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Kapitel 2 Sieg oder stirb!

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Die Nacht vom 23.April auf den 24.April 1809 hatten Arthur und John Dunn bei den Partisanen von Don Antonio Maria Osorio Cabral de Castros in einem Wald einige Meilen hinter Rio Major verbracht. Während die Männer und John sich ausruhten, besprachen Arthur und sein neuer Verbündeter Don Antonio, wie ihre Zusammenarbeit in Zukunft aussehen würde. Arthur wusste, dass nur fünfzig Partisanen für ihn keinen militärischen Nutzen hatten. Doch Don Antonios Truppe würde seinem Nachrichtendienst und Jack Robertson unschätzbare Dienste leisten. Es dauerte fast die ganze Nacht, bis der Ire, den Portugiesen von seiner Idee überzeugt hatte, denn Don Antonio wollte für sein Land kämpfen. Erst als die Morgensonne durch die Bäume strahlte, akzeptierte dieser schließlich Arthurs. “Ich bin einverstanden, General Wellesley. Trotzdem bitte ich Sie, mich andere Grundbesitzer und Magistrate überzeugen zu lassen, damit sie sich unserer Bewegung anschließen. Wenn ich Ihnen Männer bringe, dann müssen Sie mir versprechen, diese zu bewaffnen und uns britische Offiziere zu geben, die unseren Patrioten beibringen, wie man richtig kämpft.” Arthur nickte: “ Versprochen, Don Antonio! Ich bin auch bereit, Ihre Bewegung mit Geld zu unterstützen. Sollten Sie wirklich so viele Anhänger sammeln, dass wir daraus Regimenter formen können, dann gebe ich Ihnen mein Wort , dass sie in meine Armee integriert werden und ich beim portugiesischen Kronrat veranlasse, dass sowohl die Anführer, als auch ihre Partisanen als reguläre Truppen zur Landesverteidigung anerkannt werden.”

“General, ich will jetzt meine Gefolgsleute zurück in die Wälder schicken. Wenn wir mit so vielen Bewaffneten durch die Sierra dos Candeeiros reiten, könnten uns französische Agenten oder portugiesische Kollaborateure sehen. Es ist zu gefährlich.”

“ Sie werden nirgendwo hin reiten und sich unnötigerweise irgendwelchen Gefahren aussetzen, Don Antonio. Ich schicke Ihnen heute Nacht einen meiner Nachrichtendienstoffiziere. Major Colquhoun Grant wird Ihnen helfen, unsere Pläne umzusetzen. Er spricht Ihre Sprache fließend und kann sich wie ein Einheimischer bewegen. Vertrauen Sie ihm bitte. Ich selbst muss meine Armee gegen Marschall Soult führen, bevor dieser merkt, was ich wirklich vorhabe. Geben Sie mir ein wenig Zeit.” Arthur reichte Don Antonio Maria Osorio Cabral de Castro zum Abschied die Hand. “Ich werde meinen Sergeanten jetzt aufwecken und dann verschwinden wir von hier. Halten Sie sich im Wald versteckt. Major Grant wird Sie finden.”

“ Sagen Sie ihm, dass er drei Mal kurz auf den Fingern pfeifen soll, wenn er in dieser Lichtung ankommt.”

Wellesley ging zu der kleinen Feuerstelle hinüber, an der Dunn in eine Decke gehüllt schlief. Vorsichtig weckte er den alten Mann. “John, wir müssen los. Ich hole die Pferde.”

