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Die strategische Lage

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Ägypten liegt zwischen dem 22. und dem 32. Breitengrad im subtropischen Trockengürtel Nordafrikas. Das Nildelta gehört zur mediterranen Klimazone mit etwas Winterregen, was aber keinen klimatischen Einfluß auf das restliche Ägypten hat.

Die libysche Wüste reicht bis an das westliche Ufer des Assuanstausees am südlichsten Ende Oberägyptens (Abb. 1). Dort wurde die bisher höchste Temperatur der Erde festgestellt, nämlich 58,6 Grad Celsius, gemessen im Schatten und in der offiziellen Höhe von zwei Metern über Grund. Das kalifornische „Tal des Todes“, Death Valley, belegt mit 56,7 Grad nur Platz Zwei auf der Skala der heißesten Orte.

Luxor, das ehemalige Theben und ebenfalls in Oberägypten gelegen, ist nicht ganz so heiß; von Mai bis August liegt die durchschnittliche Tagestemperatur „nur“ bei 40 Grad. Der kälteste Monat ist der Januar, der aber auch noch mit durchschnittlichen 23 Grad aufwarten kann. Von Februar bis April klettert die Tagestemperatur auf 35 und sinkt von 39 Grad im September auf 25 Grad im Dezember.

Bis in die Jungsteinzeit herrschte in Ägypten ein äquatorialafrikanisches Klima, feuchtheiß mit häufigen tropischen Regengüssen. Die Wandlung zum heutigen Wüstenklima mit durchschnittlich nur einem einzigen Regenfall in einem Zeitraum von 40 Jahren war zu Beginn des Alten Reiches abgeschlossen.

Vor allem diesem trockenen Wüstenklima mit einer nahezu konstanten Luftfeuchte von etwa 30 Prozent ist es zuzuschreiben, daß sich so viele Zeugnisse des untergegangenen Reiches der Pharaonen so hervorragend erhalten haben, denn bei einer Luftfeuchte unterhalb 35 Prozent findet praktisch keine biologische Zersetzung mehr statt.

Die Grenzen des pharaonischen Ägyptens entsprachen im großen und ganzen denen des heutigen, wobei der moderne Ägypter viel Wert auf die Feststellung legt, daß auch der Sinai ein Teil Ägyptens ist.

Die Alten Ägypter hatten eine sehr einfache Vorstellung von der Welt, welche dazu noch fest in der Religion verankert war.

Für sie war die Erde eine Scheibe, die von den Wellen eines Ur-Ozeans umspült und vom Nil in zwei Hälften geteilt wurde. Den Erdboden bildete der Körper des Gottes Geb, den Himmel der Leib der Göttin Nut. Getrennt wurden beide durch die Luft, verkörpert durch Gott Schu. An den vier Ecken der Welt standen Stützen, die den Himmel trugen und in vielen Gräbern als Arme und Beine der über die Erde gewölbten Nut dargestellt sind (Abb. 2).


Abb. 2: Die ägyptische Weltvorstellung.

Da sich der Ägypter mit dem Gesicht nach Süden orientierte, meinte er den Westen, wenn er vom Land „rechts des Nils“ und den Osten, wenn er vom Land „links des Nils“ sprach.

Diese Aufteilung reichte für den „Normalgebrauch“ aus, sollte jedoch eine der Himmelsrichtungen genauer beschrieben werden, hatten diese ihre Synonyme:

Norden (mHtj) Schlangenhalspanther (Fabelwesen) (Abb. 3).
Süden (rswt) Mischwesen mit einem Horn, eventuell Elefant oder Nashorn, oder Satis, die Göttin von Elephantine (Abb. 4).
Osten (j#bt) Greifvogel, Horus des Horizonts (Abb. 5).
Westen (jmnt) Gott Seth (Abb. 6).

Doch warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? – Der geographische und mythologische Raum wurde von den Alten Ägyptern in Nordost (mHtj-j#btj), Südost (rsj-j#bt), Nordwest (mHtj jmntj) und Südwest (jmnt-rsj) festgelegt.

Entlang des Stromes erstreckt sich das Fruchtland, das fruchtbare Land, taa (t#), aus bis zu 12 Meter dicken Schichten schwarzen Nilschlamms, welches kemet (kmt) genannt wurde, schwarzes Land, gleichzeitig auch die Bezeichnung für Ägypten. Wie eine langgestreckte Oase durchzieht das Fruchtland die karge Wüstenlandschaft, heute an keiner Stelle breiter als 20 Kilometer.

Jenseits des Fruchtlandes begannen die Fremdländer, schasut (X#st), die von barbarischen Völkern bewohnt wurden. Die schasu (S#w) waren die direkten und ungeliebten Nachbarn der Ägypter, nämlich die nomadisierenden Beduinen der Wüste.

Über weite Strecken der ägyptischen Geschichte waren die Kenntnisse über diese Fremdländer selbst bei gebildeten Ägyptern mehr als beschränkt.

Rechts vom Nil, also im Westen, liegt die libysche Wüste, deren Oasen von den Libyern bewohnt wurden. Dieser Teil der Sahara ist als flachwelliges Kalksteinmassiv ausgebildet und geht in Oberägypten in das Tafelland des Nubischen Sandsteins über.

Im Süden grenzte Nubien, gern als „das elende Land Kusch“ bezeichnet, an Oberägypten, welches dem heutigen Sudan entspricht. Links vom Nil beginnt die arabische Wüste, die sich am Ostrand des afrikanischen Kontinents zu einem Granitgebirge aufwölbt, welches sich über einen Grabenbruch bis in den Süden des Sinai fortsetzt.

Jenseits dieser Wüstenei befindet sich das Rote Meer, eben jener Grabenbruch, über welches man zu sagenumwobenen Regionen vorstoßen konnte, wie zum Beispiel dem geheimnisvollen Gold-und Weihrauchland Punt.

Weit im Norden, soviel wußte man, irgendwo im „Großen Grünen“, wie das Mittelmeer genannt wurde, verbarg sich keftiu (Kftjw), die Insel Kreta. Zu späterer Zeit erweiterte sich der Horizont um die „Inseln inmitten des Meeres“, die Ägäis.

Im Nordosten, jenseits des Sinai, begann Asien, welches aus ägyptischer Sicht von so unerfreulichen Völkern wie den Assyrern, Babyloniern, Hethitern und Syrern bewohnt wurde. Im Neuen Reich wurde der Sinai angegliedert und damit wurden Phönizier und Kanaaniter Bewohner des Ägyptischen Reiches, wenn auch ungefragt und nicht ganz freiwillig.


Abb. 3: Der Schlangenhalspanther.

Die Lebensader Ägyptens war und ist der Nil, der mit seiner alljährlichen Flut den fruchtbaren Schlamm brachte, der die Wüste entlang des Stromes überhaupt erst zu Ackerland machte, zumindest bis zum Jahre 1968. Danach fielen die Fluten wortwörtlich flach, weil sie seither vom großen Stausee bei Assuan abgefangen und nur noch in dosierter Menge und völlig schlammfrei weitergegeben werden.

Der Nil ist mit fast 6700 Stromkilometern der längste Fluß der Erde. Er entsteht aus dem Zusammenfluß des Blauen und des Weißen Nils auf der Höhe des sudanesischen Khartum, beide von weiteren Zusammenflüssen gespeist, von denen einer den Victoria- und Albertsee durchfließt und im zentralafrikanischen Burundi entspringt.

Die Ursache für die alljährliche Nilüberschwemmung ist das zeitliche Zusammenfallen der Schneeschmelze im äthiopischen Hochland mit der Regenzeit im subtropischen Schwarzafrika.

In der Antike teilte sich der Nil in fünf Mündungsarme auf, die in breiter Fächerung und verzweigt in zahlreiche Kanäle und Nebenkanälen ein fruchtbares Delta bewässerten, bevor sie sich in das Mittelmeer ergossen (Abb. 7). Heute sind, bedingt durch Verschlammung, Landsenkung und Nachlässigkeit, nur noch zwei Arme übrig.

