch über enorm lange Zeiträume
66 a.a.O. S.113
67 a.a.O. S.115
68 möglich ist auch das Auffinden von jungen Tieren nach dem Raubtierriss eines Elterntieres und anschließende Pflege, was ja bekanntlich große Anhänglichkeit solcher „Zöglinge“ hervorbringt
69 zitiert aus Heide Göttner-Abendroth „Das Matriarchat“ S.96
70 also einer ersten Form gesellschaftlich vorgegebener und dann sanktionierter Form einer Paarbeziehung
71 G. Bott a.a.O. S.163
72 also vor allem christlichen Bekehrungsversuchen
73 allerdings noch nicht in der Form der Herdenhaltung
74 sei ohne Rücksicht, das was du bist, und tu, was du willst, um sich selbst zu gefallen, steht groß da, erwartet Aufmerksamkeit, fordert Respekt und hat das Sagen, genießt sein Selbst mit vollstem Recht und ohne Gewissensbisse und Schuldgefühle, denn die gibt es hier nicht, „ich habe immer recht“, um nur nochmals die wichtigsten dieser neuen Eigenschaften zu nennen, die mit diesem Denken hervorkamen.
75 G. Bott a.a.O. S.138 Hervorh. G.B.
76 so gehen manche solcher Entwicklungszentren wieder unter und entstehen wieder anderswo, nicht selten auch durch andere Gemeinschaften oder gar Völker
77 dass dies teils bis heute Zelte sind, sei nicht unerwähnt
78 also seit Beginn unserer Jahreszählung seit der Geburt Jesu
79 a.a.O. S.141
80 vor allem in Bezug auf das Vererben größerer Vermögen gemeint
81 m.a.W. Anhänger einer behaupteten Sicht auf diese Umstände, die schlicht falsch ist
82 vergl. zu diesem Begriff Jean Bodin „Über den Staat“
83 Der König (später im hl. Römischen Reich der Kaiser) gibt Land oder Ämter an Kronvasallen, diese geben sie weiter an Untervasallen (Wik). Entscheidend ist dabei, dass der jeweilige Lehensherr jederzeit diese „Vergabe“ widerrufen kann und an andere Personen übertragen kann.
84 ma´u vergl. hierzu Heinsohn und Steiger in ihrem Buch „Eigentum, Zins und Geld“.
85 David Graeber „Schulden“
86 entgegen der ebenfalls von Ökonom*innen unisono erhobenen Behauptungen es habe schon zu allen Zeiten Märkte gegeben, können alle unabhängigen Historikerinnen in existierenden Stämmen, aber auch aus früheren Hinweisen, immer nur einen Geschenktausch erkennen (s.o.), aber keine Märkte
87 „Dieses Geld diente also für so ziemlich alles - außer dem Handel mit Yamswurzeln, Schaufeln, Schweinen oder Schmuck….. Diese Wirtschaftssysteme häufen in erster Linie nicht Wohlstand an, sondern kümmern sich darum die Welt der Menschen zu schaffen, (später manchmal auch) zu zerstören und neu zu ordnen“ a.a.O. S. 152.
88 vor allem wenn die „Behaupter“ besonders wichtige Personen sind
89 auch dieser Begriff ist hier eigentlich fehlerhaft, da Rechte erst in Staaten entstehen (s.u.), er wird nur des leichteren Verständnisse halber verwendet
90 Eine gesellschaftliche Form, die es damals ja ebenfalls noch nicht gab.
91 allerdings erst unter der Voraussetzung des egoischen Denkens
92 siehe hierzu im AT das dritte (3/20/10 bis 18) und fünfte (5/22/20-24) Buch Moses
93 a.a.O. S.13
94 siehe hier insbesondere auch das Buch „Die Reise unserer Gene“ von Krause/Trappe
95 ein zukünftiger Anführer muss vor allem Härte zeigen