Nach einem scharfen Ritt durch die Sierra dos Candeeiros erreichten Arthur und sein alter Sergeant am frühen Nachmittag Leyria. Nur drei Tage waren vergangen, seit er im Hafen von Lissabon angekommen war. Der größte Teil seines Expeditionskorps war in und um die kleine Stadt herum einquartiert worden. Als er und Dunn durch das Stadttor ritten, trafen sie auf Sergeant Will Howard von der 33.Infanterie, der gerade Wache hielt. Als der seinen ehemaligen Obersten erkannte übergab er sein Gewehr einem anderen Soldaten und trat auf Arthur zu: “Mylord, wir wurden informiert, dass Sie kommen. Ich bringe Sie sofort in Ihr Hauptquartier. Alle warten bereits auf Sie! “

“ Und woher weiß die ganze Truppe, dass ich auf dem Weg bin, Will.” Der Ire schüttelte ungläubig den Kopf. Howard schmunzelte. “Dr. Robertson hat es uns gesagt. Er weiß immer alles im Voraus. Ich kann es ja auch nicht ganz verstehen… trotzdem…herzlich willkommen zuhause, Sir Arthur.” Wellesley stieg vom Pferd und übergab Dunn die Zügel. Dann eilte er hinter Sergeant Howard her, zu einem großen Natursteingebäude in der Nähe des Stadttores. Black Bob Craufurd und Peregrine Maitland empfingen ihn bereits an der Tür. Im Inneren warteten General von Bock, Rowland Hill, Jack Robertson, Brent Spencer und Sarah Lennox. Ein älterer Mann mit runder Brille und steingrauem Backenbart saß bequem in einer Ecke. Sir James McGrigor war vor einer Woche in Leyria eingetroffen. Man begrüßten Arthur herzlich. Die Erleichterung, endlich wieder unter ihrem erfolgreichsten General vereint zu sein stand den anwesenden Soldaten ins Gesicht geschrieben. Sarah strahlte. Sie hatte Arthur während der letzten Monate schrecklich vermisst. Rowland Hill umarmte den Freund.“ Seid Ihr so einsam gewesen?”, scherzte Wellesley und alle lachten.

“Nach John Moores Tod haben wir uns doppelt verwaist gefühlt, Sir Arthur!” General von Bock hatte einen harten, deutschen Akzent. Er stammte aus dem Königreich Hannover und war mit all seinen Soldaten nach England geflohen, als die Truppen Napoleon Bonapartes in die deutschen Länder einmarschiert waren und ihren blutigen Siegeszug begannen.“ Wir haben eine schlimme Zeit hinter uns, Sir Arthur, aber jetzt sind Sie endlich wieder bei der Truppe und wir werden den Franzosen eine Abreibung verpassen, wie damals bei Vimeiro!” Peregrine Maitland hatte sich bei General Moores Rückzug auf La Coru?a, wie ein Löwe geschlagen. Seine Männer hatten durch ihren tapferen Einsatz vielen ihrer Kameraden das Leben gerettet und die Evakuierung großer Truppenteile ermöglicht.

“ Mein Korps kann schon morgen in der Mondego-Bucht landen, Arthur. Die Schiffe warten nur noch auf Deinen Befehl. Wann ziehen wir gegen Junot.” Rowland Hill war seinen Soldaten vorausgeeilt, um den Freund zu begrüßen. Er konnte es kaum noch erwarten, wieder ins Feld zu ziehen. John Moores Tod musste gerächt werden. Der große Lehrmeister der britischen Infanterie war in Hills Armen gestorben, nachdem ein Artilleriegeschoß ihm das Rückgrat zerschmettert hatte. Selbst der berühmte Arzt und Chirurg Sir James McGrigor hatte das Leben des Generals nicht mehr retten können.