Auf seinem Weg nach Ägypten legen sich dem Strom zwischen Khartum und Assuan gewaltige Granitbarrieren in den Lauf, die mit ihren schroffen Klippen, Untiefen und Stromschnellen das Passieren zu Schiff unmöglich machen, die sechs Nilkatarakte.

Schon im Alten Reich wurde daher versucht, den ersten Katarakt bei Assuan durch den Bau eines Kanals schiffbar zu machen. Lediglich vier Katarakte sind noch vorhanden, zwei sind nur noch Bodenerhebungen auf dem Grund des Assuansees.

Der Nil bestimmte das Leben der Ägypter; wie tief die Verbundenheit mit dem Strom war und wie sehr er verehrt wurde, zeigt sich aus dem Nilhymnus, den der Dichter Cheti vor rund 4000 Jahren auf einem Papyrus niederschrieb1:

Preis Dir, Nil, der Du aus der Erde entspringst, hervorkommst, um Ägypten mit Leben zu begaben.

Du Verborgener, der dunkel aus der Tiefe zu Tage kommt, Du Schlamm Oberägyptens, der die Sümpfe tränkt, von Re erschaffen, um alle Durstigen zu erquicken.

Der auch die Wüsten sättigt, die fern sind von Deinem Lauf, mit vom Himmel fallendem Tau.

Du Geliebter des Geb, Du Leiter des Korngottes, der auch die Werkstatt des Ptah versorgt.

Herr der Fische, der Du dem Flug der Zugvögel stromauf die Richtung weist, kein Vogel kommt zur falschen Zeit, der Gerste schafft und Emmer wachsen läßt, der die Tempel festlich ausstattet.

Fehlt es an Wasser, dann schnürt es den Atem ab und jedermann verarmt.

Wenn auch die Opferbrote für die Götter geschmälert werden, gehen die Menschen scharenweise zugrunde.

Ist er geizig, leidet das ganze Land.

Groß und Klein rufen: „Schreite weit voraus!“

Sobald er naht, strömen die Menschen zusammen: „Chnum hat ihn geschaffen!“

Wenn er steigt, ist das Land in Jubel, jeder Leib ist in Freude, jeder Mund lacht auf mit entblößten Zähnen.

Er ist es, der die Nahrung bringt, reiche Speisen, der Schöpfer alles dessen, was reift.

Herr des Segens, süß an Duft und gnadenreich, wenn er erscheint.

Er ist es, der den Herden Futter beschafft und damit für die den Göttern zugedachten Schlachtopfer sorgt.

Ist er auch in der Unterwelt, so hängen doch Himmel und Erde von ihm ab.


Abb. 4: Die Göttin Satis.

Er hat die Macht über Ägypten, er füllt die Speicher und weitet die Scheunen, er gibt den Armen Unterhalt.

Er ist es, der die Bäume wachsen läßt an jeder Schöpferstelle, an denen es keinen Mangel hat. Aus Stein läßt sich kein Schiff erbauen.

Er ist es, der den Papyrus gedeihen läßt durch seine Kraft.

Er ist es, der sein Werk tut, ohne daß er angewiesen werden muß, aufgezogen im Geheimen, man weiß nicht wo, niemand findet den Ort seiner Quelle in den Schriften.

Er ist das Wasser, das über die Hügel strömt und nicht durch einen Damm begrenzt, sondern ganz nach seinem Willen verläuft.

Er ist es, den die Jugend und die Kinder begleiten.

Er ist es, den man als den König begrüßt, dessen Gesetze beständig sind und der zu seiner Stunde kommt, um Ober- und Unterägypten zu füllen.

Das Auge eines jeden, der Wasser trinkt, ist auf ihn gerichtet; er ist es, der die guten Dinge im Übermaß spendet.

Der Bedrängte geht fröhlich heraus und alle Herzen freuen sich.

Er ist es, der seinen Schlamm ausspeit, wenn er sich über die Felder wälzt.

Er ist es, der den einen reich macht, den anderen arm, ohne daß man mit ihm rechten kann.

Er ist es, der ein Urteil fällt, ohne daß man widersprechen kann.

Er ist einer, der sich keine Grenzen setzen läßt.

Er ist es, der selbst aus der Finsternis kommend, das Licht spendet durch den Talg der Tiere.

Jegliches Gemachte ist ein Geschenk durch ihn.

Es gibt keinen Weg für die Lebenden ohne ihn.

Er ist es, der die Menschen mit dem Leinen bekleidet, welches er geschaffen hat.

Er ist es, der dem Webergott zu seinen Waren verhilft und dem Salbengott zum Salböl.

Er ist es, aus dessen Bäumen Gott Ptah zimmert. Alle Werke werden mit seiner Hilfe geschaffen, auch alle Schriften mit Hieroglyphen, denn er ist es, der für den Papyrus sorgt.

Er ist es, der eindringt in die Tiefe und als Regen vom Himmel herabkommt, der offenbar wird, wenn er aus dem Verborgenen hervortritt.

Kommt er aber als zu hohe Flut, dann verringern sich die Menschen, denn er tötet sie durch die Seuche des Jahres.

Man erblickt dann Theben wie ein Sumpfgebiet, jeder legt sein Arbeitszeug nieder.

Es gibt keine Stricke für das Schiffstau mehr, keine Kleider sich zu kleiden und nicht einmal die Kinder der Vornehmen können geschmückt werden.

Es gibt keine Augenschminke mehr, und die Haare fallen aus, denn keiner kann sich mehr salben.

Er ist es, der die Maat festigt in den Herzen der Menschen, denn sie sprechen Lüge, wenn sie arm geworden sind.

Es gibt niemanden, dessen Hand mit Gold weben könnte, kein Mensch wird von Silber trunken, echten Lapislazuli kann man nicht essen.

Korn aber gibt höchste Lebenskraft.

Man stimmt Dir ein Lied zur Harfe an und singt Dir mit den Sistren.

Jugend und Kinder jubeln Dir zu, man richtet Dir ein Fest.

Er ist es, der mit Kostbarkeiten kommt und das Land schmückt.

Er ist es, der die Haut der Menschen erfrischt.

Er ist es, der die Herzen in den Schwangeren belebt.

Er ist es, der die Fülle liebt von jeglichem Vieh.

Wenn er bei der Stadt des Hungers steigt, dann sättigen die sich mit den guten Gaben des Feldes, den Krug am Mund, Lotusblumen an der Nase, da die Erde an Gaben überquillt.

Alle Kräuter sind seinen Menschenkindern zuhanden, nachdem sie schon das Essen verlernt hatten.

Die guten Dinge liegen auf den Straßen herum, das ganze Land tanzt vor Glück.

Ströme, oh Nil, man opfert Dir.

Man schlachtet Dir Rinder und bringt Dir große Opfer dar.

Man mästet Geflügel für Dich und fängt für Dich Gazellen in der Wüste und richtet Dir Opferfeuer her.

Von dem, was der Nil geschaffen, wird auch jedem anderen Gott geopfert:

Weihrauch, feines Öl, Langhornrinder und Kurzhornrinder und Geflügel als Brandopfer,

geschaffen vom Nil in seiner gewaltigen Höhle, von dem, dessen Namen keiner in der Unterwelt kennt und in dessen Gestalt kein anderer Gott je erscheinen kann.

Ihr Menschen, die ihr alle Götter preist, fürchtet euch vor der Macht, die sein Sohn, der König, ausübt, der Allherr, der Ober- und Unterägypten gedeihen läßt.

Auf, Verborgener, auf, Verborgener, mach Dich auf, Nil, Du Verborgener!

Komm nach Ägypten, der Du die Gesetze gibst und die schwarze Erde gedeihen läßt.

Auf, Verborgener, auf, Verborgener, mach Dich auf, Nil, Du Verborgener, der Du Menschen und Tiere am Leben erhältst mit Deinen Gaben des Feldes.

Auf, Verborgener, auf, Verborgener, mach Dich auf, Nil, Du Verborgener!