Arthur legte das Schwertgehänge ab, ließ sich in einen gemütlichen Sessel fallen und schlug seine langen Beine bequem übereinander. Alle anderen taten es ihm nach und suchten sich Sitzgelegenheiten in dem kleinen Raum. “ Sicher hat unser unentbehrlicher Diener Gottes hier“, der General deutete mit der Hand auf Jack Robertson, “ bereits herausgefunden, dass Marschall Victor bei Mérida steht. Er hat etwas mehr als zwanzigtausend kampferprobte Veteranen unter seinem Kommando. Victor bereitet sich in diesem Augenblick darauf vor, Portugal entweder durch das Tejo-Tal oder durch das Tal des Guadiana anzugreifen. Damit bedroht er Lissabon direkt. General Lapisse macht die Gegend um Ciudad Rodrigo mit einer verstärkten Infanterie-Division unsicher. Er kann jeden Augenblick auf die Grenze von Portugal marschieren. Seine Aufgabe ist es, die Kommunikationslinien für Soult und Viktor freizuhalten. Und Soult hat am 29.März Oporto eingenommen. Das ist die Situation.” Jack Robertson fiel Arthur ins Wort.“ Lapisse ist nicht mehr in der Gegend von Ciudad Rodrigo. Er ist auf dem Weg, um sich mit Marschall Victor zu vereinigen.” Arthur legte die Stirn in Falten. „Ein Grund mehr, Soult so schnell wie möglich anzugreifen. Wenn die Franzosen es schaffen, sich zusammenzuschließen, dann sind wir ihnen wenigstens drei zu eins unterlegen. Und dabei habe ich nicht einmal die Einheiten unter Michel Ney in die Rechnung miteinbezogen. Der hat nämlich noch einmal zwanzigtausend Mann in Galizien und den direkten Befehl von Bonaparte, Soult zu unterstützen, wenn dies notwendig wird.”

“Gütiger Himmel. “ Bob Craufurd machte ein besorgtes Gesicht. „Insgesamt fast einhundert tausend Franzosen und wir haben nur knapp dreißig tausend Soldaten.”

“ Falsch Craufurd . Wir haben knapp siebzehntausend Soldaten, denn Mackenzie wird sofort mit zwölftausend Mann abrücken, um Lissabon zu schützen, falls irgendetwas schief geht, oder falls Victor wirklich auf die Idee kommen sollte, die Hauptstadt anzugreifen. Wer Lissabon hält, der hält ganz Portugal.” Black Bob schüttelte den Kopf ungläubig. “Arthur, Du bist entweder tollkühn oder absolut wahnsinnig. Wie willst Du mit nur siebzehntausend Soldaten Napoleons erfahrensten Marschall schlagen. Soult ist kein Anfänger.”

“ Wir werden Soult nicht nur schlagen, Bob. Wir werden ihn vernichten und die traurigen Überreste seiner Armee aus diesem Land werfen!“

“ Und wie, Du dickköpfiger Ire! Selbst die Unterstützung der katholischen Kirche und Dein scheinbar guter Kontakt zur Göttin Fortuna und zum lieben Gott werden kein Wunder bewirken. Wir haben kaum Kavallerie. Paget ist wieder nach England zurückbeordert worden und außer unserem deutschen Freund hier”, Craufurd klopfte von Bock auf die Schulter, “und der leichten Kavallerie mit General Cotton halten wir nichts in Händen. Ich habe ja kaum noch Zugpferde für meine Geschütze!” Beschwichtigend hob Arthur die Hände: „Wir reden hier nicht von Glück oder Gottes Hilfe, meine Freunde. Und ich bin auch nicht verrückt geworden. Aber ich habe einen Plan. Zuerst werden wir morgen Rowland Hills Division ausschiffen und das gesamte Expeditionskorps nach Coimbra bringen. Danach reorganisieren wir unser Feldheer vollständig und integrieren die sechstausend Portugiesen, die kampffähig und bewaffnet sind und die Beresford für tauglich hält. Wir marschieren dann mit dreiundzwanzigtausend Mann nach Norden gegen Soult. Zuerst befreien wir Oporto. Die Franzosen haben zwar unheimlich viele Soldaten, aber auch ein unheimliches Problem. Zwischen ihren Teilarmeen existieren kaum sichere Kommunikationslinien. Sie befinden sich in einem feindlichen Land, in dem jeder - Mann, Frau, Kind oder Greis - ihr geschworener Feind ist und nur darauf wartet, ihnen von hinten ein langes Messer tief in den Rücken zu stoßen. Michel Ney wird sicher nicht zu Soult stoßen. Ney ist nämlich in Galizien damit beschäftigt, gegen Guerilleros und die Soldaten der Marquis de la Romaña zu kämpfen. Außerdem hat unser Freund Soult keine Boote, um seine Truppen über den Duoro zu setzen. Aber ich habe alle Boote, die ich brauche um meine Rotröcke überzusetzen.“ Die Anwesenden sahen einander verwundert an. Nur Jack Robertson grinste wissend. Bereits vor Arthurs offizieller Ernennung zum Oberkommandierenden hatten er und das Quartett dafür gesorgt, dass sämtliche, maritimen Transportmittel vom Ruderboot bis zur Weinfähre heimlich dem französischen Zugriff entzogen wurden. Und der Benediktiner wusste noch etwas, das Wellesley und dem Expeditionskorps in die Hände spielen konnte: Marschall Soult hatte große, persönliche Probleme. Doch von diesen wollte er Arthur nur unter vier Augen erzählen. Seine Informationen waren hochexplosiv. Es war zu gefährlich selbst im engsten Kreis über das Geheimnis des französischen Überläufers d’Argenton zu sprechen.

Arthur fuhr sich mit der Hand übers Kinn. Die Nacht im Freien und der schnelle Ritt von Lissabon nach Leyria hatten ihm keine Zeit zum Waschen oder Rasieren gelassen. Der drei Tage alte Bart kratzte und seit dem Vortag hatte er nicht mehr gegessen. “Ich brauche unbedingt ein oder zwei Stunden Ruhe. Heute Abend werden wir alles im Detail besprechen, damit morgen die Truppen nach Coimbra abrücken können. “ Alle verließen den Raum. Lediglich Sarah blieb in ihrer Ecke sitzen. Als auch Jack Robertson gehen wollte, hielt Arthur ihn am Ärmel zurück: “ Mein Freund, schicken Sie sofort Grant los. In dem kleinen Waldgebiet direkt hinter Rio Major warten Don Antonio Maria Osorio Cabral de Castro und fünfzig Partisanen. Grant soll die Truppe für nachrichtendienstliche Aufgaben organisieren und vorerst bei ihnen bleiben. Nach seiner Ankunft soll Grant drei Mal kurz durch die Finger pfeifen. Unsere neuen Freunde werden ihn dann finden.”

“ Grant ist schon auf dem Weg, Arthur. Ich habe mir erlaubt, ihn bereits vor Ihrer Ankunft loszuschicken, ohne Ihren Befehl abzuwarten. Die Zeit drängt und wir brauchen präzise Informationen von der spanischen Grenze.”