Im Osten und Westen von lebensfeindlichen Wüsten geschützt, im Norden von einem Meer, auf dem es zu Zeiten des Alten Reiches noch keine ernsthaft kriegsfähige Seeschiffahrt gab und im Süden von Katarakten, die ein Eindringen mit Booten verhinderten, konnte Ägypten ungestört zum Staat reifen und sich zu einer der ersten Hochkulturen der Menschheit entwickeln. Und aus dieser strategisch unvergleichlich günstigen Lage heraus ist auch zu verstehen, daß der Ägypter sich und sein Land als den Mittelpunkt der Welt betrachtete, der von den Göttern beschützt wurde, solange die Ausgewogenheit zwischen Himmel und Erde, die Maat, gewährleistet war.


Abb. 5: Horus Harachte, der Horus des Horizonts, des Ostens.

Das Zustandekommen dieses Paradieses läßt sich, wenn auch nur in sehr vereinfachter Weise, als Folge des Klimawechsels zwischen dem Paläolithikum, der Altsteinzeit, und der Kupferzeit erklären.

Bis in die Jungsteinzeit, dem Neolithikum, herrschte im Niltal ein feuchtheißes äquatorialafrikanisches Klima, welches in Verbindung mit den tropischen Regenfällen in den heutigen Wüstengebieten für einen üppigen Regenwald mit genauso üppiger Fauna sorgte. Die Menschen der davor liegenden Epoche, des Mesolithikums, waren Jäger und Sammler, die ihr Lager dort aufschlugen, wo ihnen der Wald ausreichend Schutz und Nahrung bot. Waren die Ressourcen erschöpft, zogen sie weiter.


Abb. 6: Gott Seth.

Mit der Verfeinerung der Steinwerkzeuge und Waffen sowie dem fortschreitenden Klimawandel ging das Mesolithikum, die Mittelsteinzeit, in das Neolithikum über. Die Regenfälle wurden seltener und der Regenwald wandelte sich in eine Steppenlandschaft. Die Menschen ließen sich nieder, bauten Hütten, domestizierten Wildtiere wie zum Beispiel das Schwein und begannen mit dem Ackerbau, wobei die Jagd nach wie vor eine wichtige Rolle spielte.

Die Versteppung setzte sich weiter fort. Der Humusboden der frühen Wälder wurde vom seltener werdenden Regen weggewaschen und vom Wind fortgeweht, die freigewordenen Flächen verkarsteten und wurden zur nahezu vegetationslosen Wüste.

Was blieb, war das Fruchtland des Nils, denn mit dem Schlamm, den die stetig wiederkehrende Flut brachte, wurde es von Jahr zu Jahr erneuert. Nur hier konnten die Menschen noch leben, frei von den Bedrohungen der Wüste. So wie die Sonne jeden Abend unterging und am Morgen neu geboren wurde, brachte die Nilflut jedes Jahr neues Leben; blieb die lebenspendende Flut einmal aus, bedeutete das Hunger und Not.

Doch wie das biblische Paradies hatte auch dieser Garten Eden seine Schlange, seine Eva und den dazugehörigen Apfel der Versuchung, was zwangsläufig dem paradiesischen Zustand ein Ende setzen mußte. Ägypten war im Ursprung rein landwirtschaftlich orientiert und verfügte über keinerlei Metallvorkommen. So kann man getrost Kupfer, Gold und Silber als den Apfel betrachten, der den Ägyptern, also der Eva, von der Schlange in Gestalt der Fremdvölker mit dem Versprechen der deutlichen Hebung der Lebensqualität offeriert wurde.


Abb. 7: Unter- und Mittelägypten

Der erste wirklich wissenschaftlich arbeitende Ausgräber in Ägypten und damit einer der Väter der klassischen Archäologie war der Brite Flinders Petrie (Abb. 8). Klassisch deswegen, weil er in seiner mehr als zweiundvierzig Jahre dauernden Arbeit die Tradition der modernen Archäologie begründet und mit seiner Grabungstätigkeit noch heute gültige Maßstäbe gesetzt hat.


Abb. 8: W.M. Flinders Petrie in Serabit el-Chadim.

Foto: Hilda M.I. Petrie

Anders als seine Vorgänger und ein Großteil seiner Zeitgenossen ging Petrie bei seinen Grabungen äußerst behutsam und systematisch vor. Statt mit Hacke und Spaten arbeitete er mit Spachteln und Spateln und vor allem mit dem Pinsel. Unter Archäologen geht heute noch die Rede, daß Flinders Petrie einmal eigenhändig mit seinem Rasierpinsel drei Meter tief gegraben habe.

Von den heute zur Verfügung stehenden Untersuchungstechniken konnten die frühen Archäologen nur träumen. Altersbestimmungen mit Hilfe der Messung radioaktiven Zerfalls in organischen Stoffen durch die C-14 Methode oder in keramischen durch die Thermolumineszenz waren nach dem Stand der damaligen Physik gänzlich unvorstellbar. Auch die Dendrologie, die auf den Jahresringen des Holzes basierende Datierung, war noch nicht entwickelt.

Flinders Petrie wurde am 3. Juni 1853 in Charlton, unweit von London, geboren. Schon im Alter von 13 Jahren soll er sein nie mehr versiegendes Interesse an der Ägyptologie entdeckt haben, welche dann sein weiteres Leben bestimmte.

1880 reiste er zum ersten Mal nach Ägypten, allerdings mit dem Vorsatz, die spleenige Meinung seines Vaters zu beweisen, daß bereits die Cheopspyramide nach Zoll und Fuß, den britischen Maßeinheiten, ausgerichtet war. Ein gewisser Piazzi Smyth vertrat damals die in England sehr populäre Ansicht, daß Zoll und Fuß ursprünglich ägyptische Maßeinheiten und damit seit Jahrtausenden bewährt seien. Und Petrie Senior war ein überzeugter Anhänger eben dieser Ansicht. Doch die Messungen an den Pyramiden in Gisa führten zu völlig anderen als den erwarteten Ergebnissen und so verschwand Smyths Theorie sehr schnell dahin, wo sie hingehörte, nämlich in der Versenkung.

Petrie blieb in Ägypten, arbeitete mit anderen Ägyptologen zusammen und lernte in Grabungen vom Delta des Nils bis nach Theben in Oberägypten und den Felsen des Sinai aus ihren Fehlern.

Akademische Grade strebte er nicht an und diese wären ihm auch unter normalen Umständen verwehrt geblieben, da er nie eine reguläre Schule besucht hatte. Er war stets von seinem Vater unterrichtet worden, der als Ingenieur und Landvermesser fast ständig auf Reisen war und den er begleitete. Auch das zur Vermessung der Pyramiden in Gisa notwendige Wissen war ihm von seinem Vater vermittelt worden.

In England hatte inzwischen eine begeisterte Verehrerin der altägyptischen Kultur, Amelia Edwards, eine Stiftung ins Leben gerufen, deren Ziel in der Erforschung des alten Ägyptens lag, den Egypt Exploration Fund. Obwohl Flinders Petrie in seiner Arbeit ein Einzelgänger war, arbeitete er doch gelegentlich im Auftrag dieser Stiftung.

Als 1892 am University College in London ein Lehrstuhl für die wissenschaftliche Erforschung Ägyptens eingerichtet werden sollte, sorgte Amelia Edwards dafür, daß Flinders Petrie zum ersten Professor der Ägyptologie in der britischen Geschichte der Wissenschaft ernannt wurde.


Abb. 9: Ein Toter in seinem Grab aus der Badari-Kultur.

Aus seiner eigenen Erfahrung hatte Petrie die Lehre gezogen, daß eine ordentliche und systematische Feldarbeit nur dann möglich ist, wenn sie auf der Grundlage methodischer archäologischer Kenntnisse beruht. 1894 gründete er daher die heutige „British School of Archaeology“.

Petrie wäre nicht Petrie gewesen, wenn er seine Forschungen nur auf das Land am Nil beschränkt hätte. Er folgte den ägyptischen Spuren bis nach Palästina. Am 28. Juni 1942 starb Sir William Matthew Flinders Petrie in Jerusalem.