“Was wissen Sie eigentlich nicht, Mann Gottes.” Arthur schmunzelte. Der füllige Geistliche sah den Soldaten mit Verschwörermiene an.“ Hier in diesem Land erfahre ich eigentlich alles. Der Arm der katholischen Kirche ist lang und Sie haben Freunde, denen der Erfolg Ihres Unternehmens wirklich am Herzen liegt. Es gibt sehr viele Portugiesen, die davon überzeugt sind, dass auf Rolica und Vimeiro noch weitere Siege folgen werden, weil Sie jetzt wieder das Oberkommando über dieses Expeditionskorps haben.” Arthurs Gesichtsausdruck, der zuvor noch selbstsicher und optimistisch war, veränderte sich mit einem Mal. Jetzt erst bemerkte Robertson, wie blass und schmal der Soldat geworden war. “ Beten Sie, Jack. Das ist im Moment alles, was uns übrig bleibt. Ich hoffe, dass ich mich in meiner Einschätzung der Lage nicht irre. Eine zweite Katastrophe, wie La Coruña und die britische Regierung wird ihre Interventionspolitik auf dem Kontinent endgültig beenden und mich kurz und hoch hängen lassen. Sollte ich auch nur einen einzigen kleinen Fehler machen, dann...” Robertson legte seinen Arm um Wellesleys Schulter.“ Sie haben eine schlimme Zeit hinter sich, Arthur! Ich habe gehört, wie schlecht man Sie im Zusammenhang mit der Konvention von Cintra behandelt hat. Das ist jetzt alles vorbei, mein Junge und es wäre besser für Sie und für uns, wenn Sie alles vergessen. Sie sind wieder hier, Sie haben den uneingeschränkten Oberbefehl über die beste Armee, die unser Land je hatte und Sie sind der Beste Ihres Faches. Wenn Sie den Mut und den Glauben an sich selbst nicht verloren haben, dann werden Sie siegen. Aber wenn Sie sich von Ihren gekränkten Gefühlen leiten lassen und im Zorn zurückblicken, dann werden viele gute Männer sinnlos sterben und Napoleon wird für immer der uneingeschränkte Herrscher über den europäischen Kontinent bleiben. Erinnern Sie sich, was Sie mir vor langer Zeit einmal in London gesagt haben: Hass ist ein schlechter Ratgeber. Im Augenblick hassen Sie, Arthur und Sie sind verbittert. Hören Sie um unserer aller Willen damit auf.” Dann verließ Robertson den Raum und ließ Wellesley mit Sarah alleine. Die junge Frau hatte die ganze Zeit über kein Wort gesagt. Still beobachtete sie den Soldaten. Auch ihr war aufgefallen, wie sehr die letzten neun Monate seit seinem großen Sieg bei Vimeiro und der unglückseligen Konvention von Cintra ihn mitgenommen und verändert hatten. Seine vormals dunkelbraunen Haare waren von feinen, grauen Strähnen durchzogen. Die vielen, schlaflosen Nächte und das entwürdigende Kriegsgerichtsverfahren hatten tiefe, schwarze Ringe unter seine Augen gegraben. Er sah müde und krank aus und sein Gesichtsausdruck war hart und verschlossen geworden. Er war erbarmenswert dünn. Wortlos nahm Sarah ihn in die Arme. Arthur legte seinen Kopf auf ihre Schulter und schloss die Augen. Er wollte ihr sagen, wie sehr er sie liebte und wie schrecklich sie ihm gefehlt hatte, aber er brachte keinen Ton über die Lippen. Zärtlich strich sie ihm über das kurze Haar. Sie spürte, wie seine innere Spannung sich zu lösen schien. Sein Herzschlag wurde immer ruhiger. Leise flüsterte sie ihm ins Ohr. “Ruhe Dich aus, Liebster. Du hättest mir vielleicht ab und zu die Wahrheit schreiben sollen. Was haben sie bloß mit Dir angestellt.” Arthur antwortete nicht. Er zog die junge Frau fester an sich. Ihr weiches Haar roch nach Lavendel und Maiglöckchen. Die enge, schwarze Redingote betonte ihre schlanke Taille. Ihre Haut war von der Sonne dunkelbraun gefärbt. Sie sah begehrenswerter aus, als je zuvor. Sein Körper und seine Seele hungerten nach ihr und es verlangte ihn, sie zu küssen und nie wieder loszulassen. Zu lange hatte er seine Geliebte entbehrt. Diese Umarmung musste eine Saite in ihren Körpern angeschlagen haben, denn plötzlich trafen sich ihre Lippen zu einem Kuss, der Sarah erschaudern ließ. Arthur drückte sie noch fester an sich, er konnte spüren, wie er mit seinem eigenen Verlangen das Ihre entflammt hatte. Plötzlich schreckte Sarah vor ihm zurück. Es geschah zu schnell, als dass sie es verhindern konnte. “ Deine Augen...” Arthur spürte es und entließ sie aus seiner Umarmung. Sie schämte sich über das falsche Signal ihres Körpers, das ihn zu dieser Reaktion veranlasst hatte und barg ihn schnell wieder in ihren Armen, als wolle sie mit ihrem Körper die Widersprüchlichkeit ihrer Bemerkung erklären. Er schmiegte sich an sie und fühlte, wie die verbotene Hitze sich in der Sanftheit ihrer Zuneigung zu ihm entspannte. Er fühlte sich so sicher in ihrer Umarmung. Mit dieser einzigen, zärtlichen Geste hatte sie ihm gezeigt, dass sie sein Unbehagen und seine verletzte Seele erkannt und akzeptiert hatte und ihr viel Spielraum gab. Arthur war ihr für dieses Verständnis dankbar, denn er konnte in diesem Augenblick nur schwer in Worte fassen, was er empfand. “Du musst Dich um Deine Armee kümmern, Arthur. Bitte lasse mich jetzt gehen.” Sanft löste sie ihre Hände und trat einen Schritt zurück. Einen Augenblick lang begegneten sich ihre Blicke, dann wandte der General sich ab und eilte die Treppe hinauf in den ersten Stock des Hauses. Sarah verließ sein Quartier, um in ihr Lazarett zurückzukehren. Wenn das Expeditionskorps morgen aufbrechen wollte, hatten die Ärzte noch viel zu tun. Und sie wollte Arthur nicht von seiner eigentlichen Aufgabe ablenken. Nur ein neuer, entscheidender Sieg über eine französische Armee würde ihm sein altes Selbstvertrauen wiedergeben können. Nur wenn Wellesley jetzt Oporto nahm, würde er vielleicht Cintra und die Demütigungen in England hinter sich lassen können. In diesem Augenblick verstand sie, dass nicht der Freispruch durch die Kommission unter Sir David Dundas ihm seine Soldatenehre wiedergegeben hatte. Er konnte sie sich nur auf einem Schlachtfeld erkämpfen. Jack Robertson hatte Arthurs Zustand gut beurteilt und Sarah machte sich in ihrer Rolle als Arzt große Sorgen. Sie hatte bereits in den Tagen nach seiner Rückkehr aus Indien bemerkt, dass der Krieg Spuren auf seiner Seele hinterlassen hatte.

In den frühen Abendstunden fanden sich alle Offiziere im Generalsrang, der Ärztestab und Pater Robertson mit seinen Spionen zu ihrer Lagebesprechung in Wellesleys Quartier ein. Mackenzie erhielt den Befehl, bereits bei Tagesanbruch nach Lissabon zu marschieren. Das restliche Expeditionskorps würde gleichzeitig aus Leyria und Alcobaço an der Küstenstraße entlang bis Coimbra ziehen. Nur Rowland Hill und sein Adjutant Lord March brachen bereits in der Nacht zurück nach Figuera de la Foz auf, um bei Tagesanbruch mit der Anlandung von Hills Division zu beginnen. Jack Robertson schickte seine Agenten los, um vor Oporto für Wellesley Informationen über Soults wirkliche Truppenstärke und die französischen, militärischen Dispositionen zu sammeln. Kurz vor Mitternacht löste Arthur die Besprechung auf und schickte alle schlafen. Dann zog er die Jacke aus, holte sich eine Tasse heißen Kaffees in der Küche, setzte sich in den bequemsten Sessel des Zimmers und legte die Beine auf den Tisch. Robertsons Worte vom Nachmittag gingen ihm durch den Kopf. Er wusste, dass Jack Recht hatte. Er war verbittert und enttäuscht, er war in seinem Stolz gekränkt und er ließ sich in diesem Augenblick zu sehr von seinem Hass auf das Establishment in den Horse Guards und den Herzog von York leiten. Wenn es ihm nicht gelang, seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen, dann würde er im Kampf gegen die Franzosen versagen. Der General atmete tief durch und schloss die Augen. So konnte er sich die Gegend um Oporto besser vorstellen. Vor seinem inneren Auge konnte er die Truppen des französischen Marschalls bereits sehen. Und er sah die Stellungen seiner Männer. Im Jahre 1808 hatte er sich alles genau eingeprägt. Die Hügel würden ihnen Schutz bieten. Soult erwartete wahrscheinlich einen britischen Vorstoß durch die Ebene von Tras dos Montes, nachdem sie den Agueda überquert hatten. So würde ein französischer Kommandeur handeln. Wenn man wenige Zugtiere hatte, war es einfacher durch eine Ebene zu marschieren, anstatt schweren Geschütze über eine Bergkette zu transportieren. Arthur vertraute darauf, dass die Franzosen ihn trotz Rolica und Vimeiro nur schwer einschätzen konnten. Er hatte nur zwei Mal auf einem europäischen Kriegsschauplatz gedient; einmal während des unglücklichen Flandernfeldzugs 1794, wo er als unbedeutender Offizier niemandem aufgefallen war, das andere Mal während der Dänemark-Expedition. Dieser Faktor, für seinen Gegner immer noch ein Unbekannter zu sein, spielte ihm hier und heute in die Hand. Er würde gemeinsam mit Hill einen Teil des Feldheeres an der Küste entlang, über Aveiro, und Oliveira führen und dort über den Douro setzen. Beresford sollte durch die Ebene von Beira bis zum Douro-Tal marschieren, ihnen den Rücken frei halten und gleichzeitig Soults Kommunikationslinien mit Victor unterbrechen. Sobald sie Oporto genommen hatten, würden sie was noch von Soults Truppen übrig war über Braga, Amarante und Villa Real nach Spanien vertreiben. Arthurs nächstes Ziel lag im Osten, jenseits der Grenze; Mérida. Doch zuerst wollte er sein Feldheer neu organisieren und schlagkräftiger machen. Er träumte vor sich hin und hatte nicht bemerkt, dass jemand ins Zimmer getreten war. Erst als Sarah ihre Arme um Arthurs Schultern legte, öffnete er die Augen. “Ich mache mir Sorgen um Dich.“ Sagte sie ruhig. „Was ist nur in England geschehen, das Dich so bitter gemacht hat. Möchtest Du mir nicht einfach alles erzählen. “ Arthurs Hände schlossen sich um die von Sarah. Er hielt sie fest, doch er drehte sich nicht zu ihr um, als er anfing zu spreche. Seine Stimme hatte einen zynischen, fast bösen Klang. „Es ist nur der verletzte Stolz eines hochmütigen und arroganten Iren, dem es einfach nicht gelingen will, sein Knie zu beugen, wenn es sein muss. Diesmal hätte es mich beinahe das Leben gekostet. Henry Paget hat mich gewarnt, aber ich musste meinen verdammten Dickkopf wieder einmal durchsetzen und schweigen, während alle anderen ihre Hände in Unschuld wuschen.“