Zwischen 1922 und 1925 wurde in der Nähe des mittelägyptischen Dorfes Badari von britischen Archäologen unter der Leitung von Flinders Petrie gegraben, die an ungewöhnlicher Stelle auf neue und bisher unbekannte Zeugnisse des Pharaonenreiches hofften. Doch was sie fanden war nicht nur einer der ältesten Beweise zivilisierten Lebens auf ägyptischem Boden, sondern gleich eine völlig neue und eigenständige Kultur, die nach ihrem Fundort als Badari-Kultur bezeichnet wird.

Schon vor nahezu 8000 Jahren bestatteten die Menschen dieser Kultur Rinder, Schafe und Ziegen wie ihre eigenen Toten (Abb. 9), welche sie in Matten eingehüllt, in linksseitiger Hockstellung mit Blick nach Westen in ovalen Gruben beisetzten (Abb. 10). Eine Töpferscheibe kannten sie noch nicht, doch erreichte ihre Keramik eine bemerkenswerte Vollkommenheit; die rot polierten und teilweise schwarz geschmauchten Gefäße sind mit diagonalen Rillen verziert und mit höchster Sorgfalt hergestellt (Abb. 11). Sie verarbeiteten Elfenbein zu Vasen und Statuetten und bearbeiteten Holz, Horn, Knochen sowie Schildpatt zu den kleinen Nützlichkeiten des täglichen Lebens. Aus Speckstein formten sie Perlen, die blau emailliert und als Schmuck getragen wurden.

Etwa 80 Kilometer nördlich von Luxor liegt am westlichen Nilufern die Stadt Naqada, auch Negade genannt, Namensgeberin für die Kultur, deren materielle Hinterlassenschaften von Flinders Petrie als erstem Ausgräber 1894 freigelegt wurden.

Die Naqada-Kultur überschneidet sich in ihren Anfängen mit der Badari-Kultur, sie existierte zwischen etwa 4500 und 3000 v. Chr., und teilt sich in drei Perioden:

 Naqada I, etwa 4500 bis 3500 v. Chr. Ursprung im Gebiet zwischen Luxor und Abydos.

 Naqada II, etwa 3500 bis 3200 v. Chr.Wird nach der Stadt Girza auch als Girza-Kultur benannt. Gebrauchsgegenstände werden nicht mehr nur für den Eigenbedarf, sondern auch als Tauschobjekte gefertigt; Kupfer wird in zunehmendem Maße verarbeitet.

 Naqada III, etwa 3200 bis 3000 v. Chr.Besiedelung der Gebiete in und um Buto und Minschat Abu Omar. Unterscheidet sich von Naqada II. vor allem durch die kostbaren Grabbeigaben hochgestellter Personen, die erste Ansätze zu einem Königtum vermuten lassen.

Die Funde bewiesen den Forschern, daß die Badari-Menschen nicht mehr in der Steinzeit gelebt hatten, nämlich Nadeln, Perlen und Beile aus Kupfer, hergestellt im 5. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung.

Aus Elfenbein geschnitzte Kämme und Nadeln zählten wahrscheinlich zu den Luxusgütern dieser Perioden.

Noch ist nicht abschließend geklärt, wo diese Kultur ihren Ursprung hat, doch geht die Wissenschaft davon aus, daß sie überwiegend einer inneren Evolution entstammt, die starken asiatischen Einflüssen ausgesetzt war.

Kupfer wurde im ariden Sinai gefunden, wo es an manchen Stellen im Süden der dreieckigen Halbinsel offen an der Felsoberfläche zutage trat. Doch weder gehörte in dieser Epoche der Sinai zu Ägypten noch gab es ein Ägypten zu dem er hätte gehören können, vielmehr war das Staatsgebiet des späteren Reiches von einigen wenigen Kulturen, wie eben zum Beispiel der Badari-Kultur, spärlich bevölkert. Badari befindet sich in Mittelägypten und so sollte man annehmen, daß die Kupferlieferungen aus dem Sinai den direkten Weg über das östliche Nildelta und dann den Fluß aufwärts genommen hätten.

Daß dem nicht so war beweist die Tatsache, daß nördlich von Badari bisher kein einziger Hinweis auf die zeitgleiche Verarbeitung von Kupfer gefunden wurde. Es wird daher vermutet, daß das Kupfer durch die arabische Wüste und das Rote Meer nach Ober- und Mittelägypten gelangt ist.


Abb. 10: Von Flinders Petrie angelegte Skizze eines von ihm gefundenen Grabes aus der Badari-Kultur.

Wie stark das ägyptische Engagement im Sinai war, bezeugt der 1868 entdeckte „krumme“ Tempel von Serabit el-Chadim, etwa auf halber Höhe der Westküste und rund 10 Kilometer nördlich von Wadi Mughara in der Nähe der Sinaihauptstadt El Tur (Abb. 13).

Hier wurde vor allem die Göttin Hathor verehrt und das ganz offensichtlich nicht nur von Ägyptern.


Abb. 11: Keramik der Badari-Kultur

Zeichnung von W.M. Flinders Petrie

Hathor ist die Schutzherrin der Türkise und ganz in der Nähe liegen Türkisminen, aus denen die Pharaonen einen Großteil der begehrten Schmucksteine von Sklaven aus dem Sandstein schlagen ließen.

Ungewöhnlich an diesem Tempel ist nicht, daß er nach heutiger Kenntnis der am weitesten vom ägyptischen Kernland entfernteste ist, auch nicht sein abgewinkelter Grundriß, dessen ältester Teil aus der 12. Dynastie stammt, sondern daß die Forscher neben den ägyptischen Hieroglyphen Texte mit unbekannten Schriftzeichen finden, die jedem Übersetzungsversuch widerstehen.

Auch Flinders Petrie scheitert bei seinen Grabungen im Jahr 1904 und 1905 an den geheimnisvollen Zeichen. Erst seinem Landsmann Sir Alan Gardiner gelingt 1916 die Entzifferung.

Gardiner findet heraus, daß die Schriftzeichen ganz offensichtlich aus der ägyptischen Hieroglyphenschrift übernommen worden sind, aber, anders als die Hieroglyphen, reine Alphabetzeichen darstellen. Eine stets wiederkehrende Zeichenfolge soll der Schlüssel werden: beth, oajin, lamed und taw, die hebräischen Buchstaben B, A, L und T2. Der Text ist in einer semitischen Sprache abgefaßt, denn baoalet ist das semitische Wort für „Herrin“; gemeint ist Hathor (Abb. 14). Nach dem Fundort benennt Alan Gardiner die „neue“ alte Schrift als protosinaitisch.

Ägypten war durch und durch landwirtschaftlich geprägt und die Landwirtschaft war der eigentliche Reichtum des Landes. Unbeschadet aller großartigen Leistungen in Kunst, Architektur und Wissenschaft waren die Ägypter ein Volk von Bauern.

Zur Zeit der Römer galt Ägypten als die Kornkammer des Römischen Reiches und Getreide gehörte neben Leinen zu den wichtigsten Produkten der Landwirtschaft. Unter Kaiser Augustus hatte Ägypten ein Drittel des römischen Getreidebedarfs zu decken, rund 135 000 Tonnen pro Jahr.

Gemüse wie Lauch (j#qt), Knoblauch (HTn) und Zwiebeln (HDwt) wurde in Gärten gezüchtet, ebenso Bohnen (jwryt), Erbsen (tHw#t), Linsen (orSnt) und Kichererbsen (Hrw-bjk). Salat wurde angebaut und gedieh genauso prächtig wie Gurken (bndt.wt) und Melonen (dngw); Obstbäume brachten reiche Ernten und im Delta wuchs der Papyrus.

Hauptnahrungsmittel waren Brot und Bier, zu beider Herstellung bedarf es des Getreides, dazu gab es meist Fisch, Gemüse und Früchte, vor allem Datteln, Sykomorenfeigen und Granatäpfel. Auch Weintrauben wurden gerne verspeist, doch war die Lese in erster Linie dem Keltern von Wein vorbehalten.

Wer in der Nähe der Sümpfe lebte, aß die Blüten der Lilie sowie die Stängel der Lotosblumen und des Papyrus.