“ Und nun, Arthur.” Der Soldat zuckte nur mit den Schultern. „Nun habe ich gelernt, dass mein Stolz ein gefährlicher Ratgeber ist, Sarah.”

“ Willst Du jetzt mit den Wölfen in den Horse Guards heulen.”

“ Nein. Natürlich nicht. Ich bin ein dickköpfiger Ire und kann aus meiner Haut nicht heraus, nur um dem fetten Freddy und seinen Hofschranzen einen Gefallen zu tun. Ich werde mir in Zukunft nur sehr genau überlegen, was London erfährt und was ich für mich behalte. Vielleicht wird ja der Tag kommen, an dem die Fakten dann für mich sprechen. Lasse uns zuerst sehen, ob wir in Oporto mit Soult fertig werden. Der ganze Rest steht in den Sternen. Vielleicht schlagen wir die Franzosen, vielleicht schlagen sie uns. Auf jeden Fall werde ich mich bemühen, Bonaparte hier auf der Iberischen Halbinsel die größtmöglichen Probleme zu bereiten. Und sollte mir dies nicht gelingen...” Arthur nahm die Beine vom Tisch und stand auf. Dann wandte er sich zu Sarah um. Nun endlich gestattete er ihr, in ihn hineinzublicken und in seiner Seele zu lesen. Das Feuer, das früher einmal in seinen graublauen Augen so unbändig gebrannt hatte, war erloschen. Sie sah nur noch eine undurchdringliche, eisige Kälte und Hass. Arthurs Blick ließ sie erschauern, denn er erklärte ihr - ohne Worte - dass sein Leben für ihn selbst jede Bedeutung verloren hatte. Nur einen kurzen Augenblick lang hatte der Schleier sich gehoben. Einige wenige Sekunden hatte er ihr seine dunkle Seite gezeigt. Sarah hatte in diesem Moment begriffen, warum Arthur nie vom Krieg erzählen wollte und sie in den Stunden nach seinen Siegen von Rolica und Vimeiro gemieden hatte. “ Der Tod macht Dir nichts aus, nicht wahr Arthur. Dein eigenes Leben ist Dir schon seit langem völlig gleichgültig.”