Fleisch wurde zwar geschätzt, doch war es eine Frage des Geldbeutels, wer täglich Fleisch essen konnte; die Masse der Bevölkerung konnte es nicht. Zubereitet wurde Rind, Schwein, Schaf und Ziege und ergänzte den Speiseplan um das in der Wüste erjagte Wild, wie zum Beispiel die Hyäne.

Auch Geflügel wurde gerne auf dem Tisch gesehen, wobei selbst der Kranich nicht vor Kochtopf oder Spieß verschont blieb.

Als Nachtisch wurden auf der Grundlage von Honig oder den Beeren des Johannisbrotbaums zubereitete Süßigkeiten genossen.

Kuhmilch gehörte nicht zu den beliebten Getränken, die ägyptischen Kühe waren Fleisch- und keine Milchrinder. Getrunken wurde hingegen gelegentlich die Milch von Schafen und Ziegen, die Milch von Pferde- und Eselstuten sowohl für medizinische Zwecke als auch als Badezusatz genutzt.

Seit vordynastischer Zeit wurde Käse (Hs#) in faustgroßen Klumpen hergestellt und leinenumhüllt in ölgefüllten Tongefäßen gelagert (Abb. 15), wie sie in einem Grab aus der 2. Dynastie in Saqqara erhalten geblieben sind3.

Für das Militär von Bedeutung waren haltbar gemachte Nahrungsmittel, die auch die heißen Tagestemperatur unbeschadet überstehen und damit bei Expeditionen mitgeführt werden konnten. Das Pökeln, das Einsalzen in Gefäßen, iuf dere (jwf dr), war neben dem Trocknen die wichtigste Konservierungsmethode. So bestand die Marschverpflegung vor allem aus Getreidekörnern, Zwiebeln, Honig, getrockneten Hülsenfrüchten sowie gepökeltem und getrocknetem Fisch und Fleisch.

Getrunken wurden Wasser, meu (mw), Bier, chenket (Hngt) und Wein, Irep ((irp), wobei letzterer den Offizieren vorbehalten war.

Das Bier zeichnete sich nicht durch sonderliche Haltbarkeit aus und mußte daher in den Lagern stetig aufs Neue aus angebackenem Malzbrot (psn), getrockneten Datteln und Wasser gebraut werden.

Nach neueren Forschungen scheint es beim Bierbrauen (otX ds) eine weitere Variante gegeben zu haben, welche entweder die ursprüngliche Form des Ansetzens von Brot (psn) ablöste oder parallel Verwendung fand:

Kurz angekeimte Gerste (b#n jt) oder Emmer (bdt) wurde in einer kleinen Portion zermahlen und mit Wasser angesetzt. Eine zweite Getreideportion wurde, angekeimt oder nicht, in einem großen Bottich (otXy) warmgehalten. Wenn die Enzymbildung einsetzte, wurde die erste Portion, der Kaltansatz, in die zweite eingerührt. Bei anhaltender Erwärmung wandelten die aus den Keimen freigewordenen Enzyme die Getreidestärke in Zucker um; in die Flüssigkeit eingebrachte Hefe (t#Ht) verwandelte einen Teil des Zuckers in Alkohol. Das Bier war fertig, wurde gesiebt und in Tonkrüge (styw) abgefüllt, die mit einem Lehmkloß verschlossen wurden.

Auch der Wein war nicht besonders haltbar; konnte er nur noch als Essig, chemetsch (HmD), verwendet werden, tranken auch die Offiziere Wasser und Bier.

Was sich heute präsentiert, ist nur noch ein trauriger Rest dessen, was in der Antike eine Überproduktion land- und gartenwirtschaftlicher Erzeugnisse bescherte. Viel zu voreilig und meist aus durchschaubarem Grund wird als Ursache für diese Abmagerung der Klimawandel vorgeschoben, welcher mit dem Rückgang der letzten Eiszeit begann. Doch haben Bodensondierungen gezeigt, daß sich das ägyptische Klima in den letzten 4000 Jahren nicht maßgeblich verändert hat.

Die Verödung des Fruchtlandes ging mit dem Zerfall der staatlichen Macht einher, die bereits im 5. Jahrhundert so desolat war, daß die Gewalt von den Pagarchen, den Großgrundbesitzern, willkürlich ausgeübt werden konnte4; Teile der Bevölkerung versinken aus der Freiheit in unterschiedliche Grade der Hörigkeit.

Die südlichen Grenzvölker, allen voran die Nubier und Blemmyer, ein antiker Nomadenstamm am westlichen Nilufer unterhalb Meroe5, nutzen die Situation zu wiederkehrenden Plünderungszügen. Das von Byzanz gelenkte Reichsmilitär hat dem nichts entgegenzusetzen und steht außerdem den buccellarii, illegal angeworbenen, bewaffneten Gefolgsleuten der Großgrundbesitzer, gegenüber, was zu einem bedrückenden Problem der Bevölkerung führt6.

Es kommt zu einer Verelendung der Landarbeiter und Kleinbauern, welche sich teilweise zu marodierenden Banden zusammenschließen oder in die Städte abwandern. Das anschließende Zusammenspiel von Mißachtung der Wasserrechte, mangelnder Kenntnis der Landwirtschaft sowie einer übermäßiger Ziegenhaltung leitet den Niedergang ein.

Die Ziegen weiden die Flora bis auf den Grund ab, was den nicht bearbeiteten Boden seines Haltes beraubt und ihn schutzlos der Sonne und dem Wind aussetzt. Der Mutterboden trocknet erst aus und wird dann verweht, was eine stärkere Verdunstung der Bodenfeuchtigkeit und damit eine Versteppung nach sich zieht, die im letzten Stadium der Wüste keinen Widerstand mehr entgegenzusetzen hat. Seen und Kanäle versanden und fallen mit den großen Sumpfgebieten trocken.

So reich das alte Ägypten mit Nahrung gesegnet war, so arm war es an Bodenschätzen. In el-Kab und im Wadi Natrun wurde Natronsalz, netscheri (nTrj), abgebaut, welches für die Mumifizierung unerläßlich und außerhalb Ägyptens völlig wertlos war.

Das in Ägypten vorkommende Salz unterscheidet sich durch bestimmte Beimengungen deutlich von unserem Speisesalz und ist für den menschlichen Genuß ungeeignet. Dieses Natronsalz hat nichts mit unserem Kochsalz, dem Natriumchlorid, zu tun, obwohl Spuren davon im natürlich vorkommenden Natron Ägyptens enthalten sind. In reiner Form besteht Natronsalz aus Natriumkarbonat, auch als Soda bekannt, sowie Natriumhydrogenkarbonat und im ägyptischen ist neben dem Kochsalz auch noch ein geringer Anteil von Natriumsulfat vorhanden.

Ägyptisches Natronsalz sorgte vor der Balsamierung für die Austrocknung der Körper und war somit der für die Mumifizierung ausschlaggebende Bestandteil in diesem für die Ägypter so wichtigen Prozeß der Jenseitsausrichtung7.

Es gab Gold, nub (nbw)8, nach ägyptischer Meinung jedoch viel zu wenig, und ansonsten so gut wie keine Metalle, außerdem noch Gips, kedsch (QD), und Kalk, jener chedsch (jnr HD) sowie unendliche Mengen des so vielseitig verwendbaren Nilschlamms (q#H).

Auch der Weihrauch, senetscher (snTr), mußte importiert werden. Es mag gut möglich sein, daß der Weihrauchstrauch, der Lieferant des begehrten Harzes, noch zu Beginn des Alten Reiches im Süden Oberägyptens wuchs, doch wurde er durch Klimaveränderung und vor allem Raubbau in Ägypten völlig ausgerottet.

Diese Situation weckt Begehrlichkeiten, sowohl innerhalb als auch außerhalb Ägyptens, und führte im Neuen Reich schließlich zur Einverleibung des kupferreichen Sinais, in dem sich außerdem noch Malachit und Türkis finden ließ.

Gold und Silber, hedsch (HD), mußte seit dem Alten Reich von Expeditionen beschafft werden, die mehr Ähnlichkeit mit geordneten Raubzügen als mit Handelsexpedition hatten, denn das heimische Gold reichte nicht aus und Silber mußte von den Syrern gekauft werden.