“ Du weißt nun, worauf Du Dich einlässt, Sarah.“ Er nahm sie vorsichtig in seine Arme. „Wenn ich die Franzosen nicht schlagen kann, dann werde ich aus diesem Krieg ganz gewiss nicht zurückkommen.” Resignation lag in seiner Stimme. “Niemand und nichts kann Dich von diesem Entschluss abbringen.” Arthur schüttelte den Kopf und zog Sarah fester an sich.“ Der Herzog von York hat mich während des Kriegsgerichtsverfahrens in London zu sich beordert. Er wollte den Skandal um die Konvention von Cintra schnell und schmerzlos für seine Freunde Dalrymple und Burrard beenden, denn er hatte geplant, Sir Hew wieder zurück nach Portugal zu schicken.” Er atmete schwer. Er hatte niemandem je von diesem Vorfall erzählt und es kostete ihn einige Überwindung. “York legte eine geladene Pistole auf den Tisch und empfahl mir, diesen Weg zu wählen, um England und der Krone Probleme zu ersparen.” Arthur stockte und biss sich auf die Lippen. „Sprich weiter.” Sarah strich ihm beruhigend über die Stirn. „Ich habe diese Pistole nächtelang angestarrt. John Dunn muss irgendetwas gemerkt haben. Als ich...John hatte heimlich die Kugel aus dem Lauf entfernt.” Arthur wendete den Kopf. Vorsichtig schob Sarah sein Haar zur Seite. An der Schläfe sah sie eine vernarbte Brandwunde. “Einen Monat später hat ein Hinterbänkler aus Lord Ponsonbys Unterhausfraktion den Mary-Ann Clarke-Skandal zum Ausbruch gebracht. Drei Tage danach musste der Herzog von York von seinem Posten als Oberkommandierender der Streitkräfte zurücktreten. Die Regierung Portland und Sir David Dundas übten brutalen Druck auf fetten Freddie aus, das Verfahren wegen der Konvention von Cintra sofort einzustellen.” Arthur ließ seinen Kopf auf Sarahs Schulter fallen. Sie spürte, wie der Stoff ihrer Bluse von seinen Tränen feucht wurde. Sie bewegte sich nicht, sondern hielt in nur ganz fest in ihren Armen. Langsam beruhigte sich sein Herzschlag wieder.“ Jetzt ist es endlich heraus“, murmelte die junge Frau beruhigend und wischte ihm mit der Hand die Tränen aus dem Gesicht, “und jetzt lasse uns schlafen gehen.“ Sie zog Arthur mit sanfter Gewalt hinter sich die Treppe hinauf und verschloss die Tür des Zimmers sorgfältig. Dann löschte sie die Kerze und schob ihn auf das Bett. Ihr zierlicher Körper fühlte sich warm und weich an. Sie küssten sich. Es war ein langer, leidenschaftlicher und verzweifelter Kuss, inniger als je zuvor. Eine köstliche Wärme durchflutete ihre Körper, eine Wärme, die den Schmerz der letzten Stunde in Leidenschaft verwandelte und die beiden Sicherheit gab. Arthur zog Sarah enger an sich, fragte sich, wie in einem so zierlichen Körper eine derart konzentrierte Kraft wohnen konnte. Als ihre Lippen sich wieder berührten, wurde sein Denken von einem betäubenden Gefühl des Verlangens weggespült. Die Kleidungsstücke fielen zu Boden. Sie sprachen nie viel miteinander, wenn sie zusammen waren. Doch in dieser Nacht war alles Schweigen. Sarah glitt vorsichtig auf seinen Körper. Sie streichelte seine Schultern, ihre Finger fuhren über seinen Brustkorb, über seinen flachen Bauch, bis sie kurz vor seinen Lenden innehielten. Langsam spreizte sie ihre Knie über seinen Hüften. Die beiden Körper waren nur noch durch ihre weichen Hände auf seinen Lenden miteinander verbunden. Dann senkte sich ihr schlanker, leichter Körper langsam auf ihn hinunter.

Adler und Leopard Teil 3

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