Die ägyptische „Einkaufsliste“ war lang. Der für die Tempelbauten begehrte Rosen- und Graugranit wurde aus Nubien herbeigeschafft; Feuerstein (k#f), Kristallquarz (Mnw HD) und Obsidian (mnw km) wurden benötigt und ebenso das vielseitig verwendete Bleiglanz (Htm) sowie der für schmuckvolle Dekorationen unentbehrliche Lapislazuli (XsbD).

Das Holz der heimischen Bäume, gleich ob das der Akazie oder der Palme, war für Bauzwecke kaum brauchbar, beiden mangelte es an der nötigen Festigkeit. So mußte auch „Fremdlandholz“ (Xt X#s.wt) eingeführt werden, daß den Ansprüchen von Tempel- und Schiffsbauern genügte.


Abb. 12: Kupfergegenstände aus der Periode Naqada II.

Zeichnung: W.M. Flinders Petrie

Wie sehr Ägypten unter der Holzarmut litt, läßt sich an der Selbstverständlichkeit erkennen, altes Holz nach Möglichkeit wieder zu verwenden. Bezeichnend ist, daß sogar die Könige auch stets zu betonen pflegten, wenn sie für ihre Bauten ungebrauchtes Holz verwendet hatten. So ist zum Beispiel in einer Urkunde aus der 18. Dynastie über die Geschenke und Bauten Pharao Ahmoses an Gott Amun die Verbauung von neuem Zedernholz (Xt n oS) ausdrücklich und in einer Nennung mit Gold und Silber erwähnt9:

… Es befahl nun Seine Majestät, seinem Vater Amun-Ra Denkmäler zu machen, bestehend aus großen Kränzen (m#H) von Gold, Ketten (mS#S#wt) von echtem Lapislazuli, Amuletten von Gold, einem großen Wasserkrug (Hst) von Gold, Wassergefäße (nmÜt) und Wasserkrüge aus Silber, ein Libationskrug (QbHw) aus Gold, einen Opfertisch (dbHt-Htp) aus Gold und Silber, Halskragen (mint) aus Gold und Silber, mit Reihen aus Lapislazuli und Malachit; ein t#b-n-k# Gefäß aus Gold, sein Untersatz aus Silber; ein t#b-n-k# aus Silber, gerändert (inH) mit Gold, sein Untersatz aus Silber, Tnj -Gefäße aus Silber, Wassergefäße aus rotem Granit (m#t), gefüllt mit Ölen (mDt); große wSm aus Silber, gerändert mit Gold, ihr [unleserlich] aus Silber; eine Harfe aus Ebenholz mit Gold und Silber; Sphingen aus Silber; eine Üpt aus Gold. Es befahl meine Majestät herzustellen das große Schiff, das auf dem Strom fährt, WÜr-H#t-imn ist sein Name, aus neuem Zedernholz von dem Besten der Treppe10, um seine schöne Fahrt des Jahresanfangs zu machen. [unleserlich] ich stellte Säulen aus Zedernholz auf, das Dach und den Estrich desgleichen …

Andererseits war der Reichtum Ägyptens eine ständige Verlockung für die Beduinen der Wüsten und die nomadisierenden Asiaten, welche in dem Reich am Nil eine Art Schlaraffenland sahen. In den sogenannten Lehren, einer besonderen Form der ägyptischen Literatur, ist das Verhältnis der Ägypter zu diesen fremden Völkern oft und ausführlich dargelegt. So sind in der Lehre für König Merikare, die wahrscheinlich von seinem Vater Cheti III. verfaßt wurde, die wenig herzlichen Zeilen zu lesen11:

Gesagt wird dies vom Nomaden:

Der elende Asiat, er ist übel daran wegen des Ortes, an dem er ist; unangenehm durch das Wasser, versteckt durch viele Bäume, und seine Wege sind übel wegen der Berge. Nicht kann er an einem Ort wohnen, wegziehend aus Not und zu Fuß die Fremdländer durchstreifend. Er kämpft seit der Zeit des Re; er siegt nicht, kann aber auch nicht besiegt werden. Er meldet nicht den Tag für den Kampf an wie ein Dieb, den der Arm der Gemeinschaft ausgestoßen hat.

Solange ich aber lebte und solange ich da war, da waren die Nomaden innerhalb der Grenzmauer, da seine Festungen offen standen. Ich isolierte sie und ließ das Delta sie schlagen. Ich führte ihre Angehörigen fort, erbeutete ihren gesamten Lebensunterhalt und tötete die Leute unter ihnen, zur Schande der Asiaten gegenüber Ägypten.

Kümmere dich nicht um ihn, denn der Asiat ist ein Krokodil auf seinem Uferdamm:

Er packt wohl auf einsamen Weg, doch ergreift er nicht in der Nähe einer volkreichen Stadt.

Eine bis in die Anfänge der Geschichte zurückreichende und immer wieder aufflammende Feindschaft verband die Ägypter mit den Libyern, was sie aber nicht hinderte, seit den Zeiten des Alten Reiches, genauer seit der 6. Dynastie, libysche Söldner in ihrem Heer dienen zu lassen. Als Libyer wurden die Bewohner des schmalen Küstenstreifens westlich des Deltas sowie der Oasen der libyschen Wüste „rechts vom Nil“ bezeichnet.

In der frühen Ramessidenzeit schlossen sich verschiedene libysche Stämme zusammen, um unter der Führung ihres Fürsten Meri ins Westdelta vorzustoßen, wo sie neues Siedlungsland zu gewinnen dachten. Allerdings hatten sie in ungesunder Selbstüberschätzung vergessen, Pharao Merenptah um die entsprechende Erlaubnis zu fragen und der war mit dem Vorhaben überhaupt nicht einverstanden. Um 1209 v. Chr. wurden die Libyer südlich des heutigen Alexandria vernichtend geschlagen.

Vor dem Zusammenschluß der Stämme war Merje (Mrj) Fürst des Stammes der libu (Lbw) gewesen und mit der Koalition übertrug sich der Name seines Stammes auf die anderen Stämme und hat sich bis heute im Namen des Staates Libyen erhalten.

Aus den Kriegen mit den Libyern ist uns eine seltsam anmutende Praktik mehrfach bezeugt. So wurden noch unter Ramses III. (Abb. 17) von den beschnittenen ägyptischen Soldaten den unbeschnittenen Libyern der Penis abgetrennt und als Beweis für die Zahl der Getöteten vorgelegt.


Abb. 13: Wie stark das ägyptische Engagement im Sinai war, bezeugt der 1868 entdeckte „krumme“ Tempel von Serabit el-Chadim.

Der Gebrauch des Kupfers (Hmtj) verbreitete sich erst zu Beginn der sogenannten Thinitenzeit, der Zeit der ersten und zweiten Dynastie, in welcher das oberägyptische Thinis (Vnj) die Hauptstadt Ägyptens gewesen sein soll. Noch bis zum Neuen Reich wurden Waffen aus Kupfer hergestellt, obwohl seit mehr als einem Jahrtausend im ägäischen und asiatischen Raum längst die härtere und widerstandsfähigere Bronze benutzt wurde. Seit dem Mittleren Reich war die Bronze (Hsmn) in Ägypten bekannt und so läßt sich der zeitliche Versatz nur mit der Erzarmut des Landes erklären. Das „heimische“ Kupfer aus den Minen des Sinai reichte bei weitem nicht aus, den Bedarf zu befriedigen und so wurde zusätzlich Kupfer eingeführt, meist aus Zypern.

Zur Herstellung von Bronze mußte das Kupfer im ungefähren Verhältnis zwischen 6 : 4 und 9 : 1 mit Zinn (DH#) legiert werden, welches weder in Ägypten noch im Sinai vorkommt und ebenfalls importiert werden mußte.

Woher das Zinn stammte, ist ungeklärt, es gibt aber ernsthafte Hinweise, daß es nicht nur in zypriotischen und mittelasiatischen, sondern auch in spanischen oder englischen Minen gefördert und von Phöniziern nach Ägypten gebracht wurde.


Abb. 14: Eine stets wiederkehrende Zeichenfolge wird der Schlüssel zur protosinaitischen Schrift: beth, oajin, lamed und taw, die hebräischen Buchstaben B, A, L und T.

Legierten die Ägypter nicht selbst, kauften sie Bronzebarren von asiatischen Völkern. Sicher ist, daß unterschiedliche Legierungen mit Zugaben wie beispielsweise Arsen zur Härtung bekannt waren, welche im Neuen Reich das Kupfer zunehmend ersetzten.

Die sogenannte Schwarzbronze zählt allerdings nicht zu den Legierungen, bei ihr handelt es sich um „normale“ Bronze, deren Oberfläche nach der Fertigstellung des Objekts mit einer Verbindung verschiedener Metalle oder durch Silbersulfid, eine Silber-Schwefel-Verbindung, schwarz patiniert wurde.

Eine Legierung hingegen ist das „schwarzes Kupfer“ (Hmtj-km), welches durch das Legieren von Kupfer mit Gold und Silber entsteht und eine schwarzviolette bis dunkelblaue Patina erzeugt.


Abb. 15: In Leinen gewickelte Käseklumpen in ursprünglich mit Öl gefüllten Tongefäßen, wie sie in einem Grab aus der 2. Dynastie in Saqqara erhalten geblieben sind.

Eisen war in Ägypten nicht unbekannt und lange ist überlegt worden, warum die Ägypter das Eisen nicht waffentechnisch nutzten.

In vorgeschichtlichen Gräbern wurden eiserne Schmuckperlen und in einzelnen Gräbern des Alten Reiches kleine Eisenbarren gefunden; das Werkzeug für die rituelle Mundöffnung der mumifizierten Toten, netjeri (nTrj), war ebenfalls aus Eisen hergestellt.

Der älteste eiserne Gebrauchsgegenstand ist eine Lanzenspitze, mehr als 30 cm lang und sich auf 8 cm verbreiternd, welche in einem Grab in Buhen als Beigabe neben dem Toten gefunden wurde und nachweislich aus der 12. Dynastie stammt. Allerdings kann mit Sicherheit angenommen werden, daß es sich um ein Einzelstück handelt, welches auf Grund des Materials den Rang einer „gebrauchsfähigen Prunkwaffe“ gehabt haben dürfte.

Der ägyptische Name des Erzes lautet bjaa-ne-pet (bj#-n-pt) und bedeutet „Himmelserz“. In Ägypten gibt es keinerlei Eisenvorkommen und so ist das Wort „Himmelserz“ ein Hinweis, daß es sich um Eisen aus Meteoren handelt, die in den Wüsten aufgelesen wurden. Metallurgische Analysen haben diese Annahme inzwischen bestätigt. Das in späterer Zeit aus dem syrisch-palästinensischen Raum eingeführte Eisen wurde dagegen als „Eisen aus Retschenu“ (bj#-n-pt n RTnw) bezeichnet.

Einer der beiden Dolche aus dem Grab Tutanchamuns, sie befanden sich in seinen Mumienbinden, besitzt eine eiserne Klinge (Abb. 16), welche aus Meteoreisen geschmiedet ist.


Abb. 16: Der nichtrostende Dolch Tutanchamuns.

Das beweist nicht, daß der so jung verstorbene König besonders kriegerisch war, sondern vielmehr, daß dieses in Ägypten seltene Erz zu den besonderen Kostbarkeiten gezählt wurde.

Eine weitere Besonderheit zeichnet diesen Dolch aus, die Klinge rostet nicht.

Das ist kein Wunder, sondern ein Zeugnis vom Können der frühen Eisengießer. Der glutflüssigen Eisenschmelze wurde Elfenbein (#bw) beigegeben, welches verbrannte und dabei Phosphor freisetzte. Das Resultat war ein Eisen, das für breite militärische Zwecke zu teuer und zu weich, dafür aber rostfrei war.

In unbehandeltem Zustand ist Eisen ein sprödes und hartes Metall, welches schnell bricht. Durch Schmieden und bestimmte Verfahren ändern sich aber die Eigenschaften bis hin zu denen des heutigen Stahls.

Ein Grund für die ägyptische Verweigerung mag darin zu sehen sein, daß der Schmelzpunkt von Eisen bei 1535 Grad Celsius liegt. Zum Vergleich, der Schmelzpunkt von Bronze liegt, je nach Anteil des Zinns, um die 990 Grad; wird Blei zugemischt, sinkt der Schmelzpunkt noch etwas weiter nach unten. Das von den Ägyptern reichlich verarbeitete Gold schmilzt bei 1063 Grad, Silber bei 962 Grad.

Die gefundenen Eisengegenstände bezeugen, daß in Ägypten Grundkenntnisse der Eisenverarbeitung vorhanden und die technischen Schwierigkeiten damit nicht unüberwindbar waren. Diese und die aus der Verhüttung von Kupfer und Zinn gewonnenen Erfahrungen hätten durchaus für eine Umstellung auf Eisen genügt. Der wesentliche Grund muß also woanders liegen. Tatsächlich sind es zwei Gründe:

Zum einen gibt es weder in Ägypten noch in den ägyptischen Einflußgebieten Eisenerzvorkommen, zum anderen sind die ägyptischen Heere bis zum Ende des Mittleren Reiches auf keinen technisch so deutlich überlegenen Gegner gestoßen, daß es zu einem Umdenken in der Kriegsführung und umfassenden Anschub in der waffentechnischen Weiterentwicklung kommen konnte.

Seine strategische Lage schützte Ägypten über Jahrtausende besser und vollkommener, als es eine Armee je vermocht hätte. Wer von Osten oder Westen eindringen wollte, mußte zunächst wasserlose Wüsten passieren. Zwar gab es an versteckten Orten einige wenige Brunnen und kleine Oasen, doch mußten diese erst gefunden werden und reichten dann oftmals nicht für die Versorgung eines Heeres aus.

Würde ein Mensch bei dieser Durchquerung nur drei Liter Wasser am Tag benötigen, müßte für tausend Soldaten ein Wasservorrat von 3000 Liter pro Tag mitgeführt werden; dauert der Marsch zehn Tage, sind es schon 30 000 Liter. Zusätzliches Wasser mußte zum Kochen vorrätig sein, denn die Verpflegung bestand vornehmlich aus getrocknetem Fleisch und Gemüse, Brot (t w#D) wurde täglich aus Mehl (qwnk) und Wasser zubereitet.

Das Mitführen von Schlachttieren zur Versorgung mit frischem Fleisch brachte zusätzliche Probleme mit sich; die Tiere mußten getränkt und gefüttert werden. Da das Fleisch nicht roh verzehrt wurde, hatte man auch an entsprechende Mengen von Brennmaterial zu denken, vom Kot der Tiere einmal abgesehen, den man auch noch sammeln und trocknen mußte.

Eine Armee war eine völlig auf sich gestellte Einheit, die alles mit sich führte, was sie zum täglichen Leben und zum Kampf benötigte. Nachschub gab es nicht, denn der Transport hätte vor den gleichen Schwierigkeiten wie die zu versorgende Armee gestanden und zusätzlich die wertvolle Fracht auch noch vor Angriffen nomadisierender Wüstenstämme schützen müssen.

Die Ägypter hatten frisches Wasser in ausreichender Menge im Rücken, dazu frische Lebensmittel im Überfluß. Auch ein hastig aufgestelltes Heer ist ausgeruhter als eine Truppe, welche gerade die Strapazen einer Wüstendurchquerung hinter sich gebracht hat.

Wie tödlich die Wüste sein kann, soll 523 v. Chr. der Perserkönig Kambyses II.12 erlebt haben. Drei Jahre nach seiner Eroberung Ägyptens brach er vorgeblich mit 50 000 persischen Soldaten auf, um einen Tempel in der Oase Siwa zu zerstören. Dieses Heiligtum in der westlichen Wüste galt als Zentrum des Widerstandes gegen die persische Besatzungsmacht und war verständlicherweise dem Herrscher mehr als nur ein Dorn im Auge.

Ein Sandsturm machte dem Kriegszug ein Ende, Kambyses verschwand spurlos mit seinem gesamten Heer in der Wüste und bis heute ist auch nicht der geringste Hinweis auf den Verbleib der Armee gefunden worden.

Der geschichtlichen Überlieferung nach soll der König von Priestern des Amun gewarnt worden sein. Sie hatten Kambyses prophezeit, daß ihn und seine Mannen ein elender Tod in der Wüste erwarte, würde er mit seiner Eroberung Ägyptens fortfahren.

Was am Verschwinden sowohl der Armee und vorgeblich des Königs als auch der Prophezeiung Wahrheit und was Legende ist, wird nur zum Teil auf absehbare Zeit ein Rätsel bleiben.

Der griechische Reiseschriftsteller Herodot berichtet nämlich anderes vom Tod des Königs, nämlich daß Kambyses in Folge einer versehentlich am Oberschenkel selbst zugefügten Schwertwunde durch Wundbrand in der syrischen Stadt Agbatana starb, was auch von persischen Quellen bestätigt wird13:

Als Kambyses den Namen Smerdis hörte, erkannte er sofort, daß Prexaspes recht hatte, und daß jener Tram in Erfüllung gegangen war. Denn ihm hatte ja geträumt, jemand verkünde ihm, daß Smerdis auf dem Königsthron säße und mit dem Haupte den Himmel berühre. Da merkte er, daß er Smerdis umsonst hatte ums Leben bringen lassen, und beklagte ihn. Und nachdem er geweint und über all das Unglück geklagt hatte, stieg er aufs Pferd und beschloß, eiligst nach Susa gegen den Mager zu ziehen. Aber beim Aufsteigen aufs Pferd löste sich der Knauf an der Scheide des Schwertes, und das bloße Schwert drang ihm in den Schenkel. Die Wunde war an derselben Stelle, wo er damals den ägyptischen Gott Apis getroffen hatte. Er hielt sie für tödlich und fragte nach dem Namen der Stadt. Man sagte ihm, sie heiße Agbatana. Nun war ihm einst in Buto in Ägypten geweissagt worden, er würde in Agbatana sterben. Er hatte gedacht, es sei Agbatana in Medien gemeint, daß er dort als Greis im Mittelpunkt seines Reiches sterbe würde. Aber das Orakel hatte Agbatana in Syrien gemeint.

Als ihm der Name der Stadt genannt wurde, verließ ihn plötzlich sein Wahnsinn, so sehr hatte ihn die Nachricht von dem Aufstand des Mager und seine Verwundung erschüttert. Er verstand das Orakel und sagte:

„An diesem Ort ist es Kambyses, Kyros‘ Sohn, beschieden zu sterben.

Wer Ägypten von Süden angreifen wollte, hatte auf dem Landweg ebenfalls Wüsten vor sich. Die Katarakte des Nils schlossen einen Angriff über den Strom aus, da sie für zum Truppentransport geeignete Schiffe völlig unpassierbar waren.

Offen war hingegen der Eingang nach Ägypten über die fünf Arme des Nils im Delta des Nordens. So liegt also die Vermutung nahe, daß Angreifer es vorgezogen haben könnten, mit Schiffen vom Mittelmeer aus nach Ägypten einzudringen. Das setzt aber voraus, daß diese Schiffe seegängig und groß genug sind, um Soldaten und Material transportieren zu können.

Die Einfahrt in ein unbekanntes Binnengewässer hat jedoch ihre Tücken; was für das Meer gut und unentbehrlich ist, erweist sich in Flüssen meist als Nachteil. Waren die Kapitäne auf See vorzügliche Nautiker und wußten ihre Schiffe im Wind zu halten, hatten sie weder vom Nil noch seinen Armen auch nur die geringsten Kenntnisse und wußten nichts von Untiefen und Strömungen. Schon bei der Einfahrt wäre eine Vielzahl der Schiffe auf Grund gelaufen und im günstigsten Fall manövrierunfähig liegengeblieben.

Zu Fuß passierbar waren die schmalen Landstreifen östlich und westlich des Deltas entlang des Mittelmeeres. Doch diese Landstreifen waren über weite Strecken karg und öde und hatten außer Salzwasser und dürrem Bewuchs wenig zu bieten. Die an den fruchtbaren Stellen lebenden Völker, Libyer im Westen und Asiaten im Osten (Abb. 18), teilten sich in Stämme und Stadtstaaten auf, die untereinander ebenso schnell Bündnisse eingingen wie sie diese wieder zerbrachen, doch nur selten eine ernsthafte Gefahr für die aus dem vereinigten Ober- und Unterägypten erwachsende Großmacht Ägypten bedeuteten.

Im Westen gab es kein gleichwertiges oder auch nur vergleichbares Reich, doch im Osten befanden sich gleich zwei, von welchen das eine Ägypten schwer zu schaffen machen und das andere das Land erobern sollte, das Reich der Hethiter und das der Perser.

Doch auch ihren Heeren war der Weg nach Ägypten versperrt, den Hethitern für immer und den Persern für lange Zeit. Denn hätten sie sich am Mittelmeer entlang bewegt, hätten ihnen Festungen den Weg versperrt, ohne daß ein Ausweichen durch die Felsenwüsten des Sinai möglich gewesen wäre. Die letzte Sperre bildete das Delta selbst; mit einem Netzwerk aus unzähligen Kanälen und Sümpfen war es denkbar ungeeignet für eine Feldschlacht.


Abb. 17: Der Mumienkopf Ramses‘ III.

Foto: G. Elliot Smith

Dieser von den Göttern und der Natur um Ägypten errichtete Schutzwall hatte seine Lücken und erwies sich letztlich nicht als unüberwindbares Bollwerk, weder für politische Strömungen noch für Eroberer.

Zwischen dem Mittleren und dem Neuen Reich wird Ägypten für nahezu hundert Jahre von den Hyksos beherrscht, von 945 bis 715 v. Chr. ist es die aus Libyen stammende Dynastie der Bubastiden, die regiert und die nubischen Könige der 25. Dynastie wird man zu späterer Zeit als die schwarzen Pharaonen bezeichnen.


Abb. 18: Die an den fruchtbaren Stellen lebenden Völker, Libyer im Westen und Asiaten im Osten, teilten sich in Stämme und Stadtstaaten auf, die untereinander ebenso schnell Bündnisse eingingen wie sie diese wieder zerbrachen.

Doch der eigentliche Todesstoß kommt aus dem Osten. Im Jahr 525 v. Chr. dringt der Perserkönig Kambyses II. mit seinem Heer in Ägypten ein und bringt dem Land eine wechselnde Besetzung, die rund zweieinhalb Jahrtausende andauern wird. Auf die Perser folgen die Griechen, Römer, Araber, Mamelucken, Osmanen und schließlich die Engländer, praktisch endet die Besatzungszeit erst 1953 mit der Gründung der Ägyptischen Republik durch den jungen Offizier Gamal Abd el Nasser.

Zwar hat sich der Begriff des „Pharaonischen Ägyptens“ sprachlich eingebürgert, doch ist er für den gesamten Zeitraum des alten Ägyptens falsch. Faktisch wurde die Zeit der Pharaonen mit dem letzten „echten“ Pharao, Psammetich III., durch Kambyses II. beendet.


Abb. 19: Das Heiligtum der Isis auf der Nilinsel Philae. Der Tempel wurde 551 auf Anweisung des spätrömischen Kaisers Justinian geschlossen.

Der Niedergang bis zum völligen Verschwinden des alten Ägyptens vollzieht sich in Etappen:

Die letzte uns bekannte Hieroglyphenschrift Ägyptens wird 394 im Heiligtum der Isis auf der Nilinsel Philae angebracht (Abb. 19). Der Tempel selbst wird 551 auf Anweisung des spätrömischen Kaisers Justinian geschlossen und eine christliche Siedlung gegründet, wobei Teile der Tempelanlage als Kirchen genutzt werden.

Mit dem Erlöschen der hellenistisch-römischen Epoche überläßt der byzantinische Kaiser Constans II. im September 642 das Reich am Nil kampflos den Arabern. – Hier endet das alte Ägypten.


Abb. 20 Keulenköpfe

Die Macht der Pharaonen

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